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Spuren der Dichterin Sophie: Ein Frauenschicksal im 19.Jahrhundert
Spuren der Dichterin Sophie: Ein Frauenschicksal im 19.Jahrhundert
Spuren der Dichterin Sophie: Ein Frauenschicksal im 19.Jahrhundert
eBook242 Seiten2 Stunden

Spuren der Dichterin Sophie: Ein Frauenschicksal im 19.Jahrhundert

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Über dieses E-Book

Sophie Dethleffs, als Honoratiorentochter geboren 1809 in dem damaligen Flecken Heide in Dithmarschen, erlebte eine sorgenfreie, behütete Kindheit.
In ihrem 26.Lebensjahr wurde ihr Vater, königlicher Beamter, seines Amtes enthoben. Plötzlich mittellos, musste sie sich den Herausforderungen des Lebens stellen und für den Unterhalt für sich und ihre nahezu erblindete Schwester sorgen.
Trotz unzähliger Schicksalsschläge nahm sie lebhaft Anteil an der geschichtsträchtigen Entwicklung und den Veränderungen ihrer Zeit.
Sie begann zu dichten. Ihr plattdeutsches Gedicht „De Fahrt na de Isenbahn“ machte Furore.
Ihr dadurch erreichter Ruf eilte schnell über die Grenze Dithmarschens hinaus.
Ein großer Erfolg wurde jedoch durch Neider und die geschichtlichen Begebenheiten verhindert.
Sophie Dethleffs starb im Alter von 55 Jahren im Hamburger Schröder Stift.
Der Verdrängung bzw. Nichtwürdigung dieser besonderen Dichterin möchte dieser Roman entgegenwirken, ihr die verdiente Achtung und Anerkennung zollen und ihr ein Denkmal in ihrem 150ten Todesjahr setzen.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum21. Aug. 2014
ISBN9783735768094
Spuren der Dichterin Sophie: Ein Frauenschicksal im 19.Jahrhundert

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    Buchvorschau

    Spuren der Dichterin Sophie - Books on Demand

    lassen.

    I

    Nachdem sie am Freitag, den 10. Februar 1809 in Heide von der Hebamme auf die Welt geholt worden war, schickte diese ihren Vater, nachdem er sein viertes Kind willkommen geheißen hatte, sogleich zum Priester, um die Geburt anzumelden. Er hatte dafür einen ganzen kurzen Weg, denn er brauchte nur von seiner Haustür unter dem geschwungenen Torbogen zur gegenüberliegenden Tür zu gehen um dort zu klopfen.

    Das Haus, in dem sie geboren wurde, war das Diakonathaus, welches an der südlichen Seite des Marktplatzes lag und dessen eine Hälfte der Vater gemietet hatte, während in der anderen Hälfte der jeweilige Pastor wohnte.

    Beide Haushälften waren geschickt miteinander verbunden, sahen von der Rückseite aber wie zwei getrennte Häuser aus. Ein großer Rundbogen schmücke den Eingangsbereich und führte bis in Hof hinein, so dass Pferd und Wagen einerseits hindurch fahren konnten, anderseits konnte man jederzeit trocken ein- und aussteigen.

    Ihr Vater hatte erzählt, dass er den Pastor gebeten hatte, deutlich zu schreiben, denn der gute Mann war bekannt für seine schwer lesbare Handschrift. Er hatte ihm genau über die Schulter geschaut, um zu kontrollieren, ob der Name Sophie Auguste Dethleffs, eheliche Tochter des Justizrats und Branddirektors Johann Dethleffs und seiner Ehefrau Anna Christine, geborene Terkelsen aus Nystadt, Seeland und das Geburtsdatum auch lesbar und korrekt eingetragen wurde.

    Der Pastor hatte seine guten Wünsche für das Neugeborene ausgesprochen und wegen der zur damaligen Zeit sehr hohen Kindessterblichkeit einen Tauftermin für Anfang März vorgeschlagen.

    „Wisst ihr denn schon die Gevattern, Herr Branddirektor?" soll er gefragt haben. Und der Vater hatte sie, nicht ohne Stolz, aufgezählt. Wie zu der Zeit üblich sollten es gerne drei sein. So nannte er die Ehefrau des damaligen Etharahts und Landvogtes Johannsen, dann die Tochter des ersten Advokaten Knölck und den derzeitigen Kirchspielvogt Arens.

