Aus freiem Herzen: Zehn berührende Geschichten einer bemerkenswerten Heißluftballonpassagierin
Von Sascha Wollny
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Über dieses E-Book
Zehn fiktionale Geschichten zeigen, welch interessantes, tiefgründiges Leben Thea hatte, durch welche Höhen und Tiefen sie gegangen ist und wie sie es am Ende schließlich geschafft hat, aus freiem Herzen zu leben.
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Buchvorschau
Aus freiem Herzen - Sascha Wollny
Zehn berührende Geschichten einer bemerkenswerten Heißluftballonpassagierin
Abschied auf Zeit
Heute Abend sollte es soweit sein: Thea würde in ihr Auto steigen, ihr Zuhause verlassen und in ihre erste eigene Wohnung ziehen, in der sie weit entfernt von ihren Lieblingsmenschen leben würde. Doch noch war es früh am Tag und es galt, die letzten Vorbereitungen für den Umzug zu treffen. Thea packte die restlichen Sachen zusammen, hievte sie in ihr Auto und nahm innerlich Abschied von ihrer geliebten Heimat und dem kleinen Häuschen, das tief im Wald mitten auf einer Lichtung stand. Von ihren Eltern und Großeltern würde sie sich heute Nachmittag bei Kaffee und Kuchen verabschieden. Geplant war nämlich ein kleines Abschiedsfest für Thea, bei dem alle noch einmal gemütlich zusammensaßen, um das – für lange Zeit letzte gemeinsame – Miteinander zu genießen.
Die Zeit verging wie im Flug und mit jedem Karton, den Thea in ihr Auto lud, wurde auch ihr Herz schwerer und schwerer. Ja, sie freute sich auf die Wohnung und das Studium, aber dass ihr der Umzug derart schwerfallen würde, damit hätte sie nicht gerechnet. Ganz anders schienen sich ihre Eltern und Großeltern zu fühlen: Sie machten einen stabilen, fast fröhlichen Eindruck, worüber sich Thea etwas wunderte. „Macht es ihnen denn überhaupt nichts aus, dass ich wegziehe?", fragte sie sich ein bisschen enttäuscht. Aber viel Zeit zum Nachdenken hatte sie nicht, denn schon bald kam ihre Mutter zu ihr und sagte, dass die anderen schon draußen im Garten warteten. Wunderschön hatten ihre Eltern dort den Tisch gedeckt, auf dem auch Theas Lieblingskuchen stand, den ihre Oma extra für sie gebacken hatte. So verließ Thea mit ihrer Mutter schließlich das Haus und ging in den Garten. Heute sollte sie tatsächlich ausziehen und die große, weite Welt kennenlernen. Theas Eltern wollten sich ihre Sorgen nicht anmerken lassen und erzählten bei Kaffee und Kuchen lustige Geschichten aus Theas Kindheit. Auch Oma Hildegard erinnerte sich an die ein oder andere Anekdote. Am meisten aber erzählte Opa Willi von den tollen Erlebnissen, die er mit seiner geliebten Enkelin hatte. Thea musste viel lachen und genoss den schönen Nachmittag mit ihren Liebsten, auch wenn sie hin und wieder etwas wehmütig wurde.
Nachdem bei Kaffee und Kuchen gefühlt sämtliche Kindheitserinnerungen ausgekramt worden waren, unterbrach Thea das fröhliche Treiben plötzlich und sagte: „So, ich muss jetzt wirklich los. Der Nachmittag war schon weit fortgeschritten und sie würde noch ein paar Stunden mit dem Auto fahren, um an ihr Ziel zu kommen. Da erhoben sich alle von ihren Stühlen und Theas Mutter war die Erste, die ihre Tochter in den Arm nahm. Jetzt war es soweit: Der Zeitpunkt des Abschieds war gekommen. Sie würde tatsächlich ausziehen. Bis auf Opa Willi hatten alle Tränen in den Augen. Dann schnappte sich Theas Vater seine Tochter und drückte sie minutenlang. „Ich werde Dich vermissen
, sagte Oma Hildegard, als auch sie sich von Thea verabschiedete und ihre Enkelin liebevoll in den Arm nahm. Dann wollte sich Thea natürlich noch von Opa Willi verabschieden. Er stand locker da und hatte ein Lächeln im Gesicht, machte einen heiteren und gelassenen Eindruck, aber wie es in seinem Inneren aussah, zeigte er nicht – noch nicht. Statt Thea in den Arm zu nehmen, ergriff er ihre Hand und bat sie: „Schenk mir bitte noch zehn Minuten. Ich möchte mit Dir kurz über die Wiese zum Wald laufen. „Ja klar!
, stimmte Thea zu, denn eine Bitte ihres geschätzten Opas, den sie so sehr liebte, hätte sie niemals ablehnen können.
Also gingen die beiden los und steuerten den Wald an, in dem sie so oft zusammen gewesen waren. „Weißt Du noch?, fragte Willi und erzählte von dem Ausflug, den er gemeinsam mit seiner Enkelin gemacht hatte, als sie noch ein Kind gewesen war: „Bei einem unserer Spaziergänge sind wir an eine Bank gekommen. Direkt links neben der Bank stand ein großer, mächtiger Baum. Da ich etwas erschöpft war, wollte ich mich niedersetzen und ausruhen. Du hast neben mir Platz genommen und Dich an mich gekuschelt. Ich habe meinen Arm um Dich gelegt und Dich fest an mich gedrückt.
„Ja, das weiß ich noch gut, erinnerte sich Thea, „es war ein besonderer Moment. Ich fühlte mich behütet und beschützt. Denn einerseits warst Du bei mir und andererseits habe ich mich im Wald sehr wohl gefühlt.
Willi war Theas Großvater und, als sie noch jünger war, in gewisser Weise auch ihr Lehrer. Ja, Thea lernte von ihm und fühlte auf eine besondere Art und Weise, wie viel Wissen ihr Opa hatte – nicht nur über den Wald mit seinen verschiedenen Bäumen und Tieren, sondern ebenfalls über das, was nirgends geschrieben stand. Willi ging sehr elegant vor, wenn er seiner Enkelin etwas zeigte: Indem er ihr vieles über den Wald erzählte, baute er Brücken zu anderen Wissensgebieten auf. Thea liebte ihn sehr und schaute zu ihrem Opa Willi auf. Ihre Liebe zu ihm beruhte jedoch in erster Linie auf der Tatsache, dass er sich viel Zeit für sie nahm, mit ihr in den Wald ging und oft mit seiner Enkeltochter