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Mein Luxus - Auszeit - Jahr: Eine Reise zu mir
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eBook300 Seiten3 Stunden

Mein Luxus - Auszeit - Jahr: Eine Reise zu mir

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Über dieses E-Book

Die junge Autorin (B.Sc. Rehab.-Psychologie & Systemischer Coach), die im psychologischen Therapiepraxis - Alltag regelmäßig mit einer Reihe psychischer Erkrankungen bzw. allzu menschlicher Schwierigkeiten konfrontiert wird, verbindet in ihrem 1. Werk jahrelang gesammeltes Fachwissen mit der ganz persönlichen Motivation, über den eigenen Tellerrand zu schauen, um das Leben einmal in einem anderen Tempo zu erleben: Frei von der ständigen Diktatur der Werbeindustrie. Ein Jahr ohne unnützen Konsum - wie wird das selbst auferlegte Projekt ausgehen? Die Autorin wagt damit ein Experiment, das den Zeitgeist trifft. Es wird nicht der Anspruch auf ein wissenschaftliches Fachbuch erhoben, sondern ist vielmehr ein authentisches Tagebuch mit tragikomischen und philosophischen Momenten, so, wie das Leben eben ist. Und für den wachen Leser enthält es eine Reihe nützlicher Survival-Tipps für das fortschreitende 21. Jahrhundert. Die Freude am Voyeurismus wird hier genutzt, um auf spielerische Art und Weise einen Mehrwert für denjenigen zu schaffen, der sucht und mutig genug ist, um Fragen zu stellen. Und sich im anderen zu erkennen.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum15. Aug. 2019
ISBN9783749713561
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    Buchvorschau

    Mein Luxus - Auszeit - Jahr - Teresa Hofmann

    Innerhalb der Beschränkung zur wahren Freiheit finden

    Es ist der 29. Dezember 2016. Das alte Jahr hat noch geschlagene zwei Tage. Ich sitze an meinem Schreibtisch und versuche mit gemischten Gefühlen, mich auf mein selbst auferlegtes Projekt einzustimmen. Bis jetzt ist es lediglich eine gekonnt inszenierte Verkettung kühner Gedanken. Ich erschaudere innerlich vor der mir innewohnenden Macht, diese in die Tat umzusetzen. Das Folgende niederzuschreiben, fällt mir schwerer, als es nur zu denken: Ein Jahr lang Ausstieg aus dem Konsumkarussell - keine Kleidung, keine Bücher, keine CDs, sondern nur das, was ich zum Leben benötige, d.h. neben den laufenden Kosten für Miete, Strom und Internet lediglich Nahrungsmittel, ein Minimum an Kosmetik, Geld für Unternehmungen. Mein gewitzter Verstand ist bereits sämtliche Hintertürchen durchgegangen („Was, wenn ich zu einem bestimmten Anlass gaanz dringend doch etwas brauche oder plötzlich all meine Socken Löcher haben?!"). Es soll für mich der innere Leitsatz gelten: Kaufe nur das, was zum Überleben unbedingt notwendig ist, nicht mehr und nicht weniger. Und etwas in mir ahnt, dass ich allein schon so viele Socken habe, um damit mühelos mein Rentenalter zu erreichen. Diese Tatsache finde ich ziemlich erschreckend, was mein Anfänger-Feuer weiter schürt: Ich will das jetzt durchziehen! Noch ein letztes Mal werde ich mich dem Sog der Stadt mit ihren Verlockungen aussetzen, um meinem Drang nachzugehen, etwas zu erwerben, was mich glücklicher machen soll. Das hat etwas Andächtiges. Bereits die vergangenen Tage habe ich dazu genutzt, mich noch einmal so richtig einzudecken. Was mich dabei vor allem befriedigte, war letztlich nicht die Ausbeute, sondern der Entschluss, dass damit nun erst einmal Schluss sein soll. Es ist ein kitzelig-kribbelndes Gefühl in der Magengegend, spannend, ungewiss, Abenteuer, ein Experiment, eine geplante Expedition, für die ich zu wenig Erfahrung habe, um die geeignete Ausrüstung herbei zu suchen. Ich bin sowas wie eine angehende Klosterschülerin, mit und ohne Glauben. Was wird das Projekt mit mir machen? Werde ich verändert daraus hervorgehen? Wie wird mein Umfeld reagieren? Was tut man als Mensch, wenn man nicht shoppen geht? Endlich mal all das andere, was man sich so lange vorgenommen hat? Welche Gedanken werden kommen, wenn ich keinen Frustkauf machen „darf" und was werde ich stattdessen tun? Mir ein Kilo Orangen kaufen? Werde ich den unzähligen Versuchungen widerstehen können? Auf jeden Fall bin ich fest entschlossen, durchzuhalten. Ich kann schon jetzt erspüren, dass es kein Spaziergang werden wird. Es geht an‘s Eingemachte. Auch ahne ich, dass das Tagebuch für mich sowas wie mein bester Freund werden und mir in schweren Zeiten helfen wird. Ich bin aufgeregt und nervös, was ja schon mal ein gutes Zeichen ist. Das Tor zum Mehr, wie man sagt. Ich betrete unbekanntes Land mit viel fruchtbarem Boden. So fühlt es sich an.

