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Ashem - eine Freundschaft: Eine phantastische Geschichte
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Ashem - eine Freundschaft: Eine phantastische Geschichte
eBook430 Seiten5 Stunden

Ashem - eine Freundschaft: Eine phantastische Geschichte

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Über dieses E-Book

Eine phantastische Geschichte

«Das ist nicht das Engadin!»
«Nein - bestimmt nicht. Aber - was dann?»
«Was immer - komm, wir gehen zurück!»
Robert blickt sich um und erstarrt.
Er greift nach dem Arm seines Bruders.
Der folgt dem Blick und erbleicht.

Laute dringen durch den schütteren Tannenbestand. Eine menschliche Gestalt läuft die Passstrasse herauf. Ein Junge - vielleicht fünfzehn Jahre alt. Immer wieder blickt er sich um, mit weit aufgerissenen Augen, am Rande der Erschöpfung. Namenlose Furcht treibt ihn vorwärts. Er hat die Passhöhe erreicht und hastet weiter, stolpert, stürzt, schreit leise auf und hält sich den Knöchel. Wimmernd bleibt er liegen. Er kann nicht mehr.

«Komm!», befiehlt Eric.
Dieser Entscheid bringt Eric und Robert in Lebensgefahr, in Gewissensfragen, in Kämpfe bis aufs Blut. Sie wollten nur helfen - ist das der Dank dafür?

Eine phantastische Geschichte.
Wer Augen hat, der lese - wer ein Herz hat, der öffne es … in unserer Welt.
SpracheDeutsch
Herausgebertopbooks.ch GmbH
Erscheinungsdatum28. Nov. 2018
ISBN9783038570103
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    Buchvorschau

    Ashem - eine Freundschaft - François Schmid-Suhner

    Der Wildfang

    Er liebte den Nebel. Nebel machte alles irgendwie geheimnisvoll, doch jetzt konnte er ihn nicht gebrauchen! Er wollte so schnell wie möglich zum Parkplatz der Talstation Punt Muragl gelangen.

    Sein Bruder, seine Eltern und er waren mit der Zahnradbahn auf Muottas Muragl hochgefahren und von da zum Lej Muragl gewandert, wo sie gepicknickt hatten. Das Wetter machte nicht so mit wie gewünscht. Herbstliche Feuchtigkeit lag in der Luft und kleine Schwaden schlichen über die Hänge und Wege. Aber sie hatten die Tour gleichwohl genossen.

    Auf dem Rückweg hatten sie sich vor Margun getrennt: Die Eltern wollten wieder nach Muottas Muragl, gemütlich einen Kaffee nehmen und darauf mit der Bahn zur Talstation hinabfahren. Er und Robert beabsichtigten in dieser Zeit zur Segantinihütte hochzugehen, dann auf den oberen Höhenweg hinunterzustechen und über Tegia Muragl zur Talstation zurückzuwandern.

    Dass sie diese zusätzliche ‹Mordstour›, wie Vater sie nannte, im Eilschritt durchmessen würden, war allen klar. Die Brüder liebten das. Sie waren fit und brannten auf die körperliche Herausforderung. Vater hatte nach kurzem Abwägen seine Zustimmung gegeben, aber darauf bestanden, dass sie den Weg nahmen, der von der Talstation her einsehbar war. Darauf hatte man sich geeinigt; und die beiden neunzehn- und siebzehnjährigen Burschen waren losgezogen.

    Auf dem Abstieg von Chamanna Segantini näherten sie sich der Steinhalde, bei der der Wanderweg vielleicht zweihundert Meter durch das Geröll führt und sich mitunter darin verliert. Das machte aber nichts, denn immer wieder tauchten auf den grösseren Brocken die Farbmarkierungen auf, die zeigten, wo die Strecke entlangführte.

    Und hinter der Halde lag der Pfad wieder gut sichtbar im alpinen Grün.

    Doch nun drängte ausgerechnet vor der Geröllhalde wallender Nebel aus einer Seitenrunse, breitete sich über den Steinhang aus und kroch in sich überschlagenden Dampfwolken den Hang hinan – alles wie in Zeitlupe.

    Der Nebel war sehr dicht.

    «Bleib auf Sichtweite hinter mir, damit wir uns nicht verlieren», sagte Eric zu seinem Bruder. Robert nickte.

    Sie taten die ersten Schritte auf die Geröllhalde und tauchten auch schon in die Schwaden ein.

