Chancen und Grenzen der Energieverwertung: Physikalische Grundlagen und Technologien
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Buchvorschau
Chancen und Grenzen der Energieverwertung - Wolfgang Osterhage
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019
Wolfgang OsterhageChancen und Grenzen der EnergieverwertungEnergie in Naturwissenschaft, Technik, Wirtschaft und Gesellschafthttps://doi.org/10.1007/978-3-658-23902-2_1
1. Einführung
Wolfgang Osterhage¹
(1)
Wachtberg, Nordrhein-Westfalen, Deutschland
Wolfgang Osterhage
Email: wwost@web.de
Bei Energieumwandlung spielen praktisch alle Disziplinen der Physik mit Ausnahme der Hochenergiephysik und der Kosmologie eine Rolle. In diesem Buch sollen zunächst die wichtigsten herausgegriffen werden, da sie für unsere weiteren Betrachtungen von besonderer Bedeutung sind. Diese Gebiete werden wir im Überblick behandeln. Folgende Spezialgebiete sind betroffen:
Thermodynamik und Wärmeübertragung,
Strömungsmechanik und Gasdynamik,
Elektromagnetismus.
Wenn wir uns z. B. den Komponenten einer Wärmekraftanlage zuwenden, dann können wir folgendes Schema zugrunde legen (Abb. 1.1):
../images/455645_1_De_1_Chapter/455645_1_De_1_Fig1_HTML.pngAbb. 1.1
Komponenten der Energieumwandlung
Wenn wir das simple Schema mit konkreten Inhalten füllen wollen, dann reden wir grundsätzlich über folgende Komponenten.
Der Prozess kann sein:
Verbrennung von Kohle, Gas, Öl oder organische Stoffe,
eine Kettenreaktion in einem Kernreaktor,
Luftbewegung (Wind),
Aufnahme von Solarenergie,
Aufnahme von Erdwärme,
Fermentierung organischer Stoffe.
Wärmetauscher können entweder die erzeugte Wärme direkt aufnehmen oder an einen Sekundärkreislauf weitergeben.
Der mechanische Wandler ist in der Regel eine Turbine, der elektrische ein Generator.
Es gibt Prozesse, bei denen die eine oder andere Komponente entfallen kann. Dazu gehören Windkraftanlagen (kein Wärmetauscher) und Fotovoltaikanlagen (kein Wärmetauscher, kein mechanischer Wandler, kein elektrischer Wandler).
Bevor wir uns diesen Details zuwenden, werden wir noch einmal auf den endlichen Energievorrat zu sprechen kommen, der uns zur Verfügung steht. Dann werden wir uns etwas tiefer mit dem 1. und 2. Hauptsatz der Thermodynamik sowie den Energiebilanzen auseinandersetzen, gefolgt von den wichtigsten Gesichtspunkten der Strömungslehre und des Elektromagnetismus, die beide eine wichtige Rolle in Energieanlagen spielen. Zum Schluss kommen wir noch einmal auf die Gesamtenergiebilanz unter Berücksichtigung aller Anteile zurück.
Daneben gibt es aber Urgründe, aus denen alle genannten Energieformen gespeist werden – nämlich atom- und kernphysikalische Prozesse. Wir werden das in einer Einzelfallbetrachtung in den jeweils relevanten Abschnitten nachweisen. Zum Verständnis dieser Zusammenhänge werden noch zwei weitere Überblicke über Spezialgebiete der Physik gegeben:
Atomphysik
Kernphysik
Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass wir unsere Wärme aus zwei natürlichen Quellen beziehen:
Sonnenstrahlung
Erdwärme
Die Sonnenstrahlung ihrerseits speist sich aus den kernphysikalischen Vorgängen im Sonneninneren, der Kernfusion. Das Sonnenlicht wiederum wird durch An- und Abregung atomphysikalischer Vorgänge auf den Elektronenschalen der Sonnenatome erzeugt. Die Erdwärme ist das Ergebnis radioaktiven Zerfalls instabiler Elemente im Erdinnern bzw. der Erdkruste.
Fossile Brennstoffe sind das Ergebnis der Umwandlung ursprünglich organischer Materie, die sich direkt aus der Fotosynthese, einem atomaren Vorgang, bzw. in der animalischen Form letztendlich auch über die Nahrungskette auf pflanzliche Voraussetzungen zurückführen lassen. Das gleiche gilt für Biomasse. Windkraft und Wasserkraft letztendlich sind das Ergebnis von Massenströmen, die klimatisch bedingt und damit auf Sonneneinstrahlung zurückzuführen sind. Bleibt lediglich die Kernenergie, die nicht auf weitere Naturvorgänge reduziert werden kann.
In der Abb. 1.2 sind diese Verkettungen als Übersicht dargestellt.
