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Soziale Sicherheit sichern: Plädoyer für eine Schuldenbremse
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eBook175 Seiten1 Stunde

Soziale Sicherheit sichern: Plädoyer für eine Schuldenbremse

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Über dieses E-Book

Dank der konsequent angewandten Schuldenbremse steht die Schweiz auch nach der Wirtschafts- und Finanzkrise immer noch sehr gut da. Von der Schuldenbremse ausgenommen sind allerdings die Sozialversicherungen. Das birgt Gefahren: Für die Sozialversicherungen selbst aber auch für andere Bereiche der Öffentlichkeit. Zum einen werden wegen der demographischen Entwicklung Ausgaben in anderen Bereichen zu Gunsten der gesetzlich gebundenen Sozialausgaben verdrängt. Zum anderen drohen in den Sozialversicherungen jene Schuldenberge, deren Entstehen im ordentlichen Staatshaushalt durch die Schuldenbremse verhindert wird.

Das Buch analysiert existierende Schuldenbremsen in der Schweiz und im Ausland und durchleuchtet kritisch ihre Anwendbarkeit auf die schweizerischen Sozialversicherungen. Die Autoren plädieren dafür, bei den Sozialversicherungen beim Überschreiten von Schwellenwerten Automatismen einzubauen, die für ein finanzielles Gleichgewicht sorgen und verhindern, dass die soziale Sicherung zulasten künftiger Generationen finanziert wird.
SpracheDeutsch
HerausgeberNZZ Libro
Erscheinungsdatum15. Juli 2013
ISBN9783038239666
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    Buchvorschau

    Soziale Sicherheit sichern - NZZ Libro

    01

    Einleitung

    Die fiskalische Allmende

    Die strategische Staatsverschuldung

    Implizite Staatsverschuldung

    Aufbau der Studie

    Die übermässige Verschuldung von Staaten ist seit geraumer Zeit Gegenstand der öffentlichen und der wissenschaftlichen Debatten. Beredten Ausdruck finden diese Debatten in den Europäischen Verträgen. Der Maastrichter Vertrag legte vor fast zwei Dekaden fest, dass ein Land dann an der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion teilnehmen kann, wenn es eine Reihe von Konvergenzkriterien erfüllt. Dazu gehören auch die beiden fiskalischen Kriterien: Die Defizitquote (Haushalts- bzw. Finanzierungsdefizit in Prozent des Bruttoinlandprodukts, BIP) darf nicht über 3% liegen, und die Schuldenstandsquote oder Schuldenquote (Bruttoschuldenstand in Prozent des BIP) darf 60% des BIP nicht überschreiten. Nachdem die Europäische Währungsunion zustande kam, wurden diese fiskalischen Kriterien in den Stabilitäts- und Wachstumspakt überführt.

    Die Schweiz nahm den erheblichen Anstieg der Staatsverschuldung in den neunziger Jahren, vor allem auf Bundesebene, zum Anlass, eine Schuldenbremse einzuführen, die im Dezember 2001 von Volk und Ständen mit einer deutlichen Mehrheit von 85% der abgegebenen Stimmen angenommen wurde. Nach Anlaufschwierigkeiten hinsichtlich der korrekten Ermittlung des strukturellen Defizits konnte die Schuldenbremse nach Ablauf des sogenannten «Korrekturpfads» einen wichtigen Beitrag zur Reduktion der Staatsverschuldung in der Schweiz leisten (Feld, Schaltegger 2010). Die Schweizer Schuldenbremse wird mittlerweile als vorbildliches Regelwerk zur Eindämmung übermässiger Staatsverschuldung angesehen (Danninger 2002; Sutherland et al. 2005). Es gibt daneben aber auch andere umfassende Regelwerke wie etwa das brasilianische Lei de la responsabilidade fiscal (Fiscal Responsibility Law), das seit 2000 in Kraft ist (de Mello 2005).

    Doch warum sollte die Staatsverschuldung überhaupt beschränkt werden? Die Tragfähigkeit öffentlicher Finanzen ist sichergestellt, wenn die Schuldenquote stabilisiert wird. Dies ist auf Dauer nur möglich, wenn die intertemporale Budgetrestriktion eingehalten wird (Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung 2011). Das bedeutet, dass langfristig die Einnahmen und die Ausgaben des Staates einander entsprechen müssen. Ein Schuldenanstieg der heutigen Generation sollte daher mit einem Schuldenabbau der kommenden Generation einhergehen. Die Stabilisierung der Schuldenquote hängt vom Zusammenspiel zwischen realen Zinsen und der Wachstumsrate des realen Bruttoinlandprodukts ab. Liegt das Zinsniveau über der Wachstumsrate des BIP, muss der Staatshaushalt konsolidiert werden, wenn die Schuldenquote nicht ins Unermessliche steigen soll. Im umgekehrten Fall finanziert das Wirtschaftswachstum die Verschuldung eines Staates wenigstens zum Teil. In reifen Volkswirtschaften, die mit demographischen Problemen zu kämpfen haben und somit durch eine sinkende Erwerbsbevölkerung gekennzeichnet sind, ist es sehr unwahrscheinlich, dass das Zinsniveau dauerhaft unter dem Wirtschaftswachstum verharrt. Der Effekt der sinkenden Erwerbsbevölkerung müsste durch einen erheblichen Produktivitätsanstieg kompensiert werden. Unter solchen Bedingungen können Schuldenquoten nur durch eine Konsolidierung der öffentlichen Finanzen stabilisiert werden.

