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Gonzaga: Auf und Ab einer berühmten italienischen Fürstenfamilie der Renaissancezeit
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eBook866 Seiten8 Stunden

Gonzaga: Auf und Ab einer berühmten italienischen Fürstenfamilie der Renaissancezeit

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Über dieses E-Book

Die Gonzaga von Mantua waren eine der bedeutendsten italienischen Fürstenfamilien der Renaissance. Sie regierten Mantua fast vier Jahrhunderte lang, von 1328 bis 1708, und brachten einen Heiligen, elf Kardinäle, zahlreiche Bischöfe und viele interessante Einzelpersönlichkeiten hervor.
In diesem Buch wird viel Interessantes aus der Geschichte dieser Fürstenfamilie gebracht, von den Anfängen bis zu ihrem traurigen Erlöschen. Es hält sich streng an die historischen Vorgaben, legt aber auch Gewicht auf Persönliches, Familiäres und Erzählendes.
Interessante Einblicke in das Leben und Denken des Adels in früherer Zeit. Stellenweise spannend und berührend wie ein Roman.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum15. Aug. 2019
ISBN9783749714384
Gonzaga: Auf und Ab einer berühmten italienischen Fürstenfamilie der Renaissancezeit

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    Buchvorschau

    Gonzaga - O. T. Mahl-Reich

    Dies und das aus der älteren Geschichte der Gonzaga

    Dem fünfzehnjährigen „Duchino" 1577 scheibchenweise erzählt von Messer Federigo, dem Archivarius

    Messer Federigo, der Archivarius, ist nur eine vom Verfasser erfundene Figur. Er lässt ihn im 16. Jahrhundert am Hof der Gonzaga leben und um 1577 dem jungen Herzogssohn („Duchino") Vincenzo manches aus der (älteren) Geschichte der Familie Gonzaga erzählen. Der Form nach sind das Plaudereien, der historische Kern ist aber (außer in den ersten sechs Texten) immer getreu wiedergegeben.

    Der „Duchino"

    Im „Palazzo Ducale, dem Herzogspalast in Mantua, wohnten nicht nur der „Duca (Herzog) und die „Duchessa" mit ihrer Familie, sondern es hielten sich hier auch zahlreiche Diener und Bedienstete auf. Auch begaben sich jeden Tag nicht wenige Leute aus der Stadt in den Palast, um dort unterschiedliche Dienste zu leisten. Es herrschte da also untertags ein reges Treiben und Leben.

    Der „Duchino" - so wurde Vincenzo, der Sohn von Herzog Guglielmo

    - von allen genannt, von den Bediensteten im Palast und auch von den Bewohnern der Stadt. Und obwohl er zum Zeitpunkt dieser Erzählungen oder Plaudereien erst ungefähr fünfzehn Jahre alt und also noch ein Knabe war, wurde er schon von allen mit „Voi (Ihr) angeredet und also nicht mit dem sonst allgemein üblichen „Tu. („Voi" war die Anrede für Adlige und auch für gebildete, angesehene nichtadlige Erwachsene.)

    Der „Duchino" war ein groß gewachsener, hübscher Knabe und hatte

    - ein Erbteil seiner Mutter - hellblonde, gelockte Haare. Auch hatte er ein freundliches Benehmen und konnte sich gut ausdrücken. Man kann wohl sagen, dass er allen gefiel, die ihn kannten.

    Er hatte aber auch ein gutes Gedächtnis und konnte sich die Namen der ihm Begegnenden leicht merken, sodass er diese, wenn er wollte, beim nächsten Aufeinandertreffen mit Namen anreden konnte, was diese immer freute.

    Auch hatte er einen aufgeweckten Geist, sodass er sich für sozusagen alles Neue interessierte, was ihm so unterkam. Und so fragte er denn, wenn er mit einem Begleiter in der Stadt unterwegs war, diesen immer wieder nach dem und jenem - wie dieses Haus heißt, wer hier wohnt, wohin diese Straße führt, was in diesem bestimmten Laden für Waren verkauft werden, wer diesen Brunnen erbaut hat usw. -, und das war oft mehr, als der jeweilige Begleiter zu beantworten vermochte.

    Deshalb konnte es geschehen, dass der „Duchino" einen Entgegenkommenden, den er bereits kannte oder auch noch nicht kannte, nach dem fragte, was ihm der Begleiter nicht zu sagen vermochte.

    Er stellte diese Fragen immer höflich und freundlich, und bedankte sich dann auch für die erhaltene Auskunft und verabschiedete sich lächelnd.

    In der Stadt freute man sich, einen so intelligenten und höflichen und liebenswürdigen „Duchino" zu haben, und manch einer dachte wohl bei sich: Unser jetziger Herzog, Guglielmo, ist ein durch und durch ehrenwerter und guter Fürst (lang möge er uns noch erhalten bleiben!), aber er ist vielleicht in manchem zu streng und meist sehr ernst - dieser aber, sein Sohn und Nachfolger dereinst, ist ganz anders, ein Sonnenschein geradezu, da kann sich Mantua nur darauf freuen, dass er einmal hier herrschen wird.

    Messer Federigo

    Messère oder kurz Messèr war [dazumal] die Anrede für gebildete, ehrenwerte Personen, wie Notare, höhere Beamte, Verwalter, auch gutstehende Kaufleute usw., die schon ein gewisses Alter hatten, aber nicht adelig waren (adelige Personen hatten andere Bezeichnungen).

    Ein solcher „Messer" war auch jener schon etwas ältere Federigo, der im Herzogspalast lebte und arbeitete. Er hatte schon ganz weiße Haare und grüßte alle Begegnenden höflich, aber eher ernst und zurückhaltend. Er war offenbar keiner, der Gesellschaft suchte, schon gar nicht laute. Messer Federigo hinkte schwer auf einem Bein und benötigte deshalb einen Stock.

    Der „Duchino" kannte Messer Federigo, weil er ja im Palast wohnte und arbeitete, aber er hatte ihn bisher noch nie angesprochen. Wenn sie sich begegneten, grüßten sie sich höflich, wobei Federigo seinen Hut abnahm und sich leicht verneigte.

    Herzog Guglielmo hatte beschlossen, die „Reggia (die herzogliche Residenz), die aus mehreren, weder stilistisch noch sonst zusammenpassenden größeren und kleineren, älteren und jüngeren Baulichkeiten bestand, zu einem möglichst einheitlichen Ganzen umzugestalten. Auch verlegte er den herzoglichen Wohnsitz vom Schloss San Giorgio, wo er sich bisher befand, in einen anderen, seiner Ansicht nach besser gelegenen Teil der „Reggia und ließ diesen großzügig und vornehm um- und ausbauen und zog dann mit seiner Familie hier ein.

    Er war mit einer sehr vornehmen Frau verheiratet, nämlich einer Tochter des Kaisers Ferdinand I. und Schwester des erst unlängst verstorbenen Kaisers (Maximilian II., † 1576) und Tante des jetzigen Kaisers (Rudolf II.), und diese Neugestaltung und Verschönerung des Herzogspalastes glaubte er ihr wohl auch schon deshalb schuldig zu sein.

    Das war freilich eine große und auch teure Arbeit, die sich über mehr als zehn Jahre hinzog. Dabei ließ er auch ungefähr in der Mitte der „Reggia" eine neue Kirche erbauen, die er dann zu Ehren der heiligen Barbara weihen ließ.