    Eric genoss die feuchte Kühle, die um ihn herumstrich, und öffnete sein Hemd bis zum Gurt, um den Nebel auf der Haut zu spüren. Es gab ihm das Gefühl, der Rauheit der Natur zu trotzen. Er liebte jede Art solcher Herausforderungen, sei’s ein steiler Bergaufstieg, sei’s der peitschende Regen eines Gewitters, sei’s die schneidende Kälte von Schneegraupeln im Gesicht oder die ungestüme Wucht eines Sturmes, der an den Kleidern riss.

    «Siehst du noch was?», fragte Robert hinter ihm.

    Eric antwortete nicht sogleich.

    «Nicht besonders viel.»

    «Die Steine sind schon nass vom Nebel!», bemerkte Robert.

    «… und glitschig!», ergänzte Eric, das Gleichgewicht suchend. «Das ging aber rasch!», bemerkte er irritiert.

    Robert nickte und fügte ein «Ja» hinzu, als er bemerkte, dass sein Bruder es nicht gesehen haben konnte.

    Eric blieb stehen und schaute sich um.

    Robert, in Gedanken vertieft, stiess fast gegen ihn.

    «Was ist?»

    «Ich sehe die Markierung nicht mehr.»

    Robert suchte seinerseits die verhüllte Umgebung ab:

    «Macht ja nichts. Wir laufen einfach ebenaus. Wenn wir dann auf die Wiese treffen, müssen wir nur etwas runter, und dann sind wir wieder auf dem Weg.»

    «Okay», antwortete sein Bruder; die Idee war logisch.

    Sie kraxelten weiter.

    Doch ein paar Meter später kamen beide wirklich ins Stutzen: In den Fugen der Steine lag Schnee.

    Eric deutete wortlos darauf. Robert grinste kopfschüttelnd:

    «Komisch – der sollte doch schon lange geschmolzen sein! Und neuer Schnee ist bis jetzt nicht gefallen.»

    Die beiden Brüder blickten sich verblüfft an.

    Robert zuckte die Achseln und setzte sich wieder in Bewegung.

    «Komm weiter.»

    Es war merklich kühler geworden.

    Der Nebel liess nicht nach, sondern verdichtete sich noch.

    Die Brüder schlüpften in ihre Anoraks, die sie bis jetzt um ihre Hüften gebunden hatten.

    «Spinne ich, oder schneit es?!»

    Erneut hielten sie inne.

    «Du spinnst nicht – es schneit tatsächlich!»

    Fast unmerklich war der Nebel in Schneetreiben übergegangen.

    «Das ist doch nicht möglich – !»

    Ratlos sahen sich die beiden um.

    «Wir sind doch nicht gestiegen, oder?», fragte Robert verwirrt.

    «Wir sind nicht gestiegen», bestätigte Eric.

    Sie blickten in das sanfte Schneegestöber.

    «Etwas ist nicht normal. Dann ist es auch noch saukalt!» Eric knöpfte sein Hemd zu.

    Sie schauten sich wortlos an.

    «Sollen wir umkehren?», fragte Eric.

    Sein praktischer Bruder wusste keinen andern Vorschlag.

    Er neigte den Kopf etwas zur Seite und meinte dann abwägend:

    «Ist vielleicht besser – »

    «Oder gehen wir noch einige Schritte weiter – vielleicht hört der Spuk auf. Eigentlich müssten wir ja schon fast drüben sein …..?»

    «Okay.»

    Sie machten die vereinbarten paar Meter – und wirklich, der dichte Schneefall ebbte zum sachten Schneien ab.

    Doch was sich dabei ihren Augen bot, war noch verwirrender als das, was ihnen bis jetzt begegnet war!

    «Schau dir das an!»

    Sein Bruder stellte sich neben ihm auf.

    «Ich werd’ verrückt!»

    «Wo sind wir hier?»

    Der Schneevorhang war hinter ihnen zurückgeblieben.

    Unter ihnen lag jedoch nicht das vertraute Tal mit seinen Häusern, seinen schönen ausgebauten Strassen nach Pontresina, dem Fluss und der Talstation der Zahnradbahn, wo unterdessen sicher ihre Eltern eingetroffen waren.

    Ungefähr zwanzig Meter weiter unten wand sich ein frisch verschneiter Passweg, so breit wie ein Karren, durch Föhren, Arven und Fichten. Und dahinter stieg der Berg rau und unwirtlich wieder an …..

    Eine gespenstische Stille herrschte.

    Dampfwolken bildeten sich vor ihren halb geöffneten Mündern.

