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Der Cornwall-Ripper: oder Veilchen von Mutters Grab
Der Cornwall-Ripper: oder Veilchen von Mutters Grab
Der Cornwall-Ripper: oder Veilchen von Mutters Grab
eBook370 Seiten4 Stunden

Der Cornwall-Ripper: oder Veilchen von Mutters Grab

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Über dieses E-Book

Der neue Cornwall-Krimi ist ein Thriller geworden. Zwei bestialisch ermordete Frauen werden in Penzance/Cornwall aufgefunden. Die Taten erinnern stark an die Morde von Jack the Ripper. Offenbar hat der Täter bereits früher zugeschlagen und er kündigt weitere Taten an. Für Detective Chief Superintendent Bob Hamilton und sein Team beginnt ein Wettlauf mit der Zeit.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum11. Dez. 2015
ISBN9783732359677
Der Cornwall-Ripper: oder Veilchen von Mutters Grab
Autor

Ralf Göhrig

Ralf Göhrig wurde 1967 in Eberbach am Neckar geboren. Seit rund dreißig Jahren lebt und arbeitet der anglophile Förster in Jestetten am Hochrhein. Seine literarischen Spuren hat er in forsthistorischen Betrachtungen, sowie vereinsgeschichtlichen Rückblicken hinterlassen. Seit 1995 ist er Autor für die Jestetter Ortschronik, seit 2019 hauptverantwortlicher Chronist der Gemeinde. Daneben arbeitet Göhrig als freier Mitarbeiter beim Südkurier. Im Jahre 2011 legte er mit "Kopflos in Cornwall" seinen ersten Kriminalroman vor. Es folgten "Mörderischer Sturm", "Jerusalem", "Schatten folgen dem Licht", "Der Cornwall-Ripper", "Sendeschluss in Edinburgh", "Verlorene Seelen", "Dämonen", die Erzählungen "Geschenk des Himmels" und "Lotty" sowie der Gedichtband "Purpurne Zeit". Ralf Göhrig ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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    Buchvorschau

    Der Cornwall-Ripper - Ralf Göhrig

    Die Ermittelnden Personen:

    Detective Chief Superintendent (DCS) Robert Hamilton

    Leiter der Kriminalpolizei (Criminal Investigation Department - CID) von Devon und Cornwall

    Der gebürtige Schotte ist Fan der Glasgow Rangers, liebt Single Malt Whisky, seine Pfeife, seinen Hund Duke und mischt am liebsten selbst bei den Ermittlungen mit

    Police Chief Inspector (PCI) Rebecca Hamilton

    Pressesprecherin der Polizei von Devon und Cornwall

    Die Tochter eines anglikanischen Pfarrers und Frau Hamiltons liebt Musik und kann ihren Mann nur selten von seinem Ermittlungsdrang abhalten

    Detective Chief Inspector (DCI) Debbie Steer

    Leiterin des CID-Ermittlungsteams in Middlemoor

    Beste Freundin der Pressesprecherin Rebecca Hamilton. Die quirlige Nordengländerin ist in dieser Geschichte nicht in die Ermittlungen involviert, da sie mitten in einem anderen Fall steckt.

    Detective Chief Inspector (DCI) Rachel Ward

    Leiterin des CID-Ermittlungsteams in Newquay mit dem Ehrgeiz irgendwann Polizeichef (Chief Constable) einer englischen Polizeiverwaltung zu werden, wenn nicht gar Commissioner bei Scotland Yard

    Detective Inspector (DI) Ray Williams

    Kriminalpolizist aus Newcastle, unterstützt Rachel Ward bei ihren Ermittlungen in Nordengland und Schottland

    Detective Inspector (DI) Heather Greenslade

    Erst relativ kurz beim CID Middlemoor. Sie sorgt mit ihrer unkonventionellen Art für einige Irritationen

    Detective Sergeant (DS) Susan McCoy

    Mitglied des Ermittlungsteams und dabei hauptsächlich für die Arbeit mit den elektronischen Fahndungshelfern verantwortlich

    Assistant Chief Constable (ACC) Jessica Jones

    Leiterin des Ressorts Kriminalität und Strafjustiz, direkte Vorgesetzte Hamiltons

    Detective Inspector (DI) Pauline Miller

    Leiterin der Spurensicherungsabteilung in Middlemoor

    A Violet from Mother’s Grave

    Scenes of my childhood arise before my gaze,

    Bringing recollections of bygone happy days.

