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Baumkind: #Eikes Vermächtnis
Baumkind: #Eikes Vermächtnis
Baumkind: #Eikes Vermächtnis
eBook478 Seiten6 Stunden

Baumkind: #Eikes Vermächtnis

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Über dieses E-Book

Zwei Jahre haben Linda und Lion miteinander verbringen dürfen, ehe ein herabfallender Ast ihr Schicksal besiegelt und Lion während seines Dienstes als Polizist stirbt. Zurück lässt er seine Frau Linda, gerade einmal 22 Jahre alt und seinen nur wenige Monate alten Sohn Lukas. Sein Tod stürzt Linda in tiefe Verzweiflung, aus der sie sich nur mit Hilfe ihrer übrigen Familie und ihrem Baum befreien kann. Sie erkennt, dass die Bäume um sie herum weit mehr sind, als es zunächst den Anschein hat.

Was wäre, wenn Du herausfinden würdest, dass die Dich umgebenden Pflanzen mehr sind, als die meisten Menschen in ihnen sehen?

Freunde? Helfer? Retter?

Wesen, die genauso ein Bewusstsein und Empfindungen haben, wie die meisten Menschen?

Würdest du es dann immer noch übers Herz bringen, eine Blume abzureißen oder sogar einen Baum zu fällen?

Wie würdest Du handeln?
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum3. Jan. 2022
ISBN9783347474208
Baumkind: #Eikes Vermächtnis

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    Buchvorschau

    Baumkind - Ever B.

    Und so beginnt es

    Ich erinnere mich an dich.

    Seit du dem Leib deiner Mutter entstiegen bist, warst du begeistert von uns Bäumen.

    Du hast unter unseren Ästen im Schatten gelegen, wenn deine Mutter oder dein Vater dich im Garten zu uns gelegt haben.

    Sobald du dich fortbewegen konntest, bist du zu mir gekommen, dem größten und ältesten Baum in eurem Garten.

    Und als du laufen lerntest, hast du dich an meinem Stamm hochgezogen, dein Gesicht an meine Rinde gelegt und hast dem Schlagen meines alten Herzens gelauscht.

    Du hast mich mit deinen kleinen Armen umarmt, soweit sie reichten.

    Das hat mir sehr gefallen.

    Und einmal hast du gesagt, du liebtest mich.

    Ich sei dein Freund.

    Wenn dir das Leben Zitronen gibt, mach Limonade draus

    Linda

    Schreiben.

    Das war es, was ich schon immer machen wollte.

    Seit ich ein Kind war, habe ich den Bäumen in unserem Garten meine Geschichten erzählt.

    Zunächst von meinem Alltag, später auch frei Erfundenes, vermischt mit der Wirklichkeit, in der ich lebte.

    Damals.

    Ich hatte das Gefühl, in ihnen wirklich gute Zuhörer zu haben …

    Und nun ist mein Traum zerplatzt.

    Ich habe keine Zeit mehr dafür.

    Für nichts habe ich mehr Zeit.

    Nur noch für meinen Sohn.

    Um ihn muss ich mich kümmern, ihn muss ich versorgen, ganz gleich, wie schwer es mir fällt, aufzustehen und meinem Alltag ins Gesicht zu blicken.

    Meinem neuen Alltag, den ich nicht wollte.

    Ohne Lion.

    Ohne Lukas´ Vater.

    Ohne meinen Mann.

    In zwei Monaten werde ich 22.

    Aber ich bin schon Witwe.

    Durch einen dummen Zufall.

    Sein Tod war so unnötig, so sinnlos, dass ich mich gar nicht traue, die Augen zu öffnen und dieser Wahrheit ins Gesicht zu blicken.

    Der Wahrheit, dass Lion nicht mehr da ist, weil er starb, von einem Ast erschlagen, der aufgrund des Sturmes, der am Vortag herrschte, nur noch an ein paar Fasern hing und durch einen endgültigen Windstoß unser Schicksal besiegelt hat.

    Endgültig.

    Unwiederbringlich.

    Ich habe Bäume immer geliebt.

    Sie waren meine Freunde, seit ich denken kann.

    Doch diesen Baum, diesen Baum … nein, ich kann ihn nicht hassen.

    Es war nicht seine Schuld.

    Es war nur ein dummer Zufall.

    Nur ein Zufall …

    Ich laufe zum Bett meines Sohnes Lukas, als er anfängt zu weinen und nehme ihn hoch auf meine Arme, um ihn an mich zu drücken und seinen wundervollen Duft einzuatmen - er duftet wie der Wald, den ich so sehr liebe, wie der Baum im Garten meiner Eltern und Großeltern, dem ich immer alles erzählt habe.

    Als er mein Herz in meinem Brustkorb schlagen hört, beruhigt er sich rasch wieder, lässt nur noch ein leises Fiepen vernehmen und schläft mit einem seligen Lächeln auf dem kleinen Mund wieder ein.

    Ich küsse ihn auf die Stirn und lege ihn zurück in sein Beistellbett.

