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Typisch deutsch: Anleitung zum Deutschsein
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eBook262 Seiten4 Stunden

Typisch deutsch: Anleitung zum Deutschsein

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Über dieses E-Book

Anleitung zum Deutschsein

Es geht bei der Feststellung des „typisch Deutschen“ nicht darum, putzige Eigenarten der drolligen deutschen Einheimischen darzutun. „Typisch Deutsch“ ist ein Vorwurf.

„Typisch...“ ist eine Bezeichnung, die nirgendwo auf der Welt, von den Mitgliedern einer Volksgemeinschaft, so häufig zur Charakterisierung der eigenen Landsleute benutzt wird, wie dies in Deutschland geschieht. Der größte Kritiker des Deutschseins ist der Deutsche. Die schwierigste Beziehung, ist auch Jahre nach der Wiedervereinigung das „deutsch-deutsche“ Verhältnis.

Deutschlands Ureinwohner haben alle blaue Augen, sind blond und arbeitswütig, kühl und abweisend, bürokratisch, unfreundlich und humorlos. Sie ernähren sich den ganzen Tag von Würstchen, Sauerkraut, Brezeln, Schweinehaxen, Grünkohl und Buletten oder anderem schweren fettigem Essen, von dem man anderswo ein ganzes Dorf ernähren kann. An ihren Stammtischen trinken sie Bier wie Wasser, in den Straßen spielt Blasmusik. Der Deutsche ist im allgemeinen eintönig, fleißig, emotionslos und steif.

Sie sind perfektionistische und kinderfeindliche Sauberkeitsfanatiker mit Blockwartmentalität. Ihre Sprache klingt wie das Gurgeln eines Sportauspuffs, wenn ihnen unwillkürlich die Worte „Happen, pappen, sauerkrauten, Achtung oder Blitzkrieg“ über die Lippen gehen. Ihrem Eroberungsdrang folgend, schützen sie ihr Revier an Stränden durch den Bau von Sandburgen. Jeder hat eine ganze Armee von Gartenzwergen und einen Dackel. Der deutsche Mann liebt sein Auto mehr als seine Frau. Frauen tragen Dirndl, die Männer einen Hut und über ihren Bierbäuchen Lederhosen. Das Spießertum ist eine deutsche Erfindung und die Deutschen sind die ausländerfeindlichste Nation der Welt. Weiße Socken in Sandalen, schon am Abend die Liegen am Pool reservieren, sich am Ballermann besaufen, so sieht man sie im Urlaub. Sie wohnen in Reihenhäusern, vor ihrer Tür steht ein Benz, der jeden Samstag gewaschen und poliert wird. Auf der Hutablage liegt ein gehäkelter Hut, unter dem sich eine Rolle Klopapier verbirgt.

Ist das wirklich die Nation?

Auf die Frage: "Schafft Deutschland sich ab?" kann der Autor nur antworten:" Nein, aber vielleicht ist es an der Zeit sich neu zu erfinden!"
SpracheDeutsch
HerausgeberXinXii
Erscheinungsdatum22. Okt. 2017
ISBN9781452375977
Typisch deutsch: Anleitung zum Deutschsein

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    Buchvorschau

    Typisch deutsch - Karsten Bellin

    Anleitung zum Deutschsein

    Was ist eigentlich typisch deutsch?

    Karsten Bellin

    XinXii

    Was ist eigentlich typisch deutsch? Wie wir uns fühlen und wie man uns sieht!

    Aus der Sicht eines 89er, zeichnet der Autor eine detailreiche Aufnahme über die Heimat Deutschland, das was man Deutschsein nennt oder nannte und über das Verhältnis der Deutschen zu sich selbst und wie uns das Ausland sieht. Er tut das als jemand der seinen Frieden geschlossen hat - auch wenn es sich zum Teil um Friendly fire handelt – das Schießen auf eigene als überholt erkannte Ansichten.

    I M P R E S S U M

    Published by Karsten Bellin at XinXii

    Copyright © 2010 Karsten S. Bellin

    ISBN 978-1-4523-7597-7

    XinXii Edition

    www.xinxii.com

    License Notes

     This eBook is licensed for your personal enjoyment only. This eBook may not be re-sold or given away to other people. If you would like to share this eBook with another person, please purchase an additional copy for each person you share it with. If you're reading this eBook and did not purchase it, or it was not purchased for your use only, then you should return to XinXii.com and purchase your own copy. Thank you for respecting the author's work.

