Vergesellschaftung von Hunden
Von Indira Singh
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Über dieses E-Book
Hunde sind mehr als nur faszinierende und kluge Tiere, sie sind Rudeltiere, die nach angeborenen Strukturen diese Rudelgemeinschaft leben und dabei hochsozial und immer mit dem Gemeinschaftsgedanken an erster Stelle handeln und sich verhalten. Ermöglicht man seinem Hund durch die Aufnahme eines von der Stellung her passenden Hundepartners, diese natürliche Anlage und sein essentielles Bedürfnis nach einer sozialen Gemeinschaft ausleben zu können, erlebt man einen Zauber, der nur schwer in Worte zu fassen ist. Man erlebt eine andere Stufe des Zusammenlebens mit Hunden, lernt von ihnen die Regeln ihrer Gemeinschaft kennen und wird zu einem Teil dieser Gemeinschaft - wenn man bereit ist, sich auf diese Regeln einzulassen und den Hund als eigenständiges Wesen mit eigenen Bedürfnissen und in seiner Partnerschaft mit seinem passenden Hundepartner anzuerkennen.
Für die Hunde, aber auch für die Tiere allgemein wünsche ich mir, daß sich in Zukunft immer mehr Menschen trauen, zuzugestehen und zu respektieren, daß Tiere auf Ebenen kommunizieren und sich in natürlichen Strukturen organisieren, von denen wir nur wenig wissen und ahnen, daß es das gibt.
Danke, meine lieben Hunde, daß ich von und mit euch lernen durfte und darf. Ihr habt mir eine für mich neue Welt, eure eigene und natürliche Welt, gezeigt, dafür bin ich euch unendlich dankbar.
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Buchvorschau
Vergesellschaftung von Hunden - Indira Singh
1. KURZE EINFÜHRUNG IN DIE BEGRIFFE
Vergesellschaftungen
Was bedeutet das Wort „Vergesellschaftung" überhaupt?
Das Wort Vergesellschaftung verwenden wir, wenn zwei passende Hunde zum Zusammenleben zueinander kommen, sich kennenlernen und dann fortan ihr Leben miteinander verbringen.
Miteinander vergesellschaftet werden immer zwei von der Stellung her zusammenpassende Hunde, d.h.:
- NLH mit N3
- MBH mit N2 oder
- MBH mit V3
- VLH mit V2
Das sind die kleinstmöglichen Formen der Vergesellschaftung.
Werden zwei Hund miteinander vergesellschaftet, sollten sie immer ausreichend Zeit zu zweit haben, um sich ihre gemeinsame Basis zu erarbeiten. Das bedeutet, nehme ich zwei Hunde zu einer schon bestehenden Hundegruppe auf, sollte man den zwei zu vergesellschaftenden Hunden auch immer wieder ermöglichen, sich zu zweit miteinander auseinanderzusetzen - so zumindest wird es vom Prinzip her geraten, aber auch hier gibt es Ausnahmen, zum Beispiel, wenn die schon vorhandenen Hunde wie eine Einbettung den zwei neuen Hunden helfen, und die Vergesellschaftung unterstützen. Es ist notwenig, von Fall zu Fall und mit geübtem Auge zu entscheiden.
Eine Ausnahme bilden zwei passende Welpen-Geschwister, die zusammen aus einem Wurf stammen und aufgenommen werden: Welpen professionalisieren sich im Wurf, und eine Vergesellschaftung fällt dann sozusagen weg, diese zwei passenden kleinen Lebewesen sind eine perfekt funktionierende Einheit und haben sich alle Abläufe schon erarbeitet.
Auf die Schwierigkeiten bei Welpengeschwistern gehe ich in einem späteren Kapitel ein.
Eine Vergesellschaftung zweier passender Hunde bedeutet aber nicht, dass damit alle Probleme, die ein Einzelhund womöglich gemacht hat, verschwinden. Für schnelle Lösungen ist RS (= Rudelstellungen) und eine Vergesellschaftung nicht geeignet.
Mit einer Vergesellschaftung setzen sich zwei Hunde ein gemeinsames Ziel, die Gemeinschaft, und verfolgen dieses; das zeigt, dass Hunde eine Vorstellung von Zukunft haben, sie verfolgen ein Ziel und planen, was in der Zukunft liegt. Hunde haben auch viel Phantasie auf dem Weg zum Erreichen dieses Ziels, sie überlegen sich viele verschiedene Lösungswege, denken sehr variantenreich.
