Mit Kindern auf dem Jakobsweg
Von Frank Rose
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Über dieses E-Book
Was die vier auf ihrem Weg erlebten, beschreibt Frank Rose: eine Wanderung mit vielen Entdeckungen, Zuneigung, tiefen Gefühlen, der einen oder anderen Träne und eine Reise zueinander, wie sie intensiver nicht hätte sein können. Dieses außergewöhnliche Buch beinhaltet neben dem persönlichen Erfahrungsbericht nicht nur wichtige Informationen für die Wanderschaft auf dem Jakobsweg mit den Jüngsten, das sind unter anderem Reiseroute, Unterkunfts- und Ausrüstungslisten sowie Hinweise zum Erste-Hilfe-Pack, sondern auch das Tagebuch und die Zeichnungen eines jungen Pilgers sowie allerhand Geschichtliches rund um den Pilgerweg und dessen Namensgeber.
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Buchvorschau
Mit Kindern auf dem Jakobsweg - Frank Rose
Vorwort
Seit geraumer Zeit erfreut sich das Pilgern auf dem Jakobsweg großer Beliebtheit, nicht zuletzt aufgrund von Büchern wie Paolo Coelhos »Auf dem Jakobsweg« oder Hape Kerkelings »Ich bin dann mal weg«. Mittlerweile sind es jährlich Tausende Menschen, die mit den unterschiedlichsten Gründen und Intentionen »im Gepäck« in Richtung Santiago de Compostela unterwegs sind. Und eines ist dabei allen gemein: Mit jedem geschafften und oft »hart erkämpften« Kilometer steigt die Faszination, die der Jakobsweg auf die Wanderer ausübt!
Irgendwann stellte sich auch mir die Herausforderung Jakobsweg, doch nicht aus Eigeninitiative: Im Sommer 2012 fragte mich meine damals 15-jährige Tochter, die ebenfalls von diesem »Hype« gehört hatte, ob wir nicht gemeinsam diese Wanderung in Angriff nehmen wollten. Ich entgegnete, erstaunt über ihren meines Erachtens doch mutigen Vorschlag, dass der Jakobsweg mehrere hundert Kilometer lang sei und es sich daher durchaus um ein ernsthafteres Unterfangen handeln würde, erst recht für Kinder beziehungsweise Jugendliche. Sie erwiderte jedoch lapidar, dass sie sich umfassend informiert habe und wir lediglich die letzten 100 Kilometer des gesamten Weges wandern müssten, um die begehrte Pilgerurkunde zu erhalten. Zunächst fand ich ihren Vorschlag, nur den letzten »kleinen« Rest zu laufen, ziemlich »billig«, um nicht zu sagen unspektakulär. Nach reiflichem Nachdenken wurde mir jedoch klar: Wenn meine Kinder auf diese einfache Weise zu motivieren sind, mit ihrem Vater »wandern« zu gehen, dann sollten wir das auch so machen. Dieses Argument sprach letztlich eindeutig dafür, dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen! – Meine Tochter konnte dann auch sehr schnell ihre zwei jüngeren Brüder begeistern, bei diesem Unterfangen dabei zu sein. Und so vereinbarten wir vier, überzeugt von unserem Plan, ein Jahr später in Richtung Spanien aufzubrechen.
Als es jedoch soweit sein sollte, war die Situation folgende: Meine Tochter hatte zwischenzeitlich, trotzdem es ihr eigener Vorschlag war, die Lust an dem Unternehmen verloren beziehungsweise diesbezüglich äußerst »unpraktische« Vorstellungen entwickelt, beispielsweise das Wandern mit Flipflops oder modischen Pumps mit besonders großen Absätzen sowie das Ersetzen eines langweiligen und vermutlich schnell unansehnlich werdenden Rucksacks durch ein schickes Damenhandtäschchen. Letztlich entschied sie sich dazu, die Sommerferien doch lieber bei ihrer Großmutter in Freiburg zu verbringen, was für sie glücklicherweise auch zu einer großartigen Erfahrung werden sollte.
Statt ihrer begeisterte sich der Sohn meines Bruders für unser Vorhaben, und so brachen wir schließlich in folgender Formation und fast völlig ohne jede weitere Planung gen Spanien, nach Santiago de Compostela auf: drei Jungen im Alter von 12-14 Jahren und ich! Es folgten zwei mit kleineren und größeren Abenteuern und vielen unglaublichen Erlebnissen gefüllte Wochen, die mich so eng wie nie zuvor mit meinen Kindern verbanden.
Das gemeinsam Erlebte war zwar begleitet von eher sehr einfachen äußeren Umständen, doch die Erfahrungen waren sehr intensiv und im Resultat so wirksam, dass ich wirklich jedem Elternteil nur ans Herz legen kann, dies oder etwas Ähnliches mindestens einmal mit den eigenen Kindern zu unternehmen. So habe ich dieses Buch, diesen Leitfaden geschrieben, um anzuregen und aufzumuntern, in ein Abenteuer aufzubrechen und den oft als eintönig empfundenen Alltag, der überwiegend leider eher ein Nebeneinanderher als ein wirkliches Miteinander bedeutet, einmal hinter sich zu lassen – mit der Familie, vor allem mit den eigenen Kindern.
