Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Austern für den Grafen: Ein Kriminalfall im historischen Weilburg
Austern für den Grafen: Ein Kriminalfall im historischen Weilburg
Austern für den Grafen: Ein Kriminalfall im historischen Weilburg
eBook241 Seiten3 Stunden

Austern für den Grafen: Ein Kriminalfall im historischen Weilburg

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Sophie Gamier macht sich auf den Weg in die pittoreske Residenzstadt Weilburg an der Lahn. Mit im Gepäck hat sie ein Rätsel aus der Vergangenheit ihrer Familie von vor über 300 Jahren, von dem sie nicht weiß, ob sie es in Weilburg überhaupt lösen kann.
In dieser Zeit lebte und arbeitete Nolan Gamier am Hofe des absolutistischen Grafen Johann-Ernst von Nassau-Weilburg. Nolan wird in die Intrigen und Machenschaften des höfischen Alltages verstrickt, weil er einem Geheimnis auf der Spur ist...
Detailreich und profunde recherchiert, schafft es der Autor, das höfische Leben in der Barockzeit von Weilburg zu zeichnen und den Leser mit auf eine geheimnisvolle Zeitreise einzuladen.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum17. März 2020
ISBN9783748254683
Austern für den Grafen: Ein Kriminalfall im historischen Weilburg

Ähnlich wie Austern für den Grafen

Ähnliche E-Books

Thriller für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für Austern für den Grafen

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Austern für den Grafen - Thomas Hemp

    Sophie steht am schmiedeeisernen Gitter, das den verschlossenen Eingang zu einer Gruft bildet. Über den Friedhof in der Nähe von Naumburg in Sachsen weht ein erster, kalter Herbstwind und vertrocknete Blätter der Linden sammeln sich vor den Grabsteinen. Sophie zieht den Kragen ihres Mantels ein klein wenig mehr nach oben, um dem kühlen Wind etwas entgegenzuwirken.

    Gebannt starrt sie schweigend auf die Inschrift über dem Eingang der Gruft. „Gamier 1745" steht dort in frisch restaurierten Buchstaben geschrieben. Dies ist der Mädchenname von Sophie.

    Sie kann immer noch kaum glauben hier zu stehen, vor einer Gruft, die ihren Vorfahren von vor über 250 Jahren zugeschrieben wird. Vor einigen Monaten hatte das Landesdenkmalamt von Sachsen bei der Restaurierung des Kirchenareales und des dazugehörigen Friedhofs die Auflage gemacht, die kleine Kapelle, die eine Gruft unter sich birgt, zu erhalten. In den Zeiten der DDR wurden solche Bauten vernachlässigt. So wurde die Tür der Kapelle zugemauert und das kleine Gebäude geriet in Vergessenheit, bis Pfarrer Jakobsen, nach scheinbar endlosen Jahren, 2009 endlich die Gelder bekam, um mit der Restaurierung seines kleinen Kirchengeländes zu beginnen. Mit dem Geldsegen flatterte aber auch ein Stapel Auflagen des Denkmalschutzes ins Haus, die auch noch die gegenwärtig anstehenden Arbeiten nicht immer erleichterten. Im Falle der Gruftkapelle stellt das für Sophie ein großes Glück dar. Durch die Instandsetzungsarbeiten öffnet sich für sie nun ein Fenster in ihre Vergangenheit, von dem sie bis vor wenigen Wochen nicht das Geringste geahnt hatte.

    „Welch ein Zufall gerade jetzt", denkt sie. Im vorigen Jahr hätte sie nur schwer Zeit gefunden, sich ihrer Familiengeschichte zu widmen. Stand da die Scheidung von ihrem Mann an, mit der ihre Ehe vor zwei Monaten ein nicht gerade rühmliches Ende gefunden hatte. Zu ihrem Glück war ihre Tochter schon in dem Alter, ihren eigenen Weg zu gehen. Sie hatte vor etwa einem halben Jahr eine Anstellung als Aupair in Frankreich begonnen und war nun dabei, die Welt für sich zu entdecken.

    Nach ihrer Scheidung ist Sophie selbstbewusster geworden. Sie hat ihren Mädchennamen Gamier wieder angenommen und beginnt es zu genießen, auf eigenen Beinen stehen zu können. Die schlanke, sportlich wirkende Frau, der man ihre 45 Lebensjahre kaum ansieht, trägt seit ein paar Monaten auch ihre Haare wieder kurz. Einige gegelte Strähnen hängen ihr ins Gesicht und unterstreichen ihr sportlich-freches Aussehen, genau wie ihr schmales, vom letzten Sommer noch leicht gebräuntes Gesicht mit den hohen Wangenknochen.