Gemeinsam im Schnee buddeln, v.l.n.r.: N2 - MBH - V3
Spätvergesellschaftungen
Mit Spätvergesellschaftung meinen wir, wenn zwei von der Stellung her passende Hunde miteinander leben wollen, die zuvor ein Vorleben als Einzelhund und/oder in Unstruktur gelebt haben, die kennengelernt haben, welche Varianten es gibt neben dem Leben in Struktur. Bei solchen spätvergesellschafteten Hunden ergeben sich andere Bilder als bei Hunden, die ihr Leben lang nur in Struktur gelebt haben; speziell auf diese Varianten soll auch in diesem Buch eingegangen werden, denn:
Die allermeisten Menschen haben Hunde, die nicht in Struktur leben, es ihrem Hund aber trotzdem ermöglichen wollen, und diese ersten Schritte sollen hier auch aufgezeigt werden.
Im vereinseigenen Forum kann man wunderbare Spätvergesellschaftungen mitverfolgen! Spätvergesellschaftung ist also keineswegs wertend zu verstehen, sondern es ist einfach eine Bezeichnung für diese Form der Vergesellschaftung.
Vergesellschaftet werden in Spätvergesellschaftungen genau dieselben Stellungen wie oben benannt.
Die ideale Vergesellschaftung
Gibt es eine ideale Vergesellschaftung? Das ist eine sehr schwierige Frage, und es wird wahrscheinlich keine eindeutige Antwort darauf geben.
Die V2 ist über das Aufpassen an der Eingangstüre eingeschlafen.
Der Rottweiler VLH (vorne) schläft entspannt, die V2 (braun) wurde vor der Eingangstüre positioniert, damit niemand unbemerkt das Grundstück betreten kann, während der VLH schläft.
Hunde sind Individuen, und man kann niemals eine Schablone anwenden, die auf alle Hund immer gleich gut passt.
Aber man kann einige Parameter feststellen, die - wie die jahrelangen Aufzeichnungen der vielen Forumsuser gezeigt haben - eine Vergesellschaftung reibungsloser verlaufen lassen und wo man als Halter fast davon ausgehen kann, dass die Hunde relativ schnell eine Basis erarbeitet haben, die wir unter Rudelstellungs-Gesichtspunkten als gut funktionierend sehen.
Was bedeutet eine Vergesellschaftung für die Hunde?
Mit einer Vergesellschaftung betritt man als Mensch eine neue Art der Hundehaltung. Es ist ein verantwortungsvoller und weitreichender
NLH links, N3 rechts, teilen sich den Hundekorb. Miteinander liegen baut die gegenseitige Akzeptanz auf.
Schritt - das muss man sich klarmachen und auch überlegen, ob man das überhaupt möchte für sich selber, denn es wird durch eine Vergesellschaftung nicht unbedingt einfacher mit den Hunden, sondern eher anspruchsvoller für den Menschen.
Man begibt sich in eine Welt, die das Individuum Hund an erste Stelle setzt und versucht, aus der Sicht dieses Individuums Hund die Dinge wahrzunehmen. Das ist unbequem, aber auch wunderbar, wenn man sich darauf einlässt. Es entspricht nicht dem gängigen Bild des Umgangs mit einem Hund, wie er fast überall gelehrt wird. Man gesteht dem Hund eine Eigenständigkeit zu, die Fähigkeit, eigene kluge Entscheidungen zu treffen, man degradiert den Hund nicht zu einem Kommandoempfänger, sondern versucht, eine Gemeinschaft herzustellen, die auf Kooperation und gegenseitigem Vertrauen beruht.
Ab dem Moment, wo ich meinem Hund einen passenden Partner ermögliche, setze ich in den Hunden eine Welt in Gang: ihre eigene Welt.
