Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Wo geht's nach Ponte di Monte: Perspektiven einer Pilgerreise auf dem Caminho Portugues
Wo geht's nach Ponte di Monte: Perspektiven einer Pilgerreise auf dem Caminho Portugues
Wo geht's nach Ponte di Monte: Perspektiven einer Pilgerreise auf dem Caminho Portugues
eBook277 Seiten4 Stunden

Wo geht's nach Ponte di Monte: Perspektiven einer Pilgerreise auf dem Caminho Portugues

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Wo geht's nach Monte di Ponte?

War es eine innere Stimme oder doch das Buch von Harpe Kerkeling,
das mich zum Pilgern auf den Jakobsweg geführt hat?
Ist das Ringen um den Glauben schwerer als die Anstrengungen des Caminho?

Fragen, die beantwortet werden mussten!

Was als täglicher Blog begonnen hatte, wurden längere Texte. Von meinen
Erlebnissen, Erfahrungen, Erkenntnissen und Begegnungen mit mir selbst und mit anderen
erzähle ich in diesem Reisebericht vom Caminho Portugues.

Klaus Tietz
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum23. Nov. 2018
ISBN9783746999418
Wo geht's nach Ponte di Monte: Perspektiven einer Pilgerreise auf dem Caminho Portugues

Ähnlich wie Wo geht's nach Ponte di Monte

Ähnliche E-Books

Biografie & Memoiren für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Wo geht's nach Ponte di Monte

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Wo geht's nach Ponte di Monte - Klaus Tietz

    Und der Segen Gottes

    01.05.2015

    Das Smartphon meldete einen eingehenden Anruf. „Hallo Klaus, wo bleibst Du? Sollten wir nicht schon längst auf dem Weg sein?" Ich saß seit Stunden am PC und hatte noch einiges vor meiner Abreise am kommenden Montag zu erledigen. Es war bereits nach 17 Uhr, und in 20 Minuten wollte ich mit Paul zusammen in Flögeln sein, einem kleinen Dorf nicht weit von Bremerhaven. Es war nun unmöglich noch pünktlich in der kleinen Dorfkirche St. Pauli anzukommen, wo Ingrid, eine gute Freundin und Pastorin, auf uns wartete. „Oh Paul, ja, ich komme gleich und hole dich ab! Bin gleich bei dir!", stotterte ich ertappt ins Smartphone und legte auf. So ein Mist, jetzt hatte ich vor lauter Arbeit die Zeit völlig aus den Augen verloren, denn als ich zuletzt auf die Uhr geschaut hatte, war es noch früh gewesen. Ich griff wieder zum Smartphone, um Ingrid in ihrem Pfarrbüro zu erreichen. Wie erwartet, meldete sich nur der Anrufbeantworter, auf dem ich eine Nachricht hinterließ, dass ich mich auf dem Weg zu ihr machte.

    Es war Freitag, der 1.Mai, Tag der Arbeit, ein Feiertag, und Ingrid hatte sich die Zeit genommen, um Paul und mir einen Pilgersegen zu geben. Ich versuchte Ingrid nochmal über ihr Smartphone zu erreichen und landete auf ihrer Mailbox, auf der ich die gleiche Nachricht wie zuvor auf ihrem Anrufbeantworter hinterließ. Zur Sicherheit sendete ich noch eine Textnachricht hinterher. So, mehr konnte ich in diesem Moment nicht machen, stürzte aus dem Haus, stieg ins Auto und fuhr los, um Paul abzuholen.

    Bis zu Paul war es nicht weit und fünf Minuten später klingelte ich an seiner Tür. „Na, alles, klar Klaus?, begrüßte er mich, „wir sind etwas spät, oder? Ramona möchte uns gerne begleiten, ist das okay? „Ja klar, kein Problem, Paul, sagte ich. „Schön, dass du mitkommen möchtest, Ramona.