    Aber er ließ auch einige nicht sehr große Gärten anlegen und diese mit Blumen und Sträuchern und Bäumen bepflanzen und darin kleine marmorne Springbrunnen aufstellen. Und auch Sitzgelegenheiten aus Marmor ließ er da errichten. Diese Sitzgelegenheiten waren für die herzogliche Familie und eventuell ihre Gäste bestimmt, kaum aber für die im Palast Dienst Leistenden.

    Der Archivarius

    Als der „Duchino an einem feinen, warmen Frühlingstag durch einen dieser von seinem Vater geschaffenen Gärten ging, kam ihm Messer Federigo auf dem Kiesweg entgegen. Dieser zog hochachtungsvoll den Hut und wünschte, sich leicht verneigend, dem „Duchino einen schönen Tag. Auch dieser grüßte freundlich und dankte ihm für den „guten Tag".

    Sodann wollte Messer Federigo seinen Weg fortsetzen. Da aber hörte er den „Duchino sagen: „Messer Federigo, darf ich Euch etwas fragen? Dieser war überrascht - noch nie hatte ihn der junge Herzogssohn angesprochen -, er blieb stehen und wandte sich diesem zu, wobei er sich wiederum leicht verneigte und den Hut abnahm.

    Weil gerade eine marmorne Sitzbank in der Nähe war, lud der „Duchino" den betagten Mann ein, sich mit ihm auf diese Bank zu setzen.

    Federigo war von Neuem überrascht, sagte aber nichts und setzte sich, wie vom „Duchino" gewünscht, auf die Bank.

    Dann sagte der junge Herzogssohn: „Messer Federigo, ich sehe Euch oft hier im Palast, und schon öfter hätte ich Euch gern angesprochen. Ist es richtig, dass Ihr der Archivarius meines Vaters seid?"

    „Ja, mein Duchino, antwortete Federigo nicht ohne Stolz. „Euer Vater, Herzog Guglielmo, hat mir diesen verantwortungsvollen Dienst schon vor vielen Jahren anvertraut, und ich bin stolz darauf, sein Vertrauen zu besitzen.

    „Da habt Ihr ja sehr viel mit alten und neuen Urkunden und Schriften zu tun?"

    „Ja, das ist richtig: sie müssen wohlverwahrt und leicht auffindbar sein, denn sie sind - das eine Schriftstück mehr, das andere weniger - sehr wichtig und haben alle ihre Bedeutung für die herzogliche Familie oder auch für das Herzogtum Mantua. Oft wird in einem Streit nach dieser oder jener Urkunde gesucht, um entweder die eigenen Ansprüche zu bekräftigen oder aber gegen uns vorgebrachte Ansprüche oder Anschuldigungen zu widerlegen."

    „Das ist wirklich eine sehr wichtige Arbeit, die Ihr da zu vollbringen habt, sagte anerkennend der „Duchino. „Wenn Ihr einmal Zeit hättet, würde ich Euch gern im Archiv besuchen und Euch bei der Arbeit zusehen. Das freute Messer Federigo und er sagte: „Mein Duchino, ich würde mich auch freuen, wenn Ihr mich besuchen würdet. Ich könnte Euch dann die vielen alten und auch neuen Urkunden und Schriftstücke zeigen, die wir haben, und die alle ihren bestimmten Platz in den verschiedenen Urkundenschränken haben. Damit sie leichter und schneller gefunden werden können, haben sie alle ihre bestimmte Nummer. Um die Urkunden und Schriftstücke leichter finden zu können, sind sie alle einzeln mit ihrer Nummer und auch etwaigen Buchstaben in große Register eingetragen, die nach Sachgebieten geordnet sind. Ich könnte mir vorstellen, dass es Euch interessieren würde, das einmal ganz aus der Nähe zu sehen.

    „Oh, das ist sehr interessant, was Ihr da sagt, Messer Federigo - und gern komme ich einmal zu Euch, um das zu sehen."

    Eine lange und leider auch ein wenig traurige Geschichte

    Dann blickte der „Duchino auf das verkrüppelte Bein Messer Federigos und sagte: „Wenn Ihr erlaubt, würde ich gern erfahren, wie Ihr Euch das Bein verletzt habt, sodass Ihr am Stock gehen müsst. Im Archiv werdet Ihr Euch wohl kaum so schwer verletzt haben, hier ist ja alles ruhig und friedlich - aber seid Ihr vielleicht im Krieg gewesen? habt Ihr Euch vielleicht dort diese schwere Verletzung zugezogen?

    Federigo war überrascht über diese Frage. Aber da er annahm, dass der junge Herzogssohn diese Frage wohl nicht sosehr aus Neugierde, sondern wohl eher aus Anteilnahme gestellt hatte, beschloss er, ihm die Geschichte seines verkrüppelten Knies so zu erzählen, wie sie war.

    „Nein, sagte er leicht lächelnd, „im Archiv ist das nicht geschehen. Und auch nicht im Krieg, ich bin nämlich nie als Kriegsknecht ausgezogen.

    Der „Duchino" blickte ihn fragend an.

    „Aber das wäre eine lange Geschichte, und leider auch eine traurige, und ich weiß nicht, ob ich Euch damit langweilen soll. Auch hängt sie mit Eurem Urgroßvater, dem Marchese (Markgrafen) Francesco, zusammen."

    „Was, so lang ist das schon her? Mein Urgroßvater ist doch schon vor fünfzig Jahren gestorben?"

    „Ja, vor 58 Jahren, nickte Federigo, „aber ich bin ja auch schon bald siebzig. Und die Geschichte mit meinem Knie hat sich im Jahr 1517 ereignet, zwei Jahre vor dem Tod Eures Urgroßvaters.

    Der „Duchino wurde sehr ernst und sagte eine Weile nichts. Dann fragte er zögernd: „Und - war mein Urgroßvater schuld an diesem Unglück?

    „Nein, nein, beeilte sich Messer Federigo zu sagen. „Er - oder genauer gesagt: sein Pferd - hat mir zwar diese schwere Verletzung zugefügt, aber der Marchese Francesco hatte dabei keine Schuld.

    „Oh, da bin ich aber froh, dass mein Urgroßvater nicht schuld an Eurem Unglück war - und jetzt bin ich umso mehr an Eurer Geschichte interessiert. Erzählt!"

    „Ja denn", sagte Messer Federigo, „ich will also versuchen, die Geschichte möglichst knapp zu berichten. Mein Duchino, Ihr wisst wahrscheinlich, dass Euer Urgroßvater nicht selten in den Krieg zog - meist als Kondottiere im Auftrag dieses oder jenes Herrn, zuweilen aber auch in eigener Sache. So beschloss er etwa im Sommer 1509, das Städtchen Legnago - nicht sehr weit von Mantua entfernt, unterhalb von Verona an der Etsch gelegen - zu erobern und es in seinen Herrschaftsbereich, den von Mantua, einzugliedern. Legnago gehörte aber den Venezianern. Er nahm deshalb hundert und vielleicht noch mehr Knechte in Sold, die ihn begleiten und für ihn kämpfen sollten. Mein Vater war nur ein ganz armer Mann, und so zog er mit dem Marchese Francesco öfter in den Krieg. Er brauchte jeden Scudo, um sich und seine Frau und seinen noch sehr kleinen Sohn zu versorgen. Und so zog er auch diesmal mit dem Markgrafen in den Krieg, um Legnago zu erobern.

