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Dienstleistungsinnovationen durch Digitalisierung: Band 1: Geschäftsmodelle – Methoden – Umsetzungsbeispiele
Dienstleistungsinnovationen durch Digitalisierung: Band 1: Geschäftsmodelle – Methoden – Umsetzungsbeispiele
Dienstleistungsinnovationen durch Digitalisierung: Band 1: Geschäftsmodelle – Methoden – Umsetzungsbeispiele
eBook1.215 Seiten10 Stunden

Dienstleistungsinnovationen durch Digitalisierung: Band 1: Geschäftsmodelle – Methoden – Umsetzungsbeispiele

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Über dieses E-Book

​Dieses Buch stellt neue Geschäftsmodelle und Methoden vor, mit denen Dienstleistungsinnovationen durch den Einsatz digitaler Technologien erfolgreich umgesetzt werden.

Schwerpunkte des ersten Bandes sind neuartige Methoden zur Entwicklung und Einführung von Dienstleistungsinnovationen, die Gestaltung dienstleistungsorientierter Geschäftsmodelle in industriellen Anwendungsszenarien sowie die Planung und Umsetzung modularer und mobiler Softwarelösungen für digitale Dienstleistungssysteme.
Zahlreiche Umsetzungsbeispiele zeigen konkret und praxisnah auf, wie Unternehmen digitale Geschäftsmodelle selbst entwickeln, neue Methoden sicher anwenden und Dienstleistungsinnovationen erfolgreich realisieren.
SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer Gabler
Erscheinungsdatum4. Jan. 2021
ISBN9783662621448
Dienstleistungsinnovationen durch Digitalisierung: Band 1: Geschäftsmodelle – Methoden – Umsetzungsbeispiele

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    Buchvorschau

    Dienstleistungsinnovationen durch Digitalisierung - Daniel Beverungen

    Hrsg.

    Daniel Beverungen, Jan H. Schumann, Volker Stich und Giuseppe Strina

    Dienstleistungsinnovationen durch Digitalisierung

    Band 1: Geschäftsmodelle – Methoden – Umsetzungsbeispiele

    1. Aufl. 2020

    ../images/497437_1_De_BookFrontmatter_Figa_HTML.png

    Logo of the publisher

    Hrsg.

    Daniel Beverungen

    Universität Paderborn, Paderborn, Deutschland

    Jan H. Schumann

    Universität Passau, Passau, Deutschland

    Volker Stich

    RWTH Aachen, Aachen, Deutschland

    Giuseppe Strina

    Universität Siegen, Siegen, Deutschland

    ISBN 978-3-662-62143-1e-ISBN 978-3-662-62144-8

    https://doi.org/10.1007/978-3-662-62144-8

    © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020

    Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung der Verlage. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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    Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral.

    Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature.

    Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

    Geleitwort

    Smarte Dienstleistungen sind mittlerweile in aller Munde. In diesen Sammelbänden zeigt sich, wie Projekte die Forschung vorantreiben und Raum schaffen für neue Ideen. Als noch nicht über Smarte Dienstleistungen gesprochen wurde, hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Förderschwerpunktes „Dienstleistungsinnovation durch Digitalisierung" in den vergangenen Jahren 23 spannende und interdisziplinäre Verbundprojekte mit insgesamt 122 Partnern und einer Summe von ca. 42 Mio. Euro gefördert.

    Drei Themenfelder standen im Fokus: Prozessinnovationen durch Digitalisierung, Digitale Vernetzung von Dienstleistungen und das Engineering von Dienstleistungssystemen. Die Projekte haben in den letzten Jahren die Herausforderungen, Chancen und Folgewirkungen der Digitalisierung von Dienstleistungen begleitet. Verschiedene ausgewählte Anwendungsfälle wurden dabei auf ihre Bedeutsamkeit und Eignung für die unternehmerische Anwendung geprüft.

    Im vorliegenden Band 1 berichten die in diesem Schwerpunkt geförderten Forschungsprojekte über ihre erzielten Ergebnisse. Dieser Abschlussband bietet hierbei einen guten Orientierungspunkt für die Wissenschaft, die Wirtschaft und die interessierte Öffentlichkeit, um sich über die neuesten Trends und Entwicklungen in der digitalen Dienstleistungsforschung zu informieren. Der Band trägt somit maßgeblich dazu bei, die Entwicklung ganzheitlicher digitaler Dienstleistungsökosysteme am Standort Deutschland voranzutreiben.

    Ich danke allen Beteiligten, die das Zustandekommen dieser umfangreichen Bände ermöglichten. Der Dank richtet sich vor allem an die vielen Mitarbeitenden in den Projekten, die zu deren Gelingen beigetragen haben. Besondere Anerkennung gebührt Herrn Prof. Dr. Beverungen, Herrn Prof. Dr. Stich, Herrn Prof. Dr. Schumann, Herrn Prof. Dr. Strina und Herrn Heinen als Repräsentanten der Begleitforschung DIGIVATION, die gemeinsam mit ihren Teams einen wesentlichen Beitrag für das Gelingen dieses Bandes geleistet haben.