../images/455645_1_De_1_Chapter/455645_1_De_1_Fig2_HTML.pngAbb. 1.2
Verkettung der Energieformen
Um zu illustrieren, wie schnelllebig die Welt energiepolitischer Konzepte ist, zitiere ich aus einem Lehrbuch von 1966: „Es ist Aufgabe der Energietechnik, die zur Durchführung technischer Verfahren benötigte Exergie als mechanische Nutzarbeit oder als elektrische Energie bereitzustellen. Diese Exergie stammt aus den auf der Erde vorhandenen Exergiequellen; diese sind vor allem die fossilen und nuklearen Brennstoffe, deren chemische Bindungsenergie bzw. deren nukleare Energie in mechanische und elektrische Energie umzuwandeln ist. Weitere Exergiequellen sind die Wasserkräfte, deren potenzielle Energie ausgenutzt wird, und die kinetische Energie des Windes sowie die der Erde zugestrahlte Sonnenenergie.
Die Abb. 1.3 gibt einen Überblick über die heute bekannten Verfahren zur Umwandlung chemischer und nuklearer Energie in elektrische Energie. Wie wir wissen, besteht die chemische Energie der Brennstoffe weitgehend aus Exergie; durch reversible Prozesse könnte sie also fast vollständig in elektrische Energie verwandelt werden. Es ist bisher noch nicht gelungen, den Exergieanteil der bei Kernprozessen frei werdenden nuklearen Energie zu berechnen. Es wird jedoch vermutet, dass auch nukleare Energie weitgehend aus Exergie besteht. Daraus ergibt sich die Forderung, die Umwandlungsprozesse, die von der chemischen und nuklearen Energie zur elektrischen Energie führen, möglichst reversibel zu führen, um den hohen Exergiegehalt der Ausgangsenergien zu erhalten. Dabei werden von vornherein jene Verfahren im Vorteil sein, die möglichst direkt verlaufen, also Zwischenstufen von Energieumwandlungen und Energieübertragungen vermeiden, bei denen aus technischen und wirtschaftlichen Gründen unvermeidbare Exergieverluste auftreten.
../images/455645_1_De_1_Chapter/455645_1_De_1_Fig3_HTML.pngAbb. 1.3
Umwandlungsverfahren
Die direkte Umwandlung von chemischer in elektrische Energie ist mithilfe von Brennstoffzellen möglich, in denen die Oxidation des Brennstoffs weitgehend reversibel verlaufen kann („kalte Verbrennung"). Diese Möglichkeit hatte schon 1894 Wilhelm Ostwald erkannt und theoretisch untersucht. Seitdem wurde an der Verwirklichung dieser thermodynamisch günstigen Energieumwandlung intensiv gearbeitet. Heute existieren Brennstoffzellen kleiner Leistung (unter 1 kW), die für besondere Zwecke, z. B. in der Raumfahrttechnik, Anwendung finden können. Es ist jedoch bisher nicht möglich, diese direkte Energieumwandlung in größerem Maße auf wirtschaftlich vertretbare Weise auszuführen.
Die chemische Energie wird daher heute und in der Zukunft vornehmlich in Verbrennungsprozessen freigemacht und in innere Energie der dabei entstehenden Verbrennungsgase umgewandelt. Die Verbrennung ist ein irreversibler Prozess mit hohen Exergieverlusten. Auch bei der Kernspaltung wird die nukleare Energie in innere Energie eines Energieträgers verwandelt; dieser ist das zur „Kühlung des Kernreaktors verwendete Medium. Auf der in der Abbildung als „innere Energie eines Energieträgers
bezeichneten Zwischenstufe ist somit in jedem Falle die Exergie merklich kleiner als der Exergiegehalt der chemischen oder nuklearen Energie.
Zur Umwandlung der inneren Energie in elektrische Energie bestehen mehrere Möglichkeiten. Die „konventionellen Verfahren, die innere Energie eines Energieträgers durch Wärmekraftmaschinen und Verbrennungskraftmaschinen in mechanische Energie zu verwandeln, werden wir später ausführlich untersuchen. Diese Verfahren gehören zum gesicherten Bestand der Energietechnik, sie sind heute noch die wichtigsten und wirtschaftlich günstigen Verfahren zur Gewinnung mechanischer und elektrischer Energie
(H. D. Baehr, „Thermodynamik", 2. Aufl., Springer, Berlin, 1966).
….und dann sind rechts noch einige Technologien im Zusammenhang mit der Fusion aufgeführt (Thermoelement, thermionischer Wandler, MHD-Wandler), die heute keine wesentliche Rolle mehr spielen. Sie werden bemerkt haben, dass von Sonne und Wind nur am Rande die Rede war.
In der gegenwärtigen Energiediskussion wird ein Zusammenhang zwischen Formen der Energieumwandlung und deren Einfluss auf das Erdklima gesehen. Deshalb wird am Schluss des Buchs noch ein Anhang angefügt, der sich mit der Problematik des Climate Engineering auseinandersetzt.