    Irgendwo röhrte ein Hirsch, und leise rieselte der Schnee aus einem spätnachmittäglichen Himmel, der bereits das dämmrige Licht des Abends in sich trug.

    «Das ist nicht das Engadin!»

    «Nein – bestimmt nicht. Aber – was dann?»

    «Was immer – komm, wir gehen zurück!»

    Robert, der den Vorschlag gemacht hatte, blickte sich um und erstarrte.

    Unversehens griff er nach dem Arm seines Bruders. Der schaute ihn an und folgte dem erschrockenen Blick. Auch Erics Augen weiteten sich:

    «O du Kacke!», sagte er halblaut.

    Der Nebel hatte sich ganz verzogen.

    Doch hinter und oberhalb von ihnen lag kein Geröllfeld. Auch war kein Höhenweg mehr zu sehen.

    Dafür ragte ein licht bewachsener Hang auf, die Äste der Nadelbäume vom frischen Schnee überzuckert.

    «Wo sind wir denn hier? Das ist nicht unsere Welt!!», raunte Robert.

    Eric schüttelte unbehaglich den Kopf:

    «Nein – oder nicht dieses Jahrhundert. Die Bäume stehen noch, der Hang ist noch nicht abgerutscht!»

    Robert lachte kurz und etwas überspannt:

    «Du meinst – Zeitreise, oder so? So ein Bermudadreieck-Trip?»

    Beide dachten sie an den Film, den sie mal mit Vater gesehen hatten, wo Schiffe im Nebel verschwanden und in einer andern Zeit wieder zum Vorschein kamen.

    «Das gibt’s doch nicht wirklich», fragte Robert ängstlich, «oder?»

    Eric zuckte die Achseln.

    ***

    Sie hörten es beide zur gleichen Zeit und duckten sich unvermittelt.

    Von irgendwo rechts unten auf dem Karrenweg drangen Laute durch den schütteren Tannenbestand.

    In der Deckung eines Felsbrockens reckten sie die Hälse, um besser zu sehen.

    Eine menschliche Gestalt lief keuchend und torkelnd vor Überanstrengung die steinige Passstrasse hinauf.

    Es war ein Junge – vielleicht fünfzehn Jahre alt. Immer wieder blickte er sich um, am Rande der Erschöpfung, mit weit aufgerissenen Augen in einem von Entbehrung gezeichneten Gesicht.

    Namenlose Furcht stand darin und trieb ihn vorwärts.

    Seine schweissnassen Haare klebten ihm in schwarzen Strähnen an der Stirn. Er hatte die Passhöhe erreicht und hastete weiter. Unweit von ihnen stolperte er und stürzte hin.

    Er schrie leise auf und hielt sich das Knie.

    Schwankend vor Entkräftung und Schmerz rappelte er sich auf und schluchzte im Weiterhinken. Abermals huschten seine gehetzten, angsterfüllten Blicke dahin zurück, wo er hergekommen war.

    Prompt rutschte er aus, fiel hart auf die Handwurzeln und schlug sie blutig.

    Wimmernd blieb er liegen. Er konnte nicht mehr.

    «Komm!», befahl Eric.

    Sie hasteten die paar Meter zum Strässchen hinunter, wollten dem erschreckt aufschreienden Jungen unter die Arme greifen und ihn sanft hochheben.

    Doch das war nicht so leicht getan! Der ausgezehrte, aber sehnige Burschen entwickelte in seinem blanken Entsetzen ungeahnte Kräfte, schlug und trat um sich und traf Robert hart zwischen die Beine. Robert krümmte sich vor Schmerz und liess den einen Arm des Jungen fahren. Der erkannte blitzschnell seine Chance, duckte sich weg, rammte Eric den Kopf in den Bauch, sodass dieser den Jungen losliess und japsend auf dem Boden zu sitzen kam.

    Der Bursche hechtete von der Strasse und kraxelte auf allen Vieren den rutschigen Hang hinauf.

    «Warte, lauf nicht weg!», brüllte Eric – dabei wusste er nicht einmal, ob der andere ihn verstand. Der Bursche schien sowieso nur noch aus Panik zu bestehen.

    «Halt – wir tun dir doch nichts!»

    Der Bursche erstarrte für Sekunden, verharrte unschlüssig da, wo er war. Er zitterte am ganzen Leib. Mitleid regte sich in den Brüdern, als sie das Grauen realisierten, das den Fremden trieb.

    «Bleib, wo du bist!», wiederholte Eric. «Was hast du bloss?»

    Der Junge wankte vor Erschöpfung, wagte schliesslich einen schnellen Blick zurück.

