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Die Spur des Ketzermeisters: Ein historischer Roman mit zahlreichen Illustrationen
Die Spur des Ketzermeisters: Ein historischer Roman mit zahlreichen Illustrationen
Die Spur des Ketzermeisters: Ein historischer Roman mit zahlreichen Illustrationen
eBook418 Seiten5 Stunden

Die Spur des Ketzermeisters: Ein historischer Roman mit zahlreichen Illustrationen

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Über dieses E-Book

Wir schreiben das Jahr 1427. Der vierzehnjährige Josef wächst ohne Eltern in Stettin auf. Seine Mutter wurde auf dem Scheiterhaufen verbrannt, sein Vater verschwand spurlos.
Eine Namensliste, die ihm seine Mutter als einzige Erinnerung in einer kleinen Truhe versteckt hinterlassen hat, erweckt das Interesse des Ketzermeisters und eröffnet die Jagd auf den jungen Josef. Der einzige Ausweg scheint eine Flucht aufs Meer zu sein. Doch das würde bedeuten, seine Freunde, seine Zieheltern und nicht zuletzt seine Liebe zurückzulassen.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum9. Aug. 2016
ISBN9783734536885
Die Spur des Ketzermeisters: Ein historischer Roman mit zahlreichen Illustrationen

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    Buchvorschau

    Die Spur des Ketzermeisters - Karl-Heinz Waschke

    Teil I

    Gebt Ruhe jetzt oder ich lasse euch durch die Stadtwache hinauswerfen!«, brüllte der Stadtrichter Däne mit hochrotem Gesicht. Sein grauer Bart bebte und die weit geöffneten Augen warfen Blitze, die nicht zu übersehen waren. »Ihr befindet Euch hier nicht in einer Hafenschenke unter sturzbesoffenem Pöbel!«

    Seine grollende Stimme füllte den Raum. Der Richter Däne war nur ein kleiner, schmächtiger Mann. Wer ihn nicht kannte, hätte ihm niemals solche Stimmgewalt zugetraut. Die Zurechtweisung war an Wolf von Birkow und Titus Kolbe gerichtet. Sie ließ die beiden Herren wie bösartige Wolfshunde aufspringen. Beide reckten die Fäuste in die Höhe, geiferten laut und ungehalten. »Ihr seid unverschämt, Richter Däne! Wer gibt Euch das Recht, uns zu erniedrigen, uns zum Pöbel zu zählen? Das ist eine bodenlose Ungeheuerlichkeit, eine noch nie so geäußerte Frechheit, die wir Euch nicht durchgehen lassen. Das, Richter Däne, nehmt zur Kenntnis!«

    Hochgereckt standen die beiden inmitten der Schar derer, die an dieser Verhandlung teilnahmen. »Wir sind Bürger dieser Stadt, versehen mit Bürgerrechten. Wir haben den Eid gesprochen, Richter Däne!«, fauchte Titus Kolbe. »Wollt Ihr uns für eure und die der Schöffen nachlässige, schlamperte und ohne Sorgfalt abgehandelte Prozessführung büßen lassen? Es scheint als wollt Ihr uns die Ehre beschneiden?«

    »Ihr seid des Teufels, Richter Däne!«, ergänzte Wolf von Birkow die Worte des Mitvormundes. Sie waren hitzig und voller Hohn ausgestoßen, standen ätzend und durchdringend im Verhandlungsraum. Die Lage, ja die ganze Situation im kleinen Saal des Rathauses war aufgeheizt, äußerst angespannt und vergiftet. Die Sonnenstrahlen, die durch die bunten Scheiben blinzelten, tauchten zwar alles in ein farbiges Licht, doch auch sie vermochten es nicht, die harten und verkrampft wirkenden Gesichtzüge der verklagten Witwe, Elvira von Birkow, geborene von Schluttow, zu glätten, sie zu ermuntern, ihre zu Schlitzen verformten Augen zu öffnen.

    Noch weniger aber vermochten sie es, die wütenden Mienen der Testamentsvollstrecker Hanß und Heinrich von Birkow sowie die des Dubslaw von Jaspert zu lockern. Der Tod hatte den alten Stadtkämmerer Conrad von Birkow hingerafft. Siebzig Jahre, fast bis auf den Tag genau, ist er alt geworden. Seine Zeit hat er zu nutzen gewusst. Zahlreiche liegende und stehende Gründe sowie allerlei sonstiges Gut, gehörten ihm. Doch jetzt, nach seinem Dahinscheiden, rauften sich seit Monaten die Erben um das Hergewende oder Radeleve, den Anteil der Hinterlassenschaft, welcher der nächsten weiblichen Verwandten zufällt. Zahlreiche Klagen gegen die hartherzige und eigensinnige Witwe, Elvira von Birkow, füllen schon das Gerichtsbuch. Doch die Alte hielt zäh und mit harter Hand fest, was sie für ihr Eigen hielt.