    Kaum schließe ich die Tür zum Schlafzimmer, klingelt es an der Wohnungstür und um mich herum wird die Welt ein klein wenig dunkler und … beängstigender.

    Ich eile durch den langen Flur und werfe dabei einen Blick in den Spiegel, in dem ich mit einem amüsierten Lächeln sehe, dass mein Shirt wieder voller Flecken ist und meine dunkelblonden, langen Haare mir in allen Richtungen vom Kopf abstehen, als sei ich gerade erst aufgestanden und hätte vergessen, wie man eine Bürste benutzt. An der Wohnungstür angekommen, schaue ich durch den Spion.

    Ich merke, wie mein Lächeln gefriert.

    Zwei Polizisten stehen vor meiner Tür, ein älterer Mann und eine junge Frau in Uniform.

    „Frau Imholt? Hier ist die Polizei. Wir müssen dringend mit Ihnen sprechen."

    Der Mann hält seinen Ausweis vor den Spion, sodass ich den Namen darauf lesen und mich überzeugen kann, dass es sich wirklich um die Polizei handelt. Peter Dürholt steht darauf.

    „Würden Sie uns bitte öffnen?"

    Ich öffne eilig die Tür.

    „Entschuldigen Sie, bringe ich zaghaft hervor, „ich habe nicht mit … Besuch gerechnet. Verlegen streiche ich mir durchs Haar. Ich sehe aus wie eine Vogelscheuche!

    „Dürfen wir eintreten?", kommt die Frage erneut.

    Warum benehmen sie sich wie Vampire, die man erst hereinbitten muss?, schießt es mir durch den Kopf.

    Aber ich trete brav einen Schritt zur Seite und mache eine einladende Bewegung mit der linken Hand.

    Und kaum treten die beiden ein, wird es um mich herum noch ein wenig dunkler.

    Ich blinzele. Täusche ich mich?

    „Frau Imholt, wir haben leider eine schlechte Nachricht für Sie …", beginnt der Polizist und ich sehe irritiert ins verweinte Gesicht der Polizistin, die sich ihre Tränen schwer verkneift.

    „Was ist passiert?", bricht es aus mir heraus. Ich merke, wie Panik Besitz von mir ergreift und meinen Verstand zu überwältigen droht.

    „War Lion Imholt Ihr Mann?", fragt der Polizist.

    Hat er das gerade wirklich so gefragt?

    Ich nicke und merke, wie mir das Blut in die Beine sackt.

    „War …?" Mir entfleucht nur ein heiseres Flüstern, aber in meinen Gedanken schreie ich dieses eine Wort.

    Die Dunkelheit um mich herum stürzt auf mich ein und verpasst mir Scheuklappen.

    „Es tut mir leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Ihr Mann Lion Imholt heute Mittag von einem Ast erschlagen worden ist. Der zuständige Notarzt konnte nur noch seinen Tod feststellen …"

    Ein lautes Rauschen übertönt jedes weitere Wort. Ich sehe, wie sich sein Mund bewegt und Worte formt, aber meine Ohren haben vergessen, wie man sie empfängt, und mein Verstand ist im Moment nicht in der Lage dazu, über das Rauschen hinaus irgendetwas sinnvoll zu verarbeiten.

    Lukas ist erst drei Monate alt. Drei Monate!!!

    Ich starre die beiden an, bis die Dunkelheit sie verschlungen und meine Welt vollkommen aus den Angeln gehoben hat.

    Ich falle und stürze in ein rechteckiges tiefes Loch, aus dem ich es nicht mit eigener Kraft wieder herausschaffe. Meine Finger kratzen über die lockere Erde, die mich umgibt, aber ich komme keinen einzigen Zentimeter hoch. Jeder verzweifelte Griff nach oben lässt nur noch mehr Erde auf mich herabrieseln. Und als ich nach unten sehe, erkenne ich, dass ich auf dem noch halb offenen Sarg stehe, in dem wie friedlich schlafend das bleiche, von dunklen Haaren umrahmte Gesicht meines Mannes zu sehen ist. Seine wundervollen dunkelbraunen Augen sind geschlossen.

    Für immer.

    Schweißnass fahre ich mit einem lauten Keuchen aus dem Schlaf hoch und bekomme zuerst kaum Luft, weil mich eine vollkommene Finsternis einhüllt und ich erst einmal versuche, meiner Panik und dem galoppierenden Herzschlag Herr zu werden.

    Seit Wochen plagt mich dieser Traum.

    Er lässt mir keine Zeit, mich nachts auszuruhen und neue Kräfte zu sammeln.

    Immer und immer wieder sehe ich die Szene vor mir, wie die Polizisten, die selbst keine Kollegen von Lion waren, mir diese fürchterliche Botschaft überbringen: Dass Lion tot ist.

    Fort. Für immer.