    Schließlich möchte ich alle Lesenden ermuntern, ihre Forschung in weiteren Projekten auf den vorliegenden Erkenntnissen aufzubauen und voranzutreiben. Denn gemeinsam an Zielen zu arbeiten, ist der Schlüssel zum Erfolg. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine anregende Lektüre.

    Otto Fritz Bode

    Bonn, Deutschland

    Juni 2021

    Vorwort

    In der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung machen Dienstleistungen heute mit gut zwei Dritteln den überwiegenden Anteil der betrieblichen Wertschöpfung in Deutschland aus und sind somit grundlegend für die Beschäftigung und den Wohlstand in unserem Land. Dabei werden viele Dienstleistungen, die in der industriellen Produktion, im Bauwesen und in der Landwirtschaft erbracht werden, tatsächlich anderen Sektoren zugerechnet. Ganzheitlich betrachtet stellen Dienstleistungen daher einen überwältigenden Anteil unserer volkswirtschaftlichen Gesamtleistung dar und prägen alle Wirtschaftssektoren unmittelbar.

    Die Wertschöpfung mit Dienstleistungen ist derzeit von grundlegenden Veränderungsprozessen durch digitale Technologien geprägt, die als Digitale Transformation diskutiert werden. Digitale Technologien, besonders Informationssysteme, verändern betriebliche Wertschöpfungsstrukturen, transformieren die Interaktion zwischen Unternehmen sowie deren Kundenschnittstellen, ermöglichen datengetriebene Innovationen durch Verfahren des Maschinellen Lernens und der Künstlichen Intelligenz und ermöglichen interaktive Wertschöpfungsszenarien auf Grundlage intelligenter, digital vernetzter Produkte. Aufgrund rekombinanter Innovationsmechanismen nimmt die Veränderungsgeschwindigkeit dabei immer weiter zu und schafft in einem rasanten Tempo neue Möglichkeiten für Menschen, Unternehmen und unsere Gesellschaft als Ganzes. Ebenso entwertet sie aber auch tradierte Geschäftsmodelle, Prozesse und Wertschöpfungsarchitekturen – und bedroht so gleichzeitig den Erfolg und den Fortbestand bisher etablierter Konzepte.

    Immer mehr stehen wir vor der gesellschaftlichen Herausforderung, die Potenziale digitaler Technologien zum Fortschritt und Nutzen der betrieblichen Wertschöpfung, aber noch mehr für Menschen und unsere Gesellschaft insgesamt einzusetzen. Hiermit wollen wir neue Chancen ergreifen und Nutzenpotenziale der Digitalisierung verstärken, schädliche Auswirkungen der Digitalisierung jedoch abschwächen oder zumindest in geordnete Bahnen lenken. Der Entwicklung und Umsetzung von Dienstleistungsinnovationen kommt aufgrund ihrer besonderen gesellschaftlichen Relevanz dabei eine Schlüsselfunktion zu. Insbesondere müssen wir (informations-)technische Innovationen in den sozio-technischen Bezugsrahmen von Organisationen stellen, um soziale und betriebliche Strukturen zum Positiven zu verändern.

    Im Zuge der Förderlinie „Dienstleistungsinnovation durch Digitalisierung" wurden 23 Förderprojekte durchgeführt, die in verschiedenen Kontexten innovative Beiträge zur Entwicklung und Umsetzung von Dienstleistungsinnovationen durch Digitalisierung einsetzen. Jedes Förderprojekt wurde durch ein Konsortium aus Unternehmen und Forschungspartnern – mitunter auch mit weiteren öffentlichen Einrichtungen, Verbänden und Nichtregierungsorganisationen – durchgeführt, um neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu entwickeln und diese zur Umsetzung konkreter Dienstleistungsinnovationen einzusetzen, die uns gesellschaftlich unmittelbar betreffen.

    Als Begleitforschungsprojekt DIGIVATION stellen wir als Herausgeber die Kernergebnisse dieser gesamten Förderlinie in diesem zweibändigen Werk in einen zusammenfassenden, einheitlichen Bezugsrahmen. Die Ergebnisse werden mithilfe von drei Leitmotiven vorgestellt. Erstens werden neue Geschäftsmodelle dargestellt, die digitale Technologien in innovative Dienstleistungen überführen, die sich am Markt behaupten und so neue Beschäftigung – und damit Wohlstand – schaffen können. Zweitens wurden in den Projekten neue Methoden entwickelt, wie diese Geschäftsmodelle in Unternehmen konkret eingeführt und umgesetzt werden können. Drittens zeigen wir konkrete Umsetzungsbeispiele anhand der an den Forschungsprojekten beteiligten Unternehmen. Die Nutzenpotenziale neuer Dienstleistungen werden so sichtbar und geben anderen Unternehmen eine konkrete Umsetzungshilfe, Leitbilder und Methoden an die Hand, um Dienstleistungsinnovationen durch Digitalisierung erfolgreich selbst umzusetzen. Die Förderlinie hat somit auch eine ausstrahlende Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland insgesamt.