Ab diesem Moment bin ich gleichzeitig verpflichtet, mich an die Regeln der Hunde zu halten, die ihre Welt ausmachen. Man muss nicht perfekt sein, man kann Fehler machen, aber man muss den Hunden zeigen, dass man ihre Welt anerkennt, sich darauf einlässt, die Regeln achtet. Die Hunde prüfen es, und werden, wenn man sich daran hält und es ernsthaft verfolgt, den Menschen innerhalb der Struktur als Gemeinschaftswesen anerkennen und in hohe Kooperation mit dem Menschen gehen.
So haben es die Erfahrungen der vielen Jahre, gesammelt in unserem Vereinsforum, gezeigt.
Erlebt man einmal diese Aufnahme in die funktionierende Gemeinschaft der Hunde, möchte man - so kann ich zumindest für mich selber sagen - niemals mehr eine andere Art des Umgangs mit Hunden erleben.
Lässt man zwei passende Hunde zusammen leben und sich vergesellschaften, so ist das wie ein Mechanismus zu verstehen, der nicht mehr aufgehalten werden kann - die Hunde bleiben nicht stehen, wenn sie einmal begonnen haben, sich zu verbinden.
Auf der Basis dieser Verbindung ist es Hunden möglich, sich vom Menschen in gewisser Weise unabhängig zu machen, sie sind nicht mehr ausschliesslich auf die Sozialität des Menschen und die Kommunikation mit diesem angewiesen, sondern können diese jetzt mit dem passenden Partner ausleben. Sie beginnen und bewerten ihren Menschen. Um diese hohe Kooperation und eine Gemeinschaft mit den Hunden zu erreichen, in der ich als Mensch von den Hunden vertrauensvoll anerkannt werde, muss ich mich wie gesagt an die Regeln der Welt der Hunde halten und meine Aufgaben in dieser Gemeinschaft zuverlässig übernehmen.
Die Bedeutung der Vergesellschaftung zweier passende Hunde für den Menschen
Wie weiter oben schon angeschnitten, öffnet man für die Hunde in dem Moment, wo man ihnen das Leben mit einem passenden Partner ermöglicht, ihre eigene Hundewelt mit den Regeln aus dieser Welt.
zusammen buddeln, vlnr: N2, MBH, N3, NLH, V3
Der junge VLH (hell) und seine V2 beim gemeinsamen Mittagsschlaf auf der Couch.
Für den Menschen bedeutet dies, dass man ab jetzt diese Regeln der Hundewelt lernen und einhalten muss; in den Hunden setzt man einen Mechanismus frei, und sie werden in ihrer Zusammenfindung nicht mehr stoppen und warten, sondern eine Vergesellschaftung läuft unaufhaltsam, mit verschiedenen Endergebnissen.
Wichtig ist für den Menschen, dass er lernt, die Hund richtig zu bewerten.
Man muss sich immer klar machen: Hunde bewerten den Menschen auch. Jedes Verhalten wird bewertet, und bemerken die Hunde, dass der Mensch zu viele Bewertungsfehler macht, sinkt das Vertrauen in den Menschen.
I Nachrangteilrudel mit V3, von vorne nach hinten: MBH (rechts), V3, N2, NLH, N3
Es geht in einer Vergesellschaftung zum einen um den Gemeinschaftsaufbau zwischen zwei passenden Hunden, aber genau so geht es um den Gemeinschaftsaufbau zwischen Hunden und Mensch.
Dieser Gemeinschaftsaufbau hat ausschliesslich mit der Übernahme der klaren Führungsbereitschaft für Außenreize der Menschenwelt, der Richtungvorgaben und den Erklärungen/Bewertungen zu tun - das sind zusammengefasst die Aufgaben des Menschen.
In Teilrudeln oder kleineren Teams muss man sich immer klar machen, welche Aufgaben die fehlenden Stellungen übernehmen würden und dann weiß man, was man als Mensch ausfüllen muss, und die Hunde in der Gruppe können sich fallen lassen.
Je mehr man sich mit den Aufgaben der Hunde im Komplettrudel befasst, desto besser wir man seine eigenen Aufgaben im eigenen Hundeteam erkennen und verstehen.
Im Folgenden will ich anhand meiner eigenen Hundegruppe, aber auch an anonymisierten Fallbeispielen aus unserem Forum diese Alterstrukturen und Vergesellschaftungen bzw Spätvergesellschaftungen illustrieren und erklären.