    Urin lief ihm unkontrolliert die Hosenstösse hinunter. Doch das bemerkten die Brüder nicht.

    Eric näherte sich ihm, Robert folgte.

    Als sie den wilden Kerl erreicht hatten, herrschte kurze Zeit spannungsgeladene Stille.

    Nur dessen keuchender und pfeifender Atem war zu hören.

    Dann sprach Eric weiter, wobei er laufend improvisierte. Der Junge war der erste Mensch, auf den sie in dieser fremden Umgebung trafen. Er trug zerlumpte Kleidung, Schuhe – vielmehr eine Art Sandalen –, welche man in diesem Jahrhundert nirgends mehr auf der Welt trug. Dazu roch er, um nicht zu sagen ‹er stank›.

    Eric wollte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen zu erfahren, wo sie waren, weshalb der Junge so ausser sich war und wovor er floh:

    «Was tust du hier? Wovor hast du solche Angst?»

    Der Junge blieb stumm.

    «Wir wollen dir nichts Böses!», versuchte es Eric weiter.

    Der Bursche lachte bitter. Doch offenkundig verstand er Deutsch.

    «Was hast du? Wir wollten dir wirklich nur helfen, weil du gestürzt bist.»

    «Und deshalb überfallt ihr mich? Dass ich nicht lache!», versetzte er sarkastisch mit einer Stimme, die gerade im Stimmbruch war.

    Eric wechselte einen raschen Blick mit seinem Bruder und erwiderte dann:

    «Wir kamen von hier oben», Eric deutete in die Richtung, aus der sie gekommen waren, «und sahen plötzlich, wie du panisch vor irgendetwas da unten wegliefst. Von uns hast du nichts zu befürchten; wie haben uns selbst verlaufen.»

    Der andere wandte sich langsam um und betrachtete sekundenlang die Brüder.

    «Was soll dann der ganze Scheiss?!», fragte er grob und mit rasselndem Atem.

    «Du bist gestürzt und hattest Schmerzen. Wir wollten helfen.»

    Erneut breitete sich Stille aus.

    Schliesslich sagte er herausfordernd:

    «Dann kann ich ja jetzt gehen!»

    «Wohin?»

    «Das geht dich wohl nichts an!»

    Eric spürte Wut in sich hochsteigen.

    «Okay – du kannst ruhig anständig bleiben! Wir wollten dir helfen, das ist alles. Und übrigens bist du nicht der einzige, der Probleme hat. Also, auf Wiedersehen, lauf schön weiter! Hoffentlich weisst du wohin!»

    Damit wandte er sich abrupt ab.

    Die Brüder stiegen zur Passstrasse hinab, auf der man weiter unten das Getrappel von Pferden hören konnte.

    «Was wollt ihr dort unten? Seid ihr wahnsinnig?!», zischte der Fremde. «Wollt ihr euch schnappen lassen und ins Lager kommen?»

    Verunsichert drehten sie sich nach ihm um.

    Er winkte ihnen heftig!

    «Los, kommt! Oder lasst es bleiben! Ich habe keine Zeit mehr. Dahin kehre ich nicht zurück!» Er setzte sich in Bewegung und kletterte hinkend den Hang hinan.

    «Vielleicht ist es besser, wir glauben ihm und bleiben vorerst ….. in Freiheit!», schlug Robert vor, und so folgten sie ihm.

    Als sie ihn eingeholt hatten, fragte Robert unter Keuchen:

    «Wie willst du ihnen – wen immer du damit meinst – entwischen?»

    «Ich muss nur bis zu den Sprechenden gelangen, dann bin ich in Sicherheit!»

    «Zu den Sprechenden? Wovon redest du?»

    Der Fremde schaute Robert von der Seite mit einem merkwürdigen Blick an.

    «Ja, seid ihr denn nicht von hier? Ihr tut ja schon so, als hättet ihr von nichts eine Ahnung!»

    «Nun ja», rang Robert nach Luft, «wir sind auch nicht wirklich von hier …..»

    «Wie kommt ihr denn in diese Gegend? Zu Fuss? Seid ihr Reisende? Seid ihr Scutsainter oder von dort? Nareener?», fragte der Bursche, wobei er auf die Passstrasse zeigte, die wahrscheinlich in das nördliche Nachbarland führte.