    When down in the meadow in childhood I would roam,

    No one’s left to cheer me now within that good old home,

    Father and Mother, they have pass’d away;

    Sister and brother, now lay beneath the clay,

    But while life does remain to cheer me, I’ll retain

    This small violet I pluck’d from mother’s grave.

    Only a violet I pluck’d when but a boy,

    And oft’time when I’m sad at heart this flow’r has giv’n me joy;

    So while life does remain in memoriam I’ll retain,

    This small violet I pluck’d from mother’s grave.

    Well I remember my dear old mother’s smile,

    As she used to greet me when I returned from toil;

    Always knitting in the old arm chair,

    Father used to sit and read for all us children there.

    But now all is silent around the good old home,

    They all have left me in sorrow here to roam;

    White life does remain, in memoriam I’ll retain

    This small violet I plucked from mother’s grave

    Only a violet I pluck’d when but a boy,

    And oft’time when I’m sad at heart this flow’r has giv’n me joy;

    So while life does remain in memoriam I’ll retain,

    This small violet I pluck’d from mother’s grave.

    William H. Fox

    Dienstag Vormittag – Westlich von Exeter

    Der Sommer neigte sich dem Ende zu, die Luft roch nach reifen Früchten und einem Hauch der Vergänglichkeit, der sowohl fasziniert als auch erschaudern lässt. Die Bäume und Büsche tauchten ihr saftig grünes Blattwerk in die bunte Palette der Herbstfarben, was im Zusammenspiel mit dem warmen Licht der Septembersonne der Natur einen märchenhaften Glanz verlieh. Die Felder waren weitgehend abgeerntet, nur hier und da stand noch ein Acker mit gelbbraunen Maisstängeln, die auf den Mähdrescher warteten. Es war deutlich zu spüren, dass die Natur sich auf die lange Winterruhe vorbereitete und noch einmal ein letztes Fest ausrichten wollte, eine Erinnerung an den vergangenen Sommer, eine Hoffnung, dass der nächste Frühling sicherlich kommen würde. Der Wind strich sanft über die Hügel und die grauen Wiesen der Moorlandschaft, wo sich eine kleine Gallowayherde am Fuße einer Felsgruppe zum Widerkäuen niedergelegt hatte.

    Ein einsamer Mann mit einem markanten, breitkrempigen Hut stapfte einen kaum erkennbaren Pfad entlang. Mücken umschwirrten ihn, doch bevor sie sich zur Blutmahlzeit niedersetzen konnten, drehten sie auch schon wieder ab. „Gottlob wirkt heutzutage dieses Insektenschutzzeugs", dachte der Mann und ging unbeeindruckt von den Fliegenschwärmen weiter. Voraus lief ein großer Hund, dem die Geschwindigkeit seines Herrn deutlich zu langsam war. Ab und zu bellte er, um den Mann zur Beschleunigung seiner Schritte aufzufordern. Doch dieser ignorierte das Hundegebell und genoss stattdessen die unvergleichliche Landschaft des englischen Südwestens. Vor ihm erhob sich ein sogenannter Tor, ein freistehender, abgewitterter Fels, typisch für die hiesigen Moore. In der Ferne leuchtete Heidekraut aus den olivgrünen Hängen und er wusste, dass er noch eine ganze Strecke gehen musste, bis er seine Rinderherde erreicht hatte. Natürlich hätte er auch das Auto nehmen und über die Nordflanke bis direkt zur Weide fahren können, aber er wollte seinen freien Tag nutzen. Endlich hatte er einmal die Zeit, die ihm sonst immer fehlte. Wenn ihn nicht der Beruf forderte, waren es die Kinder, die seine Aufmerksamkeit beanspruchten. Doch die hatten sich heute mit seiner Frau auf dem Weg zu den Schwiegereltern gemacht und so hatte er einen Tag für sich und den Hund, der gerade wieder anfing, ungeduldig zu bellen.

    Detective Chief Superintendent Robert Hamilton war Leiter der Kriminalpolizei von Devon und Cornwall und als solcher verantwortlich für die Verbrechensbekämpfung im beschaulichen Landstrich zwischen Atlantik und Ärmelkanal. Nach langen Jahren in Manchester war der Schotte vor nunmehr acht Jahren in Exeter gelandet. Zwar hatte er Angebote aus vielen Polizeiverwaltungen in ganz England gehabt, doch er hatte alle abgelehnt. Die Metropolitan Police, umgangssprachlich auch bekannt als Scotland Yard, hatte ihm sogar den Posten eines Assistant Commissioners angeboten.