    Doch dieses Mal ging es anders als die früheren Male. War Markgraf Francescos Plan, Legnago zu überfallen, an die Venezianer verraten worden, oder hielt sich nur durch Zufall eine venezianische Truppe gerade dort herum auf, als Marchese Francesco mit seinen Söldnern Legnago überfiel? Das ist nicht bekannt. Sicher aber ist, dass die zahlenmäßig überlegenen Venezianer Marchese Francesco und seine Söldner überraschten und die meisten davon niedermachten. Auch mein Vater ist damals gefallen [im Kampf getötet worden]. Dem Marchese gelang es zwar, mit nur wenigen die Flucht zu ergreifen, er wurde aber verfolgt und schon bald eingeholt und gefangen genommen. Er wurde nach Venedig gebracht und dort ins Gefängnis gesteckt, wo er dann fast ein Jahr lang zubringen musste.

    Nach seiner Freilassung war dem Marchese die Lust vergangen, sich als Kondottiere zu verdingen oder auch auf eigene Rechnung Eroberungen machen zu wollen, und weil er dann auch erkrankte, hörte man von ihm kaum mehr etwas.

    Meine Mutter ist also damals, 1509, Witwe geworden, und schon bald nach dem Tod ihres Mannes wurde ich geboren. Sie musste sich dann ganz allein um die beiden noch ganz kleinen Kinder kümmern, und um sie zu versorgen und ihnen zum Essen zu geben, musste sie alle möglichen Dienste annehmen. Sie war eine ganz einfache, aber brave und ehrenwerte Frau.

    Leider ist sie dann einige Jahre später, 1517, gestorben. Ich war damals acht und mein Bruder zehn Jahre alt. Man wusste nicht, wohin mit uns, bis sich endlich eine entfernte Verwandte, die weit weg wohnte, bereit erklärte, uns aufzunehmen.

    Man sagte uns ungefähr, welchen Weg wir nehmen müssten, um zu der entfernten Base zu gelangen, und so machten wir uns schon bald auf den Weg.

    Als wir so, mit nur ein paar Stücklein Brot im Sack, auf der Landstraße dahingingen, um zu unserer fernen Base zu gelangen, kam uns auf einmal ein kleiner Reitertrupp entgegen. Es waren vielleicht zehn oder zwanzig Pferde, ich kann es nicht genauer sagen. Die Pferde waren schön geschmückt, und so sagte mein Bruder zu mir: ‚Du, das sind vornehme Leute, die da kommen, vielleicht ist es sogar unser Marchese! Wir sollten uns deshalb am besten am Straßenrand hinknien und warten, bis der Zug vorüber ist.‘

    Also knieten wir uns am Rand der Straße hin, hielten bescheiden unsere Mütze in der Hand und warteten, bis die Reiter vorüber waren.

    Einige Pferde waren schon vorüber, dann aber bäumte sich auf einmal ein Pferd auf und schnaubte wie wild. Der auf ihm sitzende Reiter vermochte sich nur mit Mühe und Not im Sattel zu halten und stürzte nicht auf den Boden. Vielleicht war das Pferd erschrocken, als es plötzlich uns Buben am Straßenrand knien sah, ich weiß es nicht.

    Das Pferd verließ die Reihe und kam, auf den Hinterfüßend tretend, gerade auf uns zu. Es trat zuerst auf meinen Bruder und dann auch auf mich. Ich spürte einen furchtbaren Schmerz am Fuß, und so schrie ich laut auf und rief um Hilfe.

    Da gelang es dem auf dem scheu gewordenen Pferd sitzenden Reiter, sein Tier wieder zu beruhigen, und er sprang ab. Wie ich dann erfuhr, war es tatsächlich, wie von meinem Bruder vermutet, der Marchese.

    Auch die anderen Reiter waren von ihren Pferden gestiegen und umringten uns. Sie redeten aufgeregt durcheinander, und dann hörte ich einen sagen: ‚Der Jüngere hat durch einen Pferdetritt einen schweren Bruch des Fußes oder Knies erlitten, er wird wohl sein Leben lang hinken müssen - wenn er denn die Sache überhaupt überlebt. Dem Älteren aber ist nicht mehr zu helfen, er regt sich nicht mehr und ist tot.‘

    Als ich das hörte, begann ich noch lauter zu schreien und zu weinen. Mein lieber Bruder tot! Ich wollte es nicht glauben.

    Aber es war so, und der Markgraf veranlasste, dass er auf dem Friedhof des nächstgelegenen Ortes begraben wurde. Mich aber ließ er vorsichtig auf ein Pferd setzen oder binden und trug zwei seiner Begleiter auf, mich nach Mantua und in den Palast dort zu bringen, wo ich ärztlich versorgt werden sollte."

    Mein Unglück mein Glück

    „Im Palast angekommen wurde ich in ein schönes, sauberes Zimmer gebracht, so wie ich noch nie eines gesehen hatte. Freundliche Dienerinnen entkleideten mich, wuschen mich am ganzen Körper und vor allem an dem blutverschmierten Bein und legten mich dann, mit einer Decke zugedeckt, auf ein Bett.

    Obwohl mich die Dienerinnen sehr liebevoll behandelt hatten, musste ich doch fast ununterbrochen weinen. Schuld daran waren zum einen die großen Schmerzen, die ich am Bein hatte, dann aber auch der Kummer um den Verlust meines lieben Bruders.

    Nach einiger Zeit kam ein ‚Dottore‘ und untersuchte mein Bein. Er schüttelte den Kopf und sagte: ‚Das sieht nicht gut aus. Aber Pferdetritte können, wie man weiß, sehr schwere Verletzungen hervorrufen. Diesem Jungen hier wurde das Knie schwer beschädigt, er wird wohl nie mehr gerade gehen können. Inzwischen bleibt nur übrig, die Wunde gut auszuwaschen und mit Rosenwasser zu kühlen, und dann werde ich das Bein schienen und kann ich nur hoffen, dass sich das Knie wenigstens einigermaßen ‚beruhigt‘ und zu heilen beginnt.‘

    Einige Zeit später kam eine nicht mehr ganz junge, aber sehr sympathische und schöne Dame in das Zimmer und fragte mich, wie es mir gehe. Ich begann wieder zu weinen - um meinen Bruder und um meine Mutter -, und da streichelte sie mir über die Haare und sagte: ‚Du bist jetzt sehr traurig und hast große Schmerzen, ich kann dir nur wünschen, dass du dich allmählich beruhigst und die Schmerzen vergehen.‘

    Dann lächelte sie mich an und fragte mich nach meinem Namen. Ich sagte nur kurz und schüchtern: ‚Federigo.‘

    ,Also, lieber Federigo, meine Dienerinnen werden dich liebevoll pflegen und schauen, dass es dir an nichts mangelt. Ich wünsche dir alles Gute!‘

    Dann verließ sie das Zimmer, während die Dienerinnen höflich knicksten. Wie mir diese dann sagten, war das die Marchesa, die Gattin des Marchese, die Herrin des herzoglichen Hauses und Hofes.