    Der Stadtrichter Däne hatte sich vorgenommen, diese mühselige Klagesache am heutigen Gerichtstag ein für allemal vom Tisch zu fegen. Ganz im Stillen hatte er auch gehofft, dass die Hinzuziehung der Mitvormünder Wolf von Birkow und Titus Kolbe, beide sehr wortgewaltig und bissig, die Sache beschleunigen werde. Er tat das auf Anraten der anderen Vormünder, die sich einfach überfordert sahen. Die beiden sollten derer von Birkow heiße Luft unters Gesäß blasen. Nur zögernd hatte er zugestimmt, wünschte, dass deren Teilnahme sich hilfreich auswirken werde. Doch es war ein Pfeilschuss ins eigene Nest geworden. Er haderte mit sich selbst. Er hätte es wissen müssen, dass sich diese beiden Männer nicht vor eine fremde Karre spannen lassen. Schließlich war es ja nicht das erste Mal, dass sie sogar wegen ihrer ungebührlichen Redeweise und Wortwahl in Verhandlungen sehr streng ermahnt werden mussten. Doch heute empfand er das erträgliche Maß als übervoll. Es reichte ihm. Dem Stadtrichter platzte der Kragen. Überaus laut und stechend, hochrot im Gesicht, verkündete er: »Wolf von Birkow und Titus Kolbe, nehmt von mir zur Kenntnis, dass das Stadtgericht mit Richter und Schöffen bei ihren Entscheidungen das Magdeburger Recht mit den eingearbeiteten Konstitutionen zu Grunde legt, das auch für unsere Stadt Stettin gilt. Das wisst ihr genau. Diese gelten damit auch für die Bestimmungen über den Anteil der Hinterlassenschaft. Dieses Gericht nimmt es deshalb auch nicht hin, in einer öffentlichen Verhandlung verunglimpft und mit Schimpf und Schande bedeckt zu werden!«

    Diese Worte, klar und akzentuiert, kamen an. Im kleinen Saal wurde es still. Umso deutlicher war der unmissverständliche Befehl zu vernehmen: »Stadtwache, habt Acht! Nehmt die Herren Wolf von Birkow und Titus Kolbe fest. Werft sie in den Turm! Ich, der Richter Henricus Däne, klage beide des Friedens- und Rechtsbruches an! – Die heutige Verhandlung ist damit geschlossen!«

    Der Stuhl mit seiner hohen Lehne schurrte laut über den Boden. Aufrecht und mit erhobenem Haupt, sich seiner Würde sehr bewusst, verließ er den Gerichtssaal. Sie Schöffen folgten ihm ein wenig hastiger als sonst. Zur selben Zeit verschafften sich die Büttel mit ihren Spießen raumgreifend Platz, um die beiden Arretierten wegzuführen. Der Lärm schwoll an. Er verlagerte sich sogar langsam nach draußen, machte nachhaltig deutlich, dass es auch in der Stadt gärte. Bereits der kleinste Anlass wurde genutzt, um Stimmung gegen die Stadtobrigkeit zu machen, sie herauszufordern. So war es denn auch überhaupt kein Wunder, dass eine große Anzahl von Bürgern die Verhafteten begleitete und lauthals ihren Unmut über das Vorgehen des Stadtgerichtes kund tat.

    Josef Buchhold, ein noch ganz junger, aber pfiffiger Bursche trottete neben dem Trupp mit ihren Gefangenen her. Der Schriftgewandte Titus war sein Ziehvater. Oft begegneten sich ihre Blicke. Meist dann, wenn einer aus der Eskorte ihm nicht die Sicht nahm, bemerkte er, dass ihm Titus etwas sagen wollte, das harte Vorgehen der Wachleute aber fürchtete.

    In dem Moment, als sich die Tür des Turmes öffnete, vernahm er dann aber seine Stimme: »Lauf, Junge lauf! Lauf nach Hause und berichte der Mutter, was geschehen ist. Sie soll sich bei Gott nicht ängstigen. Wir werden sicher bald wieder frei sein!«

    Der Junge hörte noch das laute Aufbegehren. Dann krachte die Tür hinter der Wache und den beiden Gefangenen zu. Ohne sich noch einmal umzudrehen, rannte Josef den Weg zurück. Das Rathaus blieb zur rechten Hand liegen.

    Er bog in die Mittenwochestraße ein, querte den Fischmarkt und stoppte das Tempo vor einem einstöckigen, gut verputzten Haus in der Bomstraße. Das Tor zum Hof stand offen. Schnell trat er ein. Er sah die Ziehmutter und auch den kleinen Sebaldus. Sie fütterten gerade eine ansehnliche Hühnerschar. Der schnelle Lauf ließ ihn schnaufen und ein wenig abgehackt reden: »Mutter, die Stadtknechte haben den Vater in den Turm gebracht!«, keuchte er. Der gerade mal vierzehn Jahre alte Junge hatte Mühe, die plötzlich kalkweiß gewordene Frau abzustützen. Sie wäre fast zwischen die Hühnerschar gefallen.

