Rituale - Symbiose zwischen Hund und Mensch
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Über dieses E-Book
Dabei zeigt er, dass schon in der Antike Hunde einen hohen Stellenwert im täglichen Leben der Menschen hatten. Im Mittelalter zeigen sich allerdings auch die Schattenseiten des Zusammenlebens von Hund und Mensch und Krause stellt diese anhand von skurrilen Beispielen vor. Dies nicht, um zu schockieren, aber den ein oder anderen Zeitgenossen vielleicht doch in seinem eigenen Tun zum Umdenken zu bewegen.
Rituale zwischen Hund und Mensch stellen sich dabei als starkes Bindeglied und integratives Band heraus, die immer schon den uralten Bund zwischen unseren doch so unterschiedlichen Spezies bestärkt haben.
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Buchvorschau
Rituale - Symbiose zwischen Hund und Mensch - Christoph T. M. Krause
E. Einleitung
Wir denken, Rituale sind etwas zutiefst Menschliches; sind sie doch Wegbereiter für gesellschaftliche Strukturen und ein Stärkungselement von Gemeinschaft.
Rituale geben Verhaltenskodices und einheitliche Muster vor, die für uns Menschen Vorbild geben und zur Nachahmung anregen. Dies stärkt ein Zusammengehörigkeitsgefühl der Gruppeneinheit, der Familie und/oder des Stammes.
Auch in einem Staat wie Deutschland gibt es sie, sogar von hochoffizieller Art, denken wir nur an die Erinnerungskultur zu unserer Vergangenheit. Wir erinnern und mahnen am Tag des Holocausts, wir gedenken dem Ende des Zweiten Weltkrieges oder freuen uns ob der deutschen Wiedervereinigung. Das weckt Gefühle und mahnt für die Zukunft.
Manche Rituale sind Jahrhunderte alt oder sogar noch älter, manche sind relativ neu, manche erscheinen zwanghaft und seelenlos, andere erzeugen Trauer oder Wut oder aber auch Freude und Glück.
Es gibt rein persönliche Rituale, aber auch Gemeinschaftsrituale übergeordneter Einheiten, ob von Kirche, Staat oder einer Union, wie der EU.
Rituale bieten Ersatzhandlungen an, entkoppeln das Individuum von der Verantwortung im Großen, übernehmen übergeordnete Anforderungen und machen sie erlebbar im Kleinen, im Individuellen.
Das Wichtige dabei ist, dass die soziale Übereinheit, die Gruppe, der Stamm, die Gesellschaft, gestärkt wird. Der Einzelne wird als Teil des Ganzen in die Pflicht genommen, wird optisch und rituell Teil des Ganzen.
Rituale bieten jedoch auch Aufmerksamkeit in alle Richtungen. Das Gemeinwesen bietet ein Forum für Gegenseitiges, Gemeinsames und schafft Verbindung und Zusammengehörigkeit, jenseits aller evtl. vorhandenen Konflikte, Verschiedenheiten oder Uneinigkeiten.
Denken wir zurück an die Anfänge der Menschheit, so war die Gemeinschaft in der Gruppe oft existentiell wichtig für die Jagd, mithin für das Überleben. Ohne Zusammenhalt und gemeinsame Identität waren diese Prämissen nicht möglich.
Rituale bieten auch Sicherheitsgefühl. Alleine ist man schwächer, als in der Gruppe und gemeinsame Rituale geben mehr Kraft und Mut, als wenn Anforderungen des Alltags alleine durchgefochten werden.
Rituale wurden oft als Kernverhalten des Menschen angesehen. Doch auch unser Hund kennt Rituale. Im Grunde treffen die meisten Prinzipien des Rituals auch und gerade auf den Hund zu. Der Hund lebt, wie sein Vorfahr, im „Rudel", wenn auch seit Tausenden von Jahren im gemeinsamen Mischrudel mit dem Menschen.
Abb. 02
Interessant dabei ist, dass die Ritualisierung an dieser Stelle zwei Spezies umfasst, die, für sich genommen, jeweils beide, Rituale zum Überleben im archaischen Sinne brauchen und ihre jeweilige Gemeinschaftskultur darauf aufbauen.
