Die Mär vom interkulturellen Lernen: eine fragmentarische Annäherung
Von Oliver Kustner
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Buchvorschau
Die Mär vom interkulturellen Lernen - Oliver Kustner
Vorwort
Die Mär! Halten Sie etwa eine seltsame, unglaubwürdige Geschichte oder gar einen unwahren Bericht in Ihren Händen? Die Mär, das ist doch so etwas wie Fake News früherer Zeiten.
Ich habe diesen Titel gewählt, weil dieses Buch interkulturelles Lernen kritisch betrachten möchte. Als interkultureller Trainer, weiß ich, dass (trotz vieler hervorragender Formate) manches, was unter dem Label interkulturelles Training nachgefragt und angeboten wird, nicht zu einem Verständnis von Kultur beiträgt, sondern bestenfalls als Landeskunde angesehen werden kann. Im schlimmsten Fall können solche Trainings sogar Stereotype und Vorurteile verstärken.
Kultur ist ein sich wandelndes Konstrukt, gerade in der deutschen Gesellschaft erleben wir dies. Die Idee der „Leitkultur" mag manchem Menschen interessant erscheinen, sie ist aber nicht mehr als eine leere Parole. Ich erlebe häufig ein Verständnis von Interkulturalität, das diese als das Aufeinandertreffen solcher Leitkulturen begreift. Wo Menschen miteinander leben, ist es jedoch grundsätzlich viel komplexer. In unserem Land begegnen sich dutzende, nein hunderte, verschiedene Wurzeln, aus denen eine Gesellschaft wächst. Kultur kann dabei als der Versuch verstanden werden, Antworten darauf zu geben, wie sich Gesellschaft organisiert – es ist ein an den Praktiken der Menschen orientiertes Konzept.
Dieses Buch enthält im Wesentlichen Beiträge, die ich im vergangenen Jahr auf verschiedenen Blogs veröffentlich habe, einige neu für dieses Buch geschriebene Gedanken sowie eine überarbeitete Studienarbeit, die viel über interkulturelle Kompetenz zu berichten hat. Das Buch darf dabei bruchstückhaft bleiben, es soll zum Nachdenken und Diskutieren anregen. Wenn es mir gelingt, die ein oder andere „alte Mär" als überholte oder unwahre Vorstellung über interkulturelles Lernen zu entlarven: wunderbar!
Vergessen wir dabei nicht, dass es auch den Begriff „gute neue Mär1" gibt. Diese gute Botschaft möchte ich ebenfalls transportieren: Unsere heterogene, plurale und diverse Gesellschaft hat interkulturelle Kompetenz nötig, vielleicht dringender als je.
Happurg, im Frühjahr 2021
Oliver Kustner
¹ Im Weihnachtslied Vom Himmel hoch verwendet Martin Luther das Wort Mär im Zusammenhang mit der guten Nachricht von der Geburt Jesu Christi
Die Fiktion vom interkulturellen Lernen
Dieser Beitrag erschien im Februar 2020 in leicht gekürzter Fassung unter dem Titel „Die Fiktion vom interkulturellen Lernen oder die Geschichte einer Schlüsselqualifikation, die nicht aufschließt" auf publikum.de
Internetadresse: https://publikum.net/die-fiktion-vom-interkulturellenlernen/
Interkulturelle Kompetenz: die Schlüsselkompetenz des 21. Jahrhunderts! So oder so ähnlich kann man es immer wieder lesen. In der Tat klingt es zunächst einleuchtend, dass in einer globalisierten Welt mit ihren eng verflochtenen Wirtschaftsbeziehungen die Fähigkeit zu interkultureller Kommunikation ebenso eine wichtige Kompetenz darstellt, wie in einer Gesellschaft, die zunehmend als Migrationsgesellschaft gesehen wird. In zahlreichen interkulturellen Trainings wird deswegen mit verschiedenen Ansätzen versucht, diese sagenhafte interkulturelle Kompetenz zu lehren. Im Allgemeinen verbleiben allerdings Definitionsversuche, was interkulturelle Trainings ausmacht.
Kinast (2003) fasst darunter alle Maßnahmen, „die eine Möglichkeit zum interkulturellen Lernen bieten und zum Erwerb interkultureller Handlungskompetenzen beitragen". Der Schweizer Psychologe und Kulturwissenschaftler Jürgen Straub kritisiert interkulturelle Kompetenzmodelle, da diese für ihn
ausnahmslos eher mit einem etwas vagen Begriff zu tun haben, mit einer bunten Menge schöner und guter Attribute, die sich in einer Person ein willkommenes, rundum erfreuliches Stelldichein geben (Straub, 2018.