    «Nun ….. äh – ….. keins von allem wahrscheinlich. Die Sache ist zu kompliziert, als dass ich sie dir jetzt erklären könnte …»

    «Dann erklär sie später!», sagte der andere barsch. «Wir müssen noch höher. Hier kommen sie mit ihren Pferden schlecht voran. Da sind wir im Vorteil! Ich glaube, die Sprechenden sind nicht mehr weit. Wenn wir erst mal drin sind, haben wir es überstanden.»

    Da zerrissen in unmittelbarer Nähe Pfiffe jäh die Luft.

    Robert und Eric fuhren zusammen.

    «Wir sind da!», freute sich der Junge. «Die Wachen haben uns entdeckt. Sie melden uns an!»

    Eric und Robert blickten einander ratlos an.

    Minuten verstrichen.

    «Und jetzt?», fragte Eric ungeduldig.

    «Halt die Klappe! Wir warten, bis sie uns holen, was sonst?!»

    Eric schluckte und versetzte dann:

    «Du bist so ein netter Kerl!»

    Der Junge lachte spöttisch:

    «Und du bist ein Arsch», stellte er trocken fest.

    Eric wurde bleich. Was bildete sich dieser Rüpel ein? Lodernder Zorn stieg in ihm auf.

    «Wir sollten diesen Abschaum packen, runterschleppen und ausliefern! Als Arsch darf man das.»

    Robert begriff, dass sich Eric Respekt verschaffen wollte und nickte.

    Ehe der Junge verstand, dass sie keinen Spass machten, ergriffen sie dessen Arme, drehten sie auf den Rücken und transportierten ihn abwärts.

    Er krümmte und wand sich, strampelte mit den Beinen, trat nach ihnen, doch diesmal stellten sie sich geschickter an, und er traf keinen.

    «Seid ihr verrückt!! Lasst mich los, ihr Vollidioten!», schrie er, und es klang ganz nach aufkeimender Panik.

    Die Brüder liessen sich nicht beirren und schleppten den wild um sich Schlagenden weiter.

    «Lasst mich los, ihr Schweinehunde!»

    «Oh – ‹Vollidioten› hörte ich schon. ‹Schweinehunde› auch noch. Was fällt ihm wohl bis unten noch ein?»

    «Langsam muss er sich beeilen. Wir sind bald da», keuchte Robert trocken.

    «Nein!!! Nei-----n!!!!», schrie der Junge verzweifelt und begann zu weinen. «Nein, bitte, bleibt stehen! Sie werden mich töten!»

    «Macht uns das etwas? Was stört das einen Arsch, einen Vollidioten und einen Schweinehund?», fragte Eric seinen Bruder.

    «Stört ihn nicht», sagte Robert ungerührt; aber sie hielten an.

    Ausser sich vor Angst und schluchzend entgegnete der Junge:

    «Ich habe es nicht so gemeint! Bitte hört auf!»

    Als Eric Anstalten machte, ihn abzusetzen, tat Robert das gleiche.

    Sie waren der Passstrasse, die sich von der Ebene heraufschlängelte, recht nah gekommen. Durch die Bäume meinte man, das Metall von Helmen und Waffen blinken zu sehen.

    Der Junge atmete schwer auf.

    «Ihr seid schon ganz blöde Kerle!», versetzte er zornig.

    Das war Eric zu viel.

    Er klebte dem Jungen eins derartig hinter die Löffel, dass dieser sich ungewollt einen Meter von ihnen in den frischen Schnee setzte und halb liegen blieb.

    Eric stellte sich breitbeinig über ihn und zischte:

    «Langt’s oder brauchst du noch mehr?!»

    Der Junge setzte sich schwankend auf.

    Robert trat zu seinem Bruder und hielt ihn flüsternd zurück:

    «Lass ihn! Siehst du nicht, dass er ganz durcheinander ist!?», raunte er ihm zu. «Er hat sich sogar in die Hosen gepisst!»

    Eric sah es nun auch und erschrak. War er zu weit gegangen? Warum reagierte er auch so übermässig? Das war sonst nicht seine Art.

    Seine Wut war im Nu verflogen.

    «Entschuldige! Das wollte ich nicht ….. doch wie kommst du dazu, so mit uns zu reden?! Du hast keine Ahnung, wer wir sind, was wir hier tun und labberst uns derart an! Vielleicht ist es auch in diesem Land freundlicher, sich zuerst vorzustellen?!»

    Der Junge rieb sich die Schläfe und erhob sich langsam.

    «Ashem», sagte er tonlos.

    «Was ist?», fragte Eric.

    «Ich heisse Ashem», wiederholte der Bursche.

    «Ich heisse Eric, und das ist Robert», stellte er sie vor.