    Ich war gehetzt, ich mag es nicht zu spät zu kommen, schon gar nicht, wenn ich weiß, dass jemand auf mich wartet. Aber nun konnte ich nichts daran ändern und hoffte, dass es mit dem Segen noch klappen würde.

    Paul kannte ich noch nicht lange. Ich war ihm das erste Mal im Januar 2015 begegnet, in einem Seniorentreffpunkt, in dem wir die gleiche Veranstaltung besuchten. Er saß mit seiner Frau Ramona vor mir. Wir besuchten dort einen Vortrag von einer jungen Frau, die über ihre ersten Etappen auf dem Camino Frances berichtete und Reisefotos über einen Beamer vorführte. Paul war mir aufgefallen, weil er durch sein Outfit schwer einzuordnen war. Von den vielen Senioren, die den Vortrag besuchten, stach Paul durch seine Altrocker-Kluft unter den Anwesenden hervor. Ich dachte: Was ist denn das für ein Typ? Eine Mischung irgendwie zwischen Altrocker und Öko? Möchte der Typ noch auf den Jakobsweg, oder ist er bereits dort gewesen? Zu diesem Zeitpunkt ahnten weder Paul noch ich, dass uns später eine vertrauensvolle Freundschaft verbinden würde.

    _____

    Wenn man anfängt sich mit dem Thema Pilgern zu beschäftigen, sammelt man viele Informationen, um sich auf eine Pilgerreise vorzubereiten. Neben der eigentlichen Frage, warum man überhaupt pilgern möchte, stellt sich die zweckmäßige Frage, wann und wo man dieses machen möchte - oder machen kann. Auch kommt man zwangsläufig zu dem Thema, was zu einer sinnvollen Pilgerausrüstung gehört und findet viele unterschiedliche Meinungen dazu, besonders im Internet.

    Erst als ich in dieser Vorbereitungsphase war, erfuhr ich, dass es nicht nur „den" Jakobsweg, den Camino Frances gibt, den die meisten Jakobspilger von Saint-Jean-Pied-de-Port bis nach Santiago de Compostela pilgern, sondern dass ganz Europa mit einem Netz von Jakobswegen überzogen ist. Egal welchen der vielen Wege man gehen möchte, alle enden letztendlich in der spanischen Region Galizien, in der Stadt Santiago de Compostela.

    In Zeiten, in denen Pilgern wieder im Trend liegt, werden auch alte, in Vergessenheit geratene Wanderwege, die einst zum Jakobsweg gehörten, wiederbelebt und neu ausgeschildert. So ist es denn auch möglich, seine Pilgerreise im schwedischen Helsingborg, dänischen Varde, polnischen Krakau, Budapest, Zagreb, oder Napoli in Italien zu beginnen, um nur einige der vielen alternativen Startpunkte zu nennen.

    Welchen Weg sollte ich gehen? Von wo aus starten? Welche Übernachtungsmöglichkeiten gab es? Was für ein Budget musste ich einkalkulieren? Ich hatte viele Fragen und deshalb wollte ich mich mit anderen Pilgern austauschen, um persönliche Erfahrungen aus erster Hand zu bekommen. So lernte ich über ein Internetforum Gleichgesinnte aus meiner Umgebung kennen. Hanna, Katrin, Ulrika und Gregor waren bereits Camino-Süchtige. Wir trafen uns ab und an in Bremen und planten, gemeinsam in Abschnitten den Jakobsweg von Bremen nach Osnabrück über den sogenannten Pickerweg zu wandern, der ein Teil des Jakobsweges, der Via Baltica ist.

    Das war für mich schon mal ein guter Ansatz um zu erfahren, wie es sich anfühlt mit einem gepackten Rucksack zwischen 20 bis 30 Kilometer am Tag zu laufen. Ich konnte dabei gut meine Ausrüstung testen, Schuhe einlaufen und sehen, wie ich körperlich zurechtkam.