    Ich lag mehrere Wochen lang in diesem Zimmer und wurde von den Dienerinnen liebevoll gepflegt. Die Marchesa, die Markgräfin, kam öfter in mein Zimmer und fragte mich freundlich, wie es mir gehe. Mehrmals sagte sie: ‚Federigo, du kannst hier bleiben, bis du ganz gesund wirst.‘ Ich dankte ihr und sagte, dass ich sehr froh sei, hier sein zu dürfen und so gut gepflegt und versorgt zu werden - und ich wüsste ja auch nicht, wohin ich gehen sollte, mein Vater ist tot, meine Mutter auch, und jetzt ist auch noch mein Bruder gestorben. ‚Großeltern habe ich auch keine mehr. Ich bin nirgends daheim.‘

    Auch der Marchese kam einmal zu mir ins Zimmer und sagte: ‚Es tut mir leid, dass mein Pferd dich so verletzt hat. Ich weiß nicht, warum es damals so erschrocken ist. Ich bin traurig, dass dein Bruder so schwer verletzt wurde, dass er sterben musste. Dagegen aber freue ich mich, dass du langsam wieder gesund wirst. Freilich wirst du, wie mir der Dottore sagt, dein Leben lang hinken und einen Stock zum Gehen brauchen. Aber das ist immer noch besser als gestorben zu sein. Das Leben ist ein so schönes Geschenk, für das man jeden Tag danken sollte - auch wenn man hinkt und einen Stock zum Gehen braucht.‘ Und als er sich dann von mir verabschiedete, drückte er mir die Hand männlich-stark und lächelte mich männlich-freundlich an.

    Einmal kam die Markgräfin mit einem älteren Mann, den ich noch nie gesehen hatte, ins Zimmer. Sie fragte mich, ob ich schreiben und lesen könne. Ich schüttelte den Kopf und sagte, mein Vater sei jung im Krieg gefallen und meine Mutter sei eine ganz arme Frau gewesen, die weder meinen Bruder noch auch mich in die Schule hätte schicken können. Geld für einen Schullehrer hätte sie bestimmt keines gehabt, auch mussten mein Bruder und ich immer da und dort aushelfen und arbeiten, um etwas zu verdienen, da hätten wir gar keine Zeit gehabt für den Besuch einer Schule.

    Da besprach sich die Marchesa halblaut mit dem älteren Mann, und dann fragte sie mich: ‚Hättest du vielleicht Lust, die Buchstaben zu lernen? also schreiben und lesen zu lernen?‘

    Ich war ganz überrascht, auf eine solche Frage war ich nicht vorbereitet. Und noch ehe ich etwas antworten konnte, hörte ich die Marchesa sagen: ‚Aus dem Gesichtsausdruck des Knaben ist ziemlich klar zu erkennen, dass er offenbar intelligent ist. Ich möchte daher‘, sagte sie zu dem älteren Mann, ‚dass Ihr, Messer Antonio, dem Knaben das Alphabet beibringt. Wenn er entspricht, kann man ihn dann auch noch weiter unterrichten.‘

    Schon am nächsten Morgen kam Messer Antonio mit einem Pack Blätter und ein paar Bleistiften in das Zimmer, und wir begannen, Buchstaben zu üben. Ich war inzwischen schon so weit, dass ich allein aus dem Bett steigen und - mit Hilfe eines Stockes - zu dem kleinen Tisch im Zimmer hingehen konnte.

    Messer Antonio sagte, dass man verschiedene Zeichen erfunden habe, die ganz bestimmte Laute angeben. Diese Zeichen nenne man Buchstaben.

    Das erste Zeichen im Alphabet sei das A. Das wollen wir deshalb heute üben. Er machte mir das A-Zeichen vor, und dann sagte er, ich solle versuchen, es nachzumachen.

    Aber das war schwerer als gedacht. Ich wusste ja auch nicht, wie man einen Bleistift zu halten hat, wenn man Buchstaben-Zeichen malen will.

    Das brachte mir Messer Antonio dann bei, und jetzt gelang es auch wirklich, ein A und dann auch noch mehrere zu zeichnen.

    Das nächste Zeichen im Alphabet wäre eigentlich das B gewesen, aber Messer Antonio fand es besser, mir zuerst die Vokal-Zeichen beizubringen. Also kam als nächstes Zeichen das E an die Reihe. Dieses Zeichen gefiel mir sehr gut, weil es so schön zu zeichnen war, und ich hätte am liebsten nicht mehr aufgehört, große E zu zeichnen.

    Noch leichter war dann das I. Und auch das schöne, ovale O gelang mir schon bald. Auch das U machte keine Schwierigkeiten.

    Die Konsonanten brachte er mir dann fallweise bei, ohne die Reihenfolge im Alphabet einzuhalten. Als erstes zeigte er mir das T. Er sprach mir diesen Laut mehrmals vor, und schon hatte ich auch den T-Laut gelernt.

    So kamen in den nächsten Tagen auch noch weitere Konsonanten dazu.

    Messer Antonio staunte über meine leichte Auffassungsgabe, und dann begann er, die Buchstaben in verschiedener Reihenfolge aufzuschreiben, was ich dann lesen sollte. Das hatte ich auch schon bald heraus und las die Buchstabenreihen ganz richtig daher.

    Und nachdem Messer Antonio gegangen war, begann ich auch selbst Buchstabenreihen zu bilden und sie laut zu lesen.

    Als Messer Antonio sah, dass ich so schnell lernte, begann er damit, mich von ihm mir vorgesagte Buchstabenreihen oder Silben schreiben zu lassen. Das machte mir keine Schwierigkeiten - und so konnte er der Markgräfin berichten, dass ich außerordentlich geschickt im Buchstabenschreiben und auch -lesen sei und auch schon aus eigenem Antrieb Buchstabenreihen bilde und lese und also immer mehr lesen könne.

    Als die Markgräfin hörte, wie schnell ich auffasste, freute sie sich sehr - war sie doch mit ihrer Annahme, dass ich ein intelligentes Kind sei, richtig gelegen. Sie prüfte mich selbst beim Silbenlesen, und dann sagte sie: ‚Messer Antonio, ich glaube, der Knabe ist jetzt schon so weit, dass man ihm auch die Kleinbuchstaben beibringen und mit ihm dann schon das Schreiben zusammenhängender Buchstaben einüben kann.‘

    Inzwischen war ich so weit geheilt, dass ich aus dem Krankenzimmer entlassen werden konnte. Die Marchesa hatte mir versprochen, dass ich so lang hier bleiben dürfe, bis ich ‚ganz gesund‘ sei. Das war jetzt erreicht, und so fürchtete ich jeden Tag, dass die Markgräfin zu mir ins Zimmer kommen und sagen würde: ‚So, Federigo, du bist jetzt ganz gesund und kannst also wieder den Palast verlassen und gehen, wohin du willst.‘ Wohin aber, fragte ich mich besorgt, sollte ich denn nur gehen? Ich war jetzt acht Jahre alt und konnte leidlich schreiben und lesen - wer aber hätte mich achtjährigen Knaben aufnehmen sollen?