    Er bemerkte:

    «Vielleicht können wir jetzt von vorn anfangen.» Er wandte sich zum Gehen.

    Robert und der Junge schlossen sich ihm wortlos an, und sie eilten den Hang hinauf.

    Der Trupp unten auf der Passhöhe hatte ihre Spuren entdeckt und verfolgte sie. Sie vernahmen das Rufen von Männern, das Gerassel von Metall, aber auch das rabschende Geräusch ausgleitender Pferdehufe und das Fluchen der Reiter.

    Den Brüdern wurde nun auch mulmig zumute.

    Eric hastete, ihren eigenen Spuren folgend, höher und hielt Ashem zurück, als dieser versuchte, sich an die Spitze zu setzen. Er traute dem Burschen nicht.

    Robert hatte wohl dieselben Gedanken, und so hielten sie Ashem schön zwischen sich.

    Der schaute sie hin und wieder verstohlen aus den Augenwinkeln an.

    ***

    Sie standen schon bald eine Minute am Ort, wo sie vorher schon gewartet hatten.

    Diesmal war es Ashem, der unruhig wurde.

    Die Brüder beobachteten ihn stumm.

    Schliesslich rief er leise in das Dämmerlicht:

    «Volk der Sprechenden – seid ihr da?»

    Mit weit aufgerissenen Augen versuchten sie, im letzten Licht des Tages etwas zu sehen.

    Da waren merkwürdige, schneebedeckte Erhebungen zwischen Felsen, Arven und Mulden, kaum auszumachen in der hereinbrechenden Nacht.

    Ashem schaute angestrengt hinüber. Doch nichts regte sich bei den eigenartigen, fahl glänzenden, rundlichen Hügeln.

    Dafür erreichten sie hin und wieder Fetzen von Stimmen irgendeines schimpfenden Verfolgers.

    Doch ihre Retter rührten sich nicht.

    «He! Warum versteckt ihr euch?!» Angst schwang nun in Ashems Frage.

    Etwas raschelte.

    Sie fuhren herum.

    Auf einem Felsbrocken seitlich von ihnen kauerte plötzlich eine Gestalt.

    «Es antwortet niemand, weil niemand da ist!», raunte sie.

    «Was heisst das?»

    «Naamu und die Ältesten sind mit dem ganzen Volk geflohen. Alle Kinder haben sie mitgenommen», erwiderte die hohe, leicht schneidende Stimme.

    «Geflohen …..?»

    Irgendetwas an der Information musste Ashem sehr schockieren.

    «Und warum bist du nicht mit?»

    «Wir sichern den Rückzug sozusagen.»

    «Wer ‹wir›?», fragte Ashem.

    «Ich und zwei meiner Freunde.»

    Ashem ging nicht weiter darauf ein, sondern bemerkte:

    «Wir werden verfolgt …..»

    «Ich weiss.»

    «Kannst du uns helfen?»

    «Ich weiss nicht …..»

    «Bitte – sie töten uns wahrscheinlich, wenn sie uns kriegen!»

    «Ja, wahrscheinlich», meinte die Gestalt wegwerfend.

    «Berührt dich nicht, nicht wahr?», versetzte Ashem angriffig.

    «Warum sollte es?», entgegnete die Gestalt. «Euretwegen sind schon so manche von uns gestorben – was hat es uns gebracht, euch zu helfen, ihr verfluchtes Volk? Und jetzt sind wir selber auf der Flucht. Alles haben wir zurücklassen müssen: Unsere Wohnstätten, unsere Möbel, unsern Hausrat, unsere Vorräte, alles! Der Fluch über euch hat sich auf uns übertragen!»

    Ashem liess entmutigt die Achseln hängen, machte aber nochmals einen Versuch:

    «Können wir nicht in einer der Bauten für die Nacht Unterschlupf finden?»

    «Ich kann euch nicht hindern», sagte die Gestalt bitter.

    «Danke», antwortete der schmächtige Wildfang. An die Brüder gewandt forderte er sie auf:

    «Wir müssen uns verstecken – so schnell wie möglich!» Damit marschierte er Richtung ‹weisse Hügel› los. Robert und Eric folgten ihm, nicht ohne im Vorbeigehen einen Blick auf die zusammengesunkene Gestalt auf dem schneebedeckten Stein zu werfen.

    Was sie sahen, liess ihnen das Blut in den Adern gefrieren:

    Das Ding sah aus wie ein Murmeltier. Sie erkannten sofort: Das war keine Maskerade! Was da vorher gesprochen hatte, war ein Murmeltier, aber riesig – annähernd ihre Grösse!