    Im vorliegenden ersten Band werden die Ergebnisse von zwölf Konsortien vorgestellt. Die Kapitel beschreiben die Entwicklung neuer Modelle, Methoden und Software-Implementierungen als Werkzeuge, die Unternehmen zur Entwicklung und Umsetzung von Dienstleistungsinnovation einsetzen können. Betrachtungsschwerpunkte des Bandes sind die Entwicklung neuartiger Methoden für die Entwicklung und Einführung von Dienstleistungsinnovationen, die Gestaltung dienstleistungsorientierter Geschäftsmodelle in industriellen Anwendungsszenarien sowie die Planung und Umsetzung modularer und mobiler Softwarelösungen als Technologien zur Befähigung digitaler Dienstleistungssysteme.

    Teil I: Methoden für die Entwicklung und Einführung von Dienstleistungsinnovationen

    Als Teilergebnisse des Begleitforschungsprojekts DIGIVATION stellen Corinna Winkler, Franziska M. Bongers und Jan H. Schumann zunächst einen detaillierten Überblick über zwei kritische Erfolgsfaktoren für die Durchsetzungsfähigkeit digitaler Dienstleistungsinnovationen vor: Kundenintegration und Individualisierung. Der Beitrag zeigt neue Methoden, die Unternehmen dazu befähigen können, beide Handlungsfelder durch eine frühe Kundenintegration in den Entwicklungsprozess einer neuen Dienstleistung zu adressieren und so die Erfolgswahrscheinlichkeit neuer Dienstleistungen zu erhöhen. Gerhard Gudergan, Jonas Müller, Roman Senderek, Jan Kuntz, Alexander Kwiatkowski und Denis Krechting systematisieren ihrerseits Merkmale und Ausprägungen datenbasierter Dienstleistungen in Unternehmen der Investitionsgüterindustrie und stellen eine neue Methode für die Entwicklung digitaler Dienstleistungssysteme, insb. für das Smart Service Systems Engineering, vor. Diese Methode adaptiert Prinzipien agiler und kundenorientierter Methoden für das Service Engineering. Mithilfe konkreter Muster und Entwicklungspfade werden zudem detaillierte Handlungsempfehlungen für die Durchführung von Innovationsprojekten zu datenbasierten Dienstleistungen vorgestellt.

    Im Rahmen des Projekts DETHIS – Design Thinking for Industrial Services entwickelten Beke Redlich, Christoph Lattemann, Chris Gernreich, Christoph Fuchß, Christopher Rechtien, Dominik Siemon, Felix Becker, Jann-Heye Ksellmann, Jennifer Fromm, Jens Pöppelbuß, Lily Marlene Sellhorn-Timm, Nina Schaub, Nadine Schöne, Sebastian Knop, Simon Fischer, Stefan Stieglitz und Susanne Robra-Bissantz einen Design-Thinking-Ansatz, der speziell auf die Anforderungen kleiner und mittlerer Unternehmen abgestimmt ist, die nicht über eine Forschungs- und Entwicklungsabteilung oder ein institutionalisiertes Innovationsmanagement verfügen. Die Methode ermöglicht es, orts- und zeitunabhängig industrienahe Dienstleistungsinnovationen zu entwickeln. Die Reflektion der Anwendbarkeit und Grenzen der Methode anhand realer Anwendungsszenarien ergab, dass vor allem die Organisationsstruktur und -kultur des Unternehmens eine große Rolle für den Erfolg eines institutionalisierten Innovationsmanagements spielen. Hierdurch lenkt der Beitrag den Betrachtungsschwerpunkt digitaler Dienstleistungsinnovationen auf Menschen und Unternehmen als Beteiligte, die neue Informationstechnologien für ihre Zwecke einsetzen.

    Als Beitrag des Projekts dimension – Multidimensionales Service Prototyping entwickeln Abdul Rahman Abdel Razek, Matthes Elstermann, Alexander Hengels und Christian van Husen neue Konzepte für den Einsatz von Prototypen in Entwicklungsprozessen industrieller Dienstleistungen. Im Sinne eines Design Thinkings können Prototypen dazu dienen, neue Konzepte erfahrbar und evaluierbar zu machen und damit die Effektivität und Effizienz des Service Systems Engineerings verbessern. Eine besonders zukunftsweisende Perspektive ist die im Projekt betrachtete Anwendung von Augmented/Virtual Reality in der Dienstleistungsentwicklung. Zudem stellen die Autoren einen Prozessmodellierungsansatz vor, der auf dem Paradigma der Subjektorientierung beruht und Prozesse somit ausgehend von den Prozessbeteiligten begreift. Hierdurch ergänzt der Ansatz die häufig kontrollflussorientierte Perspektive bestehender Modellierungssprachen. Methoden können mithilfe eines Konfigurators passgenau für individuelle Entwicklungsszenarien ausgewählt werden.

