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Tödlicher Hexenschuss: Von Hexen, Trollen und Mördern
Tödlicher Hexenschuss: Von Hexen, Trollen und Mördern
Tödlicher Hexenschuss: Von Hexen, Trollen und Mördern
eBook298 Seiten3 Stunden

Tödlicher Hexenschuss: Von Hexen, Trollen und Mördern

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Über dieses E-Book

Eine skelettierte Leiche führt die Oberkommissare Bender und Lonzig aus der Provinz im Harz in die Provinz im Schwarzwald. Im beschaulichen Grommingen ereignen sich weitere Verbrechen, die den Verdacht auf eine Fasnachtszunft lenken. Gibt es den irren Hexenmörder, wie viele vermuten ?
Nicht nur der unbekannte Dialekt bereitet den Kommissaren Schwierigkeiten, auch die Skepsis gegenüber den Norddeutschen ist eine Hürde, die es zu überwinden gilt.
Verschwundene Akten und ein rätselhafter Fund auf einem Dachboden weisen schließlich in die dunkelste Zeit deutscher Geschichte.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum9. Aug. 2021
ISBN9783347375659
Tödlicher Hexenschuss: Von Hexen, Trollen und Mördern

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    Buchvorschau

    Tödlicher Hexenschuss - Ralf Klüber

    Kapitel 1

    Glansrode, ein beschauliches Städtchen mitten im nördlichsten Mittelgebirge Deutschlands, dem Harz. Noch zu Niedersachsen gehörig, aber nur wenige Kilometer an der Grenze zu Sachsen-Anhalt gelegen.

    Die 30000 Einwohner verbrachten dort ein recht beschauliches Leben mit allen Vor- und Nachteilen einer Kleinstadt. Zur nächstgrößeren Stadt, in diesem Fall Goslar, benötigte man 20 Minuten mit dem Auto. Natürlich gab es auch eine Bahnverbindung und es fuhren Busse, wenn auch für viele in zu langen Abständen.

    Der Stolz der Glansroder war die historische Altstadt mit einer Flaniermeile, verzweigten Gassen und einem stattlichen Rathaus, am Rande des Marktplatzes gelegen. Die Häuser waren fast alle im Fachwerkstil gehalten, schön restauriert und ein Blickfang für immer mehr werdende Touristen, die vor allem zum Wandern in die Region kamen.

    Hier hatte Hinnerk Bender vor 38 Jahren das Licht der Welt erblickt. Aufgewachsen in behüteten Verhältnissen und nun fest verwurzelt in Glansrode. Die Schulzeit verbrachte er zum Großteil auf dem Theodor Heuss Gymnasium, dort das Abitur, wenn auch mit Ach und Krach, bestanden und dann nicht gewusst, in welche berufliche Richtung es gehen sollte. Die Eltern drängten ihn zu einer Beamtenlaufbahn. Da hätte man einen ruhigen Job, zudem nahezu unkündbar mit einer schönen Pension im Alter.

    Bender aber wollte eher studieren, vielleicht Journalistik, Fachgebiet Sport, oder auch Geschichte. Beides entsprach seinen Interessen. Er bewarb sich an mehreren Universitäten mit dem Ergebnis, dass er aufgrund des mäßigen Abis mit langen Wartezeiten konfrontiert wurde oder es Absagen hagelte. Da mit einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn ausgestattet, kam ihm schließlich die Idee, sich bei der Polizei zu bewerben (also doch Beamter). Dies hatten noch weitere Schüler seines Abi-Jahrganges, alle ebenfalls mit eher durchschnittlichen Noten, so praktiziert und einige waren tatsächlich angenommen worden.