    Robert fiel der Kiefer runter, und Angst rieselte durch ihn hindurch.

    Für einen Sekundenbruchteil begegneten sich seine und die Augen des Wesens.

    Das Ding musste aus irgendeinem Grund erfasst haben, dass etwas mit ihnen anders war. Sicher hatte es ihre Auseinandersetzung mit Ashem vorher beobachtet. Jedenfalls fragte es unverhofft:

    «Wer seid ihr?»

    Die Brüder blieben stehen.

    «Robert und Eric», stellten sie sich vor.

    «Ihr tragt seltsame Namen», bemerkte das Tier. «Seid ihr nicht von hier?»

    Robert schüttelte den Kopf und meinte:

    «Nein. Aber wir wissen nicht, wie wir hierher geraten sind, in ….. in …..», er suchte nach dem richtigen Ausdruck, «in ….. diese Fabelwelt.»

    «Oh – ich verstehe!», sagte das Wesen und fügte hinzu:

    «Wenn das so ist, dann begleite ich euch gerne. In der Kolonie gibt es ein paar einigermassen sichere Orte, wo ihr bleiben könnt, bis eure Verfolger abgezogen sind. Kommt mit!»

    Das eigenartige Geschöpf sprang vom Felsen und lief nun auf zwei Beinen vor ihnen her.

    Wieso das Wesen nun plötzlich so hilfsbereit war, kapierten sie nicht. Aber das war jetzt nicht wichtig. Hauptsache, sie kriegten eine sichere Bleibe für die Nacht!

    Was Ashem nicht geschafft hatte, schien jetzt überhaupt kein Problem zu sein.

    Der Junge bedachte sie heimlich mit einem befremdeten Blick.

    Das Murmeltier – oder was immer es war – führte sie zu einem grossen Rundbau, welcher unter dem Schnee von Gras überwachsen schien und augenscheinlich aus Erde bestand, oder zumindest eine Humusschicht über einer Holz- oder Steinkonstruktion besass. Auf der Vorderseite war eine Tür angebracht. Es stiess sie auf und geleitete sie durch einen Raum, den sie in der dämmrigen Beleuchtung als Küche interpretierten. Darauf gelangten sie in einen Gang, in welchem Fackellicht brannte.

    «Ihr habt dem Kerl vorher ganz schön eingeheizt!», sagte es bewundernd.

    «Wem meinst du?»

    «Nun, dem Arbeitsjungen! Dem da!» Das Tier deutete auf den Wirrkopf.

    «Ashem?»

    «Ja, Ashem, wenn er so heisst».

    «Wie heisst du

    «Mein Name ist Kadno, Sohn des Maiech und der Lumara vom Volk der Sprechenden.»

    «Wohin bringst du uns?»

    «In das Haus meines Vaters im rückwärtigen Teil der Kolonie.»

    Sie schritten hinter Kadno her, der mit der Leuchte vorausging und alle Türen wiederum sorgsam hinter ihnen verriegelte, wenn sie durch waren. Sie wanderten sicher zehn Minuten durch Gänge, Säle und Räume, bis sie im besagten Rundhaus anlangten.

    «Das ist das Haus meiner Eltern. Sie sind vor zwei Tagen mit meinen Geschwistern und drei Menschenkindern auch geflohen.»

    «Wovor denn?»

    «Die Ältesten haben auf Umwegen gehört, dass König Besoch unser Dorf ausheben lassen will, weil er weiss, dass wir in den letzten Jahren so viele flüchtige Niemands- und Arbeitskinder aufgenommen haben.»

    «Kannst du uns darüber mehr erzählen?»

    «Lasst uns doch zuerst die andern holen und etwas essen. Seid ihr nicht hungrig?»

    «Durstig!», sagte Robert.

    Kadno entzündete den Docht einer Petroleumlampe.

    Nachdem sie sich auf die grob gezimmerten Stühle gesetzt hatten, lief Kadno vor das Rundhaus und pfiff eine Serie besonders aneinandergereihter Pfiffe, als wollte er jemandem etwas mitteilen.

    Bald darauf ertönten gedämpfte Stimmen vor dem Bau, und Kadno trat mit seinen zwei Freunden ein.

    Er stellte sie als Nerech und Baulo vor.

    Von Robert und Eric sagte er bloss:

    «Sie sind von drüben.»

    Die Brüder fanden das seltsam, aber es schien Kadnos Freunden zu genügen.

