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14/2 VERFLUCHTE SIEBEN
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14/2 VERFLUCHTE SIEBEN
eBook407 Seiten4 Stunden

14/2 VERFLUCHTE SIEBEN

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Über dieses E-Book

Bei Restaurierungsarbeiten in der Schlosskapelle entdecken Mitarbeiter der Schlossherren — dem Ehepaar von Strattenberg — am 14. Februar ein geheimnisvolles Paket. Das Paket datiert aus 1827. Es stammt von den damals im Schloss residierenden Freimaurer-Logenbrüdern und enthält einen Auftrag an den Finder. Ein grausamer Doppelmord geschah. Die sieben dafür Verantwortlichen konnten zu Lebzeiten nicht mehr bestraft werden. Das soll in der Zukunft passieren. An einem Valentinstag.

Die Strattenbergs werden immer tiefer in die Geschichte verwickelt.

Dann steht der nächste Valentinstag vor der Tür. Acht Gäste treffen im Schloss ein. Bald steigen ihre Zweifel ob sie diesen Ort jemals wieder lebend verlassen würden können.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum11. Sept. 2018
ISBN9783746968070
14/2 VERFLUCHTE SIEBEN

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    Buchvorschau

    14/2 VERFLUCHTE SIEBEN - Reinhard Zellinger

    EIN JAHR ZUVOR

    Kapitel 1

    KEIN TAG WIE JEDER ANDERE

    Für Siegfried von Strattenberg hatte der Tag früher als sonst begonnen. Sofort nach dem Erwachen war er leise aus dem gemeinsamen Schlafzimmer geschlichen und hatte sich im angrenzenden Badezimmer ein morgendliches Bad gegönnt.

    Seine Gattin Roswitha schlief noch fest, als er die Wagenschlüssel und sein Portemonnaie in die Außentasche seiner Lammfelljacke steckte. Leise schloss er die Türe zum Wohnzimmer. Dann durchquerte er das Privatbüro und den vorgelagerten privaten Empfangsraum und begab sich nach unten in die Beletage.

    Er betätigte die Lichtschalter für die beiden Hauptlüster in der Kaminhalle und im Salon Valentin, durchquerte die Räume und öffnete schließlich die Tür zur Hauptterrasse. Langsam sog er die klare und kalte Winterluft ein.

    „Heute könnte es noch Schnee geben", dachte von Strattenberg, während er die Stufen nach unten zum Rondell schritt, in dessen Mitte der zentrale Springbrunnen angeordnet war. Er war nicht in Betrieb. Dafür war es viel zu kalt. Meist wurde er zwischen April und November aktiviert. Ganz selten wurden Ausnahmen gemacht.

    In der Nacht war offensichtlich etwas Schnee gefallen. Nicht viel, vielleicht zwei oder drei Zentimeter, aber es reichte, um die Parklandschaft in einem zauberhaften neuen Kleid erscheinen zu lassen. Damit bestand auch keine Möglichkeit, eine Ausnahme für den Betrieb des Springbrunnens auszusprechen, beim Valentinstagskonzert, das heute hier wie schon seit vielen Jahren stattfinden würde. Geheimnisvoll glitzerte der Schnee im fahlen Morgenlicht, während er in Richtung Carport marschierte. Der Schlossherr würde nun, wie an jedem vierzehnten Februar, zuerst einmal in die benachbarte Stadt fahren, um dort einen Blumenstrauß zu erwerben. Zurück im Schloss würde er das Frühstück zubereiten und dann seine Gattin mit einem Kuss und einem Rosenstrauß wecken. Er lächelte beim Gedanken an diese Szene.

    Strattenberg hatte das Carport erreicht, in dem zwei Fahrzeuge untergestellt waren. Neben einem schnittigen Jaguar parkte ein sehr alter Mercedes der Baureihe 600. Er öffnete die Fahrertür und startete den Motor. Der riesige Achtzylinder erwachte sofort zum Leben. Strattenberg wartete einige Sekunden, bis der Kompressor für die Luftfederung den vollen Druck in den Leitungen aufgebaut und sich der Wagen auf die Fahrposition gehoben hatte. Dann schob er den Hebel der Lenkradschaltung auf D und steuerte den schweren Wagen langsam durch den Schlosspark in Richtung Haupttor. Bis zum Blumenladen in Gloggnitz war es nur wenig mehr als ein Kilometer. Nicht genug, um den Motor auf Betriebstemperatur zu bringen und damit ein bisschen Wärme in den Innenraum zu bekommen. Fröstelnd schloss Strattenberg den obersten Knopf seiner cognacfarbenen Jacke und stellte den Kragen hoch.