    »Ihr sollt euch um Gottes Willen nicht aufregen. Er käme bald wieder raus«, stotterte Josef hinterher und half der Frau, wieder Haltung vor ihrem kleinen Sohn zu finden, der den Vorgang mit ganz großen Augen verfolgte.

    Zur gleichen Zeit waren Johannes Holste, der Vormann der Schiffs- und Bootsführer, Fahrleute und Seemänner, Wrobel Unruh von der Bruderschaft der Seiler und Segelmacher sowie auch Klaus Härtes von den Wollwebern unterwegs, um eine Verbindung zu den Alterleuten der Kaufmannschaft herzustellen. Die drei Männer kannten den vorbeistürmenden Jungen sehr gut. »Du lieber Gott, der hat es aber verdammt eilig!« Johannes Holste wandte den Kopf zurück und wunderte sich, dass der Bengel so ohne einen Gruß an ihnen vorbeirannte. Er mochte den aufgeweckten Jungen, dessen Eltern niemand so richtig kannte. Der Josef und sein Sohn sind gute Freunde.

    »Da stimmt doch was nicht!«, murmelte er und schüttelte nachdenklich sein schon grauhaariges Haupt. »Es ist nicht seine Art, einfach so an mir vorbeizurennen.« – Die Gedanken, die ihm durch den Kopf gingen, ließen ihn einfach nicht los. Sie drehten sich um die am Vortag von hitzigen Bürgern heruntergerissene Tafel. Auf der waren die vom Hansetag festgelegten neuen Statuten bekannt gemacht worden, die ein noch schärferes, strengeres, Vorgehen gegen die Aufrührer und Verschwörer in der Stadt vorsahen. Auch eine kurzfristige, kaum noch hinnehmbare Steuerzahlung wurde darauf angekündigt. Sie, als Sprecher ihrer Innung und Bruderschaft, suchten Möglichkeiten eines geschlossenen, gemeinsamen Auftretens der Bürgerschaft gegen diese Forderung. So hatte er den Jungen dann auch schnell wieder vergessen.

    Die drei Männer befanden sich auf dem Weg zum »Seglerhaus«, dem Sitz der Kaufmannschaft. Die gehörte neben den Gewandschneidern, Tuchmachern und Wollwebern zu den ältesten Zünften und Bruderschaften der Stadt und genoss deshalb im Rat ein sehr hohes Ansehen. Die »Burspracke«, die zwei Mal im Jahr vor der versammelten Gemeinde auf dem Heumarkt vom Balkon des Rathauses aus stattfand, verkündet stets neue Bekanntmachungen, Anordnungen und gültige Bestimmungen. Sie hatte bereits zu Beginn des vergangenen Jahres nach der Walpurgisnacht, am 1. Mai, die Empörung der Bürgerschaft angeheizt, weil von Jahr zu Jahr immer mehr Gebiete des wirtschaftlichen, häuslichen, ja sogar des ganz persönlichen Lebens der polizeilichen Aufsicht und damit der des Rates unterstellt werden.

    Es heißt nur noch: Der Rat gebietet – oder verbietet! So solle sich jeder mit dem nötigen Brotkorn versehen und den Schoß ja zur rechten Zeit zahlen. Er solle die Straßen rein halten. Schlamm, Mist und Kehricht dürfen die Straßen nicht verunreinigen. Ein Nachbar muss schließlich auch zum anderen kommen können, hieß es. Auf das Feuer solle er achten, seinen Harnisch müsse er bereithalten, um auch der ihm obliegenden Wehrpflicht nachkommen zu können. Keinesfalls darf vergessen werden, die Schweine aufs Feld zu treiben. Doch vor allem habe er die Anordnungen des Rates ohne Widerrede zu befolgen. Dabei solle er mit seinen Worten vorsichtig sein, nicht lästern, schelten oder räsonieren. Verbote, wie etwa das Korn vor dem Stadttor zu kaufen oder Getreide und Mehl ohne Erlaubnis des Rates auszuführen, das Auszapfen von fremdem Bier außerhalb des Ratskellers und der unbeschränkte Handel mit den Fremden, der nur vorgenommen werden darf, wenn die Einheimischen das, was sie brauchten, bereits erworben haben, werde murrend hingenommen.

    Doch das jetzt verschärfte, strengere Vorgehen gegen die Mäkelnden, die zu Aufrührern und Verschwörern wider den Rat gestempelt werden und der neue Schoß, die Steuererhebung sowie der gemeine Pfennig für den Kampf gegen die Hussiten, ließ die Bürger tätlich aufbegehren, führte zum Abriss der Verordnung und zu wütendem Geschrei vor dem Rathaus.

