50 plus: ... piff, paff, puff und du bisch duss!
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Über dieses E-Book
Nach 25 Jahren in einem mit Leidenschaft ausgeübten Traumberuf in der Flugbranche und begleitender engagierter Weiterbildung wurde die Autorin arbeitslos. Mit geschultem Auge für die Arbeitsmarktmechanismen entblößt sie hier die strukturellen und menschlichen Schwächen des Systems, in dem die Arbeitslosigkeit verwaltet wird, und zeigt, wie erfahrene und kompetente Bewerber/innen allein aufgrund der Anzahl ihrer Lebensjahre aussortiert und isoliert werden. Dabei ist ihr Blick immer konstruktiv - doch ihre für jedermann nachvollziehbaren Verbesserungsvorschläge verpuffen.
Seinen großen Reiz erhält dieser Erfahrungsbericht durch die amüsante und anekdotenreiche Darstellung, mit der die Autorin über ihre eigentlich zutiefst frustrierenden Erlebnisse mit dem RAV und ihre Stellenbewerbungen berichtet. Dank dieser unterhaltsamen Mischung aus lebhafter Erzählung und sachlicher Analyse entsteht ein Bild des Schweizer 50-plus-Arbeits-marktes, das sowohl Betroffenen ihre Lage tröstlich verdeutlicht, als auch den beteiligten Institutionen einen Leitfaden an die Hand gibt, wie man die offensichtlichen Mängel angehen könnte - wenn man es denn wollte. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Denn es herrscht eine blinde Maschinerie, die nur die Zahl der Lebensjahre sieht und danach aussortiert. Resümee: Die Behandlung der arbeitslos gewordenen Vertreter/innen der Generation 50 plus ist eine eklatante Verschwendung menschlicher und finanzieller Ressourcen.
Regula Bucchioni-Kissling
Regula Bucchioni-Kissling wurde 1962 in Luzern (CH) geboren. Bereits im Alter von fünf Jahren war ihr Berufswunsch klar. Diesen verfolgte sie beharrlich, mit Erfolg. Auch die Freude am Schreiben und Musizieren entdeckte sie in jungen Jahren. Am liebsten schreibt sie Gedichte und Songtexte zu bestehenden Melodien. Sie lernt fürs Leben gerne und packt Dinge aus lauter Spass an der Freude an. Das Buch "50 plus, ... piff,paff,puff und du bisch duss" entstand unter anderem, weil sie selber von der Arbeitslosigkeit betroffen ist.
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Buchvorschau
50 plus - Regula Bucchioni-Kissling
Inhalt
Vorwort
Beruf = Berufung
Weiterbildung – wozu eigentlich?
Unterschätzt – in einer Familienfirma
Mädchen für alles – in einer Non-Profit-Organisation
Die Tretmühlen des RAV und der Arbeitslosenversicherungen
Chrüzlistich und Papierkrieg
RAV der guten Hoffnung
Arbeitsmarktliche Massnahmen
Gesuch abgelehnt
Mentoring
Stellenzuweisungen
Diversifizierte Bewerbungsstrategien
Netzwerk
Blindbewerbung
Vorstellungsgespräche
Zwischenverdienst
Laufbahnberatung
Die «Personal Swiss»-Messe – mehr Schein als Sein
Kabarett und Politik
Selbstständigkeit
Unentgeltliche Arbeiten
Stellenausschreibungen
Die Internetbewerbungsplattform
Inserate
Pseudoausschreibungen
Mangelnde Übersicht, falsche Informationen
Gerne un- oder angelernt, zwecks Gewinnmaximierung
Personalberatung, leicht gemacht
Bewerbungsschreiben out of the box
Absagen
Ausgesteuert – was ist das?