    Über dem Bild eines saftig grünen Flusstales, an dessen Hängen eine märchenhafte Ritterburg klebte, war zu lesen: „Visit the beautyfull Rhine and Mosel-Valley" (Besuchen Sie das schöne Rhein- und Moseltal). Dies war nicht etwa das geheime Tal einer grünen Tropeninsel - nein, diese Landschaft befand sich direkt vor meiner Tür, der Stadt am Rhein, in der ich aufgewachsen war. Ich sah dieses Bild bei meinem ersten Aufenthalt in Singapur, in dem Schaufenster eines Reisebüros. Na und, werden sie meinen, das haben wir schon immer gewusst! Das mag sein, aber ich kannte mich zu diesem Zeitpunkt in Andalusien, der Provence, den Inseln im Golf von Siam besser aus, als vor meiner Haustür oder im Schwarzwald, auf Rügen oder in Heidelberg und im Harz.

    Möglicherweise hatte sich das Interesse an meinem Land urplötzlich durch die jetzt entstandene Ferne zu diesem verstärkt! Ich hatte mir einen gebrauchten Baedeker beschafft, denn ich wollte nur kurz am Südzipfel der malaiischen Halbinsel verweilen. Ich war noch mit einem alten Freund in Penang verabredet, mit dem ich die Schule besucht hatte. Es war unendlich heiß. Hier in Singapur wirkte es so aufgeräumt, wie an keinem anderen Ort Südostasiens, fast ein bisschen deutsch! Ich nahm mit Erstaunen war, dass die Einwohner Singapurs ein touristisches Verlangen nach dem Land hatten, in dem ich geboren war. Warum auch nicht? Offensichtlich interessierten sie sich besonders für Burgen, Schlösser und Fachwerk, wie das wohl die meisten Touristen taten, die nach Deutschland kamen.

    Ich spottete, dass der Höhepunkt des touristischen Interesses am Rheintal, seit etwa 1890 überschritten sein musste! Was natürlich nicht wahr ist, denn mit 3 Mio. Besuchern löst die Drosselgasse, in Rüdesheim am Rhein, nach dem Kölner Dom mit 6 Mio. und dem Oktoberfest in München mit 5.9 Mio. Besuchern, mit das größte touristische Interesse in Deutschland aus.

    Ich stand immer noch vor dem Werbeplakat, als hätte es in diesem fremden Kosmos, den größten Wiedererkennungswert. Hatte es nicht! Schließlich hatte ich seit einer verregneten Reise in meiner frühsten Jugend auf die Nordseeinsel Langeoog mehr Urlaubszeit im Ausland verbracht, als in Deutschland. Damit befinde ich mich wohl unter meinen Landsleuten in aller bester Gesellschaft. Ich beschloss, mich fortan etwas mehr mit dem fremdem Land zu beschäftigen, in dem ich geboren war.

    Was hat das mit diesem Buch zu tun? Wenn ein Deutscher ein Buch über „die Deutschen" schreibt, dann muss dies einfach in einem fremden Land beginnen. Wenn man sich nur in seinem Kulturkreis bewegt, werden einem die eigenen Besonderheiten nie auffallen. Am besten lernt man also seine inländischen Eigenarten auf Reisen kennen; im Vergleich zu einer anderen Gesellschaft. Das setzt die Einsicht in die Kulturabhängigkeit des eigenen Denkens voraus. Das, was uns von anderen Völkern unterscheidet, macht die Besonderheit der eigenen Kultur aus. Aus der Ferne bekommt man einen besseren Blick für seine Heimat. Im Ausland merkt man auf einmal, dass man anders denkt und handelt; vielleicht auch, dass man deutscher ist als man es jemals vermutet hat oder als mancher es in diesem Land zugeben möchte. Der grenzüberschreitende Austausch von Vorurteilen, der Vergleich der Kulturstandards, der lustvolle Umgang mit Stereotypen, verschafft uns Erkenntnisse über Normalitäten und über unsere Kuriositäten: Warum gibt es in diesem Land mancher Orts draußen, nur Kaffee in Kännchen oder warum tüten die Deutschen ihren Kuchen mit Hilfe von Zellophanpapier ein, statt ihn wie der Rest Europas in Kuchenschachteln zu verpacken? Warum bezahlt jeder einzeln oder warum bauen Deutsche Strandburgen? Wieso liegen die Einkaufswagen im Supermarkt an der Kette und was ist die GEZ?