    Und dann kamen eines Tages der Markgraf und auch die Markgräfin gemeinsam in mein Zimmer und sagten: ‚So, Federigo, du bist jetzt ganz geheilt. Allerdings wirst du dein Leben lang hinken und einen Stock zum Gehen benützen müssen - aber da gibt es leider keine weitere Heilung. Du kannst also, wenn du willst, jetzt den Palast verlassen und dich anderswie richten - aber nachdem uns Messer Antonio gesagt hat, dass du außerordentlich geschickt im Lesen und Schreiben bist, würden wir uns freuen, wenn du auch weiterhin im Palast bleiben und dich immer mehr im Schreiben üben und dann in die Hofschreiberei eintreten würdest. Wir sind überzeugt, dass du ein geschickter und genauer und gewissenhafter Schreiber werden wirst.‘

    O wie freute mich das, was der Marchese und die Marchesa mir da vorgeschlagen hatten, und ohne weiter zu überlegen antwortete ich: ‚Ich danke Euch, mein Marchese und meine Marchesa, dass Ihr mir diesen Vorschlag gemacht habt, und ich nehme diesen sehr gern und mit großer Dankbarkeit an. Ich werde mich bemühen, alles so zu tun und zu machen, dass Ihr immer mit mir zufrieden sein könnt!‘

    Der Marchese ist dann schon zwei Jahre darauf gestorben, aber die Marchesa, diese vornehme und edle Dame Isabella d’Este, hat nach dem Tod ihres Gatten dieses Angebot mir gegenüber ausdrücklich erneuert, und dann behielt mich auch ihr Sohn, Euer Großvater, der 5. Markgraf und nachmalige erste Herzog von Mantua, und blieb ich also mein ganzes weiteres Leben im Palast und im Dienst der herzoglichen Familie von Gonzaga und würde ich mich freuen, ihr auch weiterhin dienen zu können!

    Mein großes Unglück von einst hat sich somit im Lauf der Zeit zu meinem großen Glück gewandelt. Das hätte ich mir ganz bestimmt nicht vorstellen können, als ich damals vor Schmerzen schreiend am Straßenrand gelegen bin."

    Ich hatte jetzt lange geredet, und der „Duchino hatte mich nur selten unterbrochen. Und obwohl er ja erst ein Knabe war, hat er mir aufmerksam und teilnahmsvoll zugehört. Ich war beeindruckt von diesem doch noch sehr jungen „Duchino!

    Wir vereinbarten dann, dass er mich zwei Tage später um die und die Zeit im Archiv besuchen solle.

    Zu Besuch im Archiv

    Zwei Tage darauf kam der „Duchino wirklich zu der vereinbarten Zeit in das Archiv, wo ich ihn schon freudig erwartete. Ich zeigte ihm, wie das Archiv eingerichtet war und man mit Hilfe der Registerbände jede gewünschte Urkunde an ihrem Ort zu finden vermochte, ohne dabei viel Zeit zu verlieren. Das gefiel dem „Duchino und wir versuchten das auch mit einigen bestimmten Urkunden und Schriftstücken.

    Ich zeigte ihm auch einige ältere Urkunden, die nicht so leicht zu lesen waren. Sie waren natürlich alle in Latein geschrieben. Das hätte dem „Duchino vielleicht nicht so viel ausgemacht, hatte er sich ja bereits in die lateinische Sprache [damals die „internationale Kanzleisprache und Sprache der Wissenschaft] schon sehr gut eingearbeitet. Was ihm aber Schwierigkeiten bereitete, das waren die alten Schriftzeichen und auch vielen Kürzel, die diese Urkunden aufwiesen. Er sah, dass man, um diese alten Urkunden zu lesen und zu verstehen, schon sehr viel Erfahrung haben musste und also nicht jedermann so etwas zu tun imstande war.

    Es gefiel ihm auch, zu sehen, dass das Archiv nicht ein sozusagen toter Ort war, sondern dass immer wieder weitere Urkunden und Aktenstücke dazukamen, die richtig eingeordnet und in den Registerbänden verzeichnet werden mussten. Eben lagen wieder ein paar neu heraufgebrachte Urkunden und Akten auf dem Tisch, die zu archivieren waren. Wir ordneten gemeinsam zwei der Urkunden, die aus der Hofschreiberei gebracht worden waren, ein und verzeichneten sie im zutreffenden Register. Der „Duchino" durfte die Eintragung selber vornehmen.

    Dann sagte er: „Die Arbeit hier im Archiv ist wirklich interessant. Ich glaube, dass sie Euch Freude machen wird."

    Ich sagte lächelnd: „Ja, das trifft zu. Ich bin jetzt schon viele Jahre im Archiv tätig, und die Arbeit hier hat mich noch nie gelangweilt. Man kann, wenn man Lust und die Zeit dazu hat, mithilfe der hier abgelegten Urkunden und Akten vieles erfahren, was sich früher so zugetragen hat."

    „Corradi di Gonzaga"

    „Mein Vater - so der „Duchino - „sagt, dass unser Geschlecht früher anders geheißen und auch ein anderes Wappen geführt hat. Kann das stimmen? und gibt es dafür Unterlagen in unserem Archiv?"

    „Ja, antwortete ich, „das ist richtig, was Euer Vater da gesagt hat. Früher - vor Ludovico di Gonzaga, dem ersten ‚Capitano del Popolo‘ - wurden die Gonzaga ‚Corradi‘ oder ‚Corradi di Gonzaga‘ genannt. Und auch das Wappen war anders. Aber sehr viel ist darüber in unserem Archiv nicht zu finden.

    „Woher mag wohl dieser seltsame Name Corradi kommen?, wollte der „Duchino wissen.

    „Wie gesagt: im Archiv ist darüber nur wenig oder nichts zu finden, und so vermag ich dazu auch nur wenig zu sagen. Aber früher waren die Familiennamen noch nicht fest, so wie heute, und gab es also Änderungen. Das war manchmal auch bei adeligen Familien so, die sich früher gewöhnlich nach ihren jeweiligen Burgen oder Dörfern, wo sie als reiche Gutsherren lebten, nannten.

    Man weiß nichts über die Anfänge der später in Mantua auftauchenden niederadeligen Corradi. In den Archiven ist darüber nichts zu finden. Ich könnte mir aber vorstellen, dass da vielleicht 200 Jahre vor Ludovico di Gonzaga - sagen wir um 1100 - irgendwo, vielleicht im weiteren Umkreis von Mantua, ein Corrado [Konrad] lebte, der aus bäuerlicher Familie stammte oder der Sohn eines Handwerkers oder Wirtes war und sich in den Dienst eines mächtigen Adeligen, eines Grafen etwa, begeben hatte und diesem diente. Und weil er diesem Herrn so gut und treu und verlässlich viele Jahre lang diente, wurde er von diesem immer mehr geschätzt und vielleicht auch geliebt und wurde schließlich sein Verwalter, dem er sein Hab und Gut anvertrauen konnte. Dieser Corrado hatte dann vielleicht einen Sohn, der ebenfalls im Dienste dieses adeligen Hauses diente und seinen Herrn auf seinen verschiedenen Ritten und Reisen da und dorthin begleitete, sodass er allmählich fast als Teil der adeligen Familie angesehen wurde. Der Graf (?) erlaubte ihm dann wohl, nicht weit von seinem Schloss oder Gutshof entfernt auf ihm (dem Grafen) gehörigem Grund ein gemauertes Haus zu erbauen, in dem er mit seiner Familie wohnen konnte, und belehnte ihn auch mit ihm gehörigen Grundstücken.