    Diese angespannte Situation beschäftigte die drei Männer. Sie redeten wenig, strebten mit forschen Schritten dem Sitz der Kaufmannschaft zu und hofften insgeheim, mit den Altermännern ins Gespräch zu kommen, um sie zu einem gemeinsamen Auftreten vor den drei Bürgermeistern bewegen zu können. Ohne sie ging nichts. Die Kaufmannschaft in der Stadt, mit ihnen die vier Altermänner, die zwei Kämmerer, die ebenfalls aus dem Stand der Großkaufleute kamen, stellten eine fast unbezwingbare Macht dar. Gegen die anzurennen, versprach wenig Erfolg. Doch die Männer, die Meister und Gesellen, die sie vertraten, hatten dieses Gespräch gewünscht. So wollten sie nun versuchen, dieser Aufgabe gerecht zu werden.

    Den Fischmarkt hatten sie bereits überquert. Als sie in die Mittenwochestraße einbogen, hörten sie schon das laute und vielstimmige Aufbegehren einer aufgeheizten, größeren Menschenmenge. Worum es ging, das war noch nicht so richtig zu vernehmen. Erst als sie in die Frauenstraße traten, umfing sie ein heilloses Bürgergewimmel und die Nachricht, dass Titus Kolbe, der stadtbekannte Schriftgewandte, und Wolf von Birkow, zwei wirklich angesehene Bürger, vom Stadtrichter verfügt, schmachvoll durch Stadtknechte ins Verlies geworfen worden sind. »Jetzt zerfleischen sich die honorigen Bürger schon untereinander«, raute Johannes Holste dem Wollweber Klaus Härtes zu. »Nun geht mir auch ein Licht auf, warum der Josef so angerannt kam«, setzte er noch hinzu. »Er hat gesehen, wie die Büttel seinen Ziehvater ins Gefängnis warfen. Das ist keine einfache Sache für ihn und sein Zuhause. Ich gehe nachher schnell mal zu ihnen.«

    »Mach das!«, knurrte Wrobel Unruh. Er ist ein wortkarger Mann. Sein Beruf an der Seilerbahn bot ja auch kaum Gelegenheit, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Im Haushalt gab die Frau den Ton an, da blieb nicht viel Zeit übrig, redselig zu werden.

    »Das brodelt hier aber mächtig. Hoffentlich lässt sich bald einer vom Rat auf der Kanzel sehen, sonst platzt die Blase! Erst der Abriss der Tafel mit den drohenden Verordnungen, nun die Festnahme eines honorigen Schriftgewandten und eines würdigen, betuchten Kaufmannes, das kann mächtig ins Auge gehen, wenn hier nicht bald beweihräuchert wird!«, gab Klaus Härtes von sich und war bemüht, wie auch Holste und Unruh, am Rand der Masse in die Schuhstraße zu gelangen, in der es noch recht ruhig zuging.

    Im »Seglerhaus« wurden sie höflich, aber doch sehr zurückhaltend empfangen und gebeten, sich ein wenig zu gedulden. »Der für solche Gespräche zuständige Altermann, der Großkaufmann Gotthelf von Friese, käme baldigst zu ihnen«, ließ man wissen. Sie kannten den Kaufmann, von Friese. Er ist ein Handelsmann, der von den Schonen am Baltischen Meer und aus anderen Städten fette Fische, Heringe und auch den Stockfisch heranholt. In seinem Auftrag fahren Fuhrwerke übers Land, die begehrte Waren in die Stadt schaffen, andererseits aber auch Produkte ausführen, so wie es viele andere Kaufherren der Stadt tun, die sich damit weit von den Krämern abgrenzen.

    »Ihr könnt ja denken, was ihr wollt aber ich habe ein verdammt mulmiges Gefühl im Bauch. Wir stehen hier auf verlorenem Posten«, murmelte Johannes Holste und sah sich betreten aber dennoch interessiert in dem prächtig ausgestatteten Raum um, der den Reichtum der Kaufmannsgilde für den Besucher zur Schau stellte.

    »Ich glaube kaum, dass sie sich bereit finden werden, gegen den Rat aufzumucken, auch dann noch nicht, wenn die Stadt kurz vor einer Rebellion großer Teile der Bürgerschaft steht, die uns allen wieder einmal sehr teuer zu stehen kommt und viel Ungemach mit sich bringen kann. Die Reichsacht vor einigen Jahren und die nachträgliche Geldbuße, die uns allen aufs Auge gedrückt wurde, habe ich noch nicht vergessen«, setzte er noch hinzu.

    Die hohe Tür, die vom Inneren des Hauses her den Zutritt in diese Empfangsdiele ermöglicht, wurde geöffnet. Drei sich selbstbewusst gebende Herren traten ein: Klaus Bosdorf, ein Kaufmann mit Schiff und Wagen, der Bürgervertreter Dietrich von Eick und Jacob von Waselitz, ein Holzhandelsmann, bewegten sich auf sie zu. Man verneigte sich zum Gruß.

    »Sagt, was führt Euch zu uns?«, eröffnet Jacob von Eick das Gespräch und musterte sie ein wenig herablassend. Johannes Holste, der sich von dem Getue nicht beeindrucken ließ, und die Kaufleute fest ins Auge genommen hatte, schob sich einen halben Schritt vor, um deutlich zu machen, dass er der Wortführer sei.