    Ich habe mir natürlich im Vorfeld viele Gedanken darüber gemacht, was mich zu diesem Projekt hier antreibt. Zunächst einmal war da der Energieverlust, den ich zunehmend bemerkte und der sich in mein Leben geschlichen hatte. Also machte ich mich auf die Suche nach den Aufmerksamkeitsfressern und wurde schnell fündig. Eine Menge Kapazitäten gelassen hatte ich schlicht und ergreifend in der Auswahl neuer materieller Begierdeobjekte und in deren Erbeutung. Ich stoße aber auch auf ein Sammelsurium aus Erkenntnisfetzen der vergangenen Jahre. Es ist, als hätte sich langsam eine Informationswelle verdichtet, die unweigerlich zum Tag X führen musste. Meine Motivation ist klar: Ich möchte einen kleinen persönlichen Beitrag zur allgemeinen Entschleunigung leisten. Es ist nicht so, dass ich absolutes Neuland betrete. Ich praktiziere schon eine Weile mehr oder weniger erfolgreich Digital Detox, besitze noch ein altes, todesmutig verteidigtes Nokia Handy von der Marke Steinzeit, kein TV-Programm und auch sonst kaum technische Geräte (mein Laptop zählt nicht! Der wurde mir quasi aufgedrängt, nachdem ich lange Widerstand geleistet hatte - ich musste schließlich kapitulieren und mir eingestehen, dass ich ihn einfach zum Studieren benötige). Ich fahre Fahrrad oder gehe zu Fuß, trenne meinen Müll, kaufe häufig Bio-Produkte, besitze keine Gucci-Tasche und keinen teuren Schmuck, lebe in einer kleinen, bescheidenen Wohnung. Ich prüfe meinen Besitz regelmäßig auf überflüssige, ungeliebte oder verstaubte Dinge. Und ich versuche mit wachsender Vehemenz, mein Reisegepäck zu verringern, weil ich schon bemerkt habe, dass es sich so einfach leichter reist. Ich gestalte mein Konsumverhalten also schon relativ bewusst, wollte schon immer mehr aus meiner Zeit herausholen. Man müsste meinen, dass all dies heutzutage nichts Ungewöhnliches ist. Und doch habe ich stets mit großem Interesse die Reaktionen aus meiner Umwelt beobachtet und mich nicht selten wie ein Außerirdischer in meinem Ansinnen gefühlt, dass materieller Besitz und die Anschaffung dessen nicht das sein kann, worum es in diesem Leben eigentlich geht. Manchmal hat es mich amüsiert, oft habe ich mich auch allein und unverstanden gefühlt, ab und zu wie ein Pionier, ja, fast wie ein Visionär, was meinem Ego dann wieder Auftrieb gab. Sicherlich hat mich mein psychologisches Hintergrundwissen bei der Beobachtung eigener Gewohnheiten maßgeblich unterstützt. Ich konnte im Prinzip gar nicht anders. Und was ich da beobachtete, gefiel mir ganz und gar nicht. Mich hatte die Industrie trotz vorsichtiger Abstinenzversuche an einem bestimmten Punkt, meiner ganz individuellen Achilles-Ferse, voll im Griff. Ich bin eine junge Frau, ich lege Wert auf mein