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019
Wolfgang OsterhageChancen und Grenzen der EnergieverwertungEnergie in Naturwissenschaft, Technik, Wirtschaft und Gesellschafthttps://doi.org/10.1007/978-3-658-23902-2_2
2. Energiebilanzen
Wolfgang Osterhage¹
(1)
Wachtberg, Nordrhein-Westfalen, Deutschland
Wolfgang Osterhage
Email: wwost@web.de
2.1 Energievorräte
Es ist physikalisches Allgemeinwissen: Energie ist nicht erneuerbar. Energie wird niemals erzeugt oder erneuert, sondern höchstens umgewandelt – und zwar einhergehend mit der Verringerung ihrer nutzbaren Komponente. Das trifft auf den gesamten Kosmos zu, auf unseren Lebensraum hier auf der Erde und auf jedes zur Energieumwandlung eingesetzte Aggregat. Lassen Sie uns zunächst einmal die folgende Frage stellen:
Was steht uns seit dem Urknall an Gesamtenergie zur Verfügung?
Hier noch einmal die wichtigsten kosmologischen Eckdaten (Abb. 2.1).
../images/455645_1_De_2_Chapter/455645_1_De_2_Fig1_HTML.pngAbb. 2.1
Kosmologische Eckdaten
Das „standard hot big bang model" ist das bis heute weithin akzeptierte kosmologische Modell und basiert auf der Tatsache, dass die Gravitation die gesamte Entwicklung des Universums dominiert, die beobachteten Details werden von den Gesetzen der Thermodynamik, der Hydrodynamik, der Atomphysik, der Kernphysik und der Hochenergiephysik bestimmt. Die folgende Grafik illustriert noch einmal Entstehung und Werdegang unseres Universums (Abb. 2.2).
../images/455645_1_De_2_Chapter/455645_1_De_2_Fig2_HTML.pngAbb. 2.2
Das Urknallmodell
Es wird davon ausgegangen, dass während der ersten Sekunde nach dem Anfang die Temperatur so hoch war, dass ein vollständiges thermodynamisches Gleichgewicht herrschte zwischen Photonen, Neutrinos, Elektronen, Positronen, Neutronen, Protonen und diversen Hyperionen und Mesonen und möglicherweise Gravitonen.
Nach einigen Sekunden fiel die Temperatur auf etwa 10¹⁰ K, und die Dichte betrug etwa 10⁵ [g/cm³]. Teilchen und Antiteilchen hatten sich ausgelöscht, Hyperionen und Mesonen waren zerfallen, und Neutrinos und Gravitonen hatten sich von der Materie entkoppelt. Das Universum bestand jetzt aus freien Neutrinos und vielleicht Gravitonen, den Feldquanten von Gravitationswellen.
In der nachfolgenden Periode zwischen 2 und etwa 1000 s fand eine erste ursprüngliche Bildung von Elementen statt. Vorher wurden solche Ansätze durch hochenergetische Protonen wieder zerstört. Diese Elemente waren im Wesentlichen α- Teilchen (He⁴), Spuren von Deuterium, He³ sowie Li und machten 25 % aus, der Rest waren Wasserstoffkerne (Protonen). Alle schwereren Elemente entstanden später.
Zwischen 1000 s und 10⁵ Jahren danach wurde das thermische Gleichgewicht gehalten durch einen kontinuierlichen Transfer von Strahlung in Materie sowie permanenter Ionisationsprozesse und Atombildung. Gegen Ende fiel die Temperatur auf wenige tausend Grad. Das Universum wurde nun von Materie statt von Strahlung dominiert. Photonen waren nicht mehr so energiereich, um z. B. Wasserstoffatome permanent zu ionisieren.
Nachdem der Photonendruck verschwunden war, konnte die Kondensation der Materie in Sterne und Galaxien beginnen: zwischen 10⁸ und 10⁹ Jahre danach.
Wie aus den Eckdaten hervorgeht, sind Masse und Energie im Universum endlich – selbst unter Berücksichtigung der berühmten Einsteingleichung E = mc² steht uns damit nur ein begrenzter Energievorrat zur Verfügung. Und davon ist wiederum nur ein Teil in nutzbare Energie umwandelbar. Bei den Umwandlungen – gleich welcher Art – wird dabei Energie entwertet, sodass der Anteil nutzbarer Energie stetig abnimmt.
2.2 Grundlagen der Thermodynamik
2.2.1 Einleitung
Wir werden zunächst vom Kraftbegriff ausgehen und uns der Definition von Energie über die Arbeit nähern. Die Basis von potenzieller und kinetischer Energie wird uns dann die weitere Behandlung der Thermodynamik ermöglichen. Wir befassen uns also mit Bewegung, sprich Dynamik, und deren auslösende Momente – und zwar auch mit der Bewegung von Wärme selbst.
Nach grundsätzlichen Festlegungen bzgl. der Größe Temperatur werden wir die beiden Hauptsätze der Thermodynamik kennenlernen. Sie sind ausschlaggebend für unser Verständnis dafür, in welche Richtung die Welt sich bewegt, welche wissenschaftlichen und technischen Möglichkeiten existieren und welche nicht.
2.2.2 Energie
Bevor wir direkt in die Thermodynamik eintauchen, kommen wir nicht darum herum, den Begriff der Energie einzuführen. Energie spielt eine entscheidende Rolle bei allen Phänomenen der klassischen und der modernen Physik.
Um sich ihr anzunähern, wollen wir uns zunächst mit der Arbeit beschäftigen. Als Arbeit bezeichnet man das Ergebnis