    Beim Blumenladen angekommen, erinnerte er sich, dass heute am Morgen die Restaurierungsarbeiten in der Schlosskapelle starten sollten.

    Seine Gattin und er hatten lange überlegt und die Sanierung dieses Kleinods immer wieder verschoben. Anderen Bereichen des Schlosshauptgebäudes mit seinen rund zweieinhalbtausend Quadratmetern war bisher stets höhere Priorität eingeräumt worden. Nun war es aber endlich soweit und das bauliche Juwel mit Stuckaturen aus dem siebzehnten Jahrhundert sollte in etwa drei Monaten wieder in neuem Glanz erstrahlen.

    Er blickte auf seine alte Armbanduhr, ein Geschenk seiner lieben Gattin, und las ab: Sieben Uhr fünfzig.

    Strattenberg überlegte kurz, griff dann nach seinem Mobiltelefon und wählte die Nummer des Ehepaares Alphons und Louise Rodic. Die beiden waren vor einigen Jahren für diverse Haus- und Gartenarbeiten eingestellt worden und hatten ein kleines hübsches Appartement im Sockelgeschoss des Hauptgebäudes beziehen dürfen.

    „Guten Morgen Herr von Strattenberg."

    Louise hatte den Anruf entgegengenommen und war offenbar damit beschäftigt das Frühstück vorzubereiten.

    „Haben Sie und die gnädige Frau gut geschlafen?", erkundigte sie sich freundlich, während er vernahm, wie im Hintergrund eine Kaffeemaschine in Gang gesetzt wurde.

    „Danke, erwiderte der Schlossherr, „ganz vorzüglich. Hören Sie Louise. Sie wissen ja, dass wir heute mit der Restaurierung der Kapelle starten. Ich glaube, die Handwerker sind für acht Uhr angemeldet. Zeigen Sie ihnen den Weg zur Kapelle. Wie bitte? Jawohl. Eingang zum Sockelgeschoss! Genau! Ich bin in etwa fünfzehn Minuten wieder zurück.

    Strattenberg begab sich zum Blumenladen, der kurz zuvor seine Pforten geöffnet hatte. Er betrat das Geschäft und blickte sich um.

    Die Verkäuferin lugte aus dem Lagerraum in seine Richtung. „Guten Morgen, Herr von Strattenberg. Ich bin sofort bei Ihnen."

    Der Schlossherr wanderte durch den Raum und entdeckte dann den Behälter mit den frischen weinroten Rosen. Die Floristin war nun wieder nach vorne in den Verkaufsraum gekommen.

    „Wieder der Erste…. wie jedes Jahr am Valentinstag meinte sie lächelnd. „Ich nehme an, zwanzig langstielige rote Rosen? Wie immer?

    Der Schlossherr nickte und beobachtete die junge Frau, wie sie nun bemüht war, die schönsten Blumen auszuwählen.

    „Ich habe auch noch zwei kleinere Sträuße vorbereitet, bemerkte sie, während sie die einzelnen Blüten prüfte. „Ihre Gattin rief mich gestern an und gab die Bestellung auf. Sie haben heute am Abend ja wieder ihr traditionelles Konzert. Stimmt’s?

    Er nickte erneut.

    „Ich werde alle drei Sträuße in Papier einwickeln, wenn es Ihnen recht ist. Es ist kalt draußen."

    Sie packte den Rosenstrauß in einige Lagen weißes Seidenpapier.

    „Lassen Sie die Blumen nicht zu lange im Freien", empfahl sie schließlich, die Preise in die Kassa eintippend.

    „Ja, ich weiß, murmelte Strattenberg und griff nach seinem Portemonnaie. „In spätestens zehn Minuten bin ich zu Hause. Das sollte passen.

    Nachdem er bezahlt und die Blumen auf den Fondsitzen des Mercedes verstaut hatte, startete er den Wagen, wendete und rollte gemütlich durch die fast menschenleeren Straßen der Kleinstadt in Richtung Schloss.