    Ich spüre, wie sich mein Brustkorb zusammenzieht und die Trauer, die sich wie ein Krake dort eingenistet hat, aus mir herauszubrechen droht und mein Herz dabei zerquetschen möchte. Meine Hand legt sich automatisch auf meinen Mund, damit ich nicht laut aufschluchze und womöglich Lukas wecke, der neben mir im Bett friedlich schläft. Es hilft nicht. Also beiße ich mir ins Handgelenk, bis es anfängt zu bluten. Erst der eisenartige Geschmack meines Blutes bringt mich wieder zur Vernunft.

    Ich muss stark sein. Für meinen Sohn. Für mich …

    Denn wenn ich noch einmal zusammenbreche, dann breche ich auch auseinander. Und ich weiß nicht, ob ich es dann jemals schaffen werde, mich wieder zusammenzufügen – und noch zu funktionieren.

    Und was, bitteschön, soll mein Sohn mit einer Mutter anfangen, die nicht in der Lage dazu ist, für ihn zu sorgen? Und ihm ein Lächeln zu schenken?

    Zwei Monate ist das Ganze jetzt her – aber ich fühle mich noch immer nicht in der Lage dazu, auch nur einen Schritt in Richtung Neuanfang zu gehen.

    Ich werde die Wohnung nicht halten können.

    Das hat mir auch meine Mutter gesagt – und meine Großmutter. Sie möchten, dass ich wieder zu ihnen ziehe. Dorthin, wo ich als Kind immer glücklich gewesen bin.

    Ich habe keine Perspektiven. Zwar habe ich meine Ausbildung zurKrankenschwester abgeschlossen, aber gleich darauf wurde ich schwanger von Lion, meinem Freund, den ich in meinem dritten Jahr bei meinem Intensiveinsatz kennengelernt habe, als er zusammen mit einem Kollegen mitten in der Nacht einen randalierenden Junkie zur Beobachtung hergebracht hatte, den wir mit vereinten Kräften erst einmal fixieren mussten. Dabei sind wir uns näher gekommen – zuerst unfreiwillig, denn ein Tritt des Patienten beförderte mich in seine Arme, aber danach …

    Mir entweicht dann doch ein leises Wimmern, als ich mich an unsere erste Begegnung und dann an unseren ersten Kaffee erinnere, damals in dieser ersten Nacht.

    Ich ziehe meine Knie an, umschlinge sie mit meinen Armen und verberge mein Gesicht darin, um mich irgendwie zusammenzuhalten.

    Es ist so unfair.

    Wir hatten gerade einmal zwei Jahre.

    „Linda, Liebes, wie lange willst du dich denn noch quälen?", dringt die Stimme meiner Mutter aus dem Telefonhörer. Es ist gerade sieben Uhr morgens.

    Sie meint es nur gut. Ich weiß …

    „Ich meine es doch nur gut mit dir! Die Wohnung ist viel zu teuer für dich allein! Du kannst sie nicht weiter abzahlen! Komm doch bitte zurück zu uns nach Hause! Granny wartet schon voller Sehnsucht auf dich und ihren Urenkel!"

    Granny …

    Ich habe sie seit Lukas´ Geburt nicht mehr gesehen. Wir hatten einfach zu viel um die Ohren. Erst der Umzug einen Monat vor der Geburt, dann die Geburt selbst, die auch kein Zuckerschlecken gewesen ist. Nein, es war die Beerdigung.

    Vier Monate später: Das Ereignis, das meine Welt komplett hat zusammenbrechen lassen.

    „… Schatz, hast du mich verstanden? Ich komme gerne vorbei. Granny und ich lassen dich nicht im Stich! Hörst du mich?", ertönt Moms Stimme weiter aus dem Telefonhörer.

    Ich schüttele leicht den Kopf.

    Verflixt! Ich rutsche immer wieder aus dieser Realität heraus …

    „Nein, nein, Mom. Ich …", ich seufze tief auf, als aus dem Schlafzimmer ein leises Rufen zu hören ist.

    „Okay. Wir werden zu euch ziehen. Kommt heute Nachmittag her, dann können wir alles Weitere besprechen."

    „Wir werden da sein", antwortet sie mir.

    „Bis später!" Ich lege auf und gehe zum Schlafzimmer zurück. Es fühlt sich an, als würde ich durch Sirup waten. Alles geht nur quälend langsam und wirkt vollkommen irreal! Um mich herum scheint es wieder dunkler zu werden.

    Nein! Ich darf jetzt keine weitere Panikattacke bekommen!

    Ich atme tief durch, ein und aus. Ein und aus.

    Als ich die Tür öffne, weicht die Dunkelheit endgültig – und ich sehe in die strahlenden Augen meines Sohnes, der seine kleinen Ärmchen nach mir ausstreckt.

    Ich stehe unter der großen Eiche in meinem Garten, meinem Zuhause.

    Ihre ausladenden Äste sind voller grüner, saftiger Blätter.

    Mein Kopf legt sich wie von selbst in den Nacken und ich starre hinauf, um den Himmel über mir zwischen den Blättern hervorblitzen zu sehen.