Äußeres. Das müsste zur Erklärung fast schon genügen. Ich fühlte mich bisher in meinem Streben nach äußerlich vorgegebener Perfektion immer unersättlicher, entwickelte immer neue Wünsche. Es kam mir vor wie beim Märchen vom süßen Brei. Kaum hatte ich etwas Neues in Besitz genommen, schoss auch schon mit objektiv unzulässiger Geschwindigkeit der nächste Wunsch um die Ecke. Das diente definitiv zur Kompensation und hatte schon Suchtcharakter. Trotz meiner mühsam vor mir selbst zurechtgebastelten Scheinunabhängigkeit war ich also ebenso Sklave der Industrie wie meine Mitmenschen, die ich mir anmaßte, dafür zu belächeln. Um mich herum findet gefühlt eine regelrechte Wohlstandsverwahrlosung statt. Man wertschätzt die Dinge nicht mehr. Ich will meine Eigenmacht zurück! Bei der gedanklichen Recherche nach tieferen Beweggründen stoße ich jedoch auf eine Sehnsucht, die schon ewig in mir schlummert - die vom Aussteigen. Bereits in meiner Teenager-Zeit verstieg ich mich in Fantasien, allein in der Wildnis Alaskas zu leben, völlig abgeschnitten von der Zivilisation. Schon damals neigte ich, sicher auch entwicklungsbedingt, zum Hinterfragen, Analysieren und Träumen von Minimalismus und Reduktion. Wird das hier also eine Art stille Revolution? Oder ist es eine pubertäre Rebellion gegen gesellschaftliche Schranken? Oder beides? So weit, so gut. Es ist an der Zeit, knallhart meinen Satus Quo zu resümieren: Ich bin mit dreißig Jahren an einem Punkt in meinem Leben angekommen, an welchem ich zwar Weisheiten wie Sauerstoff inhaliert habe, mein Körper sich jedoch parallel, so die neuesten, leider wenig erbaulichen Entwicklungen laut Aussagen meiner Ärztin, - adäquat zum geistigen Erkenntnisstand (?), auf dem Status einer 50-Jährigen befindet. Details hierzu eventuell später, je nach Stimmungslage und zu erwartenden Entzugssymptomen. „Definitiv Zeit umzudenken!, schreit mich mein Lebenslauf förmlich an. Ich muss mich also dringend mehr um das Innen als wie bisher um das Außen kümmern, nicht nur meine Wohnung, sondern auch meine Seele entrümpeln. Ich erhoffe mir von meinem Projekt eine Menge und stelle dabei fest, dass ich es schon jetzt völlig mit Erwartungen überfrachte, so ähnlich wie in einer aufkeimenden Beziehung. Was soll das bloß werden?! Ich wünsche mir mehr spirituellen Zugang, den freigelegten Weg zu meinem Innersten, zu meiner Kreativität, mehr Lebensqualität. Wäre nicht verwunderlich, wenn sich diese bei dem hohen Anspruch vor Schreck erstmal komplett verflüchtigt. Ich muss mit allem rechnen. „Ganz schön mutig!, versuche ich, dem Angsthasen in mir zuzuflüstern. Und: „Ich will mein Leben zurück, denn was ist Leben im Grunde anderes, als Zeit zu haben für die wirklich wichtigen Dinge."