    Louise hatte bemerkt, dass ein blauer Kastenwagen in den Park eingefahren war. Das mussten wohl die Handwerker sein. Sie schlüpfte in eine Wolljacke, öffnete die schwere schmiedeeiserne Tür und marschierte zum Lieferwagen, der direkt beim Rondell geparkt hatte. Zwei kräftige Männer waren ausgestiegen, die sich sogleich an den Hecktüren des Transporters zu schaffen machten.

    „Guten Morgen, meine Herren. Das Hausmädchen hob ihre Hand zum Gruß. „Mein Name ist Louise. Ich nehme an, Sie sind hier um mit den Restaurationsarbeiten in unserer Schlosskapelle zu beginnen.

    Die beiden blickten kurz auf und nickten.

    „Darf ich Sie bitten mir zu folgen."

    Wenig später befanden sie sich im Arkadenhof, der von einem kleinen Kreuzgang umschlossen war. Beim Anblick der alten Gewölbestrukturen und der vielen hier untergebrachten Gegenstände blieben die Männer stehen. Der ältere der beiden, offenbar der Vorarbeiter, stieß einen Pfiff aus. „Oh là là. Das ist ja ein Schmuckstück. So lässt sich’s leben!"

    Louise öffnete die Tür zum Vorraum der Schlosskapelle. „Meine Herren, wir befinden uns nun in der Sakristei. Und hier, sie deutete zum nächsten Durchgang, „finden Sie die Kapelle. Ich darf Sie nun bitten, Ihre Arbeitsutensilien hierher zu bringen und nichts in dem Arkadengang abzustellen. Sobald Sie mit den Arbeiten beginnen, sollten die Türen von Kapelle und Sakristei geschlossen bleiben. Das ist wichtig!, meinte sie mit strengem Blick. „Wir haben heute am Abend eine große Veranstaltung und der Bereich da draußen ist bereits gereinigt. Nun wünsche ich frohes Schaffen. Bis später!"

    Siegfried von Strattenberg hatte den Mercedes wieder im Carport geparkt, die Blumensträuße an sich genommen und die Türen verschlossen. Beim Rondell stand ein Lieferwagen, aus dem zwei Männer eben eine Aluminiumleiter entluden. Er überquerte die Brücke, die über den alten Mühlbach führte und begab sich zu den Arbeitern.

    „Einen schönen guten Morgen."

    Die beiden setzten die Leiter ab und blickten ihn verunsichert an. „Guten Morgen!"

    „Strattenberg ist mein Name. Meine Gattin und ich freuen uns, sie hier begrüßen zu dürfen. Unsere Kapellen- und Stuckspezialisten, richtig? Womit werden sie heute beginnen?"

    Die Frage war eher rhetorisch gemeint, denn der Ablauf der Restaurationsarbeiten war im Vorfeld genau geplant und besprochen worden.

    „Wir laden jetzt mal den Rest aus und räumen dann alles in die Kapelle. Danach bauen wir das Gerüst auf und beginnen mit der Inspektion der Deckenkonstruktion und der alten Stuckaturen."

    „Bestens", freute sich der Hausherr, nickte ihnen zu und stieg dann einige Stufen der Terrassentreppe nach oben.

    Unterwegs drehte er sich nochmal um. „Ach! Ich habe noch eine Bitte. Ihr Fahrzeug sollte ab halb fünf nicht mehr hier parken. Wir haben heute eine Veranstaltung am Schloss."

    „Ja, wir wissen darüber Bescheid. Keine Sorge, bemerkte nun der Jüngere der beiden. „Da sind wir schon weg. Wir arbeiten nur bis drei am Freitag.

    Strattenberg begab sich ins Innere des Gebäudes, löschte die Lichter der Lüster und marschierte nach oben zu den privaten Wohnräumen. Nach etwa zehn Minuten hatte er den Frühstückstisch gedeckt und die Rosen versorgt.

    „Guten Morgen, mon lapin." Roswitha von Strattenberg war inzwischen wach geworden.

    Er drehte sich zu ihr und gab ihr einen zarten Kuss auf die Stirn. „Guten Morgen, mein Spatz."

    Mit einem Seitenblick auf den Rosenstrauß flüsterte er ihr ins Ohr: „Ich wünsche Dir einen wunderbaren Valentinstag!"