    Bin ich so winzig?

    Vorsichtig lege ich meine Hände an den Stamm und fühle mich sofort willkommen geheißen. Und dann lege ich meine Wange daran, spüre die raue Rinde unter meiner empfindlichen Haut und fühle ein Pulsieren, als schlage dort tief drinnen ein altes, mächtiges und gütiges Herz.

    „Ich hab´ dich lieb!", sage ich leise mit der Stimme eines zweijährigen Kindes …

    Ich muss eingeschlafen sein.

    Die Türglocke reißt mich aus meinem Schlaf.

    Lukas liegt zufrieden schlummernd in seinem Bettchen.

    Wir haben den Vormittag über gespielt, ich habe ihn gebadet, er hat bei mir getrunken wie ein Weltmeister. Und gegen Mittag ist er irgendwann eingeschlummert, sodass ich mir endlich eine heiße Dusche und eine ausgiebige Haarwäsche gönnen konnte.

    Danach muss ich eingeschlafen sein, versunken in die Betrachtung seines kleinen Gesichtchens, das mich so sehr an Lion erinnert.

    Lukas sieht aus wie eine Miniaturausgabe seines Vaters. Nur die Farbe seiner Augen, die hat er von mir.

    Sie sind strahlendblau und je nach Gefühlslage umgibt die Pupille ein grüner Strahlenkranz aus reiner Freude. Wenn er traurig ist, wird das blau ganz grau …

    So sehen meine Augen momentan fast die ganze Zeit aus. Lediglich wenn ich ihn ansehe, kämpft sich ein wenig Blau zurück in die sturmgrauen Wolken meiner Augen.

    Diesmal habe ich nicht geträumt. Nicht diesen Traum.

    Habe ich überhaupt geträumt?

    Ich wache auf und strecke mich, als es erneut klingelt.

    „Jaja, ich bin ja schon auf dem Weg …" Meine Stimme klingt ganz verwaschen und müde. Mein Mund ist vollkommen trocken.

    Habe ich heute schon etwas gegessen?

    Ich erinnere mich nicht daran.

    Erneut klingelt es und ich erhebe mich, um zur Tür zu wanken.

    Und als ich es endlich schaffe zu öffnen, sehe ich in das besorgte Gesicht meiner Mutter, hinter ihr steht Granny.

    Kaum erblicken sie mich, glätten sich die Sorgenfalten und sie lächeln mich beide an.

    Sie ziehen mich in ihre Arme, halten mich einfach nur fest.

    Es fühlt sich unsagbar gut an, so gehalten zu werden!

    Als brauchte ich in diesem Moment nur noch einen Bruchteil meiner Kraft, um nicht auseinanderzufallen.

    Eybe

    Den ganzen Weg über mache ich mir unendliche Sorgen, was wir vorfinden werden, wenn wir erst einmal angekommen sind.

    Ich sehe meiner Mutter Poppy auf dem Nebensitz an, wie auch sie die feine Stirn immer wieder in Sorgenfalten legt, umrahmt von ihren silbernen Haaren, die ebenfalls silbernen Augenbrauen tief über die himmelblauen Augen gezogen.

    Hat sie gegessen? Konnte sie sich anständig um den kleinen Lukas kümmern?

    Ist sie aus ihrem Loch herausgekrochen?

    Warum musste sie auch nach Köln ziehen, so weit fort?

    Von uns aus mögen es nur knapp vierzig Kilometer sein, aber da wir nicht gerne mit dem Auto fahren, ist es beinahe so etwas wie eine Weltreise von Remscheid bis zu ihr. Und Köln ist so riesig! Der Verkehr ist immer ganz schrecklich. Es ist grau und stinkt nach Abgasen. Mitten in der Stadt. Und da müssen wir durch, um zu ihr in den Vorort zu kommen, da die Autobahn momentan auf dem Abschnitt gesperrt ist und der Verkehr umgeleitet werden muss.

    Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie ich mich damals beim Tod meines Mannes, ihres Vaters, gefühlt habe. Aber anders als sie, habe ich die Hilfe meiner Mutter angenommen. Nun, wir wohnten ja auch unter demselben Dach.

    Und trotzdem hat sie uns immer genug Freiraum gegeben.

    Linda war damals zehn Jahre alt, als ihr Vater starb. Bei einem Unfall auf der Autobahn, auf dem Weg zurück nach Hause. Auch er war Polizist gewesen. Hatte jemandem mit einer Panne auf der Bahn helfen wollen und sie hinter die Leitplanke geschickt, damit ihnen nichts zustößt. Dabei hat der LKW, dessen Fahrer eingeschlafen war, die beiden Fahrzeuge und ihn gleich mit durch die Leitplanke hindurch und die Böschung hinunter katapultiert. Die Pannenopfer haben überlebt. Haarscharf.

    Robert nicht.

    Das, was von ihm übrig war, reichte nicht, um es in einem offenen Sarg zu zeigen. Er war vollkommen entstellt gewesen.