    Januar 2017 - Erste Impressionen/ Auf in den Kampf!

    Man bezwingt niemals den Berg, sondern immer sich selbst

    Es ist der zweite Januar und damit die erste Gelegenheit, im neuen Jahr etwas einzukaufen. Die Tatsache, dass ich mich zum Jahreswechsel gerade in Berlin aufhalte, macht es nicht leichter. Um mich herum überall bunte Leuchtreklame von Läden, die entweder bereits mit Shoppingerinnerungen positiv belegt sind oder durch mich schon immer einmal im Sturm erobert werden wollten. Um das abzukürzen: Ich habe ein Salzkristallteelicht gekauft und fühle mich deswegen irgendwie bereits wortbrüchig, schuldig, mies. Schnell krame ich in meinem diesbezüglich erprobten Hirn nach passablen Entlastungsstrategien: Okay, die hab ich bereits am 31. Dezember nach Ladenschluss im Schaufenster gesehen und damit die Kaufentscheidung noch vor 2017 getroffen. Außerdem: Wie ist das überhaupt mit Deko? War das in meinen Plan inkludiert? Ich entschließe mich dazu, ab jetzt ganz offiziell auch keine Gegenstände mehr zur Verschönerung meiner Behausung zu kaufen, denn am Ende läuft es doch genauso darauf hinaus, mich vom Wesentlichen abzulenken, meinen Endorphin-Haushalt zu prostituieren und unnötigen Besitz anzuhäufen. Dieser Beschluss lässt mir nun auf einmal das Teelicht um ein Vielfaches wertvoller erscheinen. Ich nehme mir mit einem inneren Grinsen vor, es als Mahnmal aufzustellen und mich gleichzeitig umso mehr am warmen Licht zu erfreuen. Puh. Das wäre geklärt. Wie schnell man doch die Geldbörse für etwas anderes als Nahrungsmittel und das tägliche Überleben zückt, es geht fast automatisch, ganz leicht, nahezu schwerelos, beiläufig, ferngesteuert! Und ist damit so etwas wie telepathischer Diebstahl. Wer sich manipulieren lässt, ist schließlich nicht Herr seiner Sinne und damit auch nicht Herr der Lage, oder? Ich erinnere mich an die Zugfahrt zu meinem Reiseziel vor zwei Tagen, an der alles noch einmal innerlich an mir vorbeirauschte, das Feuer für mein Projekt, die Ängste, die Erkenntnisse, der erhoffte Gewinn. Ich sinnierte vor mich hin, während kahle Felder in der Wintersonne ihre raue Schönheit offenbaren: Jeder weitere Input in Form von Werbeprospekten, Schuhen, Unterwäsche, Gürteln, Ohrringen oder was mein verbogenes Herz sonst noch ersehen kann, wäre Ablenkung, Verdrängung, Ohnmacht. Es gibt einfach gewisse Dinge, die Menschen nur machen, wenn sie genug freie Kapazitäten haben, denke ich so vor mich hin. Dazu gehören: Singen, lachen, Talente ausleben, gucken, in welchem Sternzeichen der Mond gerade ist, jemanden Liebes anrufen und ihm sagen, wieviel er einem bedeutet… . Ich bestärke mich nochmals in der Idee, jetzt wirklich genug Besitz angehäuft zu haben - keine Ausreden mehr! Ich habe schon so viel, was zu wenig Beachtung von mir geschenkt bekommt. Es geht nun um die reine Umsetzung. Ich wäge für mich die Gedanken „Alles, was leicht geht, ist gut und richtig und „Alles was schwer geht, zeigt dir deine Entwicklung und bringt dich voran gegeneinander ab. Beide habe ich in unendlicher Vielfalt irgendwo so oder so ähnlich bereits gelesen. Mal davon abgesehen, dass die Wahrheit ja meist in der Mitte liegt, ist mir gerade danach, Farbe zu bekennen. Wahrscheinlich ist es so, dass etwas unnatürlich Erlerntes erst einmal Kraft und Mühe kostet, um wieder verlernt zu werden. Und ab da sollte es dann leicht gehen. Das bedeutet für mich jetzt auf jeden Fall, dass ich die Zähne ordentlich zusammenbeißen muss und dann hoffentlich zu gegebener Zeit an einen Punkt komme, an dem ich merke, dass es überhaupt nichts gibt, wogegen ich mich wirklich wehren muss und ich quasi die ganze Zeit ein Ungeheuer halluziniert habe, dass in Wirklichkeit niemals geboren wurde. Ich fühle mich wie in einer Wüste ausgesetzt, hungrig, durstig, inklusive Fata Morganavor mir die Mall of Berlin. Überhaupt ist die Welt der inneren Bilder für mich gerade eine neue, ich spüre einen anderen Zugang, als ob mein Unterbewusstsein nun mehr aus den eigenen Quellen schöpfen muss, sensibilisierter ist. Das geht aber schnell! Ich bin erstaunt. Einerseits habe ich nu Blut geleckt und will meinem imaginären Gegner zurufen, er soll nur näherkommen und dass ich gut mit ihm fertig werde, andererseits komme ich schon jetzt mit den eher schwächlichen Seiten meiner Persönlichkeit in Berührung: Meiner Ungeduld, die ja gern mal als Stärke verkannt wird. Kann es sein, dass ich zu schnell zu viel will, zu voreingenommen in Bezug auf die Resultate herangehe und zu hart mit mir ins Gericht gehe? Hey, es ist gerade mal der zweite Tag und es folgen noch ein paar hundert.