    Aber Hamilton wollte nicht nach London und er wollte auch nicht als Leiter der Metropolitan Police seine Karriere beenden, obwohl diese Aussicht bestanden hatte und immer noch bestand. Er, das Landei, liebte das beschauliche Leben in dieser abgeschiedenen Ecke Britanniens und streichelte lieber seine Rindviecher und den Weimaraner Duke, als der versammelten Weltpresse zu erklären, warum dieser oder jener Anschlag trotz höchster Sicherheitsvorkehrungen hatte geschehen können. Hier konnte er unbehelligt ein oder zwei Bier in einem Pub trinken oder einfach mit der Familie durch die Einkaufsmeile von Exeter schlendern. Und er konnte ein Fußballspiel der Glasgow Rangers besuchen, wann immer er Lust dazu hatte – auch wenn der Weg zurück in die schottische Heimat ein weiter war.

    Sein Handy klingelte. Er wunderte sich, dass er es überhaupt mitgenommen hatte. Der wohlbekannte Klingelton ließ ihn die Stirn in Falten legen – Middlemoor, das Polizeihauptquartier. Sollte er drangehen? Sie wussten doch, dass er Urlaub hatte und es hasste, im Urlaub gestört zu werden. Es sei denn, etwas Außergewöhnliches war geschehen … Mit gemischten Gefühlen griff er zu dem Mobiltelefon.

    „Was gibt’s, Vicky?", fragte er mürrisch. DC Victoria Burke war seine persönliche Assistentin, vor ein paar Jahren hätte man gesagt, Sekretärin.

    „Sir, entschuldigen Sie meinen Anruf. Aber ich glaube, es ist dringend geboten, dass Sie kommen."

    „Was ist denn so dringend? Ist die Katze des MP’s entlaufen?"

    „In Penzance wurde eine Frau ermordet. Es war kein normaler Mord. Es war eine Kopie des Mordes an Catherine Eddowes. Hier sind alle fast am Durchdrehen."

    Hamilton seufzte tief. „Ich komme so schnell wie möglich. Es dauert aber noch ein Weilchen, ich bin mitten im Moor."

    Nachdenklich steckte er das Telefon zurück in die Jackentasche. Catherine Eddowes. Das vierte Mordopfer von Jack the Ripper. Was zum Henker hatte das zu bedeuten?

    Montag Nachmittag – Penzance

    Penzance verbindet man im Allgemeinen mit subtropischen Gärten, dem Golfstrom, neuseeländischen Keulenlilien und im schlimmsten Fall mit Heerscharen von Touristen. Kanarische Dattelpalmen, St. Michael’s Mount, verträumte Fischerhäfen, Land’s End, Minen oder keltische Kunst sind Begriffe, die mit der kleinen Stadt an der Südwestspitze Cornwalls assoziiert werden. Verbrechen, gar Mord, fehlt in dieser Liste. Gut, es gibt eine gewisse Kleinkriminalität, wie sie in Städten von 20.000 Einwohnern üblich ist, der Tourismus spielt hierbei sicherlich auch eine Rolle, aber Schwerverbrechen sind im hintersten Winkel Englands kein großes Thema.

    Umso mehr war DCI Rachel Ward überrascht, als sie den Telefonanruf vom Polizeirevier in Penzance entgegennahm. Ein stammelnder Sergeant versuchte, irgendwas von einem bestialischen Mord wiederzugeben, scheiterte jedoch grandios. Rachel verstand nur so viel, dass eine Frau ermordet aufgefunden worden war und die Umstände ziemlich schlimm sein mussten. Also beschloss die Leiterin des CID-Ermittlungsteams Newquay, zuständig für Cornwall, umgehend nach Penzance zu fahren, um sich selbst ein Bild zu machen. Vielleicht hatte der Sergeant noch nie eine unappetitliche Leiche gesehen und das Ganze war gar nicht so schlimm.