    So machten wir es auch, und egal wie das Wetter war, wir waren auf unseren Drei- bis Vier-Tagewanderungen mit Sack und Pack bei Sonne, Regen und Sturm durch Norddeutschland gepilgert. Übernachtet hatten wir in Herbergen, Klöstern, Gemeindehäusern, sogar einmal in einem Museum, das über alte Gefängniszellen verfügte und Pilger darin übernachten ließ. Trotz aller Anstrengungen hatten wir zusammen viel Spaß auf unseren Pilgertouren.

    Hanna, Katrin und Ulrika waren bereits den Jakobsweg durch Spanien bis nach Santiago de Compostela gepilgert und werden es auch auf anderen Strecken immer wieder tun. Gregor lief den Jakobsweg jedes Jahr in Etappen ein Stück weiter. Nachdem er aus seiner Heimatstadt Oldenburg gestartet war, hatte er es nun fast bis zur spanischen Grenze geschafft.

    Ich war nicht lange das Greenhorn in der Gruppe. Bei einem weiteren Pilgertreffen in Bremerhaven, bei dem wir alle mal wieder zusammen kommen wollten, um einen weiteren Abschnitt des Pilgerwegs in Richtung Köln zu planen, kam Paul dazu und ich erkannte ihn sofort wieder. Er hatte von unserem Treffen aus einem Internetforum erfahren, über das wir unsere Aktivitäten für Gleichgesinnte posteten. Paul, der mittlerweile Pensionär war und viel Zeit hatte, wollte sich auf seinen Camino Frances vorbereiten und hatte kein Zeitlimit für seine Pilgerfahrt, worum wir ihn alle beneideten. Zufälligerweise plante auch er den Beginn seiner Pilgerreise zur gleichen Zeit wie ich im Mai 2015. Auch Katrin wollte etwa zeitgleich mit einer Bekannten auf dem Camino del Norte unterwegs sein, ein Camino, der an der spanischen Atlantikküste entlang verläuft und als eine der anspruchsvollsten Strecken gilt.

    Nach unseren Planungen für den Weg im Mai nach Santiago de Compostela könnte es durchaus sein, dass ich Katrin in Santiago treffen werde. Paul musste über achthundert Kilometer bewältigen und würde, wenn alles gut ging, erst viel später dort eintreffen.

    _____

    Ein Pilger wird als „Fremdling" bezeichnet und geht seinen Weg aus den unterschiedlichsten Motiven. Sind es heute oft Gründe wie: zu sich selbst finden, eine Auszeit nehmen, ein Trauma oder einen Verlust zu verarbeiten oder sich für etwas zu bedanken, liegt der ursprüngliche Grund einer Pilgerreise in religiösen Absichten.

    Und warum begebe ich mich auf eine Pilgerreise? Ich gebe zu, bevor ich 2006 in einem Portugal-Urlaub das Buch von Hape Kerkeling gelesen hatte, wusste ich kaum etwas über das Thema des Pilgerns. Mir war zwar bekannt, dass es einen Jakobsweg gibt und dieser durch Spanien verläuft, mehr wusste ich darüber aber auch nicht.

    Das Buch gefiel mir und ich hatte es schnell durchgelesen. Anschließend konnte ich mir vorstellen, rein theoretisch, irgendwann auch so eine Pilgerreise als Herausforderung anzugehen. Und das wars dann auch schon zu diesem Thema.

    Erst 2012, also sechs Jahre später, nachdem ich das Buch gelesen hatte, entstand der Wunsch, mich auf den Weg zu machen. Wodurch dieser ausgelöst worden war, ist mir auch heute noch nicht so richtig klar. Es war wohl einfach die Zeit dafür gekommen, etwas zu tun, das ich zuvor noch nie gemacht hatte, mich das erste Mal allein auf eine Reise zu begeben, in der vieles nicht geplant werden kann und mich vielleicht jeder Tag vor eine neue Herausforderung stellen wird.