Ein letzter Versuch
Politiker, Wirtschaftsbosse und Branchenverbände
Überfordert
Nebenwirkungen
Ideen
Die Legi
Naturalien
Upon-Demand-Einsätze am Flughafen Zürich
Vorzugszins bei Grossbanken
Tourismus
Registrierung auf einer Datenbank beim SECO
Die Kehrseite der Medaille
Das unschätzbare Kapital
Wünsche erfüllt
Schlusswort
Vorwort
Dieses Buch wäre nie entstanden, hätte mir mein Mann letztes Jahr auf der Langlaufloipe nicht direkt ins Gesicht gesagt, dass meine Abläufe noch immer nicht sauber koordiniert seien und ich einem Roboter gliche. Ich war so sauer, denn ich wollte besser werden und Geduld war noch nie meine Stärke.
Vor sieben Jahren hatte ich mich nämlich zum ersten Mal auf Langlaufskier gewagt. Ich war 50 plus und wollte etwas Neues ausprobieren. Begeistert von diesem Sport, bei dem Ganzkörpereinsatz gefragt ist, versuchte ich mich fortan stetig zu verbessern, offensichtlich mit wenig Erfolg.
So frohlockte mein Mann, ich solle doch einfach die frische Luft geniessen und mich im Leben auf meine Stärken konzentrieren. Ja, welche Stärken denn? Ich forderte ihn zu einer Antwort heraus. «Nun», meinte er, «mit all dem, was du während der letzten Jahre mit Ämtern und potenziellen Arbeitgebern als Frau 50 plus erlebt hast, könntest du doch ein Buch schreiben». «Ich, ein Buch schreiben?» «Ja, tu das», doppelte er nach. «Dir fällt doch das Schreiben nicht schwer.» Aha, schreiben. Gut! Aber wer soll das denn lesen? Nun, immerhin sind in der Schweiz laut Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) 155’998 Arbeitslose registriert. Davon sind ca. 41’000 über 50 Jahre alt, Stand Mai 2020. Die Dunkelziffer ist schwierig zu schätzen. Im Jahr 2019 wurden zudem mehr als 10’000 Personen im Alter zwischen 50 und 64 Jahren ausgesteuert.¹
Es ist zwar allgemein bekannt, dass es ältere Arbeitnehmende auf dem Arbeitsmarkt schwerer haben, aber niemand weiss so genau, wie dieser Situation Herr zu werden ist. Da wird eine Stellenmeldepflicht eingeführt, ein Portal für ältere Stellensuchende aufgeschaltet, Artikel zum Thema 50 plus in Fachzeitschriften veröffentlicht, eine Diskussion im «Zischtigsclub» ausgestrahlt, aber es tut sich trotzdem noch immer nicht viel. So ist auch das, was auf den folgenden Seiten geschrieben steht, keine Fiktion, sondern Realsatire. Die Schilderungen in diesem Buch beruhen alle auf meinen eigenen Erfahrungen. Wer hätte in den 1970er Jahren gedacht, dass man in der Schweiz im Jahr 2020 zwar technologisch unglaubliche Fortschritte gemacht haben wird, jedoch der Mensch total auf der Strecke geblieben ist.
1 https://www.amstat.ch/v2/index.jsp, gesichtet 29.06.2020.
Beruf = Berufung
Denken Sie, was Sie wollen, aber ich bin sehr glücklich und dankbar dafür, in einer Zeit aufgewachsen zu sein, als die Mütter und Väter noch nicht von der digitalen Welt aufgefressen wurden, am Sonntag die Einkaufsgeschäfte geschlossen waren und die Rundum-die-Uhr-Gesellschaft bei uns in der Schweiz noch als typisch amerikanische Lebensweise galt.
Es war 1968 im Kindergarten. Die Kindergärtnerin forderte uns Kinder auf, zu überlegen, was wir später im Leben einmal werden wollen. Nein, es war keine Dressur, kein Früherkennen von Hochbegabung. Sie stellte uns einfach eine Frage und versprach, dass wir die verschiedenen Berufe auch vorspielen dürften. Unsere Kindergärtnerin nahm jedes Kind so, wie es war, mit seinen Fähigkeiten und seinem aktuellen Entwicklungsstand. Wer wollte, durfte in eine Berufsrolle schlüpfen. Einfach, unkompliziert, locker.