    Rachel setzte sich in ihren Dienstwagen, einen Rover 45, bereits elf Jahre alt, der schon längst ausgemustert werden sollte, doch Rachel liebte diesen Wagen und würde sich erst von ihm trennen, wenn es wirklich nicht mehr anders ging. Noch schnurrte der Sechszylinder jedoch zuverlässig und Rachel flog mit mehr als 100 Meilen pro Stunde über die A 30 in südwestliche Richtung. Das war einer der größten Vorteile bei der Polizei: Man konnte genüsslich die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit überschreiten und sich wie ein Formel 1-Fahrer fühlen, ohne den Arm des Gesetzes fürchten zu müssen. Vorausgesetzt, man verursachte keinen Verkehrsunfall.

    Nach gerade mal vierzig Minuten stand sie vor dem hässlichsten Gebäude der britischen Polizei, wie sie fand, und fünf Minuten später saß sie im Büro des Polizeichefs von Penzance, Police Inspector Mark Brown. Dieser war ein etwas unscheinbarer Mann mit kräftigem Händedruck, kurzen, brauen Haaren und einer randlosen Brille.

    „Tee, Ma’am?", fragte er als Erstes.

    Rachel, mit ihren 1,80 deutlich größer als ihr Gegenüber, nickte kurz, denn sie wusste, ein Tee war immer noch das Beste, was es in allen Lebenslagen zu trinken gab. „Jetzt erzählen Sie mir mal, was hier in der Stadt vorgefallen ist. Ihr Sergeant war dazu leider nicht imstande."

    „Das kann ich ihm nicht verdenken. Brown drehte sich auf seinem Bürostuhl um, nahm eine rote Tasse mit Blumenmuster, goss Tee aus einer großen Edelstahlkanne ein und reichte ihn Rachel. „Zucker oder Milch?

    „Danke, nein."

    „Also, ich habe schon einiges erlebt in meiner Laufbahn, aber was heute hier geschehen ist, ist unbeschreiblich."

    Brown öffnete eine Aktenmappe, zog Bilder heraus und reichte sie wortlos seiner Vorgesetzten. Rachel nahm sie entgegen und spürte, wie sich eine unsichtbare Schlinge um ihren Hals legte. Sie schloss für ein paar Sekunden die Augen und rang nach Atem.

    Auf dem Bild war eine Frau zu erkennen, auf dem Rücken liegend, das Gesicht entstellt, die Kehle durchschnitten und ausgeweidet, wie ein Stück Vieh.

    Rachel spürte, wie sich alles um sie herum plötzlich zu drehen anfing. „Wer zum Teufel tut so was?", fragte sie mehr sich selbst als den Polizisten aus Penzance.

    „Wahrscheinlich der Teufel selbst, antwortete Brown. „Nun können Sie sich vorstellen, weshalb Sergeant Boyd etwas von der Rolle war. Er war am Tatort.

    Rachel nickte, nahm mechanisch ihre Teetasse, führte sie zu den Lippen und trank einen Schluck. Sie hätte aber nicht sagen können, ob es Tee war oder Terpentin, was sie gerade hinunterschluckte. So etwas hatte sie noch nie gesehen. Und sie hatte schon etliche Leichen, teilweise brutal zugerichtet, anschauen müssen. Aber dies sprengte den Rahmen des Vorstellbaren.

    „Weiß die Presse davon?"

    „Nein. Das Mordopfer, eine gewisse Sally Gardiner, war von ihrer Vermieterin in ihrer Wohnung gefunden worden. Die Vermieterin hat sofort die Polizei informiert und befindet sich momentan in psychiatrischer Behandlung. Ich habe umgehend eine Pressesperre verhängt."

    „Gut, sagte Rachel, dachte aber, dass dies gerade der falsche Weg war, denn nun nahm die Journaille mit Sicherheit Witterung auf. Hätte man zunächst gar nichts verlauten lassen oder lediglich eine kurze Pressemitteilung herausgegeben, wäre mehr Zeit geblieben. Eine Pressesperre hingegen war das Wecksignal für den verschlafensten Journalisten im ganzen Land. Und die großen Schmierblätter standen mit Sicherheit schon in den Startblöcken. „Was weiß man über die Tote?

    „Nichts", antwortete Brown.

    „Hat sie alleine gelebt, wo hat sie gearbeitet, wer kannte sie?"

    „Es ist schwierig. Wir wissen es nicht. Niemand kannte die Frau."

    „Und wie lange wohnte sie in Penzance?"

    „Seit einem halben Jahr, sagte die Vermieterin."