    Benedikt Höckmayr, Angela Roth, Stefan Genenning, Aida Boukris, Kathrin M. Möslein, Dominik Kalb, Dennis Arnhold, Christoph Hohmann, Tim Posselt, Frank Danzinger, Albert Eckert und Sebastian Mittelstädt berichten über die Entwicklung der Methode TRIGGER, zur faktenbasierten Entwicklung von Dienstleistungssystemen in der Industrie, als Ergebnis des Projekts SmartDIF – Smarte Dienstleistungsfabrik. Einen Fokus stellt die erfolgreiche Durchführung von Innovationsprojekten in Dienstleistungsnetzwerken dar, deren Wertschöpfung auf der Bereitstellung von Sensordaten aus Maschinen beruht. Ausgehend von Gestaltungsprinzipien stellt der Beitrag zudem heraus, welche Mechanismen bei der datenorientierten Entwicklung von Dienstleistungsinnovationen von besonderer Relevanz sind. Anhand dreier Anwendungsfälle wird die Anwendung der Methode für konkrete Anwendungsszenarien veranschaulicht und evaluiert.

    Das Projekt Extend – Engineering von Dienstleistungssystemen für nutzergenerierte Dienstleistungen fokussierte neue Konzepte für die Einbindung von Menschen in den Prozess der Softwareeinführung. Christian Grotherr, Mahei M. Li, Martin Schymanietz, Albrecht Fritzsche, Martin Semmann, Christoph Peters, Tilo Böhmann, Jan Marco Leimeister und Kathrin M. Möslein stellen dar, wie Beteiligte sich gegenseitig eine Hilfestellung bei der Einführung neuer Software und der damit einhergehenden betrieblichen Transformation geben können. Das Projekt verortet sich daher im zunehmend relevanten Umfeld der sog. Peer-to-Peer (P2P)-Dienstleistungen, die auf der Zusammenarbeit von Prosumenten zum gegenseitigen Nutzen beruhen. Das Ergebnis sind IT-gestützte Dienstleistungsbausteine, die anhand dreier Anwendungsfelder entwickelt und pilotiert wurden. Über diese Anwendungsszenarien hinaus stellt der Beitrag ein Mehrebenenmodell für die Gestaltung von Dienstleistungssystemen vor. Dieses Modell kann die Entwicklung digitaler Dienstleistungssysteme auch in anderen Szenarien beschreiben und anleiten. Prägend ist der sozio-technische Ansatz dieser Methodik, die über die Entwicklung einer neuen Dienstleistung hinaus eine systemische Perspektive auf die Einführung und die Erbringung der Dienstleistung im Unternehmenskontext einnimmt.

    Intelligente Endgeräte und drahtlose Netzwerktechnologie eröffnen neue Möglichkeiten in der Gebäudeautomation, erhöhen aber gleichzeitig auch die Komplexität des Dienstleistungssystems. Tuan Linh Mai, Jörg Andreas, Gerald Faschingbauer, Ralf Klimpel, Bastian Wollschlaeger, Stefan Mülhens, Matthias Lehmann, Klaus Kabitzsch, Sebastian Brühl und Frank von der Weth stellen als Ergebnis des Projekts ServiceFlow – Dienstleistungskette zum integralen Entwurf vernetzter Gebäudeautomation eine neue Methode vor, mit der die Entwicklung von Dienstleistungen spezifisch für die vernetzte Gebäudeautomation unterstützt und angeleitet wird. Die Methode erweitert bestehende Prozesse der Anforderungsanalyse, Planung, Ausschreibung, Konzeption, Aufbau und Inbetriebnahme neuer Lösungen für Dienstleistungsszenarien, die durch intelligente, vernetzte Produkte – z. B. in intelligenten Gebäuden – geprägt sind. Die Autoren betrachten auch die Rolle und Wichtigkeit der Standardisierung von Datenaustauschformaten als Grundlage für die weitere Vernetzung und Automation in Gebäuden.