    Sie strahlte ihn an, trat auf die Zehenspitzen und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen.

    „Die Arbeiter für die Kapelle sind eingetroffen."

    „Ja, ich weiß, erwiderte sie und klappte ihren Kalender auf. „Ich habe den Wagen gesehen. Marie-Claire kommt heute erst um zehn Uhr, stellte sie nach einigen Sekunden fest. „Was meinst Du Siegfried, wie spät wird es heute wohl werden?"

    „Ich schätze es dauert wohl solange, bis ich die Terminglocke läute. Aber ich verspreche Dir, heute werde ich es nicht vergessen."

    „Und was ist Dein Wunsch zum Valentinstag, mon lapin?"

    „Mein Wunsch?"

    Seine Augen wanderten durch den Raum. „Ich wünsche mir, dass unsere Arbeiter in der Kapelle endlich den Schloss-Schatz finden."

    Sie begann herzhaft zu lachen. „Du und Dein Schatz, mein lieber Mann. Also diesen Wunsch kann Dir wohl niemand erfüllen."

    „Wenn Du möchtest, fahren wir anschließend nach Reichenau. Er blickte seine Frau fragend an. „Ein Gläschen Champagner zum Valentinstag, bevor wir uns an die Arbeit machen? Er hob die Augenbrauen.

    „Wunderbar. Sagen wir um elf?"

    Strattenberg blickte auf seine Uhr. „Das heißt in zwei Stunden? Passt perfekt. Ich wollte ohnehin noch meine Post sichten und dann unsere Arbeiter besuchen."

    Wenig später stand Siegfried von Strattenberg in der Schlosskapelle und beobachtete die Arbeiter, wie sie das Mauerwerk sowie den Stuck an der kleinen Kuppeldecke mit feinen Besen vom Staub befreiten. Er wollte sich eben nach oben in die Wohnräumlichkeiten begeben, als er bemerkte, dass Marie-Claire eingetroffen war. Der Schlossherr begrüßte sie herzlich und marschierte dann auf die dritte Schlossetage, wo er seine Gattin am Schreibtisch vorfand. Sie war in den Bildschirm Ihres Laptops vertieft und hatte sein Eintreten offenbar nicht bemerkt.

    „Ich denke, wir sollten nach unten gehen!, meinte er leise. „Es ist zehn. Kommst Du?

    Die Morgenbesprechung in der Kaminhalle dauerte an diesem Tag nur fünfzehn Minuten. Die Hausherren informierten das Team über die definitive Anzahl der Gäste, erörterten Sonderregelungen zur Betreuung, besprachen die kulinarische Begleitung zum Champagner, der heute unter anderem wieder kredenzt werden sollte und erklärten schließlich, dass die Veranstaltung an diesem Abend spätestens um ein Uhr zu Ende gehen müsse. Die Mitarbeiter wechselten zweifelnde Blicke untereinander.

    Nach der Besprechung waren Sie in Ihren Mercedes gestiegen und in Richtung Reichenau abgefahren. Alle im Team wussten über die Tradition Bescheid und niemand von ihnen hätte es gewagt, diese zu stören.

    Siegfried und Roswitha von Strattenberg hatten eben das Hotel erreicht, in welchem sie ihren Valentinstagmorgen mit einem Glas Champagner verabschieden wollten, als plötzlich das Summen in der Handtasche der Schlossherrin einen Anruf verkündete.

    „Es ist Marie-Claire."

    Strattenberg runzelte die Stirn, während beide zur Hotelbar schlenderten und seine Gattin den Anruf entgegennahm.

    Aus dem Mobiltelefon war die aufgeregte Stimme der rechten Hand der Schlossherren zu vernehmen. „Entschuldigen Sie, ich möchte nicht stören, aber hier ist etwas Unglaubliches passiert. Wir haben etwas gefunden. Ich meine die Arbeiter in der Kapelle!"

    „Was denn?"

    „Bitte kommen Sie schnell. Sie müssen sich das ansehen!"

    „Gut, wir sind schon unterwegs", erklärte die Baronin. Marie–Claire legte auf. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass niemand in ihrer Nähe war, wählte sie eine weitere Nummer.