    Rachel nahm nochmals einen Schluck Tee, der jetzt auch wie ein solcher schmeckte, und sah sich in Browns Büro um. Graue Wände, billige und aus dem Leim gegangene Holzregale und ein fleckiges Bild der Queen vermittelten den Eindruck einer beklemmenden Traurigkeit. „Sie muss doch irgendetwas getan haben?"

    „Sicher, wir wissen aber leider nicht, was."

    „Und was sagt die Vermieterin?"

    „Nur dass Sally Gardiner immer regelmäßig ihre Miete zahlte und ansonsten eine ruhige Person war."

    „Und wieso war die Vermieterin in der Wohnung?"

    „Sie wollte nur mal schauen."

    „Aha. Wissen wir schon, wie lange unser Opfer tot ist?"

    „Nach Aussage unseres Pathologen trat der Tod heute zwischen neun und zehn Uhr ein."

    Rachel nahm einen weiteren Schluck Tee. „Und wann wurde die Leiche gefunden?"

    „Gegen ein Uhr. Zwanzig Minuten später war eine Streife dort und eine Stunde später war alles, was wir hier aufbieten können, am Tatort."

    „Demnach ist der Fundort auch der Tatort."

    Brown nickte. „Jetzt müssen wir auf die Ergebnisse der Spurensicherung warten. Vielleicht haben wir was in unserer Datenbank."

    „Nein, antwortete Rachel ärgerlich. „Wir müssen nicht warten, sondern alles, was Beine hat, ausschwärmen lassen. Irgendwo muss der Mörder sein und irgendwer muss etwas gesehen oder gehört haben. Und irgendjemand muss doch diese Frau kennen. Sind schon Fotos bei der Presse?

    „Leider gibt es außer den Tatortfotos keine Bilder."

    „Mein Gott, dann richtet die Frau einigermaßen her und bearbeitet die Bilder so, dass wir sie veröffentlichen können. Die Presse können wir uns sowieso nicht mehr lange vom Hals halten. Rachel sah ihren Gesprächspartner mit großen Augen an. „In unserer Datenbank ist demnach keine Sally Gardiner aktenkundig?

    „Nein."

    „Und woher wissen wir, dass die Frau so geheißen hat?"

    „Die Vermieterin …"

    „Wir haben keine Papiere gefunden?"

    „Bis jetzt noch nicht."

    „Oh mein Gott. Wie viele Beamte haben wir hier in Penzance?"

    „Drei Detectives. Aber einer ist in Urlaub und einer krank. Der dritte, DC Bannister, steht kurz vor der Pensionierung, ist aber vor Ort."

    „Er bewacht den Tatort, oder wie meinen Sie das?"

    „Ja, also … er hilft der Spurensicherung."

    „Aha." Rachel legte ihr Gesicht in die Handflächen und überlegte. Das war kein gewöhnlicher Mord. Sie musste ihr Team hierher holen.

    Und Hamilton musste auch informiert werden. Aber erst, wenn sie mehr wusste. Denn erstens war der Chief im Urlaub und zweitens hasste er nichts mehr als einen unvollständigen Bericht. Und so gut wie DCI Debbie Steer aus Exeter kannte sie den Chief auch wieder nicht, auch wenn er ihr großer Förderer war. Im Gegenteil, während Debbie den Kripochef jederzeit anrufen konnte, erwartete Hamilton von ihr, dass sie fundierte Aussagen machte. Ein unverbindliches „Hi Chief, hier gibt es so eine Leiche, wir wissen aber noch nichts" kam bei dem launischen Schotten gar nicht gut an. Und vor allem dann nicht, wenn es von DCI Rachel Ward kam, die im kommenden Jahr zur Leiterin der Abteilung für Schwerverbrechen befördert und dann Detective Superintendent Ward genannt werden sollte.

    Rachel musterte Brown eindringlich. „Erinnert Sie der Mord an irgendetwas?"

    „Ich weiß nicht, auf was Sie hinauswollen."

    „Jack the Ripper. Er hat seine Opfer derart hergerichtet."

    Brown nickte und massierte seine Schläfen. „Und was bedeutet das?"

    „Wenn ich das nur wüsste. Vielleicht haben wir es mit einem Serienmörder zu tun. Vielleicht mit einem Ripperfan, der seine Freundin umgebracht hat."

    „Ich denke, der Mörder muss blutüberströmt gewesen sein. Heutzutage sollte es kein Problem sein, ihn zu überführen."