    Sophies Taufe fand dann tatsächlich am neunzehnten März statt.

    Ihre Mutter hatte Sophie nie kennen gelernt, denn sie starb, als Sophie gerade einmal viereinhalb Monate alt war, mit gerade erst vierzig Jahren am 26. Juni 1809.

    Für ihre Bestattung, die zwei Tage später erfolgte, hatte der Vater sogar ein Glockenläuten für drei Mark bezahlt.

    Als Sophie ihn später einmal fragte, wo er ihre Mutter kennen gelernt hatte, berichtete er, dass dies während seiner Tätigkeit als Kanzlist in Kopenhagen gewesen sei. Er hätte sich gleich in die hübsche naturverbundene Frau verliebt, sie geheiratet und sich in Heide mit ihr niedergelassen.

    Allerdings schätzte er Fragen nach Sophies Mutter in seiner immerwährenden Trauer um diese nicht. Den tiefen Kummer über den ach so frühen Tod seiner geliebten Frau hatte der Vater nie verwunden. Er heiratete trotz seiner erst vierundvierzig Jahre und der vorhandenen vier Kinder nicht wieder.

    Aus seinen Erzählungen wusste Sophie, dass zur Zeit ihrer Geburt ein Dienstmädchen bei ihren Eltern tätig war. Margaretha Helena Ständer hat sie geheißen.

    Bei Sophies Geburt war sie einunddreißig Jahre alt. Die junge Frau fühlte sich aber nach dem Tode der Mutter mit dem Witwer und dessen Kindern und auch mit dem Säugling Sophie überfordert.

    In den ersten Monaten nach Sophies Geburt kam das Dienstmädchen noch mit allem zurecht. Sie besorgte auch eine Amme, die den Säugling nähren konnte. Es gab durch die hohe Säuglingssterblichkeit immer wieder Frauen, die ihre Dienste hierfür anboten.

    Mehrmals täglich kam die Amme ins Haus, um Sophie an ihre Brust zu legen.

    Nachdem die bezahlte Amme, die für Sophie gefunden worden war, ihre Tätigkeit des Stillens einstellen konnte, nahm die Arbeit der Säuglingsversorgung für Margareta Ständer Ausmaße an, die ihr zuviel wurden. Als einfaches Dienstmädchen hatte sie jetzt nahezu die Aufgaben einer Haushälterin zu übernehmen. Auch aus Sorge um ihren guten Ruf - als junge unverheiratete Frau bei einem Witwer zu leben, schickte sich nicht - verließ sie dann die Familie um endlich eine lang ersehnte Ehe einzugehen.

    Ihr Vater, der nun die alleinige Sorge für seine vier unmündigen Kinder hatte, war von einem schon sehr betagten, ehemaligen Rechenmeister angesprochen worden, der von seiner Notlage erfahren hatte. Dieser bot ihm die Dienste seiner unverheirateten dreißigjährigen Tochter an, die noch bei ihm im Schulhaus, welches sich neben der Kirche auf dem Marktplatz befand, lebte.

    So kam zum Glück der Familie Dethleffs die Catharina Elsaba Stolzenhof für den Haushalt und die Betreuung der Kinder ins Haus.

    Diese Frau machte sich über ihren Ruf keine Gedanken mehr und wollte auch für die Zeit nach dem Ableben ihres alten Vaters versorgt sein. Außerdem war die Zeit für eine Vermählung nach ihren eigenen Worten für sie längst vorbei.

    Sie verfügte über ein liebevolles Wesen, durch welches sie den Kindern die Mutter ersetzte. Sie sorgte und kümmerte sich, war immer für die unterschiedlichsten Belange, für die kleinen Schmerzen und Freuden der Kinder da. Sie sorgte durch ihr Naturell für eine moralisch gute Erziehung.

    Wie gerne dachte Sophie an sie zurück. Wie hatte sie diese Frau, die sie ja nur als einzige „Mutter" gekannt hatte, geliebt.

    Sophie wurde erzählt, dass sie ein fröhliches, aufgewecktes Kind gewesen war. Sie wurde aufgrund dieser Eigenschaften nicht nur von ihrer Ersatzmutter verhätschelt und verwöhnt. Auch ihre Geschwister und der Vater waren ihrem Charme erlegen. Ihr acht Jahre älterer Bruder Christian war stets um ihr Wohlergehen besorgt. Auch ihre sechs Jahre ältere Schwester Amalia Dorothea und die nur drei Jahre ältere Louise Amalia kümmerten sich rührend um das kleine mutterlose Mädchen.