    Ich weiß, dass es irgendwie verrückt klingt und eine rationale Erklärung konnte ich nicht geben, aber in meinem Kopf hatte sich der Gedanke festgesetzt: Mache dich auf den Weg.

    Auch zwei weitere Jahre später war die innere Aufforderung loszugehen immer noch in mir präsent und wurde von Mal zu Mal deutlicher. Ich spürte, dass ich diesen Gedanken nicht aus meinem Kopf bekäme, solange ich mich nicht auf den Weg machte. Manche Pilger beschreiben, dass der Camino sie gerufen hatte. Nun, wenn das so war, so konnte ich das nachempfinden, denn: Ja, auch mich schien etwas auf den Weg zu rufen.

    Und so suchte ich an einem Abend im Oktober 2014 mal wieder auf der Couch mit dem Laptop im Schoß nach Camino-YouTube-Filmen über den Jakobsweg und las Reiseberichte anderer Pilger.

    Um dem inneren Ruf endlich zu folgen, entschied ich Nägel mit Köpfen zu machen und buchte am selben Abend spontan für den 4. Mai 2015 einen Flug von Bremen nach Porto. Der Caminho Portugues sollte mein Weg sein, den man mit seinen ca. 250 Kilometer gut in 14 Tagen schaffen konnte und ich hätte nach Santiago de Compostela noch Zeit für weitere 90 Kilometer um das Cap Finisterre zu erreichen, sofern mir danach sein sollte. Mehr als drei Wochen konnte ich zeitlich mit An- und Abreise nicht einplanen, aber mein erster Schritt zum Pilgern war getan und ich fühlte mich darüber sehr erleichtert.

    Der Camino Portugues gilt unter Pilgererfahrenen als relativ leichter Weg und sollte somit gut für Anfänger, wie ich einer war, geeignet sein. Zudem sollte der Weg noch nicht so stark von Pilgern überlaufen sein, wie ich es viel von dem bekannten Camino Frances gehört hatte.

    _____

    Wir erreichten das Dorf Flögeln und ich war gestresst, weil ich wegen der vielen Vorbereitungen die Zeit aus den Augen verloren hatte und Ingrid warten ließ. Ingrid hatte die Situation erkannt und gut eingefangen. Sie empfing uns im Talar vor dem Eingang der Kirche. Bevor wir mit der Segnung anfingen, machten wir erst einen Rundgang um die alte Dorfkirche. Ingrid strahlte eine innere Ruhe aus und war mental ganz bei der bevorstehenden Segnung. Bei wärmendem Sonnenlicht versuchte ich mich zu entspannen und sammelte meine Gedanken. Ich wollte mich auf den Moment konzentrieren, damit ich den Augenblick und die Segnung bewusst erleben konnte und nicht in tausend anderen Gedanken, die mir im Kopf kreisten, verschwand. Der Moment sollte sich gut und wichtig anfühlen und nicht nur ein Punkt zum Abstreichen auf meiner To-Do-Liste sein.

    Ich werde mich auf einen katholischen Pilgerweg begeben, mit dem Ziel der Kathedrale von Santiago de Compostela, die auf dem Grab des heiligen Apostels Jakobus errichtet wurde. So wird es jedenfalls behauptet. Und dass, obwohl ich im evangelischen Glauben aufgewachsen bin. Ist das nun ein Widerspruch, oder ökumenisch? Diese Frage habe ich mir oft gestellt, als ich mit den Planungen zur Pilgerreise begann.

    Als offener und modern denkender Mensch, der sich schon immer für Wissenschaft und Technik begeisterte, lebte ich auch immer in einem inneren Konflikt mit dem Thema des nicht Beweisbaren, wie es die Religion vermittelt. In meinem Elternhaus war Religion kein großes Thema. Meine Mutter schaute gerne Jesusfilme zu Ostern und das war es auch schon. Meine vaterlose Familie mit drei weiteren Geschwistern war eher mit dem monatlichen Über-die-Runden-kommen beschäftigt, anstatt sich mit Gott und Religion auseinander zu setzen.