    Kapitel 2

    EIN UNERWARTETER ANRUF

    Nachdem sie der Anruf von Marie-Claire erreicht hatte, waren sie sofort aufgebrochen. Die Hausdame hatte berichtet, dass die Arbeiter bei der Inspektion der Deckenkonstruktion auf ein kleines Paket gestoßen waren. Es war wohl zwischen der Holzverschalung und dem darüber angebrachten, teilweise defekten Stuck, versteckt gewesen. Es würde alt aussehen, hatte sie noch hinzugefügt.

    In all den Jahren, seit die Strattenbergs auf diesem Schloss wohnten, war es nicht sehr oft vorgekommen, dass neue Funde gemeldet werden konnten. Gewiss, altes Gerümpel war immer wieder bei Mauersanierungen oder auch bei Grabungen im Park entdeckt und anschließend sofort entsorgt worden. Aber ansonsten hatten die vormaligen Schatzsucher wohl gründlich gearbeitet. Doch unter dem Stuck in der alten Kapelle nachzusehen, auf diese Idee war bisher noch niemand gekommen.

    Marie-Claire begrüßte sie aufgeregt und erklärte, sie habe das Paket bereits nach oben gebracht und auf den Klostertisch im Wohnbereich gelegt. Wenig später standen sie vor dem langen Tisch, wo sie noch vor Kurzem ihr Frühstück eingenommen hatten. Der Inhalt war in ein Stück braunes Leder eingeschlagen und mit zwei Schnüren fest verzurrt. Der Einband zeigte einige dunkle Flecken, war aber ansonsten völlig unversehrt. Das Alter war schwer abzuschätzen. Es mochte hundert Jahre alt sein, vielleicht auch mehr.

    Fragend blickte Roswitha ihren Mann an. „Was meinst Du, mon lapin? Wollen wir?"

    Strattenberg nickte und legte das Bündel wieder auf den Tisch. Schnell waren die Schnüre durchtrennt. Vor Ihnen lag ein versiegelter Brief und ein kleines, ebenfalls in Leder gebundenes Buch. Am Buch waren an Vorder- und Rückseite je ein Wachssiegel angebracht. Zusammengehalten wurde es durch ein kleines, rotfarbenes Band.

    Der Schlossherr betrachtete die beiden Siegel am Bucheinband und erbleichte.

    „Das hier ist das Wappen der Reichsgrafen von Walsegg. Und es ist auf beiden Seiten völlig intakt. Siehst Du?"

    Er zeigte ihr die beiden Seiten des Einbands.

    „Aber, erwiderte Roswitha von Strattenberg flüsternd, „wenn das hier sein Wappen ist… und diese Siegel nicht aufgebrochen wurden, dann bedeutet das ja..

    „Ganz genau!, setzte ihr Mann fort, „dann bedeutet das, dass dieses Paket sehr lange Zeit in seinem Versteck gelegen hat.

    Er griff nach dem Kuvert. Es stammte offenbar aus der gleichen Zeit wie das Buch. Und es war ebenfalls versiegelt. Doch wurde ein anderes Wachs verwendet, wie er sofort feststellen konnte. Zudem war ein anderer Stempel eingedruckt worden. Das Siegel unterschied sich eindeutig von jenen, die auf der Vorder- und Rückseite des Buches angebracht worden waren.

    Strattenberg betrachtete es sorgfältig, marschierte dann zum Schreibtisch und kam weniger später mit seiner Leselupe zurück.

    „Die Aufschrift ist klar zu erkennen. Hier steht ‚Die Weisse Bruderschaft‘. Die Symbole darunter muss ich mir aber noch genauer ansehen."

    Er bat seine Gattin ein Foto zu machen.

    „Wenn wir dieses Siegel jetzt aufbrechen, dann haben wir vielleicht eine entscheidende Spur vernichtet, erklärte er. „Es ist sicherlich besser, wir machen ein paar Bilder.

    „Was meinst Du Siegfried?, fragte sie aufgeregt. „Können wir jetzt endlich reinschauen?

    Beide wussten, dass diese Frage eigentlich längst beantwortet war.

    „Wir beginnen mit dem Buch", entschied der Schlossherr und klappte den Deckel auf.

    Was er nun zu lesen bekam ließ ihn erstarren. Auf der Innenseite stand mit roter Tinte geschrieben.

    Mein Vermechthniss

    Franz Anton de Paula RG v. Walsegg

    Stuppach am 20.September 1827

    Roswitha von Strattenberg blickte auf den Text und dann in das fassungslose Gesicht ihres Gatten.