    Nie war sie sich selbst überlassen, überall war sie wegen ihrer liebenswürdigen Art gern gesehen. So wurde sie auch von ihrem Vater gerne mitgenommen, wenn er befreundete Familien zu einem Plausch besuchte.

    Am liebsten war Sophie bei der Familie Boysen, die an der südlichen Marktseite, einige Häuser neben dem Diakonatshaus, wohnte.

    Herr Boysen war Landeschirurg, seine Frau eine gemütliche, mütterliche Seele, der Sohn Paul Johann Friedrich genau so alt wie ihre Schwester Amalia Dorothea. Aber vor allem gab es dort die Tochter Elise, bis zum heutigen Tag ihre beste Freundin. Der Altersunterschied von fast vier Jahren, die Elise älter war, verwischte sich, je älter sie wurden.

    In dieser Familie waren die Dethleffs sehr gern gesehene Gäste. Die Kinder spielten fast wie Geschwister miteinander.

    Wie hatte sie es genossen, wenn Paul mit ihr Fangen spielte, oder den Ball so oft warf, bis sie ihn auffangen konnte.

    Sie hörte noch sein Lachen, wenn der Ball immer wieder neben ihr auf die Erde fiel. Auch sein: „Schau genau hin, Sophie, dann wirst du ihn gleich fangen, hörte sie noch. Seine strahlenden Augen und sein „Hurra, als sie dann endlich den Ball fangen konnte.

    Und wie hatte sie es geliebt, wenn er mit ihr und den Geschwistern ausgediente Wagenreifen mit einem Stock durch die Sandwege rollen ließ.

    Sie konnten sich, als sie etwas älter waren, jederzeit gegenseitig besuchen und hatten so manchen Blödsinn und Schabernack ausgeheckt.

    Zu ihrer Kinderzeit spielte man nur mit Seinesgleichen. Mit Kindern aus der Unterschicht, und selbst den Handwerkerkindern, hatte man nichts gemein. Die waren unter ihrer Würde.

    Die Standesunterschiede waren groß und wurden eingehalten.

    Trotz des königlichen Beamtenstatus des Vaters wuchsen die Geschwister aber in einfachen Verhältnissen auf.

    Sophie hatte an ihre ersten drei Lebensjahre in ihrem Geburtshaus, dem prächtigen Diakonatshaus, keinerlei Erinnerungen mehr. Ihr Bewusstsein war in der Süderstraße, wo ihr Vater 1812 ein kleines Haus kaufte, verankert.

    Hier verbrachte sie ihre Kindheit, ihre Jugend und auch die wohl schwerste Zeit in ihrem Leben.

    Das Haus verfügte über einen langen, nach hinten gelegenem Garten. Eine Holzplanke schützte es vor neugierigen Blicken und auch vor Einbrechern und Herumtreibern, von denen es etliche im Ort gab. Neugierige Blicke wurden aber wohl doch häufiger durch die Planken geworfen. Die Söhne der einfachen Leute wollten zu gerne wissen, wie der Herr Branddirektor lebte.

    Obwohl ihr Vater durch seine Tätigkeit als königlicher Beamter sehr in Anspruch genommen war, fand er immer Zeit und Muße, sich mit seinen Kindern zu beschäftigen.

    Auch nutzte er seine karge Freizeit gerne um poetische Lektüre zu lesen, oder sich mit seiner Blumenzucht und Drechslerarbeiten zu beschäftigen.

    Wie oft hatte Sophie als kleines Mädchen neben ihm gesessen und sich von ihm Gedichte vorlesen lassen. Sie liebte den Singsang seiner tiefen Stimme, liebte den Klang der Worte, genoss die Reimformen und wiegte sich in seinem Lächeln, wenn er fragte, ob sie genug gehört hätte, was sie stets verneinte.

    Von ihm lernte sie auch die Wertschätzung, die er Büchern gegenüber hatte.

    Sorgfältig, fast liebevoll nahm er stets ein Buch in die Hand. Behutsam legte er es nach dem Lesen zurück an seinen Platz. Er erklärte ihr, dass ein Buch etwas sehr Wertvolles und Teures sei und dass der Mensch, der die Worte erdacht und der, der die Worte gedruckt hatte, viel Zeit und Energie aufgewendet hatten und darum einen sorgsamen Umgang mit dem Werk verdient hätten.