    Ich hatte meine ersten Erfahrungen mit der Kirche im Alter von zehn Jahren, als ich das erste Mal ins Kirchen-Kino gehen durfte. Fast jede Woche wurden dort für 50 Pfennig Eintritt im Jugendraum unserer Kirchengemeinde über einen alten, knatternden 16mm-Filmprojektor, Kinderfilme gezeigt. Das Kinderkino war immer gut besucht. Und wir Kinder saßen alle gespannt im Schneidersitz auf dem Fußboden, vor der Auszieh-Leinwand, während die meist alten Schwarz-Weiß-Filme uns in ferne, exotische und meist lustige Welten reisen ließen. Später war ich in einer evangelischen Jugendgruppe aktiv und wir organisierten das Turm-Café, ein Café im Kirchturm der Kreuzkirche in Bremerhaven, das am Samstag zum Wochenmarkt vor der Kirche geöffnet hatte.

    Mit dem Weggang unseres damaligen Diakons Volkmar kam auch das Ende unserer Jugendgruppe. Das war für mich ein klarer Beweis dafür, dass Kirche ein Ort ist, der von den Menschen, die in ihr wirken, gelebt wird, und dass Menschen nicht austauschbar sind. Auch wenn ich trotz meines Engagements kein Kirchgänger war, hat mich das Thema Religion immer fasziniert und ich versuchte mein Wissen darüber mit der Wissenschaft in Einklang zu bringen. Das war und ist bis heute ein Thema, das mich beschäftigt.

    Und so stelle ich mir weiterhin die Fragen: Wenn es Gott gibt, wo ist er dann, und was ist er, sie oder es? Energie? Bewusstsein? Außerirdisch? Materiell? Feinstofflich? Oder bin ich ein Avatar, und somit ein Teil seiner Simulation?

    In Zeiten, in der die Menschheit versucht Quantenphysik zu verstehen, wir Mehrdimensionalität akzeptieren und es bizarre Bewusstseinstheorien zum Boltzmann-Gehirn gibt, in der darüber philosophiert wird, ob unser Universum nur ein Gedanke ist, so muss doch jemand das Universum erdacht haben?!

    Ich weiß, das klingt alles sehr überdreht, aber ich hatte schon immer einen Drang, über den klassischen, anerkannten Dogmatismus, hinweg über den Tellerrand zu blicken und somit meinen Verstand offen zu halten für andere Theorien der menschlichen Existenz.

    Aus welchen Gründen auch immer, ich bin als männliches Wesen in einem christlich orientierten und reichen Land geboren worden. Genauso hätte ich auch als ein verarmter Hindu in Indien das Licht der Welt erblicken können. Ich hatte jetzt die Möglichkeit und den inneren Drang, auf einem Jakobsweg zu pilgern, unabhängig davon, welchen religiösen Unterbau ich habe. Der Weg wird mein Wissen, meine Erfahrungen und mein Bewusstsein hoffentlich bereichern und wenn ich etwas Glück haben sollte, auch die eine oder andere Antwort auf eine meiner vielen Fragen bringen.

    _____

    Wir waren allein in der kleinen Kirche und standen vor dem Altar. Ingrid begann mit einer liebevoll vorbereiteten Segnungszeremonie. So kannte ich Ingrid von den vielen Gottesdiensten, die ich mit ihr erlebt hatte, als sie noch in einer Gemeinde in Bremerhaven Pastorin war. Ingrid war immer ganz in der Liturgie versunken.

