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Top Tier der Genetik: Helens und Utes erster Fall
Top Tier der Genetik: Helens und Utes erster Fall
Top Tier der Genetik: Helens und Utes erster Fall
eBook239 Seiten3 Stunden

Top Tier der Genetik: Helens und Utes erster Fall

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Über dieses E-Book

"Top Tier", englisch, bedeutet "Spitzengruppe" und ist Ausdruck der Intention zur Schaffung einer Spitzengruppe der Genetik, während im Deutschen mit "Top Tier" das beste Tier/Pferd, also ein Gewinnertyp, gemeint ist. Paradoxerweise sind die Leistungsdichte und das Niveau der Pferde im heutigen Pferdesport extrem hoch, während die zuchttaugliche genetische Gesundheit hinterherhinkt. Immer mehr Züchter und Pferdebesitzer fangen an, die genetische Gesundheit ihrer Pferde zu hinterfragen, und lassen ihre Pferde testen. Das Entsetzen ist groß, wenn die teuren Vierbeiner PSSM-positiv und aufgrund eines Gendefekts schon bald unbrauchbar sind.

Verständlicher Weise gefällt dem Hengsthalter, Joern Jaeger, der mit seinen umjubelten Pferdestars Millionen verdient, der neue PSSM-Test überhaupt nicht und so lässt er sich einiges einfallen, um "PSSM" zu boykottieren. Für die Detektivin Helen ist er außerdem der Hauptverdächtige in einem Mordfall. Doch seine Überführung gestaltet sich auch deshalb als äußerst schwierig, weil ihm nie etwas nachzuweisen ist. Oder ist sie etwa auf der falschen Fährte?
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum4. Aug. 2021
ISBN9783347373105
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    Buchvorschau

    Top Tier der Genetik - Ann Jette R

    1. Kapitel

    Greifenstein-Anwesen, Bad Homburg

    Gesine stand auf dem Balkon ihres Anwesens und blickte ziellos in die Ferne. Es war ein angenehmer Spätsommerabend im September und ein leichter Windhauch wehte durch ihre langen kastanienbraunen Haare. Während sie dort stand, bewegte sich ein großer Schwarm Schwalben kreisend in Form einer Acht durch die Luft. Sie hörte das Rauschen der zahllosen Flügel, die wie in Wellen näherkamen, um sich anschließend wieder zu entfernen, und dachte an eine ihrer missglückten Dressurlektionen auf dem Turnier gestern. Aber sie wollte nicht an dieses Turnier denken und sich lieber auf die Schwalben konzentrieren. Beiläufig fiel ihr ein, dass tieffliegende Schwalben nach einer alten Bauernregel Vorboten von Regenwetter waren. Aktuell war am Himmel aber keine einzige Wolke zu sehen und auch auf dem Turnier war traumhaftes Wetter gewesen und nun hörte sie sich selber die Frage stellen, wann sie je wieder so gute Turnierbedingungen haben würde. Sebastian, ihr Ehemann, war noch nicht zu Hause und arbeitete wieder länger. Normalerweise würde sie um diese Zeit noch eines ihrer Pferde trainieren; doch nicht an diesem Tag, wo sie noch mit dem Misserfolg vom Wochenende haderte. Sie hatte so hart trainiert, die besten Trainer, teure Pferde und dann war ihre Nachwuchshoffnung Royal Class nur einen Tag vor dem Turnier lahm und fiel aus. Damit aber nicht genug, auch ihre anderen Pferde Walk of Fame und Queen Magic liefen auf dem Turnier bei strahlend sonnigem Wetter und besten Platzbedingungen verkrampft und unkonzentriert. All die Mühen der letzten Monate waren umsonst und so fuhr sie entkräftet, enttäuscht und mit keiner einzigen Platzierung nach Hause. Nun atmete sie tief durch und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Schon wieder hatte sie an dieses schreckliche Turnier gedacht, sie wollte doch nie wieder daran denken und sich lieber auf die Schwalben konzentrieren. Gleich würde Sebastian nach Hause kommen, würde ihr von seinen beruflichen Erfolgen erzählen, ganz sicher hatte er alle seine Ziele erreicht und konnte stolz auf sich sein. Hingegen sie, Gesine von Greifenstein, geborene von Wetterau stand mit leeren Händen da und war neidisch auf den eigenen Ehemann.

    Die 15. Triple-J-Auktion

    Einige Tage später: „Du bist sicher, dass es nicht übertrieben ist?" Nervös schaute Gesine an sich herunter und strich mit ihrer Hand über den seidig glänzenden Stoff ihres Kleides.