Frank Rose im April 2014
Wissenswertes rund ums Pilgern auf dem Jakobsweg
Auf dem langen Weg nach Santiago de Compostela bleibt es natürlich nicht aus, verschiedenste Menschen kennenzulernen. So kam ich bei einem gemeinsamen Abendessen mit anderen Pilgern ins Gespräch mit Patrick aus Süddeutschland. Er war Theologe, ich hatte also sozusagen einen »Mann vom Fach« neben mir sitzen, und er erzählte mir, der sich vorm Aufbruch zu diesem Abenteuer so gut wie gar nicht über historische Hintergründe dieses Pilgerweges informierte, so einiges Interessantes über den Jakobsweg, auch von dessen vorchristlicher Geschichte. Anfangs war ich diesbezüglich doch eher skeptisch, lies mich aber dann von seinen Erläuterungen begeistern, die ich dann später, wieder zu Hause in Düsseldorf, von der einschlägigen Literatur und von Angaben im Internet bestätigt wissen wollte, um sie hier in aller Kürze darzustellen.
In grauer Vorzeit
Lange vor der Verbreitung des Christentums, und somit viel früher als die erste urkundliche Erwähnung des Weges, »der seit alten Zeiten von Pilgern des heiligen Jakobus und Peter und Paul begangen« wurde, im 11. Jahrhundert, wallfahrteten bereits Menschen über einen nordspanischen Weg, der vom Verlauf her in etwa dem Jakobsweg entsprochen haben durfte, in Richtung Atlantik. Ihr Ziel war jedoch nicht, wie das der heutigen (christlichen) Pilger, Santiago de Compostela, und ihr Weg trug auch einen anderen Namen. Unsere Urahnen, die Kelten, pilgerten über den sogenannten »Sternenweg« ihrer Vorstellung nach an das Ende der Welt, um ihren verstorbenen Ahnen näherzukommen. Was etwas romantisch verklärt klingt, beruht allerdings durchaus auf Fakten mit einem ganz realen Hintergrund: Im Weltbild der Kelten war der Sternenweg ein Wegweiser und Kompass für die Seelen der Verstorbenen. Er sollte ihnen quasi den Weg ins Paradies weisen, das am Ende der damals bekannten beziehungsweise sich vorgestellten Welt lag. Dieser Endpunkt war an der Westküste Spaniens verortet, im heutigen Finisterre – der Name ist aus dem Lateinischen abgeleitet und bedeutet tatsächlich das »Ende der Erde«. Dort, hinter dem Horizont, so glaubten die Kelten, lagen die Inseln der Seelen Verstorbener, und dort, wo heute Finisterre liegt, war der diesen am nächsten gelegene weltliche Ort. Die Reise dorthin war gleichsam eine Art Auseinandersetzung mit dem Diesseits und dem Jenseits, also mit dem Leben und dem Tod.
Pilgerschaft und Christentum
Der Jakobsweg, so wie er sich heute darstellt, entstand erst im 9. Jahrhundert nach Christus, also viele hundert Jahre nach den keltischen Wanderungen. Umbrüche in ganz Europa, der Zerfall des Römischen Reiches, die Völkerwanderungen, Krieg und die Christianisierung Europas ließen den uralten Weg schließlich ganz in Vergessenheit geraten.
Nach langer Zeit und unter wunderlichen Umständen wurden in der nordwestlichsten Ecke Spaniens die sterblichen Überreste – der Legende nach sogar der gesamte Leichnam – Jakobus (oder Jakob) des Älteren, der einer der zwölf Apostel Jesu war und auf der Iberischen Halbinsel Missionsarbeit geleistet haben soll, entdeckt. Später wurde Jakobus zum Schutzheiligen der Könige von Asturien und danach von Leòn erhoben, doch beschränkte sich die Verehrung des Heiligen territorial zunächst auf Kantabrien.
Unter dem Einfluss der »Reconquista«, der Rückeroberung der von den Mauren gewaltsam besetzten Gebiete Spaniens durch die christliche Bevölkerung, die mit einer Rebellion gegen die Diktatur der muslimischen Herrscher in Asturien begann und 1492 mit dem Sturz des letzten verbliebenen Emirates in Granada und der Vertreibung der Moslems und Juden aus Spanien endete, bildete sich im 11. und 12. Jahrhundert eine neue, große Pilgertradition im christlichen Westeuropa. An den aus heidnischer Zeit bekannten alten Kultstätten wurden im Zuge der Christianisierung entsprechende Bauten errichtet; Kirchen, Klöster und Kathedralen wurden entlang des Pilgerweges gebaut, die fromme Landbevölkerung stellte Reliquien auf. Und Santiago de Compostela avancierte neben Rom und Jerusalem zu einer der drei größten Pilgerstätten. Im 15. Jahrhundert wurden zusätzlich noch besondere Gnadenjahre eingeführt, die dem gläubigen Pilger – im Gegensatz zu den anderen Jahren, in denen nicht alle Sünden vergeben wurden – einen kompletten Sündenablass gewährten, was fast einer Generalabsolution gleichzusetzen war. Durch die Aussicht auf die Möglichkeit, mit einer Pilgerreise alle gesammelten Sünden der letzten Jahre loszuwerden, strömten nun auch Gläubige aus ferneren Gegenden Europas, so aus Skandinavien oder Polen, nach Santiago.
»Pilgerschreine« wie dieser sind entlang des Jakobsweges einige zu entdecken. Sie werden bestückt mit Bildern, Briefen, Wünschen usw. Sie vereinen Geschichtliches und Gegenwärtiges, sie sind eine Mischung aus religiöser Frömmigkeit, Aberglaube und der allgemeinen stillen Hoffnung auf Wunscherfüllung.
Neuzeit und Moderne
Zu Beginn der Neuzeit verfiel der Pilgergedanke zunehmend. Innereuropäische Konflikte und Kriege trugen ihr Übriges dazu bei, dass die Pilgerzahlen in Santiago mehr und mehr sanken. Nur noch wenige Gläubige verirrten