    Rachel verzog angewidert das Gesicht. „Wenn er vorgegangen ist wie der Ripper, gibt es kaum Blut. Der Ripper hat seinen Opfern zuerst die Kehle durchgeschnitten und sie damit umgebracht. Das ganze Geschlitze kam erst, nachdem die Frauen gestorben waren, und dann spritzt kein Blut mehr durch die Gegend. Und wenn unser Mörder einigermaßen clever ist, hat er sich entsprechend geschützt."

    „Wie meinen Sie das?"

    „Ich würde, wäre ich so ein Metzger, mir einen unserer weißen Ganzkörperkondome überziehen."

    „Sie meinen, wir finden gar nichts?"

    „So in etwa. Rachel holte tief Luft. „Und jetzt will ich den Tatort und dann die Leiche sehen.

    Dienstag Nachmittag - Exeter

    Als Hamilton in Middlemoor, dem Hauptquartier der Polizei von Devon und Cornwall am Stadtrand von Exeter ankam, war es bereits Mittag und die meisten Büros waren verwaist. Lediglich DS Susan McCoy saß hinter ihrem Bildschirm und hackte wie wild auf der Tastatur herum.

    „Hallo Susan, wo sind denn die anderen?"

    „Hallo Sir, entweder in der Kantine oder im Red Lion – Mittagspause, fügte sie überflüssigerweise hinzu. „Wen suchen Sie denn?

    „Meine Anstandsdame. Sie hat mich an meinem Urlaubstag hierher zitiert."

    Susan lachte. „Da muss sie ja ein überwältigendes Argument vorgebracht haben."

    Hamilton nickte ihr zu. „Kann man so sagen. Noch nichts vom Mord in Penzance gehört?"

    „Wir sind hier in Devon und nicht für Verbrechen in Cornwall zuständig. Ich habe nur am Rande was von einem Mord an einer Frau mitbekommen."

    „Ich bin nun mal auch für Cornwall zuständig. Und dort treibt Jack the Ripper sein Unwesen."

    „Ein Frauenschlitzer?", fragte Susan mit aufgerissenen Augen.

    „Sieht so aus. Aber ich muss mir erst mal ein Bild verschaffen.

    Und mit was sind Sie gerade beschäftigt?"

    Susan verdrehte die Augen. „Meine Lieblingsbeschäftigung. Irgendwer hat mal wieder Kreditkartendaten geklaut und ich versuche, die Spuren zu verfolgen. Am Ende kommt sowieso nichts heraus und die Täter, meist Kleinkriminelle, sind über alle Berge. So richtige Hacker wären mal was anderes – aber dabei käme auch nichts heraus." Sie zuckte mit den Schultern und wandte sich wieder ihrer Arbeit zu.

    Hamiltons Büro lag am Ende eines langen Flurs, der die Abteilung für Schwerverbrechen beherbergte. Chef der Abteilung war sein langjähriger Freund Detective Superintendent Steve Parker, und das Ermittlungsteam wurde von Detective Chief Inspector Debbie Steer geleitet, die ihr Büro gegenüber von Hamilton hatte. Zum Büro des Schotten gelangte man entweder durch ein Vorzimmer, in dem Vicky Burke residierte, oder direkt durch eine unscheinbare Tür im Flur des Quertrakts, in dem die Führungsriege der Polizei von Devon und Cornwall ihre Büros hatte. Insofern war der Hinterausgang eine zweischneidige Angelegenheit, denn es bestand immer die Gefahr, dem Chief Constable oder seinem Stellvertreter in die Arme zu laufen. Auch Hamiltons direkte Vorgesetzte, Assistant Chief Constable (ACC) Jessica Jones, Leiterin des Ressorts Kriminalität und Strafjustiz, saß in einem dieser Büros.

    Doch Hamilton hatte keine Berührungsängste zu seinen Vorgesetzten, im Gegenteil, manchmal erschien es so, als sei er der eigentliche Polizeichef. Durch seinen legendären Ruf, den er sich in seiner Zeit bei der Polizei von Greater Manchester erworben hatte und den er auch hier im äußersten Südwesten immer wieder bestätigte, genoss er eine weitgehende Narrenfreiheit. Dass er ungehemmt in seinem Büro Pfeife rauchte, war da nur eine Kleinigkeit. Hamilton hatte Verbindungen in die höchsten Kreise von Politik und Gesellschaft, was ihm zum Teil Bewunderung, zum Teil Argwohn entgegenbrachte. Aber niemand wagte es, sich mit ihm ernsthaft anzulegen.