    Teil II: Dienstleistungsorientierte Geschäftsmodelle in industriellen Anwendungsszenarien

    Als Kernergebnis des Projekts DProdLog – Erstellung einer Plattform zur Digitalisierung produktionsnaher logistischer Dienstleistungen haben Elena Goldmann, Thomas Görtler, Mario A. Graßy, Horst Neumann und Alexander von Essen eine neue Methode für ein unternehmensübergreifendes, dienstleistungsbasiertes C-Teile-Management konzipiert, entwickelt und im Rahmen einer Pilotphase getestet. Intelligente Behälter, die als Teil eines Cyber-Physischen-Systems agieren und in eine IT-Systemarchitektur eingebettet werden, ermöglichen innovative Dienstleistungen, indem sie durch permanente Sammlung und Übertragung vielfältiger Daten Input für eine Dienstleistungsplattform liefern. Behälter- und Warenflüsse innerhalb und zwischen Produktionseinrichtungen werden somit transparenter, können besser überwacht, agiler geplant und gezielter gesteuert werden. Hierdurch betont der Beitrag das Zusammenwirken von Sachleistungen und Dienstleistungen im Rahmen komplexer Wertangebote, die auf spezifische Kundenbedürfnisse abgestimmt sind.

    Im Projekt InnoServPro – Innovative Serviceprodukte für individualisierte, verfügbarkeitsorientierte Geschäftsmodelle für Investitionsgüter haben Thomas Eickhoff, Paaranan Sivasothy, Patrick Kölsch, Jan C. Aurich, Jörg Seewig und Jens C. Göbel das Ziel verfolgt, verfügbarkeitsorientierte Geschäftsmodelle in Industriegüterunternehmen zu realisieren. Während dieses Geschäftsmodell schon lange diskutiert wird, scheitert seine Einführung in vielen Unternehmen noch häufig an Informationsasymmetrien zwischen Kundinnen und Anbietern. Diese lassen sich durch den Austausch von Betriebsdaten aus der Maschine, über den Maschinenzustand und das Kundenverhalten bei der Anlagennutzung lösen. Die Autoren stellen eine neue Methode für die Entwicklung verfügbarkeitsorientierter Geschäftsmodelle vor, die eine Basis für die Anforderungsermittlung digital vernetzter Maschinen bildet. So wird eine Datengrundlage geschaffen, durch die bestehende Hindernisse verfügbarkeitsorientierter Geschäftsmodelle beseitigt werden können.

    Teil III: Modulare und mobile Softwarelösungen für digitale Dienstleistungssysteme

    Vor dem Hintergrund der häufig prägenden Wirkung digitaler Technologien für Dienstleistungen nimmt das Projekt Multicloud-basierte Dienstleistungen für die Produktion das Paradigma modularer Anwendungssystemarchitekturen (sog. Service-orientierter Architekturen) in den Fokus. Diese Schwerpunktsetzung korrespondiert gleichwohl mit der Konzeption einer Dienstleistung als Bereitstellung von Fähigkeiten und Kompetenzen (hier durch Software-Schnittstellen) für eine zeitlich begrenzte Nutzung durch externe Beteiligte (hier: andere Anwendungssysteme). Timur Tasci, Armin Lechler, Sara Sommer, Andreas Selig, Thomas Göb, Andreas Gruber, Philipp Melchiors, Richard Hempelmann, Rolf Wutzke, Dominik Basner, Daniel Schel, Arthur Grigorjan, Greg Rauhoeft, Matthias Schopp und Rüdiger Preuß stellen die Implementierung einer neuen Plattform vor, die den Entwicklungs- und Integrationsaufwand neuer digitaler Dienste verringert sowie deren kostengünstigen Betrieb und Nutzung ermöglicht.

    Einer ebenfalls informationstechnischen Sichtweise folgend präsentieren Frank Elberzhager, Simon André Scherr, Carsten Günther, Raymund Beyer, Petra Keller, Britta Karn, Thomas Immich und Gerrit Meixner einen neuartigen Qualitätssicherungsansatz für Applikationen auf mobilen Endgeräten als Ergebnis des Projekts Opti4Apps – Optimierung von mobilen Applikationen durch einen Feedback-basierten Qualitätssicherungsansatz. Dieser Ansatz basiert auf einer semiautomatisierten Informationsgewinnung aus Rückmeldungen von Beteiligten und dem Systemverhalten neuer Softwarekomponenten. Mithilfe einer kombinierten Inspektions- und Testmethodik werden so Innovationszyklen beschleunigt, indem Rückmeldungen auf der Grundlage von Verhalten und Erfahrungen der Nutzenden deutlich schneller erfasst, ausgewertet und verarbeitet werden können.