    Die beiden meldeten, dass die Reiter aufgegeben hätten. Sie hätten in einigen der untersten Hütten Quartier bezogen.

    «Wie viele sind es?», fragte Kadno.

    «Etwa zwanzig. Es sind Kundschafter und Häscher, die morgen wohl wieder abziehen, wenn sie merken, dass die Siedlung verlassen ist. Vielleicht macht sich Besoch dann nicht mal mehr die Mühe, hier alles zu zerstören», hoffte Baulo.

    «Das glaube ich nicht. Er wird mit seiner Armee hier heraufkommen und alles schleifen, damit wir nicht mehr zurückkommen können», entgegnete ihm Kadno wütend.

    ***

    Robert und Eric staunten Bauklötze, als sie sich im Raum umsahen. Murmeltiere, die Hütten bauten, mit Holzöfen feuerten, Tee tranken und Stühle zimmerten?!

    Robert hatte gar nicht recht auf das Gespräch aufgepasst und fragte unvermittelt:

    «Macht ihr die selber?» Er wies auf die Stühle.

    «Nein, wir erhalten sie von den Bibern. Sie sind gute Schreiner und Zimmerleute. Dafür geben wir ihnen Heu für den Winter oder gesteppte Decken und Polster. Grasbau und Polsterei ist mehr unsere Stärke», erklärte Nerech.

    Ashem sass still und zusammengesunken auf dem Hocker und schlürfte seinen Tee.

    Manchmal lief ein Schauder durch seinen Körper.

    Robert fiel es auf. Wahrscheinlich war der Wildfang todmüde. Er gehörte ins Bett.

    Hoffentlich wusch er sich vorher.

    «Kann er», und damit wies er auf Ashem, «diese Nacht hierbleiben?», fragte er Kadno.

    «Ja – das geht in Ordnung. Und ihr?»

    «Wir müssen zurück. Vater und Mutter warten sicher schon. Weisst du, wie wir ….. das schaffen?»

    Kadno schürzte die Lippen und fragte nach einer Weile:

    «Wie seid ihr denn hierher gelangt?»

    Eric beschrieb, was sich ereignet hatte.

    Die drei Murmeltierjungs schüttelten ungläubig den Kopf.

    «Ich glaube nicht, dass ihr so schnell zurück könnt ….. und jetzt bei Nacht sowieso nicht; ihr verirrt euch!»

    «Und denkt daran, dass der Pass voller Wachen steht!»

    «Bleibt für diese Nacht hier. Wir schauen morgen weiter.»

    «Aber das ist nicht möglich! Unsere Eltern werden ausrasten vor Sorge!», wandte Robert ein.

    «Sie werden kaum etwas merken, sag’ ich dir! Für alle, die von drüben kamen, verging in ihrer Welt kaum Zeit …!»

    «Woher willst du das wissen?»

    «Mein Vater hat das gesagt. Er hat in den alten Schriften nachgeschlagen, weil sie euch angekündigt haben.»

    «Angekündigt??»

    «Ja – das alles ist nicht Zufall. Aber ich glaube, wir müssen Ashem zu Bett bringen! Seht ihn euch an: Der fällt uns sonst noch vom Schemel! Nachher können wir noch reden, einverstanden?»

    «Und euch zeigen wir auch gleich, wo ihr schlafen könnt», fügte er zu.

    Er führte sie in das Nebengemach, wo eine grosse rechteckige Pritsche fast den gesamten Raum einnahm.

    «Sind das eure Betten?», erkundigte sich Robert.

    «Betten? – Ach so, ja, darauf schlafen wir.»

    «Die ganze Familie?»

    «Nein, die Kinder haben ein eigenes Pritschenzimmer und die Eltern ein anderes.»

    «Okay. Schlaft ihr mit oder ohne Decken?», wollte Robert wissen, der keine entdeckte.

    «Mit. Jeder angelt sich eine aus den Kästen da oben.» Er deutete auf breite, den Wänden entlanglaufende Hängekästen, deren Seitenwände durchbrochen und mit Maschengitter bespannt waren – wohl, damit Luft daran kam, aber keine Motte.

    «Wer sich hinlegen will, der gehe schlafen», meinte Kadno. «Ich selber bin noch nicht müde.»

    Ashem blieb in der Kammer zurück, während die andern sich zum Reden in die Küche zurücksetzten.

    ***

    Fieber

    Robert und Eric erfuhren nun, dass die Nation, von welcher der Pass hochführte, Scutsaint hiess und vor gut zweihundert Jahren

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