    Ich streichle dem Kind in mir liebevoll über den Kopf, wohlwissend, dass das hier erst der Anfang ist. Von meiner ersten Prüfung in Form der Hauptstadt halbwegs ehrenhaft wieder zurückgekehrt, hält der Alltag für mich natürlich jede Menge weiterer Hürden bereit. Das war ja zu erwarten gewesen.

    03.01.17

    Mein erster Arbeitstag im neuen Jahr neigt sich dem Ende zu. Obwohl ich im Großen und Ganzen wirklich gern zu meiner Arbeitsstätte gehe, was ja an sich schon Luxus ist, ist mir schon wieder nach Belohnung. Gründe lassen sich genug finden: Liebeskummer, körperlicher Durchhänger, Herzdruck. Mein erster Impuls: Zum Feierabend gehe ich in meinen Lieblings-Second-Hand-Laden! Ach nein, da war ja was. Mist! Ich grabe tiefer und verfolge die Anwandlung bis zur Wurzel. Dann erkenne ich, wo der Hase läuft. Ich will einfach den Schmerz, die dahinterstehende Angst und Sorge um meine Gesundheit, meinen derzeitigen und zukünftigen Beziehungsstatus, kurz - mein Leben, nicht spüren. Ein Gedanke drängt sich auf: Gehen wir alle shoppen, weil wir Panik vor unserer eigenen Sterblichkeit haben? Okay, ganz ruhig, wie kann ich also stattdessen etwas für mein Wohlbefinden tun?! Zu Hause angekommen, mache ich mir erstmal eine schöne Tasse Schoko-Chai und entspanne bei meinem Lieblings- Youtube- Kanal (jeder braucht ein Laster), wo heute ausnahmsweise mal nicht großspurig konsumiert wird, wenngleich jede Menge Marken beiläufig durch die Linse huschen. Das bin ich ja gewöhnt und meine immer noch, drüberzustehen. Die fixe Idee, mir auf dem Nachhausweg schnell ein paar Blumen mitzunehmen, habe ich verworfen, - das wäre im weitesten Sinne ja Deko, außerdem steht der Plastik-Weihnachtsbaum von Ikea noch, und nachdem ich jetzt eruiert habe, was hinter dem Wunsch stand, bin ich froh, stark geblieben zu sein. So schaue ich meiner Furcht unmittelbar ins Antlitz … zumindest theoretisch. Praktisch finde ich eine Menge Möglichkeiten, mich dennoch von existentiellen Fragen und tiefen Gefühlen abzulenken (Wäsche waschen zum Beispiel). Aber wenigstens weiß ich jetzt, was mir nach Feierabend noch so alles gut tut: Ruhe, Wärme, ein leckeres Abendessen - und schreiben. Ich staune, wie kreativ ich doch darin bin bzw. war (immer positiv formulieren …), mich selbst zu täuschen. Wann habe ich überhaupt das letzte Mal gestaunt, und worüber? Ich lebe weiter, ob mit oder ohne Schnäppchen in der Tüte, das ich wie eine Trophäe nach Hause schwenke und was mich für ganze fünf Minuten heiter stimmt. Ich danke dem Universum für diese nun erstmals so richtig gefühlte Erkenntnis. Ausgewaschene, ungeliebte Dinge habe ich schließlich genug im Schrank. Dem könnte ich mich auch mal wieder liebevoll zuwenden … Ich bin sowas ähnliches wie inspiriert. Hatte schon vergessen, wie sich das anfühlt. Plötzlich genieße ich den Duft frischer Wäsche. Es ist, als hätte ich wieder was mitzureden in der Gestaltung meines Lebens, wie ein Zuwachs an Selbstbestimmung. Kann das etwa ein Endorphinrausch sein? Ich bin bestimmt nur anfangseuphorisiert. Jedem „Anfang wohnt ein Zauber inne", wusste schon Hermann Hesse, und das ist ja wohl ein paar Tage her (Ob der auch gern shoppen war?). Wenn das jetzt im Positiven so schnell geht, muss es auch schnell stagnieren, denke ich voreilig und freue mich trotzdem auf alles, was kommt.