Der VLH steht und beobachtet mit gerunzelter Stirn den V2
2. ÜBER DIE SIEBEN STELLUNGEN IN BEZUG AUF DIE BEDEUTUNG IM RUDEL UND IN DER VERGESELLSCHAFTUNG
Der vorrangige Leithund, VLH
Ein VLH-Welpe aus einem strukturierten Wurf, der sich erfolgreich separiert hat im Wurf, ist ein sich relativ wenig bewegender Hund, und wenn, dann nie mitten im restlichen Wurf. Der VLH wird nur kurz mit dem MBH Sozialgesten tauschen manchmal im Vorbeigehen; der V2 wird schon in dem Alter mit Stimulationen beginnen und fordern, dass der VLH sich mit ihm abgibt. Der VLH dosiert sehr gezielt seine Aktivitäten mit V2. Der vordere Leithund ist als einziger Hund ausgestattet mit einem Ortungssinn, einem Radar nach vorne. Dieser Ortungssinn funktioniert auf weiteste Entfernungen, der VLH kann durchblutete Lebewesen auf einige Kilometer Entfernung wahrnehmen, aber auch andere Reize wie Maschinen, Autos etc bemerkt der VLH sehr frühzeitig.
Der VLH (hell) thront auf der Terrasse, beobachtet die Umgebung und nimmt sie mit all seinen Sinnen auf, die V2 (braun) liegt entspannt und abwartend neben ihm
Der VLH (tricolor vorne) hält den V2 (weiß) an seiner hinteren Flanke und führt ihn an.
Dadurch ist er als einziger Hund prädestiniert, Bewertungen nach vorne zu erstellen.
Diese Funktion ist immens wichtig für den Rest der Rudels, denn durch diese Fähigkeit ist es dem VLH möglich, frühzeitig Gefahren festzustellen, und kann dann sein Rudel in großen Bögen um solche Gefahren herumführen, ohne dass das Rudel tangiert wird von dem Reiz.
Die anderen sechs Hunde wissen das, und fordern so vom vorderen Leithund, dass dieser sich möglichst ausschließlich mit dieser Aufgabe befasst, denn nur so ist das Rudel sicher von direkten Konfrontationen mit Reizen aller Art.
Der VLH soll „thronen", er sitzt oder liegt an strategisch relevanten Aussichtspunkten und ortet die Umgebung ab.
Er beurteilt liegend die Geschehnisse im Rest des Rudels, und greift nur ein, wenn es erforderlich wird, z.B. der MBH seine Unterstützung benötigt.
Zusammen erkunden die junge VLH (braun) und der ältere V2 die Wiese
Der VLH steht in Absprache mit dem NLH, beide tarieren sich aus, und so müssen beide flexibel bleiben in ihren Entscheidungen und können nicht despotisch ihren Kopf durchsetzen.
Der MBH wird anschliessend in die Absprachen einbezogen, damit er sie weitergeben kann an die Bindehunde. An den Absprachen der beiden Leithunde kann man erkennen, ob die Bindehunde alle gut in ihrer Stellung agieren; je ausgewogener das Rudel funktioniert, desto ausgeglichener können die Leithunde sich absprechen
Im Zug führt der VLH den V2 direkt an. Der VLH kann aus seiner Stellung heraus eine enorme Zugkraft entwickeln, und sich dabei völlig auf die Umgebung vor ihm konzentrieren.
Es liegt am MBH, dafür zu sorgen, dass alles anderen Hunde folgen.
Trifft ein VLH auf einen Reiz, so wird er diesen nach Möglichkeit aus der Entfernung bewerten, und dann seitlich aus der Tangente Reiz-VLH treten, und dadurch das Rudel mit sich ziehen, und so an dem Reiz im Bogen vorbei ziehen. Lässt sich eine Konfrontation nicht umgehen, ist normalerweise der MBH als Hund mit der höchsten Sozialkomponente dafür zuständig, oft mit Hilfe seiner Bindehunde. Der VLH kann sich auch aufgebaut dem Reiz entgegenstellen und dadurch auf Abstand halten. In dringenden Fällen wird er den V2 freigeben und direkt schicken.
Dem VLH muss man als Mensch auf einer partnerschaftlichen Ebene begegnen; ihn führen zu wollen, womöglich über Kommandos, wird auf Dauer nicht funktionieren, es kann nur eine