    Was das Deutsche ausmacht, ist nicht leicht festzulegen. Es ist schwierig, ein ganzes Volk über einen „Kamm zu scheren". Immerhin sind die Deutschen 82 millionenmal individualisiert. Es ist klar, dass da die einen ganz anders sind, als die anderen. Und es wird immer ein Abenteuer bleiben, den Reichtum an Ansichten und Lebensvorstellungen, die in einer Nation vorzufinden sind, auf einen Nenner bringen zu wollen.

    Obwohl der aufgeklärte Zeitgenosse, in der Regel bestreitet den Angehörigen bestimmter Nationen spezifische Persönlichkeitscharakteristika zu unterstellen, zeigen psychologische Test, dass diese Ansichten unterschwellig sehr wohl lebendig sind. Typische Eigenschaften sollen für alle gelten, sind aber oftmals nur das Resultat von Erfahrungen mit Einzelnen. Sehr oft bestehen Urteile über andere Menschen, Gruppen oder Völker, ohne auch nur ein einziges persönliches Erlebnis. Selbst wer sich bemüht, vorurteilsfrei zu sein und dies auch von sich behauptet, wird nie ganz ohne Vorurteile sein. Zahlreiche Experimente haben gezeigt, dass auch verbal geäußerte Einstellungen nicht unbedingt mit dem gezeigten Verhalten übereinstimmen müssen. Sich also einzugestehen, dass man Vorurteile hat, ist der Beginn der Erkenntnis. Es hilft also nichts darüber zu klagen, denn Vorurteile sind einfach da. Wenn man nicht darüber spricht, hat man keine Chance bestimmte Ansichten gerade zu rücken. Es gibt für bestimmte Dinge schon eine erhöhte Wahrscheinlichkeit. Es macht Sinn darüber nachzudenken. Man kann darüber entscheiden, ob man diesem gemeinsamen Nenner entspricht oder nicht.

    Menschen werden von Geburt an den formenden Einflüssen ihrer Kultur ausgesetzt. Dadurch werden ihre Erfahrungen und Erkenntnisse derart geprägt, dass ihre Wahrnehmung kulturabhängig ist. Der Deutsche (und immer wenn ich das schreibe, sei auch „die Deutsche" eingeschlossen...) ist z.B. stark von einer unrühmlichen Vergangenheit und einer außergewöhnlich langen

    Friedensperiode geprägt, sowie von hoher materieller Sicherheit, einem relativ hohen Bildungsniveau, von der relativen Rohstoffarmut des Landes bzw. dessen aus ökonomischer Sicht mangelnder Verwertbarkeit. Und natürlich, wie jeder andere auch, von der Region in der er lebt, der Familie aus der er stammt und seinem individuellen Lebenslauf.

    Zwar müssen überall auf der Welt Menschen mit ähnlichen Problemen klar kommen: Essen, Arbeiten, Sexualität, aber die Strategien zur Lösung solcher Probleme unterscheiden sich von Kultur zu Kultur. Ein Volk wird bestimmt von der Art des Wahrnehmens, Denkens, Wertens und Handelns der Mehrzahl seiner Mitglieder. Nationale Kultur ist das, was diese Mehrheit für sich persönlich und für andere als normal, selbstverständlich, typisch und verbindlich ansieht. Oft ist es unmöglich zu unterscheiden, was Kulturstandards oder was nur Klischees sind. Aber auch Klischees haben manchmal einen wahren Kern! Man muss ergründen, was sich dahinter verbirgt und was davon überlebt hat und zwar jeder für sich.

    Wenn man sich seiner kulturellen Eigenarten bewusst ist, wenn man weiß, warum man sich so oder so verhält, dann, und erst dann, kann man sein eigenes kulturelles Verhalten erkennen, überprüfen, in Frage stellen, es verbessern oder beibehalten.

    Das menschliche Gehirn neigt notwendigerweise zur Vereinfachung. Kulturelle Klischees sind Denk- und Wahrnehmungshilfen, um die Vielfalt der menschlichen Erscheinungen, auch die eines Volkes, für sich zu ordnen. Wir brauchen sie, um die unüberschaubare Anzahl von Einzelinformationen, die uns täglich überhäuft, in eine überschaubare Anzahl von Schubladen zu sortieren. Das menschliche Gehirn verlangt nach einfachen Regeln mit der der Alltag bewältigt werden kann: z.B. Sandale: liberales, schwarze glänzende Schuhe: konservatives Weltbild.