    Linda konnte so nie richtig Abschied von ihm nehmen.

    Stundenlang hat sie in der alten Eiche in unserem Garten gesessen, so weit oben, wie sie hinaufklettern konnte, und hat geweint und sich vor dem Baum alles von der Seele geredet.

    Und nun stehen wir vor ihrer Tür und klingeln schon zum dritten Mal.

    Meine Sorge steht mir ins Gesicht geschrieben. Poppy legt beruhigend ihre Hand auf meine linke Schulter.

    Beinahe bin ich erschrocken, als die Tür sich nun endlich öffnet und ich in ihr verhärmtes, trauriges Gesicht sehe, wie sie mich mit müden Augen, die sturmgrau sind, ansieht.

    Wo ist ihr wundervolles lebendiges Blau geblieben, das ich so sehr zu lieben gelernt habe, schon von der Stunde ihrer Geburt an? Der herrlich grüne Strahlenkranz um ihre Pupillen?

    Für eine Sekunde bin ich versucht, etwas zu sagen, aber dann lächle ich sie nur an und schließe sie in meine Arme. Ich spüre, wie meine Mutter dasselbe tut.

    In dieser innigen Umarmung bleiben wir erst einmal stehen.

    Linda fühlt sich an, als würde sie auseinanderfallen, wenn wir sie nicht halten.

    Also bleiben wir so stehen, und geben ihr den Halt, den sie im Moment so dringend nötig hat.

    „Danke", kommt es aus der Tiefe der Umarmung von ihr. Sie schnieft.

    „Danke, dass ihr da seid."

    Sie befreit sich aus der Umarmung, tritt einen kleinen Schritt zurück und senkt verlegen den Blick zu Boden.

    „Immer, Linda", erwidert Poppy.

    „Wir wären auch früher gekommen, wenn du es zugelassen hättest."

    Linda macht einen Schritt zur Seite, um uns einzulassen.

    „Wo können wir dir helfen?", frage ich, um die Stille mit Tatendrang zu füllen.

    Wir sind uns ein wenig fremd geworden. Seit gut zwei Jahren lebt sie nicht mehr bei uns. Das ist okay. Kinder müssen irgendwann flügge werden. Aber ich hatte mir damals erhofft, dass dies erst nach der Ausbildung geschehen würde. Und nicht schon vor dem Abschluss.

    Na ja, und dass sie sich vielleicht ein wenig mehr Zeit gelassen hätten, mit der Familienplanung … Und dem Kauf einer großen Wohnung in Köln.

    Auch wenn Lion einen wunderbaren Job als Polizist getan hat – gebracht hat ihnen das alles nichts. Letztendlich.

    „Ich … ich weiß nicht. Vielleicht sollte ich erst einmal das Nötigste zusammenpacken? Und dann …, sie atmet tief durch, als würde ihr der Gedanke körperliche Schmerzen bereiten, „und dann sehen wir weiter. Nach und nach.

    Ich weiß, es ist egoistisch, dass ich mich freue, dass sie nun wieder zu uns zurückkehrt. Zu ihren Wurzeln. Unter diesen Umständen.

    Aber ich kann nicht anders.

    Würde mein Schwiegersohn noch leben, käme mir so etwas nicht in den Sinn.

    Und auch wenn es falsch klingt, so bin ich dennoch dankbar für alles.

    Auch für seinen Tod. Aber wenn ich es hätte verhindern können – ich hätte es getan.

    Und dennoch – es gibt so vieles, von dem Linda noch nichts weiß. Worüber Poppy und ich sie informieren müssen. Aber alles nach und nach, damit sie keinen Schrecken bekommt.

    Kleine Schritte, die müssen wir nun tun.

    Winzig kleine Schritte.

    Denn wenn ich sie noch einmal verliere, wird es für immer sein.

    Und das möchte ich nicht riskieren.

    Unser Familiengeheimnis wird sicher bei ihr sein!

    So wie es das zu meiner Zeit gewesen ist.

    Wie es das auch irgendwann bei Lukas sein wird. Wenn er alt genug ist, die Zusammenhänge zu verstehen.

    „Gib mir eine Tasche und ich helfe dir, zu packen", erwidere ich freundlich. Und lächle sie wieder an.

    Endlich zeigt sich ein Funken von Blau und Grün in ihren Augen.

    Ein zaghaftes Lächeln erscheint auf ihrem Gesicht, als habe sie diese Muskeln viel zu lange nicht genutzt …

    Du kleiner Mensch!

    Was hast du doch für starke Hände

    – auch wenn sie noch so winzig sind!

    Sie legen sich geschickt an meinen Stamm

    und ziehen deinen schmächtigen Körper hinauf

    bis in meine mächtige Krone.

    Ich schüttele meine Äste vor Lachen

    und du stimmst mit ein.

    Deine helle Stimme erfreut mein altes Herz

    so sehr!

    Geh nie wieder fort.

    Ich möchte dich nie weinen sehen.