    Um 1100 hatten die Leute noch nicht zwei Namen so wie wir heute, einen Vornamen und einen festen Zunamen, sondern nur einen Namen - und zwar den Namen, den ihnen die Eltern bei der Geburt oder Taufe gegeben hatten. Das war überall in Europa so. Aber weil man, wenn man von einem bestimmten Menschen sprach oder eine ihn betreffende Urkunde ausstellte, diesen genauer bezeichnen wollte oder musste, um zu sagen, wen genau man da meinte, musste man ihm einen erklärenden Zunamen geben - etwa Giovanni der Bäcker, oder Giovanni der Rothaarige (il Rosso, Rossi), oder Giovanni der Sohn des Hufschmiedes (Fabbri) oder der Giovanni aus Ferrara (Ferrarese) usw.

    Wenn ein Giovanni aber einen allgemein bekannten und angesehenen Vater hatte, der vielleicht Corrado hieß, nannte man ihn dann eben Giovanni des Corrado oder Giovanni Corradi oder ähnlich.

    Das könnte vielleicht auch in unserem gegebenen Fall so gewesen sein, und so wurde der Vorname des angesehenen Vaters allmählich zum festen Zunamen des Sohnes, der auch bestehen blieb und an die Nachfahren weitergegeben wurde. (Nicht wenige Familiennamen in Italien sind unverkennbar ehemalige Vornamen.)

    Personen, die sich - wenn auch nur aus einfachsten Verhältnissen stammend - bei einem hohen und mächtigen Adeligen durch eigene Tüchtigkeit emporgearbeitet hatten und zu wichtigen, ja schließlich vielleicht sogar unentbehrlichen Mitarbeitern und Begleitern des Grafen geworden waren, nannte man in Frankreich und Italien Vassallen, in Deutschland aber Gefolgsleute oder Ministerialen. Sie lebten und wirkten im Umkreis eines hohen adeligen Herrn oder einer solchen Adelsfamilie und nahmen allmählich deren feinere Lebensformen an und konnten auch zu einem bescheidenen oder auch größeren Vermögen kommen. Sie waren keine Adeligen, weswegen es auch nicht möglich war, dass sie sich vielleicht mit einer Tochter aus der Adelsfamilie, der sie dienten, oder aus einer anderen Adelsfamilie verehelichen konnten. Aber nicht selten erlangten sie dann im Lauf der Jahre doch bestimmte Privilegien [Vorrechte], die sie in die Nähe des Adels rückten - und so wurden sie schließlich, nach ein paar Generationen, eine Art niederer Adel und heirateten auch untereinander. Unter besonders günstigen Umständen konnten sie dann vielleicht gar den wirklichen Adel erringen (weil adelige Familien nicht selten ausstarben oder auch in den verschiedenen Kriegszügen zahlreiche Söhne verloren) und sich dann auch mit Adelstöchtern verheiraten.

    Die Corradi, von denen die Gonzaga herstammen, gehörten dem niederen Adel an. Weil vielleicht ein solcher Corradi in Gonzaga, einem Dorf bei Mantua [südlich davon, unweit von Suzzara], Besitz hatte und längere Zeit dort lebte, nannte er sich dann, um sich von anderen Corradi zu unterscheiden, ‚Corradi di Gonzaga‘.

    Wann dieser Corradi ‚aus dem Dorf Gonzaga‘ oder einer seiner Nachfahren nach Mantua kam und sich hier niederließ, ist nicht bekannt, vielleicht um oder bald nach 1200. Sie wurden ehrenwerte Bürger dieser Stadt. Später ließen sie nicht selten den ersten Namen weg und nannten sich also nur noch ‚di Gonzaga‘ [von Gonzaga].

    Ludovico - der erste ‚wirkliche‘ Gonzaga - war ein Sohn des Corrado oder Corradino di Gonzaga, Bürgers von Mantua, gestorben 1320. Sein Großvater hieß Antonio Corradi di Gonzaga und war mit einer Richilda da Gonzaga [aus dem Ort Gonzaga] verheiratet. Sein Urgroßvater schließlich war Guido Corradi di Gonzaga, gestorben um 1271. Recht viel mehr ist über die Familie nicht zu finden.

    Ludovico hatte drei Brüder, einer davon hieß Abramino und wird als ‚jureconsulto‘ bezeichnet [‘iuris consultus‘ war ein Rechtskundiger, der ein paar Jahre an einer Universität Rechtswissenschaften studiert, aber das Studium nicht als ‚Doctor iuris‘ abgeschlossen hatte]. Er war also ein Rechtsberater, der bestimmt von vielen in der Stadt in Rechtssachen als Berater oder Beistand aufgesucht wurde (eine Art Anwalt also). Abramino hatte einen Sohn, der in den Franziskanerorden trat und später Bischof von Ivrea wurde. Ludovico stammte also offenbar aus einer gebildeten und angesehenen Familie in der Stadt Mantua."

    Seit wann gibt es die Gonzaga in Mantua?

    „Mein Vater, so der „Duchino dann, „hat unlängst gesagt, dass wir - also die Familie Gonzaga - schon seit zweieinhalb Jahrhunderten in Mantua sitzen. Trifft das zu? gibt es darüber im Archiv Unterlagen?"

    „Ja, was Euer Vater, der Herzog, da gesagt hat, trifft in der Tat zu: es war im Jahr 1328, dass der erste Gonzaga zum Stadtoberhaupt von Mantua gewählt worden ist. Jetzt schreiben wir das Jahr 1577, und so sind es also im nächsten Jahr richtig 250 Jahre oder zweieinhalb Jahrhunderte."

    „Aus den Unterlagen unseres Archives ist wohl auch zu erfahren, wie der erste Gonzaga, der damals zum Stadtoberhaupt gewählt worden ist, geheißen hat?"

    „Auch das ist bekannt, mein Duchino: das war Ludovico di Gonzaga, auch Luigi oder Alvise genannt. Das war ein sehr angesehener und tüchtiger Mann, und die Mantuaner haben damals eine gute Entscheidung getroffen, als sie diesen Gonzaga zum ‚Capitano del Popolo‘ wählten. „Weiß man auch, wer vor ihm ‚Capitano del Popolo‘ oder Stadtoberhaupt war? und wieso dann mein Vorfahre Ludovico zu seinem Nachfolger gewählt wurde?

    „Das ist ebenfalls bekannt: es war Rinaldo Bonacolsi, der den Übernamen ‚Passerino‘ hatte."

    „,Passerino‘? das gefällt mir - ‚der kleine Spatz‘. Das muss wohl ein lustiger und sehr freundlicher Mann gewesen sein."

    „Das war leider weder ein lustiger und noch viel weniger ein freundlicher Mann, sondern im Gegenteil ein harter und grausamer Mensch, weshalb er auch von vielen als ‚Tyrann‘ bezeichnet wurde. Er hat sich vieler Vergehen und sogar Verbrechen schuldig gemacht und wurde deshalb auch von vielen in Mantua gehasst."

    „Oh, das hätte ich mir aber nicht gedacht - bei diesem netten Übernamen ‚Passerino‘. Da war das also eine gute und vernünftige Entscheidung von ihm, abzutreten und die Regierung der Stadt einem andern zu überlassen, meinem Vorfahren Ludovico."

    Ich schüttelte den Kopf und sagte: „Abgetreten ist dieser Tyrann nicht - da musste schon ein wenig nachgeholfen werden!"

    Der „Duchino blickte mich fragend an. Unter „ein wenig nachgeholfen werden konnte er sich offenbar nichts vorstellen. Dann sagte er: „Das würde mich jetzt interessieren zu erfahren, wie dieser Übergang vom ‚Passerino‘ Bonacolsi auf Ludovico di Gonzaga vor sich gegangen ist."