    Schmale Lippen geben ihr eine gewisse Strenge, die aber bei einem jetzt wieder öfter auftauchenden Lächeln völlig verschwindet. Dass sie ab und zu eine Zigarette raucht, ist das einzige Laster, das aus dem letzten, stressreichen Jahr zurückgeblieben ist.

    „Um 14 Uhr wollte er hier sein", hatte Pfarrer Jakobson zu ihr am Telefon gesagt und sie schaut ungeduldig auf ihre Armbanduhr, die viertel nach zwei zeigt. Sie kann ihre Aufregung kaum unterdrücken und nestelt eine Zigarette aus einem Päckchen, zündet sie mit einem tiefen Zug an, wahrscheinlich um sich zu beruhigen, kann aber ihre Aufregung auch damit nicht dämpfen.

    Sophies Blick gleitet durch das Gitter in das quadratische Innere der Kapelle. Sie nimmt das nachtblaue mit goldenen Sternen in frischem Glanz erstrahlende Deckengewölbe wahr. An der hinteren Wand befinden sich vier Holztafeln mit goldener Inschrift. Auf der ersten steht:

    Francois Gamier 1672 – 1748.

    Auf der zweiten:

    Agnes Gamier, geb. Schelmen vom Berg 1678 – 1745.

    Auf der dritten:

    Elisabeth Gamier, geb. Behringer 1693 - 1768

    und auf der vierten schließlich:

    Nolan Gamier 1689 – 1769.

    In der Mitte des steinernen Bodens ist eine Öffnung zu erkennen. Vier schwarz gestrichene geschmiedete Pfosten, an jeder Ecke mit Eisenketten dazwischen, grenzen die Öffnung ab.

    „Kaum zu glauben, dass ich Vorfahren hatte, die sich eine solche Begräbnisstätte leisten konnten, von der Mutter und ich keine Ahnung hatten", denkt Sophie gerade, als sie eine atemlose Stimme vernimmt.

    „Entschuldigen Sie bitte vielmals."

    Sophie dreht ihren Kopf der Stimme entgegen. Eilig drückt sie ihre Zigarette in einem kleinen Klappaschenbecher aus, den sie immer bei sich hat. Ein Mann Mitte fünfzig kommt ihr eilig entgegen. Der Pastorenkragen am schwarzen Anzug lässt ihn Sophie als Pfarrer Manfred Jakobsen erkennen, bevor er sich vorgestellt hat.

    „Verzeihen Sie meine Verspätung, beginnt Jakobsen, als er Sophie erreicht hat, „ich hatte ein Traugespräch, welches sich etwas in die Länge gezogen hat. Er reicht Sophie die Hand und kommt wieder zu Atem.

    „Nicht schlimm, entgegnet Sophie, „ich habe nicht lange gewartet und nun sind Sie ja da. Vielen Dank, dass Sie sich die Mühe gemacht haben, mich ausfindig zu machen.

    „Kein Problem, das war nicht so schwer, antwortet Jakobsen lächelnd. „Die Kirchenbücher unserer Gemeinde sind nicht dem Sozialismus zum Opfer gefallen.

    Sophies Mutter war vor drei Jahren gestorben und Sophie hatte sich um die Beerdigung gekümmert.

    Sophie war mit ihr 1989 direkt nach dem Mauerfall in den Westen gegangen. Ihr Vater war schon 10 Jahre zuvor mit dem festen Versprechen, die Familie nachzuholen, geflohen. Ihre Mutter hatte daraufhin alles, was nicht in zwei Koffer passte, verkauft. Jahre saßen sie und ihre Mutter auf gepackten Koffern und erduldeten das Martyrium von Stasiverhören und Drangsalierungen. Ihre Mutter hörte nie wieder etwas von ihrem Mann. Als Sophie schließlich in den Westen kam, fand sie heraus, dass ihr Vater kurz nach seiner Flucht eine neue Beziehung begonnen hatte und seine alte Familie schlichtweg vergessen hatte. Vor zwei Jahren war er dann, wie sie erst später erfahren hatten, verstorben.