    „Du bist schön wie Julia Roberts in ‚Pretty woman‘ und nun zapple nicht so rum", entgegnete Sebastian lächelnd, während er stolz ihre Hand nahm und gemeinsam mit ihr über den roten Teppich lief.

    Gesine fühlte sich in ihrem langen kirschroten, schulterfreien Abendkleid tatsächlich wie ein Filmstar. Sie trug eine auffällige Brillantkette und eine faustgroße Brosche in Form eines Herzens mit Brillanten besetzt, die in Hüfthöhe den Stoff ihres Kleides raffiniert asymmetrisch raffte. Als Gesine hochschaute, tauchte sie ein in die Welt der Blitzlichter und schritt hocherhobenen Hauptes mit Ihrem Mann über den roten Teppich zum VIP-Eingang. Ab heute sollte sich ihr Schicksal ändern, denn hier und heute würde sie zu ihrem zehnten Hochzeitstag von ihrem Ehemann den besten Dressurhengst aller Zeiten geschenkt bekommen; er würde ihn hier vor all ihren Freunden, Fremden und Neidern vor dieser märchenhaften Kulisse ersteigern, völlig unabhängig davon, was immer er kosten würde. Sie wollte und würde jede Sekunde dieser Veranstaltung genießen und sie sah viele bekannte Gesichter. Die bewundernden Blicke der anwesenden Zuschauer steigerten mit jeder Minute ihr Selbstbewusstsein. Sebastian hatte einen Tisch in der ersten Reihe reserviert, auf dem ein riesiger Strauß roter Rosen stand. Außerdem lagen dort zwei Hochglanzbroschüren mit den Beschreibungen und Abbildungen der Hengste, die gleich versteigert werden sollten. Die Tickets für diesen Tisch mussten sündhaft teuer gewesen sein, denn von hier aus hatten sie die beste Sicht auf die Arena und konnten außerdem links an der kurzen Seite den Auktionator mit seinen Mitarbeitern beobachten. Sebastian geleitete Gesine zu ihrem Platz und beide waren sich bewusst, dass sie von hier aus nicht nur den besten Überblick hatten, sondern genossen es, dass sie hier wie auf einem Präsentierteller von allen anwesenden Personen gesehen und wahrgenommen wurden. Ein Blick in den Hochglanzkatalog zeigte an neunzehnter Stelle, ihn: Land of Lakes von Leonardo Davi.

    Gesine glänzten die Augen, als sie sagte: „Er ist das Schönste, dass ich je in meinem Leben gesehen habe."

    „Und du, mein Schatz, bist das Schönste, was ich in meinem Leben je gesehen habe, und wenn wir nicht bereits verheiratet wären, dann würde ich dich heute erneut fragen." Während Sebastian das sagte, nahm er eine rote Rose aus der Vase und überreichte sie ihr.

    Gesine lächelte ihn an, während sie die Rose entgegennahm und in seine vertrauten blauen Augen schaute und flüsterte: „Ich liebe dich für diesen Abend, ich liebe dich für diese Rose, dafür, dass du mir meine Freiheit lässt und besonders, weil du mich bei den Pferden unterstützt und an mich glaubst."

    In diesem kurzen Augenblick waren all die Leute in den Zuschauerreihen vergessen und das Ehepaar schien unerreichbar für den Rest der Welt. Sie bemerkten nicht einmal, dass ein Reporter in genau diesem Augenblick mit einer Kamera mit langem Objektiv vor ihnen stand und das helle Blitzlicht ihre Gesichter erleuchtete.

    Dann kam bereits die Ansage für den ersten Hengst, der für 17.500 € versteigert wurde. Weil noch etwas Zeit bis zur Versteigerung von Land of Lakes war, wollte sich Gesine noch schnell etwas frisch machen. Als sie die Toiletten wieder verließ, überkam sie plötzlich ein seltsames Gefühl, so als wenn sie durch irgendetwas aus längst vergangenen Tagen eingeholt würde. War da nicht gerade am Ende des Gangs ein Mann abgebogen, der aussah und sich bewegte wie Albert, ihr Bruder? Plötzlich glaubte sie, ihren Bruder zu erkennen, und so schnell sie konnte, rannte sie mit ihrem langen Kleid hinterher und rief dabei immer wieder seinen Namen: „Albert, Albert, so warte doch". Dabei musste sie sogar über eine Absperrung klettern, was mit dem langen Abendkleid sicher sehr lustig ausgesehen haben musste.