    Auch wenn er nicht vollends überzeugt war, begann er im Alter von 20 nach überstandenem Aufnahmetest die Ausbildung an der Polizeischule in Hann. Münden, am äußersten Südzipfel Niedersachsens. Dort, wo sich die Flüsse Fulda und Werra zur Weser vereinigten, aber auch dort, wo sich Fuchs und Hase eine schöne Nacht wünschten

    Das war jetzt 18 Jahre her. Er hatte die Prüfung zum Polizeikommissar bestanden, sogar recht ordentlich, war dann in die Landeshauptstadt Hannover zum Streifendienst versetzt worden und liebäugelte mit einem Wechsel zur Kripo. Die Chance kam schneller als erwartet, als innerhalb des Dezernats für Staatsschutz gleich mehrere Kollegen der Vorteilsannahme beschuldigt wurden. Angeblich sollten kurdische PKK Angehörige mit Verbindung zu diversen Reisebüros verbilligte Urlaubsreisen für eher laxe Ermittlungen in dieser Szene gewährt haben. Die Affäre wurde zwar so gut es ging vertuscht; die Öffentlichkeit bekam zum Erstaunen aller nichts mit, aber die Kollegen wurden in unwirtliche Regionen Niedersachsens versetzt (z.B. auch nach Hann. Münden) und plötzlich fand sich Hinnerk Bender bei der Kripo wieder.

    Es war nicht unüblich, dass nach einer gewissen Zeit in der Landeshauptstadt eine Versetzung in die Heimatregion möglich sein konnte.

    Bender ergriff die Gelegenheit, als ein Kollege aus Glansrode, dortige Kriminalaußenstelle, in den Ruhestand ging, niemand Interesse am Dienst in der Provinz zeigte und er schließlich der einzige Bewerber war. 2009 war er wieder zurück in seiner geliebten Heimatstadt.

    Der polizeiliche Alltag hatte bisher keine großen Höhepunkte für Bender gebracht. Mal mehr, mal weniger aufwändige Ermittlungen. Übliches Geschäft mit kleinen Erfolgserlebnissen, sowohl in Hannover, als auch die letzten 10 Jahre in Glansrode. Hier gab es ein Polizeirevier mit angegliederter Kriminalaußenstelle, diese besetzt mit 5 weiteren Kollegen und 2 Kolleginnen. Der Hauptsitz der Kripo war in Goslar.

    Das private Leben verlief fast parallel mit dem dienstlichen. Heirat mit seiner Jugendliebe Karla 2011, Geburt der Tochter Luisa 2013, Erwerb einer Eigentumswohnung in einem gutbürgerlichen Außenbezirk Glansrodes 2014. Ein schönes, normales, ruhiges gutbürgerliches Leben mit diversen Urlauben in Österreich oder auch Süddeutschland. Bender war zufrieden, wenn auch leicht gelangweilt. Aber nur leicht.

    An diesem Tag im September sollte sich einiges, ja sogar alles ändern.

    Es begann mit einem Anruf seines Dienststellenleiters, EKHK Martin Holzer. Dieser zitierte ihn zu sich. Bender war skeptisch. In Holzers Stimme war eine gewisse Nervosität zu spüren. Völlig ungewöhnlich für den erfahrenen 55-jährigen mit Bierbauch und einem imposanten Kaiser Wilhelm Gedächtnisbart.

    „Hinnerk, stell dir vor, es ist eine Leiche gefunden worden…hier in Glansrode. Bender stutzte. Normalerweise nannte ihn hier jeder „Hinni. Dass ihn Holzer jetzt bei seinem normalen Vornamen ansprach, war verwunderlich. Holzer stand der Schweiß auf der Stirn. Immer wieder wischte er mit einem rot gepunkteten Taschentuch über sein rundes Gesicht.

    „Was ist daran besonderes, Martin? Hier gab es schon mehrere Leichen. Die meisten zwar auf natürliche Weise gestorben, aber einige auch mit Gewalt. Erinnere dich an den eifersüchtigen Mehmet, der vor vier Jahren seine Fatma…"

    „Das musst du mir nicht erzählen," unterbrach ihn Holzer leicht gereizt. Irgendetwas beunruhigte den Chef.

    „Beamte des Streifendienstes sind am Fundort, mitten im Wald, in der Nähe der Klärchenquelle im Unterholz. Es ist eigentlich gar keine richtige Leiche, mehr ein Totenschädel mit Knochen drumrum."