Der Hund bzw. Wolf braucht die Gemeinschaft im jeweiligen Rudel zum Überleben, um Nahrung zu erbeuten und Kraft und Stärke auf der Jagd zu gewährleisten. Eine Jagd als Überlebensgrundlage erfordert gemeinschaftliche Organisation, Hierarchie und Teamwork, um gemeinsam Beute zu erlegen.
Das allererste Ritual zwischen Wolf (später Hund) und Mensch beginnt vor Tausenden von Jahren. Der Mensch sitzt am Lagerfeuer und verzehrt die mit Stammesbrüdern gemeinsam erjagte Beute (die weiblichen Menschen dieser Zeit blieben in der Höhle oder später in dörflichen Ansiedlungen. Ob diese Sichtweise der Geschlechtertrennung tatsächlich und generell in dieser Weise zutrifft, bleibt zumindest fragwürdig).
Der Wolf kommt zum Lagerfeuer, weil er neugierig ist, aber auch die Nahrung wittert. Er bettelt sozusagen, wie heute oft unser Hund am Tisch. Der Mensch sieht in die Augen des Wolfes und erkennt sich selbst wieder, denn die Augen des Wolfes ähneln sehr denen des Menschen.
Der entscheidende evolutionäre Moment geschieht genau an dieser Stelle: Der Mensch teilt seine Beute, ohne erkennbaren logischen Grund und wider aller Erwartungen, mit dem Wolf. Der Grundstein des Rituals zwischen Hund und Mensch ist gelegt; das Urritual ist geboren, Nahrung wird freiwillig und ohne äußeren Zwang freiwillig geteilt. Dies ist ein (r)evolutionärer Akt erster Güte, ein starkes Band der Gemeinsamkeit findet seine Geburtsstunde.
Aus dem „Joint Venture" der Vorzeit wird ein ewiges Band. Der Wolf erkennt, in der Beziehung zum Menschen wird die Nahrungssuche unproblematischer und sogar erleichtert. Es ist für ihn sicherer, in der Nähe des Menschen zu sein, weil dieser den Bären oder andere Räuber für ihn mit abwehrt.
Der Wolf revanchiert sich, er fängt an, die Wohn- und Jagdbereiche des Menschen abzusichern. Er vertreibt Fressfeinde und kann nun sowohl Seinesgleichen besser absichern als auch den Menschen schützen. Im Gegenzug gewährt der Mensch Unterschlupf, Wärme am Lagerfeuer und eben Nahrung.
Das alles geschieht ohne Zwang und dringende Erfordernis und aus der Sicht des Menschen betrachtet ohne „Vertrag" und vorab festgelegte Bedingungen, es passiert einfach.
Welches intelligente Lebewesen würde dieses Traumangebot einer Zusammenarbeit (heute nennt man das Win-Win-Situation) nicht erkennen und nutzen?! Dieses Joint Venture dauert nun schon Jahrtausende an, eine Erfolgsgeschichte der einzigartigen Art; es gibt nichts Vergleichbares auf der Welt. Zwei grundverschiedene und doch sehr ähnliche Spezies verbünden sich zu einem Jahrtausende alten Bund.
Unser Joint Venture mit dem Nachfahren des Wolfes, dem Hund, ist nicht nur einzigartig, es ist der Urknall des Rituals. Zwei Ritualerfordernisse zweier Spezies verbanden sich im Laufe der Jahrtausende zum stärksten „Ritual" der Menschheitsund Hundegeschichte, einer fast symbiotischen Gemeinschaft.
Manchmal werden Rituale anders, eher negativ, verstanden, sie haben aber nichts oder wenig mit Riten gemein, die oft Vorschriften oder Regularien beabsichtigen. Diese Einschätzung wäre in manchen Bereichen durchaus berechtigt, jedoch nur bedingt in unserem Kontext.
In diesem Buch liegt der tendenzielle Schwerpunkt auf jener Art von Ritualen, die unwillkürlich und ohne Zwang oder Vorgabe entstehen. Manchmal entwickeln sie sich spielerisch und en passant. Vielleicht könnte man sie auch Gewohnheiten nennen. Auf jeden Fall führen Sie zu einer starken Bindung im Falle der Hund-Mensch-Beziehung und fördern diese.