    Jedoch sind Dienstleistungsinnovationen keineswegs auf den produzierenden Sektor beschränkt. Für das Projekt SimPat – Sicherung intersektoraler Versorgung durch ein IT-gestütztes Dienstleistungskonzept für multimorbide Patienten mit Demenz veranschaulichen Bianca Steiner, Claudia Möller, Bettina Zippel-Schultz, Andrea Popa, Petra Birkenbihl, Mathias Pfisterer, Reinhold Haux und Carsten Schultz die Entwicklung, Implementierung und Anwendung eines digitalen Fallmanagementsystems für Demenzpatienten. Das Projekt fokussiert somit die Etablierung vernetzter Szenarien im Gesundheitswesen, insbesondere für das Entlassmanagement, indem Informationen über Patienten zwischen Versorgungseinrichtungen ausgetauscht werden, um die Qualität der Gesundheitsversorgung zu erhöhen und gleichzeitig die Effizienz von Prozessen zu verbessern. Das Projekt hat dabei konsequent einen sozio-technischen Blickwinkel eingenommen, in dem das Zusammenspiel technischer Lösungen explizit mit Aspekten der Koordination, Zusammenarbeit, Partizipation und Mitwirkung verschränkt wird. Der Betrachtungsfokus verschiebt sich so von den Implementierungsdetails technischer Lösungen weiter in Richtung der Wertgenerierung in digitalen Dienstleistungssystemen, in denen Dienstleistungsanbieter und Dienstleistungskundinnen zum beiderseitigen Vorteil zusammenarbeiten.

    Insgesamt stellen die in diesem Band vorgestellten Geschäftsmodelle, Methoden und Umsetzungsbeispiele eine Anleitung, aber auch eine Aufforderung dar, konkrete Ideen für Dienstleistungsinnovationen zu entwickeln und sie erfolgreich umzusetzen. Wir wünschen Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre sowie viel Elan und Erfolg bei der Entwicklung und Umsetzung ihrer eigenen Innovationsprojekte. Lassen Sie uns die umwälzenden Möglichkeiten digitaler Technologien dazu nutzen, um Dienstleistungsinnovationen zum Wohl der Menschen, der Unternehmen und unserer Gesellschaft kraftvoll, zielgerichtet und sozial umzusetzen.

    Einen großen Dank möchten wir Alena Franke, Verena Wolf und Christian Bartelheimer aussprechen, die im Projekt DIGIVATION die Erstellung dieses Bands mit herausragender Kompetenz und großem Elan redaktionell betreut haben. Einmal mehr zeigte sich so, wie sehr Dienstleistungen die erfolgreiche Zusammenarbeit in Teams erfordern.

    Daniel Beverungen

    Jan H. Schumann

    Volker Stich

    Giuseppe Strina

    Paderborn, DeutschlandPassau, DeutschlandAachen, DeutschlandSiegen, Deutschland

    Frühjahr 2021

    Förderhinweis

    Diese Forschungs- und Entwicklungsprojekte wurden durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Programm „Innovationen für die Produktion, Dienstleistung und Arbeit von morgen" gefördert und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autorinnen und Autoren.

    Inhaltsverzeichnis

    Teil I Methoden für die Entwicklung und Einführung von Dienstleistungsinnovationen

    1 Kundenintegratio​n und Individualisieru​ng bei digitalen Dienstleistungsi​nnovationen – Entwicklung eines Methodenbaukaste​ns und Strategietoolkit​s 3

    Corinna Winkler, Franziska M. Bongers und Jan H. Schumann

    2 Digitale Transformation durch die Entwicklung datenbasierter Dienstleistungen​ – Erforschung von Transformationsm​ustern und Merkmalen datenbasierter Dienstleistungen​ für die Ableitung des Smart Service Engineerings als Handlungsleitfad​en für Unternehmen 49

    Gerhard Gudergan, Jonas Müller, Roman Senderek, Jan Kuntz, Alexander Kwiatkowski und Denis Krechting

    3 Design Thinking für industrienahe Dienstleister – Was ein analoges und digitales DETHIS-Verfahren mit und für KMU leisten kann 107

    Beke Redlich, Christoph Lattemann, Chris Gernreich, Christoph Fuchß, Christopher Rechtien, Dominik Siemon, Felix Becker, Jann-Heye Ksellmann, Jennifer Fromm, Jens Pöppelbuß, Lily Marlene Sellhorn-Timm, Nina Schaub, Nadine Schöne, Sebastian Knop, Simon Fischer, Stefan Stieglitz und Susanne Robra-Bissantz

    4 Multidimensional​es Service Prototyping 159

    Abdul Rahman Abdel Razek, Matthes Elstermann, Alexander Hengels und Christian van Husen

    5 Die systematische Entwicklung von Servicesystemen im digitalen Zeitalter – Ein Fakten-basierter Ansatz 227

    Benedikt Höckmayr, Angela Roth, Stefan M. Genenning, Aida Boukhris, Kathrin M. Möslein, Dominik Kalb, Dennis Arnhold, Christoph Hohmann, Tim Posselt, Frank Danzinger, Albert Eckert und Sebastian Mittelstädt

    6 Gestaltungsdimen​sionen der Digitalisierung – Wie Dienstleistungss​ysteme den Wandel antreiben und welche Faktoren eine Rolle spielen 277