    »Es steht arg bös’ um unsere Stadt, Ihr Herren. Wollt Ihr es hören? So öffnet nur das Fenster und Ihr vernehmt den Lärm, der vom Rathausplatz bis hier hereindringt. – Von den Bürgern erfuhren wir, dass, vom Stadtrichter verfügt, zwei angesehene Bürger, schändlich und ohne Widerspruch des Rates, durch Stadtbüttel ins Gefängnis geschleppt wurden, die geforderte Rechenschaftslegung über die Haushaltsführung vom Bürgermeister aber immer noch abgelehnt wird. Empörung in der Stadt, wo man auch hinhört! – Wir sind gekommen, Ihr Herren, um zu erfahren, ob die Kaufmannschaft dagegen etwas zu tun gedenkt?« Johannes Holste verneigte sich leicht und trat wieder in die Reihe seiner Männer zurück. Den drei Kaufleuten war nicht anzumerken, was sie gerade dachten. Ihre Mienen unbeweglich, ausdruckslos, vielleicht sogar ein wenig mokant herablassend, ließen nichts durchblicken.

    »Es ist schon höchst bedauerlich, dass sich die Bürger diese Stadt zu einem solchen Aufruhr gedrängt fühlen. Sagt Ihr uns, was könnten die Mitglieder des Stadtrates gegen die Beschlüsse des Hansetages in Lübeck tun? Sie wurden den Bürgern kund und zu wissen getan. Auf deren Protest wurde die Tafel doch wieder abgenommen. – Ja, und mit der Inhaftierung des Herren Kolbe und des Herren von Birkow hat der Rat doch nun wohl überhaupt nichts zu tun. Das ist, wie auch Euch bekannt sein dürfte, ausschließlich die Sache des Gerichtes.«

    Nachlässig, geschleppt in Rede und Tonfall, bequemte sich Dietrich von Eick zu dieser Erwiderung.

    »Dass es nicht nur allein um diese, von uns genannten Vorkommnisse geht, die von Euch sogar falsch wiedergegeben wurden, dürfte den Herren der Kaufmannschaft doch wohl klar sein!«, schnitt Klaus Härtes dem Altermann das Wort ab, der weiterreden wollte. »Ausgang der Empörung ist doch die plötzliche Steuerauflage, die für den Kampf gegen die Hussitten bereitgestellt werden soll. Dazu gehört auch die strikte Weigerung des Stadtrates, der Kämmerer und der Bürgermeister, öffentlich Rechenschaft über den Stand der Kasse und die Verwendung der eingegangenen Gelder abzulegen. Es dürfte einleuchten, wenn die Alterleute, zusammen mit den Vertretern der Gewerke, Bruderschaften und Zünfte es nicht erreichen, dass die Bürgermeister, Neidhard von Rhyn, Hans Radun und Helmfried Meyer mit dem Kämmerer Peter Wagenknecht der Bürgerschaft Rede und Antwort stehen, sagen, wie die Stadtkasse gefüllt ist und wofür die Steuern und das andere städtische Einkommen genutzt wurde, dass dann in Kürze der Teufel in der Stadt regieren wird.«

    »Mäßigt Euch, Klaus Härtes und setzt Eure Worte so, wie es sich hier geziemt!« Würdevoll wollte der alte Klaus Bosdorf fortfahren.

    »Hier und jetzt, Altermann Bosdorf, geht es nicht um gestelzte Reden oder um den Austausch von Freundlichkeiten in artigen Sätzen. Es geht in erster Linie ganz einfach nur um Geld. Im schlimmsten Fall wieder um viel Geld. Ihr habt doch sicherlich noch nicht die Reichsacht und die gepfefferte Strafe von 12.000 Märker vergessen, die Ihr und wir zu zahlen hatten? Beides hat die Stadt und uns gleichermaßen schwer getroffen. So etwas, jetzt erneut Drohendes, mit Euch Kaufleuten und den anderen Gewerken zu verhindern, es abzuwehren, ist unser Begehren. Nicht mehr und nicht minder.«

    Die drei Altermänner der Kaufmannschaft wirkten etwas schockiert, bedeppert wie der kleine Mann sich auszudrücken beliebt. Aber die Herren fassten sich schnell. Jacob von Waselitz, der als Holzhändler den Umgang mit allen Schichten der Bürger schon über lange Jahre hinweg meistert und bisher die stämmigen Männer vor ihm nur gemustert hatte, machte es kurz: »Was also wollt Ihr uns unterbreiten und wie stellt Ihr Euch ein gemeinsames Vorgehen zur Beilegung der Streitigkeiten vor?«

    Der Kaufherr verschränkte wartend die Arme vor seiner Brust und legte den etwas eckigen Kopf in eine leichte Schieflage. Die Wangen und auch das Kinn, bedeckte ein dichter krauser Bart. Mit seinen wachen, klaren, grauen Augen musterte er den Schiffsführer, den er aus so mancher Begegnung als einen aufrechten, bedächtig handelnden Mann kannte. »Also, Vormann Holste, lasst uns eure Vorschläge hören. Wir werden sehen, ob wir uns denen nähern und gegebenenfalls anschließen können, denn, Ihr habt ja recht, was derzeit in der Stadt abläuft, gehört beendet zu werden.