    Die Bonacolsi

    „Rinaldo Bonacolsi, genannt Passerino", fing ich an, „war nicht der erste Bonacolsi, der an der Spitze der Stadt Mantua gestanden ist. Schon sein ältester Bruder und vor ihm sein Onkel und noch weiter vor ihm sein Großvater standen an der Spitze von Mantua. Mehr als fünfzig Jahre lang - ein gutes halbes Jahrhundert also - regierte diese Familie die Stadt Mantua.

    Der erste Bonacolsi hieß Pinamonte - ja, früher hatte man nicht selten solche merkwürdigen Namen. Dieser war mit einer Tochter des Guido da Correggio verheiratet, der 1272 ‚Podestà‘ von Mantua war. Das schützte diesen aber nicht davor, von seinem Schwiegersohn dann aus dem Amt und auch aus der Stadt verjagt zu werden.

    Damals - um 1272 - herrschte in der Stadt Mantua viel Unruhe und Unfrieden. Teils standen sich die angesehenen Familien der Stadt ablehnend oder gar feindlich gegenüber, und dazu kam noch, dass die einen guelfisch gesinnt waren und die anderen ghibellinisch. Guelfen und Ghibellinen standen sich schon seit Jahrzehnten feindlich und unversöhnlich gegenüber: die Ghibellinen hielten, grob gesagt, zum Heiligen Römischen Reich und dem Kaiser, die Guelfen aber zum Papst.

    1272 war die Lage in unserer Stadt, wie gesagt, ganz verworren. So entschied man sich, jetzt nicht mehr nur einen ‚Capitano del popolo‘ zu wählen, sondern (wie es im alten Rom zwei Konsuln gab) zwei Männer an die Spitze der Stadt zu stellen, die sich gegenseitig absprechen und dann gemeinsame Beschlüsse fassen sollten. Man nannte diese ‚rettori‘, also Rektoren oder Leiter. Beides waren angesehene adelige Persönlichkeiten, der eine war der schon genannte Pinamonte dei Bonacolsi (bereits 68 Jahre alt), der andere der Graf Federico di Marcaria.

    Doch dem Bonacolsi gefiel es nicht, alles mit einem andern besprechen und dann gemeinsame Beschlüsse fassen zu müssen. Und so drängte er den Grafen di Marcaria also 1273 unter einem Vorwand aus dem Amt. Doch dieser kam dann wieder zurück, und so ließ ihn Bonacolsi zu Anfang des Jahres 1274 durch gedungene [bezahlte] Mörder umbringen.

    Daraufhin wusste er es zu verhindern, dass ihm wieder einer an die Seite gestellt werde, und er nannte sich jetzt ‚Rettore Unico‘ (der alleinige Rektor). Er sorgte für äußere Ordnung in der Stadt und bemühte sich um deren wirtschaftliches Wohlergehen. Mehrere Jahre lang wurde er dabei von Antonio Corradi di Gonzaga unterstützt (das war der Großvater des jetzt bald auftauchenden Ludovico di Gonzaga).

    Pinamonte dei Bonacolsi sorgte auch für die Verschönerung der Stadt. Er ließ mehrere neue Gebäude errichten, und er war es auch, der den Bau der ‚Magna Domus‘ begann, die den Kern des nachmaligen herzoglichen Palastes bildet.

    Pinamonte Bonacolsi wurde sehr alt und blieb also viele Jahre lang ‚Rettore Unico‘ von Mantua. 1291 ließ er sich den Titel ‚Capitano Generale‘ verleihen (,Generalkapitän‘). Lange aber konnte er sich dann nicht dieses schönen Titels erfreuen.

    Er hatte acht Söhne (einer davon war Bischof, zuerst in Trient, dann in Mantua). Als seinen Nachfolger hatte er den ältesten Sohn Tagino bestimmt. Doch damit war der jüngste Sohn, Bardellone genannt, nicht einverstanden. Im Jänner 1291 setzte er den Vater gefangen und zwang ihn, ihn mit sofortiger Wirkung zum Nachfolger zu ernennen. Seinen Bruder Tagino aber zwang er, ins Exil zu gehen.

    Bardellone proklamierte sich dann zum ‚Capitano generale e rettore perpetuo di Mantova‘ - also Generalkapitän und immerwährender Rektor der Stadt Mantua. Dieses ‚Rektor auf ewige Zeit‘ stieg ihm dann offenbar zu Kopf, und er zeigte alsdann mancherlei Eigenmächtigkeiten, die den Leuten nicht gefielen.

    Aber mit dem immerwährenden oder ewigen ‚Rektor‘ war es dann nichts, denn nach acht Jahren, am 2. Juli 1299, kerkerte ihn sein Neffe Guido ein und zwang ihn, zu seinen Gunsten auf das Amt zu verzichten und nach Ferrara ins Exil zu gehen (wo er im Jahr darauf starb).

    Guido Bonacolsi, genannt Botticella oder Bottesella, war der älteste Sohn des schon 1288 verstorbenen Giovanni oder Giovannino dei Bonacolsi, genannt Gambagrossa, eines jüngeren Bruders von Bardellone Bonacolsi. Er verehelichte sich noch im gleichen Jahr 1299 mit der vornehmen Costanza della Scala aus Verona. Aus der Ehe mit ihr hatte er zwei Töchter. Er nannte sich ‚Signore di Mantova‘ [Herr von Mantua].

    Im November 1308 erkrankte er schwer und beschloss deshalb, seinen jüngsten Bruder, Rinaldo, genannt Passerino, als ‚vicario‘ (Stellvertreter) an seine Seite zu holen. Außerdem bestimmte er ihn zu seinem Nachfolger. Er starb im Mai 1309. Als Verwalter hatte Guido einen guten Ruf. Auch bestimmte er testamentarisch einen Teil seiner Güter für die Armen in der Stadt.

    Der Tyrann

    Nachfolger wurde also Guidos jüngster Bruder, der schon genannte Rinaldo oder ‚Passerino‘ Bonacolsi, erst 31 Jahre alt.

    Dieser nannte sich schon gleich ‚Signore di Mantova‘ und nicht mehr ‚Capitano del Popolo‘, was er eigentlich war. Als Begründung gab er an, dass sich auch die ‚Capitani‘ mehrerer umliegender Städte - so von Verona, Padua, Parma, Mailand - nicht mehr ‚Capitano‘ nannten, sondern eben ‚Signore‘.

    Mit Modena hatte er enge Beziehungen (angeblich stammte seine Familie, die Bonacolsi, aus dieser Stadt und zog erst später nach Mantua). Er hatte dort auch viele Anhänger, und so überrascht es nicht, dass die guelfisch Gesinnten in Modena 1312 ihn und seinen Bruder Bonaventura, genannt Botirone, gemeinsam zum ‚perpetuo Signore e Capitano‘ von Modena wählten (und damit den bisherigen ‚Capitano‘, Francesco Pico aus Mirandola, beiseiteschoben). Vielleicht erwähnenswert, dass bei dieser Wahl 1312 Ludovico oder Luigi di Gonzaga aus Mantua von den Modenesern mit Einwilligung Passerinos zum ‚Podestà‘ von Modena gewählt wurde.