    „Also ein Skelett, womöglich menschlich."

    „Wirklich gut kombiniert…, ja wahrscheinlich ein menschliches Skelett. Aber laut den Kollegen vor Ort könnte der Schädel eine Schussverletzung aufweisen…Na egal, die können sich irren. Lobeschitz und Heufel sind ja nicht die hellsten."

    Damit meinte er zwei der Streifenbeamten vor Ort.

    „Die Kriminaltechnik aus Goslar ist schon auf dem Weg zum Fundort. Ich will, dass du zusammen mit dem Kollegen Lonzig den Fall, sollte es einer sein, übernimmst. Fahrt hin, macht euch ein Bild und sagt mir sofort Bescheid."

    Bender hatte eigentlich Probleme mit Leichen. Immer kam es bei ihm zu einer kleineren bis mittelschweren Übelkeit, musste er sich mit einer beschäftigen. Deshalb war er erleichtert über ein Skelett. Wahrscheinlich ohne Fleisch und Verwesungsgeruch. So hoffte er wenigstens.

    „Muss es unbedingt Lonzig sein, du weißt, dass wir nicht die allerbesten Freunde sind." Frank Lonzig war als Eigenbrötler bekannt, neigte zum Jähzorn, war aber meist einsilbig.

    „Ist mir bekannt, aber er ist als Einziger verfügbar. Urlaub und Krankheit, die Kollegin Schneider ist schwanger, da bleiben nicht mehr viele übrig…Sag ihm Bescheid und dann ab zur Klärchenquelle".

    Während Bender als Durchschnittstyp durchging, war Lonzig alles andere als das. Knapp 2 Meter groß, Hände so groß wie Klodeckel, Vollglatze und der Hang zu schrillen Farben, was die Kleidung anging.

    Bender atmete tief durch und betrat dann ohne zu klopfen Lonzigs Büro.

    „Hallo Frank, kannst du mit mir kommen, wir haben einen Fall, vielleicht ein Tötungsdelikt…"

    Lonzig war in eine Zeitschrift über Kampfsport vertieft und sah nur kurz auf.

    „Aha".

    Mehr sagte er nicht, stand aber auf, packte seine Tasche und ging Richtung Tür. Bender folgte ihm, machte noch einen Abstecher zum eigenen Büro, um diverse Ausrüstung zusammenzupacken und ging dann mit dem wartenden Lonzig zum Fahrzeug der Kripobereitschaft.

    Ziel war die sogenannte Klärchenquelle im Westen von Glansrode, mitten in einem ausgedehnten Waldstück, durchzogen von Wanderwegen. Die Klärchenquelle war der Ursprung eines Baches, der Ronde.

    Der Verkehr floss an diesem Nachmittag zügig. Über die Bundesstraße bog Bender in eine Kreisstraße ab, um dann nochmals in das besagte Waldstück, den „Rößler-Grund zu kommen. Die Wanderwege waren auch mit dem Auto gut zu befahren, so dass die beiden fast unmittelbar bis zum Skelett kommen konnten. Während der Fahrt hatte Bender seinen schweigsamen Kollegen über die wenigen eigenen Informationen in Kenntnis gesetzt. Lonzig fragte nicht nach, sagte ab und an „Aha oder nickte mit seinem kahlen Schädel. Es war eben schwierig mit ihm und Bender wurde leicht ungeduldig. Er war froh, als sie schließlich in der Nähe des Skeletts waren.

    Hier wimmelte es bereits vor uniformierten Kollegen. Man hatte bereits eine äußere Absperrung mit Flatterband gezogen. An neuralgischen Positionen stand ein Posten, um Wanderer oder Spaziergänger abzuweisen. Bender stellte ihren Wagen ab und ging zusammen mit Lonzig die letzten Schritte zu Fuß. Dieser hatte ein gehöriges Schrittmaß, so dass er schon nach wenigen Metern etwas außer Puste geriet,

    Musste es denn unbedingt Lonzig sein? Er verfluchte schon jetzt Martin Holzer wegen dessen Personalauswahl.