    „Was ist los Siegfried? Sag’ doch! Was steht hier?"

    Ihr Mann war in den vergangenen Jahren immer wieder mit dem Studium von alten Manuskripten und Schriften aus Mozarts Zeiten beschäftigt gewesen. Sie wusste, dass er keinerlei Mühe hatte, Texte aus dieser Epoche entziffern zu können.

    „Roswitha, er schluckte kurz, „ich glaube, hier haben wir einen Schatz erhalten, der noch viel mehr wiegt, als die erträumte Kiste mit ein paar Goldmünzen. So wie es aussieht, ist dies das Vermächtnis unseres lieben Grafen Franz Anton, der hier 1827 verstorben ist.

    Sie blickte ihn entgeistert an.

    „Wie? Du meinst dieses Buch stammt wirklich von ihm?"

    Strattenberg nickte.

    „Ich denke das Buch ist echt."

    Das Telefon des Barons klingelte. Seufzend legte er das Büchlein zur Seite, erhob sich, nahm das Smartphone in die Hand und blickte auf das Display. Anruf von Unbekannt war hier zu lesen. Missmutig überlegte er, ob er zu dieser Stunde und intensiv beschäftigt, mit einem ihm Unbekannten jetzt ein Gespräch führen wollte. Doch gleichsam einer inneren Stimme folgend entschied er sich den Anruf doch entgegenzunehmen.

    „Strattenberg – Grüß Gott! Mit wem spreche ich?"

    Einige Sekunden lang war nichts zu hören. Der Schlossherr blickte irritiert zu seiner Gattin und runzelte die Stirn.

    Entschuldigen Sie bitte, dass ich störe, Herr Baron, meldete sich schließlich eine Männerstimme. Sie schien einem Norddeutschen zu gehören.

    „Ich rufe an wegen des Paketes, das heute auf Ihrem Schloss gefunden wurde."

    Der Schlossherr erbleichte.

    „Was ist los, mon lapin?" flüsterte seine Gattin sichtlich irritiert.

    „Entschuldigen Sie, unterbrach ihn die ruhige Stimme am anderen Ende der Leitung. Es ist mir völlig bewusst, dass Sie verblüfft sind. Sie überlegen sicherlich, woher ich über den Fund Kenntnis erlangt habe und vermutlich tauchen bereits weitere Fragen auf. Gerne beantworte ich ihnen diese. Vielleicht nicht alle jetzt am Telefon, sondern im Rahmen eines persönlichen Treffens, um welches ich Sie und Ihre Gattin ersuche. Aber bitte erlauben Sie mir, Ihnen vorab noch zwei Fragen zu stellen. Es ist sehr wichtig!"

    Der Schlossherr überlegte einige Sekunden.

    „Also gut. Ich möchte aber, dass meine Gattin in diese Unterhaltung ab jetzt direkt eingebunden wird. Ich werde jetzt auf Lautsprecher schalten."

    Strattenberg drückte eine Taste auf seinem Smartphone. „Vielleicht darf ich ihnen auch die ein oder andere Frage stellen. Wer sind Sie? Werden wir überwacht? Sind Kameras und Mikrofone bei uns am Schloss montiert, von denen wir nichts wissen?"

    Der Anrufer lachte.

    „Diese Frage lagen natürlich auf der Hand. Ich heiße Rudolf von Sternberg, bin gegenwärtig der Großmeister der Weissen Bruderschaft. Sie werden nicht überwacht."

    „Die Weisse Bruderschaft existiert noch?"

    „Ja. Sie ist immer noch präsent und in den letzten zweihundert Jahren ziemlich gewachsen", erklärte die norddeutsche Stimme.

    „Also gut… was wollen Sie wissen?"

    Siegfried von Strattenberg hatte sich wieder einigermaßen im Griff.

    „Zuerst einmal wollte ich mich erkundigen, ob Sie das Paket schon geöffnet haben?"

    Das Ehepaar blickte sich an.

    „Mein Mann hat lediglich im Buch geblättert", stellte die Schlossherrin verunsichert fest.

    Den Brief haben wir noch nicht studiert, ergänzte der Baron.