    Doch wenn die Traurigkeit dich trotzdem einmal

    in ihre dunkle Umarmung zieht,

    dann werde ich da sein, um dich zu trösten.

    Ich werde immer für dich da sein!

    So lange mein altes Herz schlägt.

    Immer!

    Viele Zitronen ergeben echt viel Limonade

    Linda

    Zuerst ist es mir unangenehm, meine Mutter Eybe und Granny Poppy wieder um mich zu haben. Es fühlt sich an, als stünde die Zeit, die ich nicht bei ihnen verbracht habe, wie eine Mauer zwischen uns.

    Aber sie bröckelt.

    Ich höre nicht einen Vorwurf, kein schlechtes Wort, nichts.

    Sie helfen mir einfach nur.

    Und das hilft mir.

    Granny ist ganz begeistert von Lukas. Auch wenn sie den Namen nicht ganz nachvollziehen kann, da er nichts mit Bäumen zu tun hat.

    „Er hat deine Augen!", jauchzt sie, als sie ihn in die Arme nimmt und er vor Freude laut kräht und dabei nach ihrer Nase greift.

    „Was für ein herrlicher kleiner Bursche!", lacht sie und drückt ihn an sich, um mit ihm zu schmusen. Lukas schnurrt fast wie eine Katze.

    Ich weiß, es ist seltsam. Aber genauso hat Lion ihn immer begrüßt, wenn er endlich von seiner Streife nach Hause gekommen ist.

    Hierher.

    Und ich verlasse unser Nest. Ich kann es nicht halten ohne einen Job. Und momentan ist es schwierig, überhaupt eine Arbeit zu bekommen. Lukas ist noch viel zu klein.

    Und von der Witwenrente allein werden wir nicht leben können.

    Lion war fünfundzwanzig, als …

    Wir waren gerade einmal ein Jahr lang verheiratet.

    Meine Nase fängt an zu kribbeln und ich merke, wie mir die Tränen in die Augen steigen wollen.

    Ich bin wirklich keine Heulsuse, aber im Moment habe ich keinerlei Kontrolle über meine Wasserwege.

    Also lächle ich traurig und schnappe mir meinen Koffer, um ihn mit all den wenigen Sachen zu packen, die mir etwas bedeuten und die ich vielleicht brauchen werde, wenn wir wegziehen. Den Rest werde ich dann holen, nach und nach.

    Ich muss die Wohnung zum Verkauf anbieten. Vielleicht wäre ein Makler eine gute Idee, jemand, der sich um alles kümmert.

    Hauptsache heraus aus den Schulden.

    Das sachliche Denken tut mir gut, und ich gewinne wieder meine Fassung zurück.

    Als mein Koffer fertig ist, stelle ich ihn ordentlich in den Flur neben die Tür und mache mich daran, für Lukas ebenfalls einen Koffer zu packen.

    Ich nehme auch das Beistellbettchen auseinander und binde alles ordentlich für den Transport zusammen. Wenigstens er soll in seinem eigenen Bett schlafen.

    Für einen kurzen Moment erscheint mir alles so ungerecht und sinnlos!

    Eine heiße Wut rührt sich tief in meiner Brust und macht mir das Atmen wieder schwer.

    Warum? Warum er? Wieso zur Hölle hat dieser Baum uns alles genommen?!?

    Ich balle meine rechte Hand zu einer Faust, schlage mir damit gegen die Brust und schluchze auf, sacke zusammen und lehne meinen Rücken an die Wand. Und dann lasse ich den Schrei, der tief in mir drin eingesperrt war, endlich heraus und schreie, bis meine Stimme versagt.

    Ich schreie und weine und merke erst, dass meine Mutter wieder bei mir ist und mich in den Arm nimmt, als meine Stimmbänder keinen Laut mehr hergeben und sich einfach nur wund und rau anfühlen. Schmerzhaft.

    Aber dieser Schmerz betäubt ein wenig dem Schmerz, der in meinem Herzen wütet.

    Eybe

    Linda ist beinahe fertig mit Packen. Sie hat auch das Beistellbett auseinandergenommen und sorgfältig für den Transport verschnürt.

    Vielleicht geht es ihr in der Tat ein wenig besser.

    Plötzlich höre ich ein Schluchzen aus dem Schlafzimmer.

    Ich möchte nicht voreilig sein und sie bedrängen, also warte ich nur und gebe ihr den Freiraum, den sie braucht.

    Wenn sie mich braucht, werde ich es wissen.

    Im nächsten Moment höre ich, wie sie zusammensackt und sich wohl an der Wand herunter gleiten lässt – und der Schrei, der aus ihr herausbricht, erinnert mich an meinen eigenen Schmerz vor zwölf Jahren. Am liebsten würde ich mir die Ohren zuhalten.

    Wir bekommen unsere Kinder in jungen Jahren.

    Und wir verlieren unsere Männer in jungen Jahren.

    Ich war damals achtundzwanzig.

    Linda ist so viel jünger …

    Ihr Schrei zerreißt mir das Herz!