    Nach 300 Metern erreichten beide die innere Absperrung, ebenfalls mit Flatterband begrenzt.

    Der Wald hätte Feuchtigkeit dringend nötig gehabt, aber schon seit Wochen gab es keinen Regen. Im Gegenteil, die Temperaturen waren beständig hoch und auch heute schien die Sonne gewohnt kräftig. Bender geriet leicht ins Schwitzen, auch weil es Lonzig offenbar eilig hatte.

    Der Fundort lag etwas abseits eines Pfades, hinter einer umgestürzten Buche, die wohl schon seit Jahrzehnten vor sich hin verwitterte. In diesem Bereich des Harzes überließ man den Wald sich selbst. Forstwirtschaft spielte hier wohl keine Rolle. Zur Freude der Naturalisten und Wanderer, die diesen Umstand sehr zu schätzen wussten.

    Innerhalb der Absperrung suchten drei Männer in Schutzanzügen den Boden ab, als Bender und Lonzig am Flatterband stehen blieben. Einer der Männer kam auf sie zu und begrüßte beide mit Handschlag.

    „Schön, dass die Herren auch schon eingetroffen sind, aber in der Provinz ticken die Uhren wohl langsamer." Dabei grinste er über beide Ohren, was dem Spruch die Schärfe nahm.

    „Hallo MaMa, erwiderte Bender „Du kennst doch unsere Gemütlichkeit. Tu also nicht so erstaunt. Was genau hast du denn für uns? Hoffentlich keine Arbeit und wenn, dann bitte im überschaubaren Rahmen…

    Sein Gegenüber war der Goslarer Chef der Kriminaltechnik, hieß Manfred Masulke, Mitte 40, klein, drahtig und wurde von den meisten nur MaMa genannt. Masulke hatte sich daran gewöhnt und freute sich sogar über diesen Kosenamen. Er fand weder Manfred noch Masulke prickelnd. So hatte er es Bender einmal eingestanden.

    „Tja Hinni, was haben wir eigentlich? Auf jeden Fall ein menschliches Skelett mit Schädel und etlichen Knochen, die wohl dazugehören. Die Knochen sind verteilt, da haben sich die Tierchen im Wald eine Zeit lang dran erfreuen können. Der Schädel hat eine Verletzung am Hinterkopf, könnte sich um eine Schussverletzung handeln. Viel mehr kann ich dazu noch nicht sagen."

    „Vollkommen skelettiert oder sind noch Reste…?"

    „Keine Sorge Hinni…. vollkommen ohne Beilagen."

    MaMa wusste um Benders Empfindlichkeit bei verwesenden Leichen.

    „Die Person hatte Männerbekleidung an. Wir haben einen linken Schuh, Hose mit Gürtel und Kurzarmhemd aufgesammelt. Weitere Kleidung bisher nicht. Gehen wir also mal von einem Mann aus."

    „Wer hat die Leiche gefunden?"

    „ Da drüben stehen die Kollegen Lobeschitz und Heufel. Die waren zuerst hier, haben dann das Revier und anschließend uns informiert. Die können euch mehr sagen."

    MaMa zeigte mit dem Kopf seitwärts, wo die Streifenbeamten zusammen mit einem Mann mittleren Alters standen und interessiert in ihre Richtung sahen.

    „Ich mache dann mal weiter. In diesem Fall müsst ihr nicht unbedingt direkt zur Leiche und die wenigen Spuren noch weiter zerstören. Wir haben alles fotografiert. Außer ihr wollt euch in einen der Anzüge zwängen und selbst…."

    „Nein Danke, außerdem habt ihr sicher keine Übergröße für Frank dabei." Lonzig hatte, wenig verwunderlich, noch kein Wort von sich gegeben und zeigte auch jetzt keinerlei Reaktion.

    „Na dann fragen wir mal unsere beiden Streifenhörnchen".