    Einen Teil dieser Verbindungen hatte er zweifelsohne seiner Ex-Frau zu verdanken, einer Staranwältin, die nur die oberen Zehntausend vertrat. Der Superbulle an ihrer Seite war quasi ein interessantes Accessoire gewesen, mit dem sie sich gerne schmückte. So lange jedenfalls, bis Hamilton die Schnauze gestrichen voll gehabt hatte und sie vor die Tür setzte. Dieses Ereignis lag nun rund zehn Jahre zurück, Hamilton war inzwischen wieder glücklich verheiratet und hatte drei Kinder, aber die Kontakte, die er damals geknüpft hatte, waren immer noch äußerst wertvoll. Dazu passte auch der Umstand, dass Hamilton den Premierminister persönlich kannte. Dass die beiden sich eher zufällig in den 90er Jahren beim Skifahren in der Schweiz kennengelernt hatten, war dabei nebensächlich.

    Hamiltons Büro glich mehr dem Wohnzimmer eines Farmers als der Schaltzentrale der Kriminalpolizei. Es roch nach kaltem Pfeifenrauch und mancher Besucher wunderte sich, wieso der Feueralarm oder gar die Sprinkleranlage bei dem permanenten Qualm nicht losging. Als sich der Kripochef in seinen ledernen Schreibtischsessel fallen ließ, fiel ihm sofort der Zettel mit Vickys Kleinmädchenschrift ins Auge: „Um zwei Uhr zur Chefin!"

    Hamilton blickte an die Wand, wo eine alte Standuhr, die er irgendwo auf einem Trödelmarkt ergattert hatte, zehn Minuten vor zwei anzeigte. Er öffnete die Aktenmappe, die Vicky auf seinen Schreibtisch gelegt hatte, und sein Blick fiel auf die Bilder vom Tatort, die sich ein vernünftiger Mensch lieber nicht anschauen sollte. Welcher Irre war hier am Werk?, fragte Hamilton sich.

    Den Briefen war ein kurzer Bericht beigelegt, der mehr Fragen hinterließ als beantwortete. Kein Wunder, dass Rachel ihn informieren wollte, ganz gleich, ob er Urlaub hatte oder nicht. Die Sache hatte das Potenzial, ganz England in Angst und Schrecken zu versetzen. Da mussten sich nur die richtigen Schreiberlinge in ihren Redaktionen gegenseitig überbieten und schon würde sich keine Frau mehr aus dem Haus trauen. Doch vielleicht konnte die Flamme klein gehalten werden? Hamilton schüttelte den Kopf. Da hatte er wenig Hoffnung. Irgendein Beamter mit Geldsorgen würde diese brisante Information schon durchstechen. Er sah bereits die Titelseite der SUN vor seinem inneren Auge: „Der Ripper von Cornwall".

    Die Standuhr zeigte inzwischen kurz nach zwei und Hamilton verließ sein Büro durch das Hinterzimmer in Richtung ACC Jess Jones.

    Montag Nachmittag - Penzance

    Alma Terrace war eine schmale, fast unscheinbare Straße im Herzen von Penzance, nur wenige Meter nördlich der Markes Jew Street, der Haupteinkaufsstraße der kleinen Stadt gelegen. Genau wie die parallel verlaufenden St. James’ Street, Belgravia Street und Taroveor Terrace wurde sie gesäumt von einer engen Bebauung durch die typisch britischen Doppelhäuser – aber: Im Unterschied zu den letztgenannten Straßen hatte die Alma Terrace nur eine einseitige Bebauung. Die unbebaute Straßenseite bestand aus grünen Gärten, die sich hangabwärts zogen. Und dadurch wurde ein unglaublicher Blick über den Hafen und das Meer bis zu St. Michael’s Mount freigegeben.

    Rachel parkte den Rover vor einem Streifenwagen und ging zum Haus Nr. 22. Im kleinen Vorgarten leuchteten bunte Herbstblumen zwischen dem Gras heraus. Vor der Eingangstüre stand ein Uniformierter, der sie durchließ, nachdem sie ihm ihren Dienstausweis unter die Nase gehalten hatte. Im Flur standen zwei Türen offen: Die eine führte

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