    Diese Worte hatten sie zutiefst beeindruckt und sie hatte sie nie vergessen.

    Auch hörte sie immer wieder sein „Sophiechen, wenn du erst in die Schule kommst, kannst du alles selber lesen."

    Aber schon bevor sie die Schule, deren Besuch Pflicht war, besuchen durfte, war sie durch die Geduld ihres Vaters in der Lage gewesen, einzelne Worte zu lesen und diese auch schreiben zu können. Später wurde ihr erzählt, wie ernsthaft sie ausgesehen hätte, wenn sie am Küchentisch bei Catharina, wie die Kinder ihre Ersatzmutter inzwischen nennen durften, gesessen hatte und mit der Zunge über die Lippen gleitend angestrengt Buchstaben malte. Und mit welcher Freude sie Lob und Anerkennung genossen hatte.

    Schon damals hatte sie allen, die es wissen wollten oder auch nicht, erklärt, dass sie einmal wertvolle Bücher mit Worten füllen würde. Ihr Vater hatte immer gemeint, dass sie das ruhig versuchen sollte, von anderen war sie dafür ausgelacht worden.

    „Ein Mädchen kann so was nicht" hörte sie oft genug von den Geschwistern und Klassenkameradinnen. Nur Paul Friedrich stand ihr bei, wenn sie sich über die Worte ärgerte.

    „Du machst das schon, Sophiechen", meinte er mehr als einmal.

    Ach ja, der Paul, wie er von allen genannt wurde.

    Wie hatte sie zu ihm aufgesehen. Wie sehr liebte sie ihn von Anbeginn. Wie sehr verehrte sie seine gütige, nachsichtige Art. Wie sehr bewunderte sie seine Ausdrucksweise und seine Intelligenz. Ständig saß er über den Büchern und studierte sie. Wie liebevoll er immer schon mit ihr umgegangen war. Wie geduldig und behutsam er auf alle ihre Fragen einging.

    Aus ihm würde einmal etwas Großes werden, hatte sie als Kind immer geglaubt. Wie richtig sie das doch eingeschätzt hatte.

    Was für ein Freund er ihr bis heute war.

    Ein Schmunzeln legte sich in ihr Gesicht und Wärme durchströmte ihren Körper bei dieser Erinnerung.

    An die Kosaken, es sollen über eintausend gewesen sein, die im heftigen Winter ihres vierten Lebensjahres im Ort kampierten, hatte sie selbst keine Erinnerung. Sie bemerkte zu der Zeit nur, wie furchtsam die Menschen sich verhielten. Sie hatten große Sorge um ihr Hab und Gut.

    Aus Berichten schnappte sie später auf, dass die Landeskasse von den Kosaken gepfändet worden war, der Landschreiber aber mit dem Kirchspielvorsteher das darin befindliche Geld nach Hadersleben transportierte, so dass die Soldaten nur einige Talerzettel und einige kleine Münzen vorfanden. Auch hörte sie, dass sehr viel gestohlen und Nahrungsmittel gefordert wurden. Selbst Pferde wurden mitgenommen, als die wilde Horde den Ort wieder verließ.

    Durch den danach erfolgten dänischen Staatsbankrott ergab sich dann auch noch eine allgemeine Geldknappheit. Die ganze Gegend war ausgeblutet, hieß es. Und so waren die Bewohner damals froh, als die letzten Schweden, Mecklenburger, Engländer und Hanseaten endlich die Landschaft verließen.

    „Erinnerst du dich nicht an die wilde Musik und an ihre nationalen Gesänge, Sophie? Der Markt war doch völlig überfüllt von ihren Zelten und den Pferden", hatte ihr Bruder gefragt. Doch sie konnte nur verneinen.

    Diese Erinnerung fehlte ihr gänzlich.

    Gerne dachte sie jedoch an die Zeit zurück, als sie sich mit ihrem Vater gemeinsam im Garten aufgehalten hatte. Er jätete entweder in den Beeten und Rabatten oder arbeitete in den Gemüsebeeten, sie folgte ihm auf Schritt und Tritt. Neugierig war sie.

    „Vater, was ist dies? Vater, wann ernten wir das?", Oh ihr armer Vater – ob er es wohl manchmal überdrüssig war, ihr alles zu erklären? Allerdings machte er damals nie den Eindruck, als sei es ihm zuviel.