    „Ich schließe Ihnen die Kapelle auf", sagt Jakobsen und kramt einen großen, verrosteten Schlüssel aus seiner Anzugtasche hervor, der erstaunlich gut in das Schloss des schmiedeeisernen Gitters passt. Mit metallischem Quietschen schiebt der Pfarrer den rechten Flügel des Gitters auf, tritt einen Schritt zur Seite und fordert mit einer Handbewegung Sophie zum Eintreten auf. Die Blicke von Sophie und Pfarrer Jakobson kreuzen sich kurz. Schließlich tritt Sophie hinter ihm in das Innere der Kapelle. Sie nimmt den Geruch von frischem Putz und Farbe wahr. Als sie an die Öffnung im Boden in der Mitte, abgesperrt durch die Ketten, herantritt, kann sie vier Särge aus schwarz gefärbtem Holz erkennen, die auf einem vom Boden erhöhten Podest stehen und nicht, wie der Rest der Kapelle, gerade frisch restauriert scheinen. Eher machen sie einen desolaten Eindruck, als seien sie von den Restaurierungsarbeiten bisher ausgespart geblieben.

    Sophie wird es etwas mulmig. Dort in den Särgen liegen ihre leiblichen Vorfahren. Der Seelsorger erkennt die Situation und ergreift das Wort.

    „Das schwierigste Unterfangen bei der Restaurierung unseres Kirchenareals war die Instandsetzung dieser Gruftkapelle", beginnt er.

    „Als wir den zugemauerten Torbogen der Kapelle öffneten, war alles ziemlich verfallen. Die Holztafeln waren verwittert und die Farben abgeblättert, hatten aber glücklicherweise geschnitzte Inschriften, sonst wäre der Text verloren gewesen. Wir wollen aber sicher sein, wer in welchen Särgen liegt. So beschloss das Denkmalamt, die Särge öffnen zu lassen, um anhand der sterblichen Überreste eine Zuordnung möglich zu machen. Es war jedoch klar, dass zunächst nach Nachfahren gesucht werden sollte, was mir durch Eintragungen in Kirchenbücher gut gelungen ist. Wie ich Ihnen angekündigt habe, wird das Team der Konservatoren des Denkmalamtes morgen eintreffen und mit ihrer Arbeit beginnen. Nehmen Sie sich also heute genügend Zeit, Ihre „neue Vergangenheit kennen zu lernen. Soll ich Sie einen Moment alleine lassen?

    Die Worte des Pastors beruhigen Sophie tatsächlich etwas, dennoch will sie jetzt nicht alleine sein und schüttelt nur kurz den Kopf.

    Eine Stunde später sitzt Sophie bei Pastor Jakobsen vor einer dampfenden Tasse Kaffee, die sie mit beiden Händen fest umschließt und so die angenehme Wärme spürt, die in ihre kalt gewordenen Hände kriecht. Der Pastor hatte sie in sein Haus eingeladen, um den Ablauf des morgigen Tages mit ihr zu besprechen. Sophie fühlt sich ohnehin von den Ereignissen überrollt und war daher der Einladung gerne gefolgt.

    „Das Team der Konservatoren wird morgen gegen 10 Uhr auf dem Friedhof eintreffen", beginnt Jakobsen das Gespräch.

    „Nach der Vorbesichtigung und den Gesprächen, die ich mit dem Team führen konnte, werden sie sehr schnell mit der Öffnung der Särge beginnen können. Ich möchte, dass Sie wissen, dass Sie wahrscheinlich kein schöner Anblick erwarten wird. Vielleicht warten Sie abseits und kommen dann dazu…?" schlägt der Pastor vor.

    Sophie ist froh, dass sich jemand um die Planung kümmert. Von ihrem Beruf als selbständige Steuerberaterin hat sie sich ein paar Tage frei genommen, um sich dem neuen und ungewohnten Einblick in ihre Familiengeschichte widmen zu können.

    „Ich glaube, das ist eine gute Idee. Ich möchte mich aber morgen entscheiden", entgegnet sie. Zu erfahren, dass es eine Gruftkapelle von Vorfahren ihrer Familie gibt und dann noch die Aussicht, in den Särgen ihrer sterblichen Überreste sehen zu können, steigert nicht gerade ihre Entscheidungsfreudigkeit und sie ist froh, dass sie sich zunächst in die Sicherheit ihres Hotelzimmers zurückziehen kann.

    Gegen 09.30 Uhr am nächsten Morgen holt Jakobsen sie im Hotel ab, um gemeinsam auf den Friedhof zu fahren. Die Nacht brachte ein wenig Ruhe für Sophie und sie fühlt sich nun etwas sicherer für die folgenden Ereignisse des Tages.