Aus unserem eigenen Erleben:
Wir hatten eine sehr schlaue Hündin, die nichts mehr als Rituale liebte. Wir brauchten nur „Wäsche" zu sagen und schon machte sie sich auf den Weg in unsere Schlafzimmer. Sie fing mit dem ersten Zimmer an und sammelte die dort auf dem Boden abgelegte Schmutzwäsche, z.B. eine Unterhose, ein und ging damit ins nächste Zimmer, um die bereits in ihrem Maul befindliche Hose dort kurz abzulegen.
Dann packte sie die dort liegende weitere Unterhose und nahm die vorher aus dem ersten Zimmer gerade abgelegte erneut auf. Dann lief sie mit beiden Hosen, stolz wie „Oskar, in diesem Falle Bju mit Namen, mit uns zusammen zum Wäschekorb am anderen Ende des Hauses und legte beide Hosen dort endgültig ab.
Zum Hineingeben in den Wäschekorb reichte es dann jedoch nicht; diese Aufgabe erschien ihr eher die Unsere zu sein.
Was war dies bereits für eine gedankliche Leistung in sich, entwickelte sich dieser Vorgang zu einem täglichen Ritual, das manchmal sogar ohne Aufforderung, quasi wie von selbst, angegangen wurde.
Ein weiteres Ritual dieser Hündin war es, wenn einer von uns vom Einkaufen mit dem Auto kam, schellte derjenige an der Haustüre. Bju kam sofort angelaufen, preschte zum Auto vor und wartete wie selbstverständlich darauf, vom Fahrer ein Teil des Einkaufs (das sich dazu eignete) ins Maul gegeben zu bekommen. Stolz brachte sie dieses Teil, lassen wir es eine Porreestange sein, ins Haus, um es in der Küche dem zuhause Gebliebenen zu übergeben.
Hier sieht man deutlich, welche Funktion Rituale haben können: Sie stärken das Gemeinschaftsgefühl, das Miteinander und die „gemeinsamen Aufgaben". Sie sind stark verbindend und mitnichten zwanghaft. Und vor allem machen sie allen Beteiligten meistens großen Spaß und wenn es nur ein Leckerchenritual zum Einschlafen ist,
was so geht:
Wie zu Weihnachten, wird die Schlafzimmertür verschlossen und im Zimmer ein Leckerchen versteckt. Dann geht die Türe, wie am Heiligen Abend, zur Bescherung auf und das Leckerchen darf fleißig gesucht werden.
Dabei werden zunächst alle bisher genutzten Verstecke abgecheckt, es wird sich aber in Windeseile dem aktuellen Leckerbissen genähert, um es schließlich mit großer Empathie zu verdrücken."
Bei diesem und vielen anderen ähnlichen Ritualen wird deutlich, wie sehr Erinnerungsvermögen, Ausschlussverfahren und Geruchssinn beim Hund Zusammenwirken. Ohne dieses Ritual gibt es bei uns keine Nachtruhe. Punkt.
Fragen wir später im Buch andere Hundeliebhaber, welche Rituale sie beobachten bei unserem größten, besten und ältesten Freund, den wir Menschen auf diesem Planeten haben:
Ritual¹:
Ich bin beleidigt, ich will etwas haben und bekomme es nicht.
„Rituale sind mehr als eine bloße Abfolge von Symbolen oder symbolischen Handlungen. Rituale unterscheiden sich von zwanghaften Handlungen, die in der Wiederholung des Gleichen bestehen und der , Versicherung' und Bestätigung dienen, wesentlich dadurch, dass sie einen Transitus darstellen, einen Übergang von einem Zustand in einen anderen, der die Menschen und/oder die Gemeinschaft beziehungsweise Gesellschaft verändert."¹
Übertragen auf den Hund, unterscheiden wir folglich zwischen verschiedenen Arten von Ritualen:
I. Regulationsrituale
Regulationsrituale sind Verhaltensweisen, die der Mensch dem Hund auferlegt, um ihn zu trainieren oder in eine familiär- bzw. menschengesellschaftskonforme Verhaltensweise zu bringen, die bisweilen eine Art Zwangscharakter entwickeln können.
II. Integrationsrituale
Integrationsrituale bilden Verhaltensmuster ab, die aus sich selbst heraus entstehen, weil sie dem Zusammengehörigkeitsgefühl, der Gemeinsamkeit oder der Bindung zwischen Frauchen/Herrchen und Hund entspringen.
III. Exploitationsrituale
Exploitationsrituale