    Ich öffne die Tür und setze mich zu ihr, ziehe sie in meine Arme und lasse sie einfach nur schreien und weinen, während ich versuche, ihr mit meiner Nähe Halt zu geben.

    Halt und Geborgenheit, damit sie nicht vollends zerbricht!

    Es dauert gefühlt fünf Minuten, ehe sie sich beruhigt und mich aus tränennassen Augen, die noch dunkler und grauer sind als bei unserer Ankunft, anschaut.

    „Ich möchte hier fort", flüstert sie plötzlich leise und mit rauer Stimme.

    „Bitte, lass uns fahren", bittet sie leise. Ich nicke und helfe ihr auf.

    „Komm, ich helfe dir. Ich trage deine Last mit dir. Wenigstens ein Stück des Weges."

    Und ich meine damit nicht die Koffer und das Bettchen.

    Ich meine so viel mehr!

    Denn ich kenne ihren Schmerz, ich habe ihn auch einst gefühlt.

    Und sie so zu sehen, fühlt sich an, als würde ich noch einmal in dieses schwarze, bodenlose Loch fallen, ohne zu wissen, wann der Aufprall kommt und ob es jemals aufhört …

    Ja, ich kenne dieses Gefühl nur zu gut.

    Es ist einfach nur total beschissen!

    Linda

    Ich habe Lukas in seine Transportschale gelegt und ihn angeschnallt. Und dann haben Poppy und Mom je einen Koffer getragen und ich habe Lukas heruntergebracht. Um anschließend mit Mom noch einmal das Bett zu holen.

    Gut, dass sie einen großen Kombi haben.

    Klar hätte ich auch selbst fahren können, immerhin steht unser Auto unversehrt in der Tiefgarage. Ein metallicblauer Ford C-Max.

    Wie gerne hätte ich den gegen Lions Leben eingetauscht!

    Im Moment traue ich es mir nicht zu, ordnungsgemäß ein Fahrzeug zu führen.

    Also bin ich lieber Beifahrer.

    Aber hey! Immerhin komme ich das erste Mal seit vier Monaten vor die Tür!

    Der Weg und die Fahrt verschwimmen zu Farbklecksen in meiner Erinnerung.

    Der dunkelhaarige Mann mit den sanften braunen Augen lächelt mich freundlich von oben herab an.

    „Hat er dich arg erwischt?", fragt er leise, als er sieht, dass ich mir noch immer die rechte Rippenunterseite reibe, dort, wo der Fuß des Randalierers mich erwischt und aus dem Raum heraus in seine Arme katapultiert hat. Hätte er nicht dort gestanden, wäre ich im wahrsten Sinne des Wortes gegen die Wand geflogen.

    „Geht schon", erwidere ich verlegen und löse mich aus seiner hilfreichen Umarmung.

    Ist da eben ein grüner Strahlenkranz um seine Pupillen erschienen?

    Als ich mich umwende, sind seine Augen einfach nur dunkelbraun.

    Echt schön …, denke ich und muss mich zusammenreißen.

    Etwas widerstrebend löse ich mich von ihm und schaue verlegen auf den Boden.

    Es ist drei Uhr morgens, ich bin müde und habe noch gute drei Stunden bis zur Übergabe hier auf der Intensiv. Mein drittes Ausbildungsjahr.

    Am liebsten würde ich diese Station gar nicht mehr verlassen! Das Team ist toll und ich würde mich sehr freuen, hier auch fest angestellt zu werden.

    Aber im Moment wäre ich selig, den Namen desjenigen zu erfahren, in dessen Armen ich mich bis gerade eben noch befunden habe.

    Verlegen blicke ich auf und merke, wie meine Wangen ganz heiß und rot werden.

    Als hätte er meine Gedanken gelesen, erscheint ein strahlendes Lächeln auf seinem Gesicht.

    „Übrigens, ich bin Lion. Lion Imholt. Ich bin seit zwei Jahren mit der Polizeischule fertig und schlage mich mit … na, du weißt schon, allem Möglichen auf der Straße herum."

    Sein Lächeln blendet mich beinahe.

    „Ich bin Linda, stelle ich mich verlegen vor. „Ich bin Schülerin im dritten Jahr. In sechs Monaten bin ich auch fertig mit der Ausbildung.

    Da ist er wieder: Der grüne Kranz um seine Pupillen!

    „Du … du hast echt schöne Augen!"

    Habe ich das gerade wirklich ausgesprochen?

    Lion lacht laut auf, aber es klingt freundlich.

    Verlegen beiße ich mir auf die Unterlippe.

    „Ist das nicht eigentlich mein Part, dir ein Kompliment zu deinen Augen zu machen?", fragt er lachend.

    „Linda!", kommt es aus dem Zimmer, wo immer noch alle damit beschäftigt sind, den Randalierer zu bändigen. Diese Geräusche habe ich bis gerade vollkommen ausgeblendet.

    „Komm her! Wir brauchen dich zum Festhalten! Flirten kannst du später noch!"