    Rituale und Klischees sind also wichtig, weil sie einem Ökonomieprinzip folgen! Die Umwelt ist so Komplex, ihre Details so vielfältig, dass man sie einfach in Kategorien einteilen muss. Normen, Rituale und Gewohnheiten helfen mir, wenn ich auf Fremde treffe. Dann kann ich mit

    Wahrscheinlichkeiten arbeiten. Wenn ich eine Frau treffe, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sie sich nicht so sehr für das „Tuning an dem Motor meines Autos interessiert, wenn ich mit einem Moslem essen gehe, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass er keine „Schweinemedaillons in Pfifferlingsrahm isst und wenn ich auf einen US-Amerikaner treffe ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass er ein „echter Patriot" ist.

    Eine andere Frage ist es, ob diese Urteile richtig oder falsch sind. Würde ich nämlich behaupten, alle Frauen interessieren sich nicht für technische Dinge, wäre dies eine unzulässige Verallgemeinerung. In dieser Vereinfachung, der Suche nach dem Typischen, besteht also das Risiko, ungenau oder falsch zu sein. Die Einteilung in Kategorien darf deswegen nicht starr und endgültig sein.

    Wenn in diesem Land der Begriff Vorurteil gebraucht wird, meinen die meisten damit, falsche Ansichten, unzulässige Verallgemeinerungen oder aber oft auch ablehnenden Einstellungen. Das Vorurteil ist ein Fehler in der Wahrnehmung der ausgebügelt werden muss, den es gilt zu verhindern, notfalls mit Selbstzensur. Es wird geredet von Vorurteilsfreiheit, Vorurteilsabbau und Vorurteilsvermeidung als Lösung allen Übels, nicht aber von

    Vorurteilsaustausch. Zum Teil behindert der Vorwurf, einem Vorurteil zu erliegen, einen ungestörten Gedankenaustausch, den es wird dadurch schon pauschal unterstellt, dass man diskriminierend ist. Ich bezweifle, dass dies die Lösung von Konflikten ist. Die negative Variante dieses Begriffs führt häufig zu einer „unzulässigen Gleichmacherei, nach dem Motto „alle Menschen oder Völker sind doch gleich. Wie wäre es mit: alle Menschen sind einzigartig! Manche zwingen sich sogar dazu, das Vorurteil wie einen bösen Gedanken zu vermeiden und graben ihn dabei noch tiefer in ihr Gedächtnis. Andere behaupten ihre Vorurteile längst überwunden zu haben.

    Vorurteilsabbau setzt Vorurteilsaustausch voraus. Vorurteile lassen sich nicht revidieren, in dem man sie, wenn auch politisch korrekt, verschweigt. Diese Haltung führt dazu, dass Vorurteile eingefroren werden. Hinter den Sprachreglementierungen der Political Correctness, also dem was man öffentlich nicht sagen, nicht tun darf, wenn man nicht moralisch verurteilt werden will, verbirgt sich nichts anderes als die Hoffnung, über die Sprache ließe sich die Moral der Menschen kultivieren. Oder einfacher gesagt: Sprecht nett übereinander, und ihr werdet nett zueinander sein und euer Anderssein gegenseitig anerkennen. Dadurch entsteht die Gefahr, das so lange politisch korrekt geredet. wird, bis die gesamte Wahrheit auf der Strecke bleibt. „Political Correctness" kann dazu führen, dass falsche Ansichten nur glatt gebügelt werden und dadurch eine Auseinandersetzung mit Vorurteilen verhindert wird. Dies führt nicht zu einem wirklichen umdenken. Diese Form des Umgangs mit Vorurteilen erreicht nur die kundgegebene Meinung und berührt aber nicht die dahinterliegenden Einstellungen. Harmoniegetue bringt keinen weiter.

    Viel wichtiger als Vorurteile zu unterdrücken, ist es deswegen diese Offenzulegen und sich zu fragen: „Woher kommt dieses Vorurteil, wie ist es entstanden?" Nur wer seine Ansichten zur Diskussion stellt, kann sich sicher sein, dass diese richtig sind. Wer behauptet allem und jedem gegenüber vorurteilsfrei zu sein, geht in Wirklichkeit Konflikten nur aus dem Weg. Mögen wir noch so sehr versichern, dass wir alle Kulturen als gleichwertig ansehen, mindestens unterbewusst geben wir der eigenen Lebensform den Vortritt. Wirkliche Toleranz heißt sich auseinandersetzen mit den eigenen Abneigungen und Feindseligkeiten und anderen dieselben Rechte und Freiheiten einräumen, wie sich selbst.