Nicht alle Kinder hatten bereits eine Vorstellung davon, welchen Beruf sie einmal ergreifen wollten. Ich schon. Für mich war klar, dass ich einmal Stewardess werde. Ich war an der Reihe. Mit den Holzstühlen simulierten wir eine Flugzeugbestuhlung. Die Turnsäcke dienten als Gepäckstücke und wurden unter den Stühlen verstaut. Meine Kindergartengspändli spielten die Passagiere. Unsere Kindergärtnerin organisierte ein Plateau mit Plastikbechern, gefüllt mit Orangensaft. Nachdem meine Gäste Platz genommen hatten, die Gepäckstücke verstaut waren und ich kontrolliert hatte, ob alle angeschnallt sind, servierte ich die Getränke. Noch heute weiss ich, wie ich mich damals fühlte: glücklich und unheimlich stolz!
Meine Zeichnungen waren voll mit Vögeln, die meistens mit Fenstern versehen waren. Später begann ich Flugzeuge zu malen. Vor meinem geistigen Auge sah ich mich rund um die Welt fliegen.
Während der ganzen Schulzeit blieb mein Berufswunsch bestehen. Ich sammelte Reiseprospekte und studierte stundenlang den Atlas. Nichts konnte mich von meinem Berufstraum abhalten. Zum zehnten Geburtstag wünschte ich mir eine Fahrt an den Flughafen Zürich. Es regnete in Strömen. Eingepackt in eine Pelerine, beobachtete ich zusammen mit meinem Vater von der Zuschauerterrasse aus die gigantischen Vögel. Mein Vater fotografierte auf Wunsch. Als in der sechsten Primarklasse die Übertrittprüfungen für die Sekundarschule und das Gymnasium anstanden, absolvierte ich beide und bestand alle zwei, entschied mich aber für die Sekundarschule, denn ich wollte lieber eine gute Sekundarschülerin als eine mittelmässige Gymnasiastin abgeben. Was mussten sich meine Eltern damals alles anhören: «Eine gute Schülerin gehört ins Gymnasium.», – «Was, nur Sekundarschule!» Egal, wie geredet wurde, meine Eltern unterstützten meinen Entscheid. Sie liessen mir die freie Wahl, so dass ich meinen eigenen Weg gehen konnte und nicht ihre unerfüllten Träume leben musste.
Während der Sekundarschule kam dann noch der Wunsch dazu, Lehrerin zu werden. Ich absolvierte die Prüfung fürs Lehrerseminar, entschloss mich dann aber doch für eine kaufmännische Lehre, wohlverstanden in einem Reisebüro.
Nach Beendigung der Lehre war ein Englandaufenthalt angesagt. Darauf folgte ein Jahr Praxis in der Reisebranche. Fasziniert von fremden Sprachen, begann ich ein Studium an der damaligen Dolmetscherschule in Zürich. Obwohl ich sehr gerne lernte, konnte ich mir einfach nicht vorstellen, ein Leben lang auf einem Bürostuhl zu sitzen und Texte zu übersetzen, und so kam es, wie es kommen musste …
Die Swissair lancierte ein Inserat, mit dem sie «Flight Attendants» suchte. Am 19. März 1984 begann meine fliegerische Karriere. 25 Jahre durfte ich meinen langersehnten Berufstraum ausleben.
Am 26. November 2009 landete ich aus New York kommend zum letzten Mal als Flight Attendant in Zürich-Kloten. Danach begann für mich, trotz steter Weiterbildung, ein Alptraum.
Weiterbildung – wozu eigentlich?
Schon nach zwei Jahren Einsatz als Flight Attendant war mir klar, dass dieser Beruf, ähnlich, wie der eines Models, nicht für ewig sein würde. So war ich stets bestrebt, mich in internen sowie externen Kursen weiterzubilden. Die Swissair bot damals sehr gute interne Weiterbildungen an. Die Schicht-Sprachkurse waren sehr beliebt. Diese boten an zwei bis drei Tagen zu verschiedenen Zeiten