    Als sie ihn endlich erreichte, hielt sie ihn am Arm fest, aber als er sich zu ihr umdrehte, erschrak sie und noch völlig aus der Puste stotterte sie: „Oh, … und nach einer Sekunde des Schweigens: „Entschuldigen Sie bitte, ich habe Sie verwechselt.

    „Das kann passieren, kein Problem, schöne Frau", entgegnete der Fremde und setzte seinen Weg fort, nachdem er sie eingehend gemustert hatte.

    Auch einige Passanten drehten sich nun nach Gesine um und begannen, untereinander zu tuscheln. Sie war von der Vergangenheit eingeholt worden.

    ‚Wie konnte ich nur. Mein verstorbener Bruder Albert ist tot und Tote kehren nicht zurück. Werde ich etwa verrückt, so wie einige meiner Tanten und Onkels? Bitte nicht jetzt, bitte nicht heute Abend‘, schoss es ihr durch den Kopf und dann holte sie einmal tief Luft, um mit aufrechtem Gang ihren Weg zurück in die Arena fortzusetzen. Sie war von Kindheit an dazu erzogen worden sich zurück zu nehmen und immer Haltung zu bewahren und so hatte sie die Geschehnisse um die Ermordung ihres Bruders jahrzehntelang erfolgreich verdrängt. Auch heute würde sie sich niemanden anvertrauen und auch später würde es keinen Anlass geben über die peinliche Verwechslung zu sprechen. ‚Heute ist mein Tag‘, dachte sie, ‚und nichts soll dazwischenkommen, nichts in den Weg stellen und diesmal wähle ich einen besseren Weg und werde über keine weitere Absperrung mehr klettern.‘

    Allerdings hatte sie sich in der Eile den Weg nicht gemerkt und so hastete sie verloren durch mehrere Gänge; und spätestens als sie zu einem Gang mit zahllosen weißen Türen gelangte, wusste sie überhaupt nicht mehr, welche Richtung sie nehmen sollte. Mittlerweile waren auch keine anderen Zuschauer mehr unterwegs, in der Ferne hörte sie bereits die Ansage für einen anderen Hengst und das applaudierende Publikum. In der Hoffnung, den richtigen Weg zu finden, versuchte sie nacheinander, die verschiedenen Türen zu öffnen und musste feststellen, dass die meisten der Türen abgeschlossen waren oder hinter der Tür befand sich ein Raum mit Putzutensilien oder gestapelte Stühle. In ihrer Verzweiflung öffnete sie sogar die Tür mit der Aufschrift „Zutritt strengstens verboten", die zu ihrer großen Überraschung nicht abgeschlossen war und direkt in einen Stalltrakt führte. Vielleicht eine Abkürzung zu ihrem Tisch im VIP-Bereich, dachte sie, während sie schon mit ihren hochhackigen Schuhen in der sauberen Stallgasse stand. Rechts und links waren Pferdeboxen aufgestellt worden und in den Boxen standen die Pferde, die gleich versteigert werden sollten. Einige der Pferde liefen in ihrer Box nervös hin und her, während andere ruhig dastanden, um Heu zu fressen oder zu dösen. Auf Zehenspitzen schlich Gesine den Gang entlang und fragte sich, in welcher Box wohl Land of Lakes stehen würde. Obwohl niemand außer den Pferden da war, achtete sie auf alle Geräusche und schaute sich nervös immer wieder um. Dann erschrak sie.

    ‚Ich werde beobachtet‘, schoss es ihr plötzlich durch den Kopf. Vor ihrem inneren Auge sah sie schon die Schlagzeile: ‚Was hatte die Gräfin von Greifenstein mit ihren high Heels in der Stallgasse verloren?‘

    Doch die dunklen, klugen Augen, die sie regelrecht fixierten, gehörten keinem Journalisten, sondern einem großen braunen Pferd mit einer auffälligen Blässe. Sie wollte gerade vor Erleichterung auflachen, da hörte sie diesmal wirklich Schritte und die kamen unaufhaltsam näher. Zu ihrem Glück stand in der leeren Box neben dem großen Braunen die Stalltüre offen und so konnte sie sich dort gerade noch rechtzeitig verstecken. Die Schritte kamen eilig näher und im Takt begann ihr Herz so laut zu schlagen, dass sie befürchtete, dass der näherkommende Fremde es hören könnte. Mit ihrem knallroten Kleid kauerte sie in dieser Pferdebox und als der Fremde stehenblieb, um die Boxentür des großen Braunen zu öffnen, hielt sie sogar die Luft an. Sie traute sich nicht zu atmen und dachte in Panik daran, dass jeden Moment ihr Herz stehen bleiben würde. Dann ging aber alles ganz schnell. Der Mann packte mit einer Hand den großen Braunen am Halfter, um mit der anderen Hand sehr geschickt eine Spritze in den Hals des Pferdes zu setzen. Anschließend streichelte er den Braunen lobend und verließ, nachdem er sich umgeschaut hatte, wieder schnellen Schrittes die Box und den Stalltrakt.