    »Uns liegt nichts an einem Widerstreit, liegt nichts an einer Auseinandersetzung mit dem Stadtrat. Was wir wollen, ist eine verständliche und klare Aussage über den Stand der Stadtkasse. Dazu, so glauben wir, wäre es nötig einige wenige Männer zu benennen die Einfluss auf die Bürgermeister und die Kämmerer haben. – Und diese sind sicherlich nur in der Kaufmannschaft, unter euch, anzutreffen. Wir wollen, dass sie und einige Vertreter der Handwerkerschaft sowie der Gewerbetreibenden in einer kleinen Abordnung auftreten. Sie soll dem Stadtoberhaupt noch einmal vor Augen führen was auf dem Spiel steht, wenn der Rat bei der augenblicklich sturen Haltung bleibt, dessen er sich bis jetzt befleißigt.«

    Die Stille im Raum, die nach den Worten von Johannes Holste eingetreten war, hielt eine Zeitlang an. Die Altermänner krausten die Stirnen und sahen sich an. »Das heißt, wir bestimmen, wer der Abordnung angehört?«, wisperperte Altermann Dietrich von Eick mit seiner eher piepsigen als klaren Stimme.

    »Ja, sofern die Teilnahme einiger Männer aus den städtischen Gewerken akzeptiert wird und die Gruppe schleunigst zusammentritt. Ihr Herren müsst nur richtig hinhören, dann bemerkt Ihr mit Schaudern, dass der Deckel auf dem Topf schon mächtig rappelt und das Überkochen nicht mehr lange auf sich warten lässt.«

    »Dem müssen und wollen wir zuvorkommen, damit der Friede in der Stadt erhalten bleibt.«, ergänzte Wrobel Unruh, der bisher geschwiegen und sich umgesehen hatte.

    Sie standen sich gegenüber, sahen sich ernsthaft in die Augen.

    »Wir werden darüber baldigst beraten, wie an diese Sache heranzugehen ist. Jetzt und hier können wir dazu keine Zusicherung geben. Die Situation und die Forderung sind von außerordentlicher Brisanz, dass alle Altermänner der Kaufmannschaft gehört werden müssen«, ließ nach längerem Schweigen Dietrich von Eick wissen.

    »Hab ich es nicht gesagt, Leute! Das Pulverfass ist gefüllt, die Lunte brennt! Lasst es knallen, Dietrich von Eick, Jacob von Waselitz und Klaus Bosdorf!«, polterte Wrobel Unruh mit einem Lachen dazwischen.

    »Wir haben einen Eid geschworen!«

    »Wir auch, Altermann Bosdorf! – Ihr erinnert Euch sicher, dass es darin heißt, das Beste für die Stadt im Sinn zu haben! – Jetzt aber nichts zu tun, die Hände in den Schoß zu legen und abzuwarten, zu hoffen, dass nichts Böses passiert, ist verantwortungslos, Altermann Bosdorf! In diesem Augenblick einem Stadtrat, der nicht handeln will oder kann, treu und gehorsam zu sein, grenzt an Verrat der Bürgerschaft, die es so schon schwer genug hat und für das weitere Geschehen aufkommen muss. Sollte Euch das, Ihr Altermänner, nicht zu denken geben?«, redete Johannes Holste auf sie ein.

    Der Ton war lauter und schärfer geworden, lockte damit einen weiteren Altermann ins Zimmer, den von Waselitz hinter vorgehaltener Hand, darüber informierte, was hier zur Auseinandersetzung anstand. Der Hinzugekommene nickte mit dem Kopf. »Ihr Herren werdet doch nicht so einfältig sein zu glauben, dass mit der Sturheit der Bürgermeister, sich zu weigern öffentlich Rechenschaft über den Haushalt abzulegen, der Friede in der Stadt erhalten bleibt?«

    Johannes Holste hatte viel schneller geredet, als er sonst zu debattieren gewohnt war. Sein Gesicht hatte an Röte zugenommen.