    Am Friedhof angekommen bemerken beide zwei Fahrzeuge. Es sind Kastenwagen von der Größe, wie sie von Paketdiensten benutzt werden. Eines trägt den Schriftzug des Landesdenkmalamtes auf der Tür, das andere den der gerichtsmedizinischen Abteilung der Universität Leipzig. Mit gespannter Neugierde verlassen sie das Auto des Pastors und nehmen am Eingang der Gruftkapelle eine Gruppe von Personen wahr. Ein Teil von ihnen ist mit Einmalanzügen, Gummihandschuhen und Mundschutz bekleidet.

    „Wie in einem Krimi am Tatort", schießt es Sophie durch den Kopf und wundert sich gleichzeitig über diesen Gedanken, hat doch das Ereignis einen hohen persönlichen und emotionalen Bezug zu ihr.

    Aus der Gruppe an der Gruft nimmt eine Person die Ankommenden wahr und gibt ihr Schreibbrett an ihren Nachbarn weiter, um auf Sophie und den Pastor mit schnellen Schritten zuzukommen.

    „Sie müssen Frau Gamier sein, sagt die Frau in einem Einmalanzug zu Sophie und reicht ihr die Hand. Mit einem Kopfnicken und „Herr Pastor wird Jakobsen begrüßt.

    „Mein Name ist Doktor Brinkhorst. Wir sind von der Landesdenkmalpflege und mit der Restaurierung dieser Gruftkapelle von der Landesdenkmalpflege beauftragt. Sie gehört zu diesem wunderbaren Ensemble der Kirche und des Friedhofs."

    Während sie noch die Hand von Sophie hält, lässt sie ihren Blick über das Gelände schweifen, das zu ihrer Aufgabe gehört. Einen Moment braucht sie, um sich wieder zu sammeln.

    „Verzeihung, wo bin ich mit meinen Gedanken? Es geht ja heute um die Graböffnung Ihrer Vorfahren, entschuldigen Sie bitte. Wir haben zur Öffnung der Särge ein gerichtsmedizinisches Team angefordert, das den Zustand und die nötigen Maßnahmen zur Konservierung der Leichname beurteilen und einleiten kann.

    Sophie fühlt sich wieder etwas von der Situation überrollt, doch bevor das Gefühl sich ausbreitet, fährt Dr. Brinkhorst fort.

    „Vielleicht gehen wir in unser Fahrzeug und ich erkläre Ihnen zunächst einmal, was die Recherchen über Ihre Vorfahren ergeben haben. Wenn das Team soweit ist, werden wir verständigt."

    Sophie ist froh über diesen Vorschlag und der Gedanke über ihre Vorfahren etwas zu erfahren, macht sie neugierig und lenkt sie ab. Auf dem Weg zum Kastenwagen des Denkmalamtes gibt Frau Dr. Brinkhorst noch ein paar Anweisungen an ihre Mitarbeiter und zieht dann die Schiebetür des Fahrzeuges auf. Sophie und der Pastor setzen sich auf eine Sitzbank, während die Doktorin gegenüber Platz nimmt. Auf dem Tisch in der Mitte befinden sich einige Aktenordner, von denen Dr. Brinkhorst einen herauszieht, aufschlägt und gleichzeitig eine Lesebrille auf ihrer Nase justiert.

    „Möchten Sie vielleicht beide einen Kaffee, bevor ich beginne?", schaut sie beide fragend über den Rand ihrer Brille an. Beide nicken kurz mit dem Kopf.

    „Gerne", erwidert Sophie und der Pastor nickt ebenfalls. Die Doktorin kramt zwei Kaffeebecher, Dosenmilch und Zucker aus einem Schrank in der Seite des Kastenwagens. Als der warme Kaffee aus einer Thermoskanne in die Becher gefüllt wird, verströmt der Geruch etwas Anheimelndes im Inneren des Fahrzeuges. Nun verspürt Sophie eine spannende Neugierde auf das, was sie über die Ahnen ihrer Familie erfahren wird.