Von der Interkulturalität zur Transkulturalität einer postmigrantischen Gesellschaft
Man kann zum einen die Sehnsucht feststellen, die gerade bei Wirtschaftsunternehmen verbreitet ist, im Ausland tätige Mitarbeitende interkulturell zu schulen, vielleicht sogar mit der heimlichen Idee die „Kenntnis der Fremdheit und Andersartigkeit des anderen dafür auszunutzen, ihn gezielt mit seinen kulturellen Schwächen zu besiegen (Schließmann 2014). Dies führt dann meist zu einem Knigge-artigen Vorgehen. Zum Hauptziel wird es dabei, den Tritt in die Fettnäpfchen kultureller Andersartigkeit zu vermeiden. Es geht dann beispielsweise darum, Begrüßungsrituale zu lernen oder sich die Grundzüge einer
Kulturgrammatik anzueignen. Dies ist zum einen zwar punktuell sinnvoll, jedoch zutiefst unterkomplex, denn man wird über ein holzschnittartiges Verständnis der jeweiligen Kultur nicht hinauskommen. Die tatsächlichen Kommunikationsprobleme interkultureller Begegnung werden dabei nur angekratzt und Lösungen vorgegaukelt. Das verhält sich in etwa so, wie der Versuch eine
deutsche Leitkultur" zu beschreiben. Was zunächst klar und deutlich erscheint, wird bei näherer Untersuchung ungreifbar, unscharf und von der jeweiligen Meinung des Betrachters abhängig. Nicht nur in einer sehr pluralen Gesellschaft wie der deutschen ist es kaum möglich mit Kulturstandards zu arbeiten. Zu plural, zu heterogen, zu vielfältig ist das Zusammenleben von Menschen. Und so hangeln sich viele interkulturelle Trainings an vermeintlichen Differenzlinien entlang und versuchen das Eigene vom Fremden zu unterscheiden. Sie eint, dass durch die Zuschreibung einer vermeintlichen Kultur des Anderen gesellschaftliche Ausschlüsse kulturalisiert werden (Knappik und Mecheril 2018). Letztlich konstruieren Sie Andersartigkeit und bestätigen so eine institutionelle Diskriminierung von Migrant*innen aufgrund ihrer kulturellen Zugehörigkeit (Nohl 2006) und lassen sich auf die Schlagworte Defizit, Differenz und Diskriminierung (ebd.) reduzieren.
Gerade im Blick auf die deutsche Binnengesellschaft ist dieses Verständnis von Interkulturalität gefährlich. Eine deutlich andere Perspektive wählt man, wenn man sich an dem von Welsch (1997) geprägten Begriff der Transkulturalität orientiert, der Kultur als veränderbares und durchdringendes Konstrukt beschreibt. Ausgangspunkt seines Konzepts sind drei Kritikpunkte am von ihm klassisch genannten Kulturbegriff: die behauptete Homogenität und Einheitlichkeit der Kultur (diese gelte empirisch gerade heute unter Bedingungen von allseitiger und vielfältiger Grenzüberschreitung nicht), die „völkische Fundierung von Kultur und schließlich die begriffsarchitektonisch für den Erhalt der Einheit der (eigenen) Kultur erforderlichen Imagination des Außen und des Fremden (das in der Logik des klassischen Kulturverständnisses ebenfalls homogen und „völkisch
fundiert gedacht werde und werden müsse). „Zusammengefasst: Das klassische Kulturmodell ist nicht nur deskriptiv falsch, sondern auch normativ gefährlich und unhaltbar. Der Abschied von diesem Konzept ist in jeder Hinsicht angezeigt. Heute gilt es, die Kulturen jenseits des Gegensatzes von Eigenkultur und Fremdkultur zu denken" (ebd.) und somit nicht mehr vom Aufeinandertreffen in sich abgeschlossener kulturell geprägter Gruppen auszugehen. Wenn Multikulturalität ein Konzept ist, dass das Bild einer additiven Pluralität befördert, Interkulturalität hingegen das Bild interagierender Pluralität, dann verweist Transkulturalität etwa im Ansatz der transkulturellen Pädagogik auf sich überlagernde Pluralität. (Mecheril 2020). Diese wird mit der