    Es war ein feierlicher Moment, als Ingrid Paul und mir ihre Hände auf die Köpfe legte und uns den Segen für unsere Pilgerfahrt gab. Nach einem gemeinsamen Gebet erzählte sie uns die Geschichte von der Wandlung des Saulus zum Paulus. Dabei wurde mir klarer, auf was für eine Reise ich mich begeben werde und welche Bedeutung diese für mich haben kann. Ich überlegte, ob auch ich eine Transformation erleben werde. Wird der Weg mich verändern oder etwas in mir auslösen?

    Ingrid fing an für uns zu singen, ihre Stimme erfüllte das Kirchenschiff und gab der Zeremonie eine besondere, mentale Tiefe. Ich hätte gerne mit Ingrid zusammen gesungen, doch war ich weder text- noch stimmlich stabil genug für diesen feierlichen Moment. Lass los, Klaus, lass es jetzt einfach geschehen, ich muss jetzt nichts machen, dachte ich.

    Ja, es war wichtig für mich, den Weg mit Gottes Segen zu gehen, wer immer er auch sein mag, wo immer er auch ist und es tat mir gut, denn dieser Moment der Ruhe, der inneren spirituellen Einkehr und Entschleunigung war der Schalter, den ich brauchte, um den Alltag hinter mir zu lassen und mich so auf meine bevorstehende Pilgerreise mental einzustimmen. Ich war bereit, mich nun auf den Weg zu machen.

    Mache dich auf den Weg.

    Willkommen, in Porto

    04 Mai 2015

    Meine Schwiegereltern Julia und Harald hatten mich zum Bremer Flughafen gefahren. Mein Flieger sollte kurz nach 15 Uhr starten und da wir noch etwas Zeit hatten, suchten wir in der Flughafenhalle eine Bar, um noch einen Kaffee zu trinken und stärkten uns mit belegten Brötchen.

    Nun war ich am Flughafen und wartete auf das Boarding. Lange hatte ich mich auf diese Reise vorbereitet. Ich hatte Bücher mit Reiseberichten von anderem Pilgern gelesen, YouTube-Filme zum Thema angeschaut, mir viele Gedanken gemacht und mich monatelang immer wieder mit dem Thema Pilgerausrüstung beschäftigt. Jetzt war es soweit und es kam Nervosität in mir auf. Die Gefühle von Freude und Unsicherheit mischten sich. Sicherlich wirkte ich angespannt auf meine Schwiegereltern und die beiden machten auf mich den Eindruck, als ob sie noch nicht so recht entschieden hätten, was sie von meinem Vorhaben halten sollten. Sicherlich dachten sie so etwas wie: „Was hat sich Klaus da nur einfallen lassen?"

    Ich hatte bereits mein etwas zu buntes Wanderoutfit an: dunkle Zipp-Off Outdoorhose, blaue Hardshelljacke und ein orangefarbenes Baseball Cap mit dem Logo der New York Yankees. Das Cap war ein Geschenk von Rolf, einem sehr guten Freund, der einige Wochen zuvor in New York auf Sightseeing-Tour gewesen war und es extra für meine Pilgertour in Brooklyn als Mitbringsel für mich gekauft hatte.

    Es war soweit und der Check-in stand an. Wir gingen zur Gepäckaufgabe, wo ich meinen Rucksack abgab. Diesen hatte ich in einer blauen Ikea Frakta Tasche verstaut, denn an manchen Flughäfen muss man seinen Rucksack so verpacken, dass die Gurte sich nicht in den Transportbändern verhaken können. Diesen Tipp hatte ich aus einem Pilgerforum im Internet. Diese Lösung war einfach, praktisch und günstig. Da die Tasche sehr leicht und kompakt war, ließ diese sich auch nach dem Flug problemlos im Rucksack verstauen. Zudem könnte ich sie im zusammengefalteten Zustand auch auf meiner Wanderung als Sitzunterlage einsetzen.

    Mit einer herzlichen Umarmung verabschiedeten wir uns voneinander und ich betrat den Sicherheitsbereich. Julia machte ein etwas besorgtes Gesicht, als ich durch die Sicherheitskontrolle ging. Wir winkten uns nochmal zu und ich verschwand in der Wartezone des Gates.