    Trotz seiner Ernennung zum ‚perpetuo Signore‘ konnte Passerino (und sein Bruder) in Modena nicht nach Belieben regieren. Denn Francesco Pico machte ihm als ‚Capitano‘ immer wieder Schwierigkeiten. So beschloss Passerino, dem Pico diese Stelle ‚abzukaufen‘ (gegen Entgelt auf diese Stelle zu seinen Gunsten zu verzichten). Francesco Pico wollte das zuerst nicht tun, aber da er sah, dass er gegen die Bonacolsi-Brüder nicht auf die Dauer bestehen könne, erklärte er sich schließlich einverstanden. Dieser ‚Verkauf soll 1318 oder 1319 geschehen und damit also Passerino der wirkliche Herr in Modena geworden zu sein.

    1312, schon bald nach der Wahl zum ‚Signore‘ in Modena, sagte sich Passerino von den Guelfen (Papsttreuen), denen er bisher angehört hatte, los und erklärte sich als Ghibelline (Kaiseranhänger). Das deshalb, weil er sich vom Kaiser mehr Macht versprach. Und in der Tat ernannte ihn dieser (Heinrich VII.) zum ‚Vicario imperiale della città di Mantova e del distretto mantovano‘ (kaiserlichen Vikar). Er nannte sich jetzt stolz ‚Vicario‘ und sprach davon, dass er die ‚piena signoria‘ (die absolute Herrschaft) über Mantua habe.

    Aus dieser vermeintlichen Machtvollkommenheit heraus fühlte sich Passerino 1312 auch in der Lage, ‚vorzuschlagen‘, dass sein erst 11 Jahre alter Sohn Giovanni zum Abt des Klosters Sant‘Andrea in Mantua gewählt werden solle, was dann auch wirklich geschah (dieser ‚blutjunge‘ Abt starb dann 1327, 26 Jahre alt).

    Dieser Rinaldo oder ‚Passerino‘ Bonacolsi glaubte sich so erhaben und unverwundbar, dass er immer weniger und zuletzt gar nicht mehr auf das horchte, was Berater und angesehene Persönlichkeiten aus der Stadt ihm sagten. So wurde er allmählich zu einem ‚Tyrannen‘. Er erpresste Gelder, wo es nur möglich war, zuerst nur von ‚gemeinen Leuten‘ (einfachen Bürgern der Stadt und Leuten auf dem umliegenden Land), dann aber auch von Adeligen und der Kirche. Er ging sogar her und verheiratete wohlhabende oder reiche Witwen oder Mädchen aus der Stadt gegen ihren Willen mit Günstlingen von ihm, die nicht selten sogar Mörder waren.

    Vielleicht zu erwähnen, dass unter ihm am 31. Jänner 1318 Luigi, Sohn des Herrn Guido di Gonzaga, vom ‚versammelten Rat der Stadt Mantua‘ zum ‚Podestà‘ von Mantua gewählt wurde [das war eine Art Bürgermeister, der aber dem „Capitano" unterstand]. (Um diese Zeit gab es also noch keine Feindschaft zwischen Passerino und Ludovico di Gonzaga.)

    1321 verzichtete ‚Passerino‘ auf die ihm ‚gehörige‘ Stelle des ‚Capitano del popolo‘ in Modena und übertrug sie auf seinen Sohn Francesco. Dieser war zu diesem Zeitpunkt erst ungefähr zwanzig Jahre alt.

    1321 oder 1322 hatte ‚Passerino‘ - als Herr von Modena - eine Fehde mit Bartolomeo (oder Francesco?) Pico della Mirandola. Er belagerte Mirandola und konnte es schließlich erreichen, dass sich Pico ergeben musste. Passerino ließ die Stadt dann verwüsten und Francesco mit seinen Söhnen Prendiparte und Tommasino in das Schloss Casteldario bringen und dort in den Turm sperren, wo sie dann alle drei verhungerten.

    Um 1322 verehelichte er sich mit Alisa (Luigia) d’Este aus Ferrara. Von früher her hatte er zwei natürliche Söhne, den schon genannten Giovanni (Abt mit 11 Jahren) und Francesco oder Franceschino.

    1326 wurde ein Geldbote, der einen bedeutenden Betrag zum Papst nach Rom bringen sollte, in der Nähe von Mantua überfallen und ausgeraubt. Wie sich dann herausstellte, waren die beiden Räuber Günstlinge des ‚Vicarios‘ [Passerinos] und haben die Beute mit ihm geteilt. Der Papst forderte ihn vor sein Gericht in Rom und befahl ihm, den geraubten Geldbetrag mitzubringen. Dieser leugnete, etwas mit dem Raub zu tun zu haben, und kam nicht. Daraufhin drohte der Papst, ihn, wenn er das Geld nicht sogleich übergebe, zu exkommunizieren [ihm den Empfang aller kirchlichen Sakramente zu untersagen] und vielleicht auch gar noch Mantua mit dem Interdikt zu belegen [den Priestern in diesem Gebiet die Ausübung aller geistlichen Funktionen: Messelesen, Beichthören, Krankensalbung, Begleitung bei Begräbnissen usw., zu verbieten]. Passerino brachte keinen Soldo [Pfennig] nach Rom und wurde daraufhin wirklich exkommuniziert, von einem Interdikt aber wurde abgesehen. Auf Anordnung des Papstes wurde in Mantua und überhaupt in allen Kirchen der Lombardei die Exkommunizierung des ‚Signore von Mantua‘ während des Sonntagsgottesdienstes von den Kanzeln verlesen und also öffentlich gemacht.

    1327 erlitt er mehrere Rückschläge. Er wurde von den Truppen des Kirchenstaates (Papstes) besiegt, daraufhin erhoben sich die Modeneser und vertrieben die Soldaten und auch die Parteigänger der [jetzt kaiserlich gesinnten] Bonacolsi aus der Stadt und übergaben diese dem Papst.

    Verschwörung

    Rinaldo Bonacolsi, genannt Passerino, der Tyrann, wurde schließlich von den meisten in Mantua gehasst, und viele fürchteten sich vor ihm. So wurde dann 1328 beschlossen, ihn mit Gewalt abzusetzen oder zu beseitigen. Treibende Kraft bei der Vorbereitung und dann auch Ausführung dieser Verschwörung war Ludovico oder Luigi di Gonzaga, der 1318 zum ‚Podestà‘ der Stadt Mantua ernannt worden war.

    Dieser beschloss, sich an den Herrn von Verona, Cangrande della Scala, um Hilfe zu wenden. Als dieser dann - von dem zu ihm gesandten ältesten Sohn des Gonzaga, Guido mit Namen - erfuhr, dass der Bonacolsi in Mantua beseitigt werden sollte, wurde er hellwach. Denn er traute Ludovico di Gonzaga nicht zu, nach der Beseitigung des Bonacolsi Herr in Mantua zu werden, und wollte also, wenn die Verschwörung scheiterte und in der Stadt Unruhen ausbrächen, Mantua besetzen und dieses unter seine Gewalt bringen.

    So sein Plan im Hinterkopf, und er versprach dem Gonzaga also - der aus seiner Sicht sozusagen die ‚Drecksarbeit‘ (die Beseitigung oder Ermordung Passerinos) vollbringen sollte -, ihm 800 Mann Fußvolk und 300 Reiter ‚leihweise‘ zur Verfügung zu stellen.

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