    Gunnar Lobeschitz und Christian Heufel stellten den unbekannten Mann als den Finder der Leiche vor. Es handelte sich um einen Pilze suchenden Tou-risten aus Bottrop in Westfalen. Erst jetzt bemerkte Bender einen halbwegs gefüllten Korb mit Maronen, Rotkappen und einigen Steinpilzen auf dem Boden stehen. Alle drei konnten wenig erhellendes berich-ten. Der Bottroper hatte beim Suchen den Schädel hinter der umgestürzten Buche gefunden, nach sei-nen Angaben nichts angefasst oder gar verändert. Nach einigen hundert Metern hatte er endlich ein Handynetz und informierte über Notruf die Polizei in Glansrode. Lobeschitz und Heufel kamen dann als Erste zum Fundort und leitenden die ersten Maßnahmen ein.

    Während sich Lonzig Notizen über die Aussagen machte und die Personalien des Bottropers nach Lobeschitz und Heufel ein zweites Mal aufnahm, kehrte Bender zu MaMa zurück, der ihn kurz zuvor zu sich gewunken hatte.

    „Einen Bestatter brauchen wir in diesem Fall wohl nicht. Wir nehmen die Knochen zur Gerichtsmedizin in Goslar mit. Alles weitere von dort. Unseren Bericht bekommst du so schnell wie möglich. Die Kollegen vom Revier haben übrigens den weiteren Bereich abgesucht, aber keine weiteren Kleider oder Knochen oder sonst was gefunden. Natürlich auch keine Brieftasche mit Ausweispapieren oder so… Ganz so einfach sollst du es ja auch nicht haben. Nicht dass noch Langeweile aufkommt in eurem Glansrode." MaMa musste herzhaft lachen.

    „Eins habe ich noch nicht erwähnt…Der Gürtel an der Hose hat eine etwas ungewöhnliche Schnalle. Ist aber ziemlich verdreckt und angerostet. Viel kann man momentan nicht erkennen, aber wir geben uns Mühe, wieder etwas sichtbar zu machen. Und wenn wir uns Mühe geben, dann …"

    „Es kann dauern…Ich weiß, mein lieber MaMa. Noch eine Frage: Liegezeit, kannst Du da schon was sagen? 6 Monate, 6 Jahre?

    „Na ich denke mindestens 1 Jahr, wahrscheinlich weit länger. Es ist aber auch so gar nichts an Fleisch übrig. Aber da wird dir die Gerichtsmedizin weiterhelfen können. Auch wegen Zahnschema und so. Und mach dir keine Hoffnungen auf Fremd-DNA…keine Chance.

    Da es sich wahrscheinlich um eine Schussverletzung handelt, suchen wir natürlich auch nach dem Projektil oder der Hülse. Die Bereitschaftspolizei ist schon angefordert und kommt morgen. Persönlich glaube ich aber, der Typ wurde hier nur endgelagert. Tatort ? Wo auch immer…"

    Lonzig war schließlich am Ende der Personalienaufnahme und zusammen gingen sie zu ihrem Fahrzeug.

    An der äußeren Absperrung konnte er von weitem einen Pressevertreter des lokalen „Glansroder Boten" und den örtlichen Radioreporter eines Privatsenders erkennen. Beide waren ihm flüchtig bekannt. Sie unterhielten sich mit einem uniformierten Kollegen, wahrscheinlich in der Absicht näher an den Leichenfundort zu kommen oder an ausführlichere Informationen zu gelangen. Der Uniformierte schüttelte mehrfach den Kopf oder zuckte mit den Schultern. Dieses Unterfangen schien momentan wohl aussichtslos.

    Bender richtete sich schon auf eine weitere einsilbige Rückfahrt ein, als Lonzig tatsächlich mit seiner tiefen Stimme zu sprechen begann.

    „Du Hinni, warum hast du eigentlich diesen bescheuerten Vornamen?" Voll auf dem linken Fuß erwischt. Bender wechselte die Farbe und blieb selbst erst mal sprachlos.