    ‚Das war knapp‘, dachte sie und atmete erleichtert auf. Nachdem außer den Pferden niemand mehr zu hören war, setzte sie ihren Weg fort Richtung Tribüne.

    Zurück am Tisch angekommen, trank sie zu Sebastians großer Verwunderung sehr schnell zunächst ihr Glas Champagner und zusätzlich – ohne zu fragen – auch sein Glas in einem Zug aus.

    „Joern Jaeger ist auch gerade gekommen", stellte Sebastian fest, während er mit einer Handbewegung in dessen Richtung zeigte.

    Gesine schaute hoch und erkannte den eleganten grauhaarigen Mann auf der anderen Seite an einem runden Tisch mit einigen Herren sitzen. „Er sieht immer noch wirklich gut aus, ob Johanna auch da ist?" Während sie das sagte, schaute Joern Jaeger zu ihr herüber und nickte ihr zu, was sie wiederum erwiderte, indem sie ihm ebenfalls zunickte. Neunzehn Jahre ist es nun her, dass sie und Joern ein Paar waren, aber es fühlte sich plötzlich so an, als sei das Ganze erst gestern gewesen. Hatten sie sich überhaupt geliebt oder war es nur ein jugendlicher Flirt? Sie war damals schon sehr enttäuscht gewesen, dass sie nach der Ermordung ihres Bruders Albert kurze Zeit später von ihrem Freund Joern verlassen wurde. Auch wenn sie es sich damals nicht eingestehen wollte, so traf sie der große Verlust auch doppelt hart, und dass Joern sie wegen Johanna, ihrer damaligen besten Freundin, verlassen hatte, machte die Angelegenheit noch um einiges schlimmer. Sie hatte das noch nicht zu Ende gedacht, da erschien auf der anderen Seite der Arena eine schlanke, elegante Frau, um sich an den Tisch von Joern zu setzen. Dann war Johanna also doch noch gekommen und auch sie sah in ihrer Abendrobe bildschön aus. Damals war sie mit ihrem Bruder verlobt, um nach Alberts Tod, nach nur kurzer Zeit, eine Beziehung ausgerechnet mit Joern anzufangen.

    Auch Sebastian sah Johanna auf der anderen Seite und fragte: „Waren nicht erst im Februar Johannas Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen?"

    „Ja, ich hörte davon und hatte eine Beileidskarte auch in deinem Namen geschrieben." ‚Durch das Erbe dürfte Joern ein reicher Mann geworden sein und damit dürfte auch er seine Ziele erreicht haben‘, dachte Gesine. War es Schicksal, dass sie sich hier an diesem Ort gegenübersaßen? Er und seine Frau als Verkäufer des besten Hengstes aller Zeiten und sie und ihr Mann als Käufer, die gleich genau dieses besondere Pferd ersteigern würden.

    „Schau mal die Frau in Rot, da unten", Helen stand neben ihrer Tante Ute und war gerade dabei, sich einen Platz auf der Tribüne zu suchen, als ihr die Frau in der kirschroten Abendrobe an dem VIP-Tisch direkt neben der Arena auffiel.

    „Oh ja, kennst du sie nicht?, entgegnete Tante Ute, während sie verschmitzt lächelte. Die Auktion war gut besucht und die beiden Frauen waren froh, als sie noch zwei freie Sitzplätze in einer hinteren Reihe fanden. Nachdem sie sich niedergelassen hatten, schaute Helen ihre Tante immer noch fragend an. „Das ist Gesine von Greifenstein, hast du sie nicht erkannt?

    „Wer?"

    „Entschuldige bitte, mittlerweile ist sie verheiratet und hat den Namen ihres Mannes angenommen. Du hast sie früher unter ihren Mädchennamen, von Wetterau, kennengelernt."