    „Damit wäre auch meine zweite Frage beantwortet. Ich danke Ihnen für Ihre Offenheit", erklärte der Großmeister mit freundlicher Stimme.

    „Mit dem Auffinden des Paketes hat sich für eine bestimmte Gruppe von Menschen die einzigartige Chance ergeben sich einer großen Schuld zu entledigen."

    „Und was bitte haben wir mit dem Schicksal dieser verlorenen Seelen zu tun?, wollte die Baronin wissen. „Ich würde Sie gerne persönlich treffen um ihnen alles zu erklären, drängte die Stimme aus dem Lautsprecher.

    Die Strattenbergs blickten sich fassungslos an.

    „Wo wollen wir uns treffen?"

    „Ich werde diesen Freitag um 15 Uhr am Wiener Flughafen eintreffen, bemerkte der Anrufer. „Gut. Wir schlagen als Treffpunkt das Café Sacher vor. Es ist ganz in der Nähe des Meeting Points.

    „Ich kenne das Café. Also dann. Bis Freitag um drei."

    Die Verabschiedung war knapp. Roswitha von Strattenberg blickte ihren Gatten erwartungsvoll an, der sprachlos auf das vor ihm liegende Buch starrte.

    Kapitel 3

    TREFFEN MIT UNBEKANNTEN

    Es ist schon dreißig Minuten nach drei!" Der Schlossherr blickte nervös auf seine Armbanduhr. Das elegante Paar hatte eben die zweite Bestellung aufgegeben.

    „Die Maschine aus Stuttgart ist erst vor zehn Minuten gelandet", beruhigte ihn seine Gattin.

    „Zweifelst Du, dass er kommt?" Strattenberg schüttelte den Kopf.

    „Das, mein Spatz, schließe ich aus. Nein, der Mann klang für uns beide doch überzeugend. Er wird kommen."

    In diesem Moment erfassten ihre Blicke fast gleichzeitig einen hochgewachsenen bärtigen Mann mit längerem weißen Haar.

    „Das könnte er sein!", flüsterte die Baronin. Strattenberg nickte.

    Der Weißhaarige bestätigte ihre Vermutung, indem er eiligen Schrittes geradewegs auf sie zumarschierte. Kaum eine Minute später hatte der Mann ihren Tisch erreicht. Er fixierte das Ehepaar durch seine kleine, runde Hornbrille.

    „Frau von Strattenberg, wie ich vermute?"

    Sie nickte kurz und reichte ihm die Hand, die er galant küsste.

    „Es freut mich Sie kennenzulernen."

    „Die Neugier liegt ganz auf meiner Seite." Die Baronin lächelte.

    „Rudolf von Sternberg ist mein Name."

    Er wandte sich zu ihrem Mann, der sich von seinem Platz erhoben hatte. „Und natürlich freut es mich auch sehr, Ihre Bekanntschaft zu machen."

    Die beiden Männer schüttelten sich die Hände.

    „Bitte entschuldigen sie meine Verspätung. Wir mussten noch ein paar Runden über Wien drehen. Es gab wohl zu viel Verkehr hier."

    Der Schlossherr lud ihn durch eine Geste ein, Platz zu nehmen. In diesem Moment erschien der Kellner und servierte die bestellten Getränke. Zwei Cappuccinos mit je einem Glas Mineralwasser.

    „Darf ich Ihnen auch einen Getränkewunsch erfüllen?", erkundigte sich der Service-Mitarbeiter beim Neuankömmling.

    Der Weißhaarige nickte.

    „Bringen Sie mir bitte genau das Gleiche, was die Herrschaften hier bestellt haben", erklärte er mit einem Lächeln.

    Der Kellner nickte kurz und entfernte sich in Richtung der Theke. Sternberg blickte immer noch lächelnd zu den beiden Schlossherren.

    Was ich ihnen gleich erzählen werde, wird sie in Staunen versetzen. Und Sie werden sicherlich daran zweifeln. Betrachten Sie es einfach als natürliche Reaktion von Nichteingeweihten.

    Er blickte kurz auf seine Armbanduhr.

    „Wir haben jetzt knapp zwei Stunden Zeit, bevor ich wieder zum Gate muss. Am besten gehen wir gleich in medias res."

    Das Ehepaar nickte.

    In diesem Augenblick erschien erneut der Kellner mit einem weiteren Cappuccino.

    Der Großmeister

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