    Letztlich sind polit-ökonomische Gründe dafür verantwortlich, dass diese Länder sich durch Schuldenbremsen selbst beschränken müssen. Die erforderliche Stabilisierung der Schuldenquote ist ihnen nämlich in den vergangenen Jahrzehnten nicht gelungen, weil sie im politischen Prozess Einnahmen und Ausgaben nicht in Einklang zu bringen vermochten. Die polit-ökonomischen Mechanismen, die zu übermässigen Ausgaben und Steuervergünstigungen führen, wirken bei Entscheidungen, die die Zukunft betreffen, noch stärker. Zwar werden die Impulse für eine höhere Staatsverschuldung häufig durch ökonomische Faktoren, etwa durch eine Rezession, oder durch einmalige Ereignisse ausgelöst, aber nur polit-ökonomische Gründe können erklären, warum die Verschuldung nach solchen Impulsen nicht wieder zurückgeht (Feld 2008). Zu nennen sind hier vor allem zwei Mechanismen: die fiskalische Allmende und die strategische Staatsverschuldung.

    Die fiskalische Allmende

    Das Problem der fiskalischen Allmende tritt immer dann auf, wenn der Nutzen aus dem staatlichen Haushalt auf bestimmte Gruppen von Wählern konzentriert ist, die Finanzierungskosten jedoch über allgemeine Steuern auf die Bevölkerung breit verteilt werden (Buchanan, Tullock 1962; Weingast et al. 1981). Die Begünstigten fragen dann so lange öffentliche Leistungen nach, bis deren zusätzlicher Nutzen für sie gerade den zusätzlichen Kosten entspricht, die sie in Form von höheren Steuern zu tragen haben. In der Summe werden mehr staatliche Leistungen nachgefragt, als es der Zahlungsbereitschaft der Bürger entspricht. Die Staatsausgaben sind übermässig hoch. Die Staatsverschuldung erlaubt es, die Finanzierung solcher Ausgaben noch breiter zu streuen, nämlich auf zukünftige Steuerzahler auszudehnen. Dadurch nimmt die Nachfrage der verschiedenen am politischen Prozess beteiligten Gruppen nach Staatsausgaben weiter zu (von Hagen, Harden 1995; Hallerberg, von Hagen 1999; Velasco 1999, 2000).

    Das Problem der fiskalischen Allmende besteht in allen demokratischen Systemen:

    –In einem Präsidialsystem mit Mehrheitswahlrecht wie dem amerikanischen versuchen die Abgeordneten mittels Stimmentausch möglichst viele Ressourcen in ihren Wahlkreis zu holen. Der Nutzen solcher Transfers ist auf diese Wahlkreise konzentriert, während die Kosten breit über alle Wahlkreise gestreut werden – «pork-barrel politics» (Weingast et al. 1981) oder «1/n-problem» (Inman, Fitts 1990).

    –In parlamentarischen Systemen mit Verhältniswahlrecht wie etwa in Deutschland findet Stimmentausch in Koalitionsregierungen statt (Roubini, Sachs 1989a, 1989b; De Haan, Sturm 1994, 1997; Volkerink, De Haan 2001), die dazu dienen, den Nutzen staatlicher Ausgaben auf die an der Koalition beteiligten Parteien oder Parteiflügel zu konzentrieren.

    –In der direkten Demokratie dürfte das Problem weniger stark auftreten, weil die Möglichkeiten zum Stimmentausch reduziert sind (Feld, Kirchgässner 1999, 2001a, 2001b, 2008). Im repräsentativen Teil (semi-)direkt demokratischer Systeme besteht aber sehr wohl auch ein Übernutzungsproblem (Schaltegger, Feld 2009a, 2009b).

    Diese Mechanismen verhindern oder verzögern die Konsolidierung des Haushalts (Feld 2008: 53f.). Eine Konsolidierung verlangt ja immer Steuererhöhungen oder Ausgabensenkungen, deren Verteilungswirkungen die verschiedenen Anspruchsgruppen in der Gesellschaft asymmetrisch treffen. Jede Gruppierung versucht daher, die Kosten der Anpassungen möglichst auf andere abzuwälzen. Je mehr Gruppierungen Einfluss auf den Entscheidungsprozess haben, desto schwieriger wird es, sie alle gleichmässig an den Konsolidierungsanstrengungen zu beteiligen. Vetomöglichkeiten verhindern die notwendigen Konsolidierungen (Tsebelis 2002; Tsebelis, Chang 2004) und führen zu einem «Stellungs- oder Abnützungskrieg». Durch gegenseitige Blockade der verschiedenen Gruppen ist die Konsolidierung nicht erreichbar (Alesina, Drazen 1991).