    Wie Klischees funktionieren, zeigt sich z.B. in der Antwort auf die Frage: „Wie sieht ein ideales Europa aus?" „In einem idealen Europa ist der Franzose Koch, der Brite Polizist und der Deutsche Ingenieur. Die Hölle aber wäre es, wenn in Europa der Brite Koch, der Franzose Ingenieur und der Deutsche Polizist wären. Was steckt hinter diesen Anschauungen? Genauso, wie wir den Franzosen eher die Fähigkeit unterstellen gutes Essen zuzubereiten und den Briten genau diese Fähigkeit absprechen, traut man uns eher zu, ein Auto oder eine Maschine zu bauen, als einen guten freiheitlich-demokratischen Ordnungshüter zu stellen. Deutschland ist stark mit den Begriffen Fleiß und Tüchtigkeit verknüpft, wie etwa die Niederlande mit dem Begriff Toleranz, die Briten mit Humor und die Italiener mit Sex-Appeal.

    Ein weiteres Beispiel für klischeeverliebtes Denken war während der letzten Fußballweltmeisterschaft in einer italienischen Zeitung zu lesen: Brasilianische Samba trifft auf italienische Theatralik, spanischer Stolz auf afrikanische Verspieltheit und teutonische Präzision misst sich mit argentinischer Leidenschaft. Hier spiegeln sich kulturelle Klischees wieder, die tief in uns verwurzelt sind. Diese Vorstellungen sind einfach da. Wer wissen will, wie ein Volk funktioniert, der muss sich auch mit diesen Klischees auseinander setzen.

    Kebab und Pizza

    Auch wenn sich so manche der folgenden Eigenschaften „der Deutschen" in den Köpfen einiger immer noch unveränderlich halten, glaube ich mittlerweile erkannt zu haben, welche Vorstellungen es sind, die kein typisches, sondern ein überzogenes Deutschlandbild charakterisieren:

    Deutschlands Ureinwohner haben alle blaue Augen, sind blond und arbeitswütig, kühl und abweisend, bürokratisch, unfreundlich und humorlos. Sie ernähren sich den ganzen Tag von Würstchen, Sauerkraut, Brezeln, Schweinehaxen, Grünkohl und Buletten oder anderem schweren fettigem Essen, von dem man anderswo ein ganzes Dorf ernähren kann. An ihren Stammtischen trinken sie Bier wie Wasser, in den Straßen spielt Blasmusik. Der Deutsche ist im Allgemeinen eintönig, fleißig, emotionslos und steif. Abgerundet wird diese Vorstellung von wahnwitzigen Märchenschlössern und gamsbärtigen Jodlern untermalt von Bildern grausamer Dokumente aus den Wochenschauen des Zweiten Weltkriegs.

    Außerdem haben die Deutschen die besten Autobahnen, auf denen man sich mit durchschnittlich 160 Sachen rüpelhaft fortbewegt und die aggressivsten Fußballspieler. Sie sind perfektionistische und kinderfeindliche Sauberkeitsfanatiker mit Blockwartmentalität. Ihre Sprache klingt wie das Gurgeln eines Sportauspuffs, wenn ihnen unwillkürlich die Worte „Happen, pappen, sauerkrauten, Achtung oder Blitzkrieg über die Lippen gehen. Ihrem Eroberungsdrang folgend, schützen sie ihr Revier an Stränden durch den Bau von Sandburgen. Jeder hat eine ganze Armee von Gartenzwergen und einen Dackel. Der deutsche Mann liebt sein Auto mehr als seine Frau. Frauen tragen Dirndl, die Männer einen Hut und über ihren Bierbäuchen Lederhosen. Das Spießertum ist eine deutsche Erfindung und die Deutschen sind die ausländerfeindlichste Nation der Welt. Weiße Socken in Sandalen, schon am Abend die Liegen am Pool reservieren, sich am Ballermann besaufen, so sieht man sie im Urlaub. Sie wohnen in Reihenhäusern, vor ihrer Tür steht ein Benz, der jeden Samstag gewaschen und poliert wird. Auf der Hutablage liegt ein gehäkelter Hut, unter dem sich eine Rolle Klopapier verbirgt. Wenn mehr als drei Deutsche sich treffen gründen sie gleich einen Verein, z.B. einen Verein zur Zucht von Kampfkaninchen, aber sie reden nicht mir ihren Nachbarn. Deutschland ist Schmalz, Spätzle, Schrebergärten, Saumagen, Christstollen, Kuckucksuhren, Loreley, Rucksack, Dosenpfand, Bierdeckel, Hundehaufen, Achselhaare, ausgelatschte Sandalen und Turnvater Jahn. Der Deutsche liebt es gemütlich, denn die Gemütlichkeit entstand in Deutschland, weswegen sich die Deutschen Bilder von „röhrenden Hirschen übers Sofa hängen und dann volkstümliche Musik hören, usw. usw.