    Gesine von Wetterau war damals vor vielen, vielen Jahren eine Jugendfreundin gewesen. Immer wenn sie ihre Tante besuchte, durfte sie Reitstunden nehmen und dort hatte sie sie regelmäßig getroffen. Damals war Gesine ein typischer Teenager in Reithosen und Jeans gewesen oder sie hatte diese elegante Seite von ihr einfach nicht kennengelernt. Heute saß da unten eine Frau, in perfekter Haltung, perfekt gestylt, im Rahmen dieser traumhaften Kulisse. Es war mittlerweile zwanzig Jahre her und Gesine war nicht nur erwachsen geworden, sie hatte eine bildschöne Ausstrahlung, die alles andere in den Schatten stellte. Wieso war ihr das früher nie aufgefallen oder war diese Freundschaft doch nur eine oberflächliche Urlaubsbekanntschaft gewesen? Irgendwann war Helen auch nicht mehr zum Reiten gegangen, denn wenn sie ans Reiten dachte, dann fiel ihr auch automatisch der Spruch ihres damaligen Reitlehrers ein: ‚Reiten lernt man nur durch Fegen.‘ Wenn an diesem Spruch nur irgendein Wahrheitsgehalt wäre, dann wäre sie sicher Weltmeisterin geworden. Vielleicht war ihr auch aufgefallen, dass Gesine früher nie fegen musste und dennoch im Reiten immer besser wurde. Der Herr Reitlehrer selber, hatte den Besen auch nur in der Hand, um ihn an die Schulpferdereiterinnen weiterzureichen. Heute saß sie dicht gedrängt auf den wackeligen Bänken eingehüllt in einer Dunstwolke bestehend aus kalten Zigarettenrauch und billigem Parfum und sah herab nur einige Meter entfernt zu Gesine die im Scheinwerferlicht glänzte. Bei jeder anderen früheren Freundin wäre sie aufgestanden, um hallo zu sagen, aber hier wäre es unpassend gewesen, sofern sie die Securitymitarbeiter zu den Logenplätzen überhaupt durchlassen hätten. Ihr blieb nichts anderes übrig, als sitzen zu bleiben und nach unten zu schauen, während Gesine sie in der Menge der Zuschauer sicher nicht erkennen würde. Im Grunde hatte sich in all den Jahren nichts geändert, Gesine schien so nah und war doch so fern. Vermutlich war die Bekanntschaft vor allem durch das gemeinsame Hobby entstanden und später war neben Studium und Nebenjobs zum Reiten einfach nicht die Zeit und so hatten sie sich ja auch aus den Augen verloren, log sie sich selber an.

    „Du warst früher in ihren Bruder Albert verliebt, nicht wahr?", fragte Ute plötzlich.

    „Verknallt vielleicht", berichtigte Helen ihre Tante mit Nachdruck, während sie sich vor ihrem inneren Auge an sein Lächeln erinnerte.

    „Mach dir nichts daraus, aber alter Adel, die bleiben unter sich. Wenn du dich allerdings heute in ein Pferd verliebst, dann kann ich dir das Geld vorstrecken", bot Ute ihr an.

    Helen sah sich beeindruckt in der Arena um. Die Veranstaltung war bereits seit Monaten ausgebucht und Tante Ute hatte in letzter Minute die Karten über eine ihrer alten Beziehungen ergattert. Es waren mittlerweile alle Sitzplätze belegt und die Zuschauer waren gezwungen, sich immer dichter zusammenzudrängen. Plötzlich ertönte Musik und der Auktionator begrüßte das Publikum und bedankte sich dafür, dass so viele gekommen waren. Dann erklärte er den Ablauf der Versteigerung und übergab das Mikrofon dem Gastgeber Joern Jaeger, der auch noch mal alle Gäste herzlichst zur fünfzehnten Triple-J-Auktion begrüßte. Bei Joern Jaeger hatte Helen keine Probleme, ihn wiederzuerkennen, obgleich sie ihn vor über zwanzig Jahren zuletzt im Reitunterricht gesehen hatte. Optisch hatte er sich in all den Jahren kaum verändert und früher als ländlicher Reitlehrer war er genauso perfekt gekleidet, wie heute als schillernde Persönlichkeit der Pferdeszene. Dann war es soweit, nacheinander wurden die Hengste in die Arena geführt, während auf einer Leinwand auf der gegenüberliegenden Seite kurze Werbefilme über den jeweiligen Hengst gezeigt wurden. Bevor die Versteigerung begann, zählte der Auktionator noch mal die Vorzüge, Eignung und Eigenleistungen jedes einzelnen Hengstes auf. Helen machte sich zu jedem Hengst ein paar Stichpunkte und dann, wenn es hieß: zum Ersten, zum Zweiten, … und der Hammer schließlich auf den Tisch schlug, notierte sie sich den Zuschlagspreis. Insbesondere bei den Pferden mit bekannten Stammbäumen schnellte der Preis rasant in die Höhe und

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