    Stundenlang konnte sie ihm bei seiner Gartenarbeit zusehen.

    Manchmal nahm er eine der vielen Blumen, und machte sie auf die Feinheiten von Blüten, Kelchen und die unterschiedlichsten Düfte aufmerksam. Durch ihn lernte sie die Vielfalt und die Namen der Blumenpracht im eigenen Garten kennen.

    „Sieh mal, Sophie, was für eine wundervolle Schönheit aus einem einzigen Samenkorn entsteht."

    Ja, den Satz hörte sie, als würde er ihn gerade noch einmal sprechen.

    Ihre anfängliche Angst vor summenden und stechenden Insekten nahm er zum Anlass, ihr die Wichtigkeit von Bienen und Hummeln zu erklären, und beobachtete mit ihr gemeinsam die fleißigen Insekten, so dass ihre Angst ganz von alleine verschwand.

    Auch die unterschiedlichsten Gemüsearten und Obstsorten lernte sie durch ihn kennen, - welche Sorten wann gesät oder gepflanzt werden konnten, welche Pflege sie brauchten, wann zu viel oder zu wenig gegossen worden war. Was bestimmte Wolken am Himmel für Wetterveränderungen mit sich bringen würden, das alles lernte sie von ihm und war ihm bis heute dankbar.

    Vielleicht hatte er sie mit seiner Naturverbundenheit dazu angeregt, ihre ersten Gedichte über die Pflanzen zu erdenken?

    Ihr fiel eines ihrer ersten längeren Gedichte ein und sie suchte in ihrem Kopf nach den Zeilen, um sie noch einmal leise vor sich herzusagen:

    Die Frühlingssonne

    Ei! ei! ihr faulen kleinen Blüten,

    Wollt ihr denn ewig eure Schätze hüten

    Dort unten, in der Erde finstren Nacht?

    Nur hübsch herauf! Die Äuglein aufgemacht!

    Hier oben ist schon alles hell und heiter,

    Was schlaft ihr denn da unten träge weiter?

    Hört ihr das Bienchen nicht, wie`s munter summt?

    Und wundert sich, dass ihr nicht wieder kommt?

    Ja, riefen da die Blüten alle leise,

    Wir saßen ja noch tief versteckt im Eise,

    Es friert uns unbehaglich in der Nacht;

    Wir kommen, wenn du Alles warm gemacht!

    Nun fing die Sonne heißer an zu glühen,

    Und da begann ein unermesslich Blühen;

    Wohin sie drang mit ihrem goldnen Strahl,

    Da keimten Blatt und Blüten ohne Zahl.

    Und wo die Schwermut schwarz und düster brütet,

    Und wo der Kummer seine Bürde hütet,

    Da drängt sie sich mit ihrem hellen Schein

    Auch in das kleinste Winkelchen hinein.

    Da fängt sie an zu fegen und zu kehren,

    Wer kann sich gegen Sonnenstrahlen wehren?

    Die finstren Geister fliegen aus,

    Und Mut und Hoffnung halten wieder Haus.

    Dann dachte sie an die Schulzeit. Wie furchtbar diese war.

    Als sie ihren ersten Schultag in der Elementarschule erlebte, war sie zutiefst enttäuscht.

    Sie hatte tatsächlich geglaubt, dass sie am ersten Tag lesen und schreiben lernen würde. Sie dachte, wenn sie nach Hause käme, könnte sie schon alles. Was für eine Enttäuschung, als dem nicht so war. Am ersten Tag und an jedem folgenden ihrer Schulzeit, wurde zunächst gebetet. Dann wurde ihnen aus der Bibel vorgelesen und etwas Religionsunterricht abgehalten. Es folgten Gedächtnisübungen. Mehr war nicht. Der Lehrer hatte es allerdings auch nicht leicht, da er unterschiedliche Jahrgänge zeitgleich unterrichtete. So blieben die gerade Eingeschulten nach kurzer Zeit sich selbst überlassen.

    Wie beengend die Räumlichkeiten waren! Wie verschmutzt einige Mädchen in den Unterricht kamen. Wie entsetzlich hungrig einige erschienen und wie erbärmlich ihre Kleidung zum Teil aussah. Wie sie Durcheinander redeten. Wie oft sie mit lautem Rufen durch die Schulbänke liefen.

    Sophie taten diese Mitschülerinnen unendlich leid. Gerne

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