    Christian Grotherr, Mahei M. Li, Martin Schymanietz, Albrecht Fritzsche, Martin Semmann, Christoph Peters, Tilo Böhmann, Jan Marco Leimeister und Kathrin M. Möslein

    7 ServiceFlow – ein integraler Prozess der Planung, des Aufbaus und der Inbetriebnahme gewerkevernetzte​r Gebäudeautomatio​n 327

    Tuan Linh Mai, Jörg Andreas, Gerald Faschingbauer, Ralf Klimpel, Bastian Wollschlaeger, Stefan Mülhens, Matthias Lehmann, Klaus Kabitzsch, Sebastian Brühl und Frank von der Weth

    Teil II Dienstleistungsorientierte Geschäftsmodelle in industriellen Anwendungsszenarien

    8 Transparenter, schneller und effizienter – Wie datenbasierte Dienstleistungen​ zu Prozessinnovatio​nen im Behältermanageme​nt führen 373

    Elena Goldmann, Thomas Görtler, Mario A. Graßy, Horst Neumann und Alexander von Essen

    9 Realisierung verfügbarkeitsor​ientierter Geschäftsmodelle​ in der Investitionsgüte​rindustrie 413

    Thomas Eickhoff, Paaranan Sivasothy, Patrick Kölsch, Jan C. Aurich, Jörg Seewig und Jens C. Göbel

    Teil III Modulare und mobile Softwarelösungen für digitale Dienstleistungssysteme

    10 MultiCloud-basierte Dienstleistungen​ für die Produktion 457

    Timur Tasci, Armin Lechler, Sara Sommer, Andreas Selig, Thomas Göb, Andreas Gruber, Philipp Melchiors, Richard Hempelmann, Rolf Wutzke, Dominik Basner, Daniel Schel, Arthur Grigorjan, Greg Rauhoeft, Matthias Schopp und Rüdiger Preuß

    11 Optimierung mobiler Applikationen auf Basis semiautomatisier​ter Informationsgewi​nnung 505

    Frank Elberzhager, Simon André Scherr, Carsten Günther, Raymund Beyer, Petra Keller, Britta Karn, Thomas Immich und Gerrit Meixner

    12 Sicherung intersektoraler Versorgung durch ein IT-gestütztes Dienstleistungsk​onzept für multimorbide Patienten mit Demenz – Digitales Fallmanagement 559

    Bianca Steiner, Claudia Möller, Bettina Zippel-Schultz, Andrea Popa, Petra Birkenbihl, Mathias Pfisterer, Reinhold Haux und Carsten Schultz

    Teil IMethoden für die Entwicklung und Einführung von Dienstleistungsinnovationen

    © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020

    D. Beverungen et al. (Hrsg.)Dienstleistungsinnovationen durch Digitalisierunghttps://doi.org/10.1007/978-3-662-62144-8_1

    1. Kundenintegration und Individualisierung bei digitalen Dienstleistungsinnovationen – Entwicklung eines Methodenbaukastens und Strategietoolkits

    Corinna Winkler¹  , Franziska M. Bongers¹   und Jan H. Schumann¹  

    (1)

    Universität Passau, Passau, Deutschland

    Corinna Winkler (Korrespondenzautor)

    Email: corinna.winkler@uni-passau.de

    Franziska M. Bongers

    Email: franziska.bongers@uni-passau.de

    Jan H. Schumann

    Email: jan.schumann@uni-passau.de

    Zusammenfassung

    Digitale Dienstleistungsinnovationen bieten große Potenziale für Unternehmen unterschiedlichster Branchen. Allerdings ist die Entwicklung digitaler Dienstleistungen auch mit einem hohen Risiko zu Scheitern verbunden. Häufige Gründe dafür sind, dass Kundenbedürfnisse nur bedingt getroffen werden und kundenindividuelle Anpassungen der entsprechenden Dienstleistungen vernachlässigt werden. Frühe Kundenintegration in den Entwicklungsprozess und Individualisierung der angebotenen Dienstleistung sind daher wichtige Ansatzpunkte, um den Erfolg digitaler Dienstleistungsinnovationen sicherzustellen. Durch die Erkenntnisse aus systematischen Literaturrecherchen, 107 qualitativen Interviews sowie einer dreistufigen Delphi-Studie schafft dieses Kapitel einen detaillierten Überblick über die beiden Erfolgsfaktoren und liefert zwei Unterstützungstools, um die Kundenintegration und Individualisierung erfolgreich in verschiedensten Unternehmen umzusetzen.

    Corinna Winkler

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    M. Sc., ist seit Oktober 2016 am Lehrstuhl für Marketing und Innovation der Universität Passau als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin beschäftigt. Maßgeblich war Corinna Winkler im Rahmen ihrer Tätigkeit an dem vom BMBF geförderten Projekt DIGIVATION (FKZ: 02K14A222) beteiligt. Die aktuellen Forschungsinteressen von Corinna Winkler liegen im Bereich digitale Dienstleistungsinnovationen, Smart Services und datengetriebene Geschäftsmodelle.