    Die strategische Staatsverschuldung

    Auch Wahlen können sich so auswirken, dass die Staatsverschuldung steigt (Feld 2008: 55; Feld 2010). Nach der Theorie strategischer Staatsverschuldung hat die Regierung bei einer geringen Wiederwahlwahrscheinlichkeit einen Anreiz, ihrer Nachfolgerin möglichst geringe Spielräume für eine eigene Fiskalpolitik zu belassen. Die strategische Erhöhung der Staatsschuld engt deren Spielräume ein, weil sie früher oder später konsolidieren muss. Dadurch verschafft sich die amtierende Regierung eine bessere Ausgangsposition für die übernächsten Wahlen. Ferner wird eine Regierung, die aufgrund ihrer politischen Ausrichtung bestimmte Ausgaben favorisiert, diese Ausgaben heute strategisch zulasten künftiger Generationen erhöhen (Alesina, Tabellini 1990). Vor die Wahl gestellt zwischen Senkung der Staatsausgaben und Erhöhung der Steuern, wird eine konservative Regierung eher Ausgaben- und Steuern senken, während linke Regierungen strategisch Steuern erhöhen werden, damit in der Zukunft wieder Spielräume für eine Ausweitung der Staatsausgaben bestehen (Persson, Svensson 1989). Die strategische Staatsverschuldung kommt ebenfalls in verschiedenen demokratischen Systemen vor, so z.B. in schwedischen Gemeinden. Die jeweilige Ausprägung ist jedoch systemabhängig. Sie zeigt sich in Demokratien mit einem System von Regierung und Opposition stärker als in Systemen, die stärker auf Konsens und Stabilität ausgerichtet sind (Pettersson-Lidbom 2001).

    Implizite Staatsverschuldung

    Die explizite Staatsverschuldung stellt jedoch nur einen Teil des Problems dar. Wohlfahrtsstaaten geben im Rahmen ihrer Sozialversicherungssysteme Versprechen für die Zukunft ab, die eine erhebliche finanzielle Belastung bedeuten können. Durch die Ansprüche der Beitragszahler an diese Systeme entsteht eine implizite Verschuldung des Staates. Zwar sind explizite und implizite Staatsverschuldung nicht gleichzusetzen und sollten daher nicht einfach addiert werden. Im Fall der expliziten Staatsverschuldung übernimmt ein Staat mit einer Anleihe in einem expliziten Vertrag rechtlich bindende Verpflichtungen. Zahlt er nicht den vereinbarten Bedingungen entsprechend seinen Zins und tilgt nicht den festgelegten Betrag, wird er vertragsbrüchig. Dies geht in der Regel zumindest mit der Sanktion einher, dass er kein weiteres Geld von seinen Gläubigern bekommt. Im Fall der impliziten Staatsverschuldung schliesst der Staat eine Art Generationenvertrag, der jedoch weniger rechtlich als vielmehr politisch bindend ist. Diese politische Bindung erlaubt eine Revision des «Vertrags», so dass eine Reform der Sozialversicherungssysteme in der Regel keine rechtlichen Sanktionen nach sich zieht. «Rechtsansprüche» der Sozialversicherungssysteme lassen sich also weitgehend durch eine einseitige politische Entscheidung ändern. Bei der expliziten Verschuldung ist eine zweiseitige Willenserklärung zur Umschuldung erforderlich.

    Trotz dieser Unterschiede sollten die Rahmenbedingungen der Sozialversicherungssysteme so gestaltet werden, dass sie nachhaltige Staatsfinanzen sicherstellen. Schuldenbremsen können nur in beschränktem Masse eine Rückführung der öffentlichen Verschuldung bewirken, wenn die Sozialversicherungssysteme von ihnen nicht erfasst oder wenn sie nicht durch eigene Regeln beschränkt werden. Eine Reform der Sozialversicherungssysteme lässt sich zudem nicht von einem Tag auf den anderen erreichen, sondern erfordert eine intensive Auseinandersetzung im politischen Prozess. Klar ist: bei aus dem Ruder laufenden staatlichen Sozialausgaben zwingt eine Schuldenbremse für den gesamten Staatshaushalt entweder zu Kürzungen in anderen Ausgabenbereichen, bei der Infrastruktur oder der Bildung oder aber zu Einnahmeerhöhungen, um die Mehrausgaben im Sozialbereich zu finanzieren. Nicht tragfähige Sozialversicherungssysteme können im politischen Prozess auch dazu führen, dass die Schuldenbremse schliesslich nicht eingehalten wird.

    Aufbau der Studie

    In dieser Studie geht es um das Zusammenspiel zwischen Schuldenbremse und Sozialversicherungen in der Schweiz, besonders um die Frage, ob die Sozialversicherungen explizit unter den rechtlichen Rahmen der Schuldenbremse auf Bundesebene gezogen werden sollten oder ob eine Regelbindung nur innerhalb des Sozialversicherungssystems hinreichend ist.

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