    Ich werde knallrot und will mich umwenden.

    „Ich warte draußen auf dich. Lust auf einen Kaffee?", fragt Lion mich und ich nicke freudestrahlend.

    „Gern!", bringe ich schließlich heraus, ehe ich mich umdrehe und ins Zimmer eile, um besagtes Bein festzuhalten.

    Keine zwanzig Minuten später entschuldige ich mich bei meinen Kollegen, die den Bericht noch fertig schreiben, und eile aus der Station heraus auf den Flur.

    Enttäuscht sehe ich, dass dort niemand mehr ist.

    „Na, das wäre ja auch zu schön gewesen", murmele ich resigniert und habe schon meinen Schlüssel-Chip in der Hand, um die automatische Tür der Intensiv, die ansonsten nur von innen geöffnet werden kann, damit zu öffnen.

    „Möchtest du schon gehen?", ertönt es auf einmal von hinten.

    Allein der samtige Klang seiner Stimme malt mir schon wieder ein Lächeln ins Gesicht.

    Als ich mich umwende, steht Lion vor mir und hält in jeder Hand einen Becher heißen Kaffee. Er dampft noch richtig.

    „Der Kaffeeautomat auf dem Gang war kaputt. Da musste ich mich erst einmal umschauen. Der auf der Station eins drüber hat zum Glück funktioniert."

    Er lächelt mich an und reicht mir einen Becher.

    „Ich wusste nicht, wie du ihn magst, daher habe ich ihn so gemacht, wie ich ihn auf der Arbeit trinke. Mit ein wenig Milch und ohne Zucker. Ich hoffe, das ist okay?"

    Genauso trinke ich ihn auch immer!

    „Vollkommen! So mag ich ihn am liebsten."

    Sein Lächeln wird breiter.

    Wir setzen uns in den Wartebereich im breiten Flur vor der Intensivstation, dabei sitzt er so nahe neben mir, dass unsere Oberschenkel sich berühren.

    „Du … sag mal …", beginnt Lion und hebt seine Hand, als wolle er mich berühren.

    Ich nippe an meinem Kaffee, blicke zu ihm auf und kann mir ein Grinsen kaum verkneifen.

    Er ist ja genauso nervös wie ich!, stelle ich überrascht fest.

    Entschlossen stelle ich meinen Kaffee ab, hebe meine Hand und lege sie auf seine.

    „Ja, erwidere ich, „mir geht es genauso wie dir.

    Ich weiß nicht, woher wir unseren Mut genommen haben, immerhin kennen wir uns seit nicht einmal einer Stunde – aber unsere Gedanken laufen irgendwie synchron.

    Gleichzeitig beugen wir uns vor.

    Es ist nicht das erste Mal, dass ich einen Jungen küsse.

    Aber es ist das erste Mal, dass es mir gefällt.

    Tief in mir drin regt sich ganz zart ein Gefühl, als sei es genau richtig, das zu tun.

    Der richtige Moment, die richtige Tat. Einfach alles ist perfekt!

    Ich verliere jegliches Zeitgefühl.

    „Na, geht das nicht ein bisschen schnell?!"

    Abrupt brechen wir ab, als meine Stationsleitung raschen Schrittes an uns vorbei geht und uns nur kurz mustert.

    Wir sehen uns an und lachen.

    „Es klingt jetzt vielleicht ein bisschen abgedroschen, wenn ich das sage – aber, normalerweise mache ich so etwas nicht!", gebe ich offen zu.

    Herrlich, diesen grünen Strahlenkranz im tiefen Braun seiner Augen zu sehen, die mich anstrahlen und bis in den letzten Winkel meiner Seele zu blicken scheinen.

    Lion lacht erleichtert auf.

    „Du wirst es mir vielleicht nicht glauben – aber für mich ist es auch das erste Mal!"

    Er zwinkert mir zu und nimmt meine Hand. Die Berührung jagt ein Kribbeln über meinen Rücken.

    Ich habe gar nicht bemerkt, dass er seinen Kaffee auch schon abgestellt hat.

    Und dann legt er seine Hand in meinen Nacken, zieht mich zu sich heran und küsst mich wieder.

    Ich könnte ewig bei ihm sitzen und ihn küssen …

    Es ist das schönste Gefühl auf der Welt!

    Ich spüre noch immer die warme Berührung seiner Hände …

    Der Wagen ruckelt und hält an, um den Gegenverkehr durchzulassen. Verschlafen öffne ich meine Augen.

    Ich merke erst, dass meine Wangen tränennass sind, als ich mir mit der Hand eine Haarsträhne aus dem Gesicht streichen möchte.

    Erschrocken nehme ich vorne mein Shirt etwas hoch, wische mir das Gesicht trocken und reibe anschließend die Hände an meinem Hosenbein ab. Ein Blick nach rechts zeigt mir, dass Lukas tief und fest schläft, die kleinen Hände zu Fäusten geballt neben seinem Köpfchen liegend.

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