    »Hier in diesem Raum ist es leicht, gegen den Stachel zu löken, Johannes Holste, Meister Härtes und Meister Unruh. Auch wir wissen, dass es nicht erst seit gestern und heute in der Stadt gärt, sich eine ernstzunehmende Gruppierung gegen den Stadtrat aufbaut, die die steigende finanzielle Belastung, besonders die der kleinen Leute, aber auch die Unzufriedenheit vieler Bürger mit der Stadtverwaltung und ihrer Politik von Tag zu Tag deutlicher aufzeigt. Zugleich wird auch die Mitbestimmung unserer Alterleute sowie die der Zunftmeister, Vormänner der Gewerke und der Bruderschaften an den Verwaltungsgeschäften bemängelt.«

    Die Stimme des Altermannes Gotthelf von Friese war leise, verhalten und deutlich. »Setzt dann das vom Hansetag geforderte, strengere Vorgehen gegen Aufruhr mit der Androhung der Verhansung und verbunden mit dem Verlust aller Privilegien dagegen. Einmal haben uns benachbarte Stadträte helfen können. Ob das ein weiteres Mal gelingt? Wer weiß das schon? Könnt Ihr ermessen, wo wir stehen?«

    Mit diesen Worten endete der hinzugetretene Altermann Gotthelf von Friese. »Ich kann versprechen, wir werden die Leute finden, die mit einem oder auch zwei aus einer Zunft oder Innung der Handwerkerschaft Gelegenheit bekommen, die Bürgermeister aufzusuchen. Ihr erhaltet vielleicht heute noch, doch spätestens aber morgen in der Frühe, Nachricht darüber, zu welcher Stunde der Besuch stattfinden wird.«

    Mit einer solchen, schnellen und auch günstigen Entscheidung hatten Holste, Härtes und Unruh nicht gerechnet. Sie atmeten tief durch.

    »Wir sind erfreut und auch ein wenig erleichtert zu hören, dass wir in dieser Sache zusammengefunden haben. Mag Gott es fügen, dass unsere Bürgermeister Vernunft zeigen und einsichtig genug sind, damit wieder Ruhe in der Stadt einkehrt.«

    Die Flure des Seglerhauses mit ihren Kreuzrippengewölben waren leer. Einige Sonnenstrahlen, die farbiges Licht durch die kleinen Butzenscheiben warfen, machten leicht flimmernden Staub sichtbar. Ihre Verabschiedung war zwar kurz, aber nicht unhöflich gewesen. Sie entsprach den Normen, die sich im Umgang der Kaufleute mit der Handwerkerschaft und den städtischen Gewerbetreibenden über die Jahrzehnte so herausgebildet hatten.

    Johannes Holste, Klaus Härtes und Wrobel Unruh waren mit ihrem Besuch und dem ausgehandelten Ergebnis zufrieden. Sie glaubten schon, dass die Altermänner der Kaufleute ihre Zusage einhalten werden. Ob aber eine kleine, gemischte Abordnung die Bürgermeister zum Einlenken und zur Rechenschaftslegung überreden konnte? So ganz einfach war das sicherlich nicht. Dazu hatten sich die Bürgermeister schon ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt. Zu harsch war jegliche Aussprache, sogar mit Drohungen verbunden, abgelehnt worden. Wenn sich aber nun auch noch honorige Bürger aus der Kaufmannschaft für eine Verständigung einsetzten, somit den Bürgerwillen unterstützten, dann dürfte die harte Schale der Bürgermeister und der Stadträte anfangen zu bröckeln. Ein handfester Erfolg, die festgefahrene Situation zu entschärfen, war in Sicht.

    Als sie die Tür des Seglerhauses öffneten und heraustraten, schlug ihnen der Lärm vom Heumarkt entgegen. Über den ganzen Markt verteilt, standen immer noch kleine und auch größere Gruppen durcheinander redender Leute. Sie debattierten unmäßig laut, fuchtelten mit Armen und Händen herum. Geballte Fäuste richteten sich drohend gegen das stilvolle Rathaus.

    »Hört doch mal hin!«, räusperte sich Wrobel Unruh. »Was reden die da von Ausweisung und Rausschmiss? Wer soll der Stadt verwiesen werden?« Wrobel Unruh hielt Klaus Härtes, der vorauseilte, am Ärmel fest. Sie standen etwas erhöht, auf dem dreistufigen Absatz, spitzten die Ohren und gingen dann im forschen Schritt auf eine der Gruppen in ihrer Nähe zu.

    »He, Leute was ist? Was faselt Ihr da? Wer soll aus der Stadt geworfen werden?«, mischte sich Johannes Holste in das Wortgetümmel ein.

    »Na, na, na, Mann! Spiel dich hier mal nicht so auf!«, konterte jemand vor ihm. »Hast es doch gehört. Der Stadtrichter Däne, die Schöffen und die Bürgermeister wollen Wolf von Birkow und Titus Kolbe durch die Büttel aus der Stadt werfen lassen! Sie waren angeblich gegen die Richter und Schöffen ungebührlich und aufmüpfig aufgetreten und hätten damit einen Friedens- und Rechtsbruch begangen. Das geht reihum! Die müssen doch spinnen!«, antwortete ihm der stiernackige und mit breiten Fäusten behaftete Bursche. »Das darf man einfach nicht zulassen. Denen da im Haus sollten wir mal kräftig aufs Maul hauen«, knurrte er, der sicher zu den Bootszimmerleuten gehörte, die, wie Johannes Holste aus Erfahrung wusste, ganz schnell zu Rauferein bereit waren.