    Ist das wirklich die Nation? Wenn dies alles typisch deutsch ist, dann sind mir in meinem ganzen Leben, hauptsächlich untypische Deutsche begegnet. Natürlich ist dieses oder jenes deutsch, bestand, besteht oder hat überlebt. Keinesfalls charakterisiert dies jedoch einen repräsentativen Durchschnitt. In Wirklichkeit ist die Deutsche Nation wesentlich vielschichtiger, auch wenn die meisten Deutschen selber Schwierigkeiten hätten, spontan eine Handvoll positiver Punkte am Leben in Deutschland zu benennen.

    Wer mit offenen Augen durch Deutschland geht wird sehen, dass die Deutschen ihr Leben genießen, Kebab, Pizza und Pasta essen und in netten Cafés sitzen, dass sie picknicken und grillen, wandern, joggen und Fahrrad fahren. Sie lieben ihre Gärten, Wohnungen und Häuser und investieren viel Geld und Zeit dafür. Deutsche amüsieren sich gerne, sind freigiebig und hilfsbereit, jedenfalls wenn man sie bittet. Sie kleiden sich gerne international und leger. In Deutschland können Homosexuelle die Ehe eingehen. Ein schwul oder lesbisches Pärchen Hand in Hand auf der Straße, erregt in der Stadt kein Aufsehen mehr. Die traditionellen Geschlechterrollen sind ein wenig aufgeweichter als anderswo. Deutschland hat eine funktionierende Demokratie und eine der besten Verfassungen der Welt, in der Freiheit, Gerechtigkeit und Menschenrechte großgeschrieben werden. Man kann zwischen 300 Brotsorten wählen. 87 Kg Backwaren verzehrt jeder Bundesbürger im Jahr, mehr als in jedem anderen Land. Zu jeder Tages- und Nachtzeit ist in der Nähe eine Apotheke geöffnet. Deutschland ist zu 31% von Wald bedeckt und hat 40 000 km Radwege. Den Deutschen ist der Schutz der Natur heilig. Sie spenden von allen Nationen das meiste Geld für soziale und karikative Zwecke. Die Deutschen sind sehr bereist, sie wissen viel über fremde Kulturen und haben einen ausgesprochen hohen Bildungsstandard. Die Deutschen interessieren sich für Politik und praktizieren in der Schule einen demokratischen Unterrichtsstil. In Deutschland ist das „älteste Gewerbe", die Prostitution, legal. Deutschland ist das Land mit den weltweit härtesten Umweltauflagen. Ausbildung ist fast immer umsonst und wer kein Geld zum studieren hat, wird gefördert. Es gibt viele öffentliche bzw. öffentlich finanzierte Schulen, Universitäten, Kindergärten, Museen, Theater, Bibliotheken und Parks, sowie Wissenschaftsund Forschungsförderung. Deutschland hat ein auf dem Gedanken der Solidarität basierendes Kommunal- und Sozialwesen mit den verschiedensten Leistungen: Kranken-, Rente-, Unfall- und Pflegeversicherung, Sozialhilfe, Arbeitslosengeld, Kurzarbeitergeld, Arbeitsförderung, Erziehungsgeld, Jugendhilfe, Wohngeld, Kriegsopferfürsorge usw. usw...

    Gegen alle Vorurteile, ist Deutschland, in einem Vergleich mit dem Rest der Welt, viel unbürokratischer als die meisten denken. Außerdem ist Deutschland eines der sichersten Länder der Welt, mit einer vergleichsweise geringen Kriminalität, in dem in 10

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