    „Agnes Gamier", beginnt Frau Brinkhorst, „war eine geborene Schelmen vom Berg. Zu ihrer Zeit, Anfang des 17. Jahrhunderts, war sie die vierte Tochter einer Landadelsfamilie dieser Region, die hier überwiegend von den Einkünften ihrer verpachteten Ländereien und von der Forstwirtschaft lebte. Francois Gamier ist dem Namen nach hugenottischen Ursprungs und kam, nach unseren Recherchen, um 1705 in diese Gegend. Vormals hatte er eine Anstellung als Meyer, also Verwalter eines Gutshofes, in der Residenzstadt Weilburg, der Grafschaft Nassau-Weilburg. Nach unseren Aufzeichnungen gab er diese aber aus unbekannten Gründen auf, bevor er hierher übersiedelte. Francois und Agnes heirateten 1710, nachdem Francois als Verwalter zwei Jahre im Dienst der Familie stand. Sie hatten drei Nachkommen und brachten es, wie man auch an der wertvollen Gruftkapelle sieht, zu nicht unerheblichem Wohlstand.

    Etwas nebulöser ist die Spur von Nolan Gamier und Elisabeth Gamier, geb. Behringer. Von ihnen gibt es keine Aufzeichnungen, außer dass sie mit Francois Gamier hier 1705 eingetroffenen sind. Erst mit der Grablegung treten sie wieder in Erscheinung."

    Sophie saugt all diese Informationen mit weiten Augen auf. Der Pastor lehnt in der Ecke der Sitzbank mit seinem Kaffeebecher in der Hand und es scheint fast so, als habe er ein wachsames, fürsorgliches Auge auf die Situation.

    Die Doktorin ist nun voll in ihrem Element. In der nächsten Stunde werden Stammbäume und Geburtsurkunden vorgeführt und erläutert. Plötzlich unterbricht ein Klopfen an der Schiebetür das Geschehen. Frau Brinkhorst schaut erschreckt durch die Unterbrechung über ihre Brille, fasst sich dann und löst den Mechanismus der Tür von innen. Ein Mitarbeiter des Landeskriminalamtes mit heruntergezogenem Mundschutz steht an der Tür und sagt: „Wir wären dann soweit… ."

    „Äh…, ja sofort…, wir kommen", entgegnet Frau Brinkhorst.

    Nolan blickt durch den Torbogen des Weilburger Schlosses seinem Vater Francois hinterher, der soeben die beiden Wachposten passiert hat, die mit Gewehr, Bajonett und Säbel bewaffnet am schweren mit Eisennägeln beschlagenen Tor stehen.

    Nolan steht mit einem Fuß auf der Treppe zur Küche, direkt hinter dem Eingang zur Wachstube. Mit seinen etwas über sechzehn Lebensjahren ist er schlank gewachsen. Seine olivbraune Haut verrät, genau wie seine kohlschwarzen Augen und seine langen, lockigen, kastanienfarbigen Haare, die er zur Bändigung immer hinten zu einem kurzen Zopf zusammenbindet, ein bisschen die Herkunft aus Südfrankreich, wo seine Flucht gemeinsam mit seinem Vater als Hugenotten begonnen hatte. Sein schmales Gesicht wird oft, trotz der Strapazen der Flucht der beiden letzten Jahre, von einem freundlichen Lächeln aufgehellt. Über seinen Lippen sprießt ein erster, dunkler Bartflaum, der deutliches Anzeichen dafür ist, dass Nolan erwachsen wird.

    Ein Küchenjunge mit Holzschuhen drängelt sich mit eiligen, klappernden Schritten an ihm vorbei und bahnt sich den Weg in die Küche. In beiden Händen hält er an den Füßen zusammengebundene Fasane. Sein eiliges Vorbeidrängeln lässt Nolan vermuten, dass er den Auftrag eines Küchenmeisters nicht mit der gebotenen Eile erledigt hat.

    Geschäftiges Klappern von Kochgeschirr und Stimmengewirr dringt aus der Küche zu ihm hinaus.

    Schnell sucht aber nun sein Blick erneut seinen davonziehenden Vater. Nach einem kurzen Fußmarsch wird dieser wieder den gräflichen Hof Wehrholz erreichen. Hier war bis heute Nolans Zuhause.

    Nolans Vater war hier vom Kanzleidirektor Plönnies, einen obersten Verwaltungsangestellten des Grafen Johann Ernst zu Nassau-Weilburg, als Meyer zur Bewirtschaftung des Hofes oberhalb von Weilburg in die Dienste der gräflichen Kanzlei genommen worden. Der Hof erwirtschaftet allerlei landwirtschaftliche Produkte, die zur Versorgung des Schlosses unabdingbar sind. Neben Fleisch, Milch und Getreideprodukten liefert der Hof Wehrholz auch eine nicht unerhebliche Menge von Bauholz, welche bei den momentanen Baumaßnahmen am Schloss und der Errichtung der neuen

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1