    »Da ist was dran. Ob es aber was nutzt? Gewalt ist nicht immer sinnvoll und bringt meistens mehr Ungemach und Schaden ein als einen ersichtlichen Nutzen. Gute Steuerzahler, Bürger der Stadt zu verweisen, das geht nicht so hopp hei, und raus ist er, guter Mann! Dazu haben auch noch andere Leute was zu sagen.«

    Mit einem grollenden Lachen drehte sich der Hüne um. »Bist ein gutgläubiger Pope was?« Er stutzte. »Doch! Du bist ein Bootsführer. Der Holste, wenn ich mich nicht irre! Und der neben dir, das müsste dann der Segelmacher und Seiler Unruh sein.«

    »Der andere, das ist Klaus Härtes, ein guter, gottgläubiger, fleißiger Wollweber«, zeigte Johannes Holste auf seinen zweiten Begleiter.

    »Mich ruft man einfach Rupert, der Zimmerer, und das genügt auch«, stellte er sich selber vor.

    »Nein, Rupert, ich glaube nicht alles, was vom Rathaus kommt. Aber ich weiß, wenn wir jetzt nicht aufpassen, geschickt vorgehen, wird es uns allen teuer zu stehen kommen. Du hast ja sicher auch den Aushang mit den neusten Bekanntmachungen gesehen, davon gehört, vielleicht auch gelesen. So weißt du, was uns da angedroht wird. Die Lübecker Hanse spielt nicht. Sie droht und meint es bitter ernst. Deshalb heißt es, Ruhe bewahren und überlegt handeln. Es wird eine Abordnung von Kaufleuten und Mitgliedern aus anderen Zünften zusammengestellt, die die Bürgermeister und den Rat aufsucht. Danach werden wir und auch alle anderen Bürger erfahren, wie es weitergeht«, redete Johannes Holste auf den Zimmerer ein. »Das könntest du unter die Leute bringen. Der Titus Kolbe ist einer meiner Freunde. Um den kümmere ich mich schon!«

    »Dann vergiss nicht, auf den Josef Obacht zu geben, denn das ist mein kleiner Freund«, unterbrach der Zimmerer den Bootsführer. Der stutzte und blickte auf Rupert.

    »Ja, Mensch, ich kenne den Jungen. Er ist mir ans Herz gewachsen. Wie es dazu kam, das erzähle ich dir später bei einer passenden Gelegenheit.«

    Der Zimmerer tippte an seine Kappe, was einen Gruß darstellen sollte, und bewegte sich weiter nach vorn, wo der Tumult auf dem Markt noch immer nicht geringer und auch nicht leiser geworden war. Holste, Härtes und auch Unruh hatten nicht die Absicht, sich hier einzumischen.

    »Ich werde mich jetzt erst einmal zum Hof Kolbe begeben und hören, was der Junge zu berichten hat. Vielleicht kann ich der Frau die Angst ein wenig nehmen, sollte sie schon mitbekommen haben, dass die ganze Familie der Verfestung anheim fällt. Das hieße für sie, aus der Stadt und über die Bannmeile hinaus, abgeschoben zu werden. Ich wäre erleichtert, wenn ihr beide, wie abgesprochen, die Zunftmeister der Schuhmacher und Gewandschneider aufsucht und mit ihnen redet. Sie sind die beiden größten Bruderschaften. Erzählt, worum es geht und rüttelt sie auf.«

    Die beiden nickten nur. Bereits etwas entfernt rief Holste ihnen noch nach: »Vergesst nicht, über die mögliche Verbannung von Birkow und Kolbe zu sprechen. – Kann ja nicht verkehrt sein!«

    Wenig später gerieten die beiden außer Sicht. Sie waren um die Ecke herum in die Schuhstraße eingebogen. Die grenzt unmittelbar an den Heumarkt. Je weiter sich Johannes Holste im eilenden Schritt vom Heumarkt entfernte, umso ruhiger wurde es um ihn herum. Obwohl Hafenstadt ein gutes Stück entfernt vom Fischmarkt in der Bomstraße war, war von dem rastlosen, ruhelosen Treiben der Menschen aller Gewerke kaum etwas zu vernehmen. Wenige Augenblicke danach stand der Boots- und Schiffsführer vor dem Hof und dem Haus seines Freundes, Titus Kolbe. Hedwiga, dessen Frau, sah ihn über den Hof kommen und öffnete mit flatternden Händen die Tür.

    »Das ist doch furchtbar, Johannes! Was machen die mit Titus? Werfen ihn einfach so in den Turm! Das können sie doch nicht mit ihm machen!«

    Er hielt ihre Hände fest und sah der noch jungen Frau in die Augen.

    »Doch, Hedwiga, sie können das! Sie können noch viel mehr und werden damit gar nicht lange warten. Ich bin gekommen, um dich vorzubereiten und um euch zu helfen. Sie sah ihn irritiert und fragend an, bebte dabei am ganzen Körper. Die Augen offenbarten sehr viel Angst und Verzweiflung. »Du musst jetzt sehr stark sein, musst dich zusammenreißen. Denk‚ an

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