    „Na, jetzt erzähl mal…"

    „Was soll ich da erzählen…eigentlich ganz einfach. Meine Mutter stammt aus Ostfriesland, Emden und da hat sie einen dort gebräuchlichen Namen ausgesucht. Das ist schon alles. Du kannst aber auch Fragen stellen. So richtig rücksichtsvoll."

    Lonzig grinste nur, gab ein kurzes „so, so" von sich und blieb von nun an wie gewohnt stumm.

    Auf der Fahrt hatte Bender seinem Chef Martin Holzer bereits die wenigen vorhandenen Erkenntnisse mitgeteilt und auf die nächsten Tage vertröstet, wenn die Ergebnisse der KT und Rechtsmedizin vorliegen sollten. Holzer schien lockerer als noch am Vormittag und vorerst beruhigt. Die Staatsanwaltschaft in Goslar hatte er trotz der wenigen Erkenntnisse vorsorglich bereits informiert.

    Zurück auf der Dienststelle durchforstete Bender schon einmal alle männlichen Vermisstenfälle der

    letzten 6 Jahre in einem Radius von circa 100 Kilometern.

    Lonzig nahm sich die Fälle aus dem benachbarten Sachsen-Anhalt vor. Alles weitere mussten die nächsten Tage ergeben. Natürlich wollte auch die zuständige Staatsanwältin, Fr. Dr. Kühne, mehr Details, als sie von Holzer bereits erfahren hatte. Bender wiederholte einiges und fügte die Erkenntnisse vom Leichenfundort hinzu.

    Mittlerweile hatte Holzer auch die Bereitschaftspolizei zur Geländedurchsuchung auf den nächsten Morgen angefordert. Die bald einsetzende Dunkelheit machte ein sofortiges Handeln unmöglich.

    Die Anzahl aller männlichen Vermissten im Großraum Grenzgebiet Niedersachsen/Sachsen-Anhalt war letztlich überschaubar. Nämlich derer vier, verteilt auf die Städte oder Gemeinden Goslar, Glansrode, Clausthal-Zellerfeld und Wernigerode. Man wollte sich am nächsten Tag intensiver mit den Fällen beschäftigen. Dann lagen wahrscheinlich auch nähere Informationen vor.

    Bender hatte es nicht weit von der Dienststelle bis zu seiner Wohnung, die sich in einem Vierfamilienhaus am Stadtrand befand. In seinem betagten Ford brauchte er 10 Minuten, bis er seine Frau Karla mitsamt Tochter Luisa begrüßen konnte.

    Karla war zwei Jahre jünger, klein, etwas moppelig und seit der Geburt Luisas Hausfrau und Mutter. Allerdings strebte sie seit ein paar Monaten einen Job in ihrem alten Beruf als Rechtsanwaltsgehilfin an. Luisa war vor kurzem eingeschult worden. Da ließ es sich zeitlich besser einrichten, Kinderbetreuung und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Karla lehnte es bisher strikt ab, die Großeltern zur Beaufsichtigung einzubinden. „Nur in Ausnahmefällen…" so ihre immer gleiche Aussage. Bender gab sich schließlich damit zufrieden, obwohl sein Verständnis eher gegen Null tendierte. Wozu hatte man schließlich die Omas und Opas ? Überhaupt war zwischen den beiden eine kleine Entfremdung eingetreten. Bender ertappte sich öfter bei der Frage, ob sein Familienleben in dieser Form alles gewesen sein sollte. Meistens verwarf er aber seine Zweifel und überließ sich dem heimischen Komfort.

    Über das dienstliche Geschehen sprach er zu Hause nur selten; er wurde von Karla aber auch nicht gefragt. Das kriminalistische Geschehen in und um Glansrode schien sie nur wenig zu interessieren. Bender sprach den Leichenfund zwar kurz an, aber die Antwort war auch hier wenig enthusiastisch, so dass er dieses Thema schnell beendete.