    Hier suchte ich mir einen Sitzplatz, spielte mit dem Smartphone und beobachtete das Eintreffen der anderen Passagiere. Irgendwie musste ich mir ja die Zeit vertreiben. Dann fiel mir ein, dass ich vergessen hatte, ein Foto von Julia, Harald und mir zu machen und jetzt war es zu spät. Schade, dachte ich, die Dokumentation meiner Reise fing ja schon mal „gut" an und die beiden waren bestimmt auch schon auf dem Weg in die Bremer Innenstadt, wo sie noch bummeln wollten.

    Der Flieger startete pünktlich und ich hatte einen guten Sitzplatz am Notausgang mit viel Beinfreiheit. Diesen kleinen Luxus hatte ich mir bei der Buchung gegönnt. Der Flug dauerte etwa drei Stunden und war überraschend angenehm. Auch der Service war freundlich und funktionierte für einen Billigflug erstaunlich gut. Ich kann mich an Flüge von Bremen nach Faro mit der gleichen Airline erinnern, die alles andere als angenehm verliefen und durch die geringe Beinfreiheit für mich zur Tortur wurden. In Porto herrschte ein sehr starker Regen mit viel Wind, wodurch die Landung etwas ruppig verlief. Nach dem Ausstieg aus dem Flieger und einem kurzen Fußmarsch über das Flugplatzgelände zum Terminal war ich schon mal klitschnass. Natürlich befand sich meine Regenjacke gut verstaut im Rucksack, den ich nun erstmal vom Gepäckförderband abholen musste. Porto hat einen schönen, modernen Airport und als ich an der Gepäckausgabe meine blaue Ikea Tasche holen konnte, befreite ich meinen Rucksack daraus, verstaute die ordentlich gefaltete Tasche im Bodenfach des Rucksacks, schnallte meinen Wanderstock an einen der vielen Gurte, zog meine Regenjacke über und machte mich auf die Suche nach der Metrostation.

    Vor den Ticketautomaten für die Metro stand ich erst einmal mit etlichen Reisenden in einer Schlange und wartend schaute ich den Leuten vor mir am Automaten aufmerksam zu, um schon mal zu sehen, wie das hier funktionierte. Hoffentlich ist das Automaten-Menü mehrsprachig, dachte ich, denn außer „Obrigado, also Danke" kannte ich kein weiteres Wort Portugiesisch. Ich bemerkte eine junge Frau in Uniform, die allen Reisenden vor den Automaten freundlich und hilfsbereit zur Seite stand. Toller Service, dachte ich mir. Nun war ich an der Reihe und hielt auch ohne Hilfe nach wenigen Augenblicken mein Metro-Ticket in der Hand. Die Hürde war schon mal geschafft, und nun ging es weiter zur Linie „E" Richtung Stadtmitte mit dem Ziel Porto Bolhåo.

    In einem modernen Metro Zug fuhr ich in das Stadtzentrum von Porto und als ich eine halbe Stunde später aus dem Untergrund wieder ans Tageslicht kam, stürmte und regnete es immer noch heftig weiter.

    „Das ist dann wohl mein: Welcome Caminho Wetter", schmunzelte ich in mich hinein. Zuhause hatte ich den Wetterbericht der kommenden Tage für diese Region gecheckt und das Wetter sollte sich in den kommenden Tagen bessern. Auf diesen Abschnitt der Reise konnte ich mich dank Google Streetview noch gut vorbereiten, denn ich wusste, wie es hier aussehen und weiter gehen würde.

    Ich stand an einer Kreuzung im Zentrum von Porto und gegenüber war die mit Kacheln verzierte Kirche Capella das Almas. Ein markantes Gebäude, das von vielen Caminho Portugues Pilgern, die hier ankommen, obligatorisch fotografiert wird. Also schoss

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1