    04.01.17

    Der Drogerieeinkauf steht an. Ich gebe zu, dass ich hier nicht nur wegen des regelmäßigen Bedarfs an Toilettenpapier und Waschmittel Stammkundin bin. Und fleißig Payback- Punkte sammle, die sich irgendwie trotzdem nie so richtig auszahlen, wenn ich meine Geldbörse befrage. Wie selbstverständlich schaue ich nebenbei nach Schmuck und Haarbändern (und das, obwohl ich erst eins geschenkt bekommen und noch nie getragen habe!). Ach, wieder noch nicht wach heute? Und das kurz vor 18 Uhr. Oder es greift erneut das Belohnungsmuster, - nach getaner Arbeit versteht sich. Als ob das zur Ernüchterung nicht schon reicht, schnappe ich beim Gehen auch noch ganz automatisch nach dem monatlichen Werbeprospekt, der netterweise zusätzlich mit ein paar Lifestyle- Tipps, Produktproben, Interviews und Buchempfehlungen versehen ist, damit der Kaufappell dahinter nicht so auffällt. Das kommt jetzt erstmal in den Papierkorb. Ja, ich weiß, das Waldsterben und so. Hey - darauf kommt es nun auch nicht mehr an! Ich muss mich ja nicht unnötig den neuesten Lippenstifttrends und Nagellackfarben aussetzen, die mein Hirn wieder akut auf „Habenwollen" umprogrammieren. Ich realisiere mit dem heutigen Tag, dass es wohl eine Weile dauern wird, bis ich meine Gewohnheiten abstellen werde. Eine gute Tat habe ich heute vollbracht. Gesammelte Rabattcoupons und Gutscheine vom letzten Jahr, die mich in diverse Shops locken wollen und in Versuchung bringen könnten, habe ich meiner Mutter übergeben, die sich sehr darüber gefreut und mich angeschaut hat, als sei ich verrückt geworden. Nein, liebe Mama, ganz im Gegenteil - ich komme so langsam zu Verstand! … Die Zivilisations-Betäubung lässt allmählich nach. Es ist ein gutes Gefühl, sich Überblick über den Ist-Bestand zu verschaffen, eine Art Inventur ohne Warenneuzugang. Ich kann bei Weitem noch nicht sagen, über welche Besitztümer ich so alles Herrin bin. Ich habe nur eine vage Idee. Langsam komme ich meinem Traum, alles, was mich umgibt, auch zu nutzen und mit liebevoller Aufmerksamkeit zu beschenken, näher.

    06.01.2017

    Was sind schon zwölf Monate im Vergleich zur Ewigkeit?! Schon wieder unterwegs. Diesmal geht es in Richtung Meer, mein Lieblingsreiseziel.

    Noch auf dem heimischen Bahnhof kommen mir wilde und beschwingte Gedanken zu meinem Projekt, was mich innerlich ganz schön in Aufruhr zu versetzen scheint, so wie es mich beschäftigt. Ich möchte hier und jetzt den Leuten zurufen: „I-h-r h-a-b-t e-i-n G-e-s-c-h-e-e-e-n-k!!! Und das nennt sich L-e-e-b-e-e-n-n!" Ich dachte ja, ich hätte einen Plan. Dabei hatte ich keinen Schimmer, wo die Reise wirklich hingeht. Vom Materiellen über die Materie direkt an die Substanz. Ich versteige mich mal wieder in geistigen Höhenflügen. Uns für ein bestimmtes Produkt zu entscheiden ist Ausdruck unserer Individualität, gibt uns ein gutes Gefühl, bedeutet die Erweiterung unseres Egos und definiert unseren Platz in der Welt. Nur, von oben betrachtet haben wir wahrscheinlich gar nicht so viele Wahloptionen, wie

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