    Der weitere Abend verlief ähnlich wie sonst auch. Luisa berichtete voller Begeisterung über den heutigen Schultag, die Klassenlehrerin Frau Scholz und ihre Freundin Emma, die in der Klasse neben ihr saß. Nicht ohne Stolz die eigenen Fortschritte im Schreiben und Rechnen zu rühmen.

    Nachdem Luisa im Bett war, schauten Karla und er noch einen Spielfilm auf einem Privatsender mit unendlich viel Werbung, was Bender wie immer nervte, seine Frau aber offensichtlich wenig störte.

    Er fragte sich, was wohl der nächste Tag bringen würde. Irgendwie spürte er eine gewisse Anspannung und Unruhe, ohne diese Gefühle näher beschreiben zu können. Was tatsächlich alles auf ihn zu kommen sollte, konnte er nicht ahnen. Es war weit mehr, als in seiner Wohlfühloase vorstellbar.

    Der „Glansroder Bote berichtete nur in einer kurzen Nachricht auf der Lokalseite über das Skelett an der „Klärchenquelle. Man hatte also nicht allzu viel herausfinden können.

    In der Morgenbesprechung wurde das weitere Vorgehen besprochen. Neben Holzer, Bender und Lonzig war noch Kriminalkommissarin Nicole Fahl anwesend. Sie sollte die eingehenden Informationen sammeln und gegebenenfalls koordinieren. Masulke fehlte. Mit Akribie arbeitete er in Goslar daran die Spuren am Tatort auszuwerten. Die Bereitschaftspolizei durchkämmte bereits seit Sonnenaufgang das Gelände rund um die „Klärchenquelle".

    Eine besondere Bedeutung kam natürlich den Erkenntnissen der Gerichtsmedizin zu. Deren Auswertungen konnten schnell, aber manchmal auch recht spät bei den Dienststellen eintreffen. Chronisch unterbesetzt, wie fast überall im Polizeibereich, rechneten Holzer und auch Bender erst in den nächsten Tagen mit Ergebnissen.

    Bender und Lonzig widmeten sich weiter dem Studium der Vermisstenfälle, als MaMa, also Masulke, Benders Büro betrat.

    „Moin Hinni, schon so früh am Ermitteln? Donnerwetter, so kenne ich Dich gar nicht" Dabei kicherte er leise. MaMa und Bender kannten sich schon lange, schätzen und mochten sich. Kleine Spötteleien waren an der Tagesordnung.

    „Die Bepo hat den zweiten Schuh mit dazugehörigem Fuß etwa 80 m nördlich vom Schädel gefunden. Sonst bisher nichts. Ist aber nach dieser langen Liegezeit nicht weiter ungewöhnlich. Es krabbeln ja genug Tierchen durch den Wald. Und manche haben so richtig Appetit auf abgelegte Leichen. Was kann ich Dir also schon sagen? Jacke von der Hausmarke C & A, braune

    Halbschuhe, Größe 43, Made in Hong Kong, blaue Jeanshose, kein Markenname, hellgrünes

    Hemd. Alles Durchschnittsgrößen. Insgesamt nichts Besonderes.

    Kommen wir zu etwas interessantem. Die Hose hatte einen braunem Gürtel und der hatte eine Schnalle. Habe ich Dir gestern schon gesagt. Die Schnalle haben wir gesäubert und Rostpartikel entfernt. Heraus kam das".

    Er holte ein Foto aus einer mitgebrachten Mappe heraus und zeigte es Bender.

    Man konnte in Großaufnahme eine ovale Schnalle mit einer Figur erkennen. Der Kopf ähnelte einer Hexe mit undefinierbarer Haube in rot, in den Händen hielt sie einen Besenstiel. Dahinter ein Gewand in grün. Das unheilvolle Gesicht mit langer Warzennase in braun. Die Farbe war nur noch teilweise zu erkennen.

    „Hinni, was fällt Dir dazu ein?"

    „Na ja, ein Hexensymbol. Was denkt man im Harz, wenn man so was zu sehen bekommt? Walpurgisnacht, Hexensabbat, Brocken…Oder liege ich da

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