    Franziska M. Bongers

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    M. Sc., ist seit Februar 2017 als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Lehrstuhl für Marketing und Innovation von Prof. Dr. Jan H. Schumann an der Universität Passau tätig. Sie war maßgeblich an dem vom BMBF geförderten Projekt DIGIVATION (FKZ: 02K14A222) beteiligt. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich des Business-to-Business-Marketings, insbesondere befasst sie sich mit der Digitalisierung von Dienstleistungs- und Vertriebsprozessen sowie dem Solutions Selling.

    Prof. Dr. Jan H. Schumann

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    ist seit Dezember 2012 Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Marketing und Innovation an der Universität Passau. Die aktuellen Forschungsinteressen von Prof. Dr. Schumann sind Online-Marketing, Technologie- und Innovationsmarketing, das Management von Kundenbeziehungen sowie Internationales Marketing.

    1.1 Motivation

    Die fortschreitende Digitalisierung gilt als zentraler Innovationstreiber im Dienstleistungsbereich mit großem Potenzial für Unternehmen. So wurden bereits 2013 in Deutschland 79 Milliarden Euro mit digitalen Dienstleistungen umgesetzt (BMWi 2019). Viele bestehende Wertschöpfungsketten und Geschäftsmodelle werden sich als Folge der Digitalisierung stark verändern oder gar wegfallen, zugleich können neue entstehen. Dienstleistungen sind dann digital, wenn die Bereitstellung entscheidender Kompetenzen oder Ressourcen, die Durchführung des wertschöpfenden Kernprozesses oder die Schaffung des zentralen Mehrwerts für die an der Wertschöpfung beteiligten Akteure in einem wesentlichen Umfang auf dem Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien beruhen (Beverungen et al. 2017, S. 784). Abhängig vom Digitalisierungsgrad der betreffenden Dienstleistung kann zwischen rein digitalen und teildigitalisierten Dienstleistungen unterschieden werden.

    Die Digitalisierung von Dienstleistungen ermöglicht es Anbietern, Kunden auf neue Art in den Entwicklungsprozess zu integrieren und Prozesse zielgerichtet zu optimieren (Schuh und Fabry 2014, S. 55). Beispiele dafür stellen virtuelle Workshops oder interaktive Plattformen dar (Parida et al. 2015, S. 42). Auch Predictive Maintenance-Dienstleistungen, die eine vorausschauende Wartung der Kundenmaschinen ermöglichen, basieren auf gesammelten und strukturiert ausgewerteten Sensordaten über den aktuellen Zustand einer bestimmten Maschine. Darüber hinaus können Anbieter, falls der Kunde die digitale Dienstleistung in Anspruch nimmt, aufbauend auf der steigenden Menge an erhobenen Daten neue Erkenntnisse über das Nutzungsverhalten der Kunden generieren (Porter und Heppelmann 2014, S. 8). Der Grund dafür ist, dass die detaillierte Analyse dieser akkumulierten Daten Rückschlüsse auf latente Kundenbedürfnisse für Dienstleistungsinnovationen zulassen kann (Allmendinger und Lombreglia 2005, S. 132; Opresnik und Taisch 2015, S. 175). So ergibt sich für Anbieter digitaler Dienstleistungen insgesamt die Chance zur Nutzung neuer Potenziale.

    Obwohl digitale Dienstleistungen zwar nachweislich hohes Wertschöpfungspotenzial bergen, scheitern sie aber auch häufig aus vielfältigen Gründen (Davenport und Westerman 2018, S. 3). Ein entscheidender Grund ist die fehlende systematische Definition des Kundennutzens (Grönroos 1990, S. 202–203), der in Konsequenz oft dazu führt, dass die entwickelten Dienstleistungsangebote die Kundenbedürfnisse nur bedingt treffen und am Markt nicht wie gewünscht angenommen werden. Grönroos (1990, S. 203–204) sieht die oftmals noch mangelnde Kundenintegration sogar als den schwerwiegendsten Grund für das Scheitern von Dienstleistungsentwicklungsprozessen. Ein weiteres Problem ist die mangelnde Berücksichtigung von tragfähigen Geschäftsmodellen, die sich im Zuge der Digitalisierung stark verändern können und daher von den bisher angewandten Geschäftsmodellen abweichen. Darüber hinaus scheitern die digitalen Dienstleistungen oft daran, dass kein ausreichender Fokus auf kundenindividuelle Anpassungen und bedarfsgerechte Prozessintegration beim Kunden gelegt wird. Diese Gründe zeugen davon, dass die von der Wissenschaft (z. B. Galbraith 2002, S. 3; Vargo und Lusch 2006, S. 284, 2008, S. 4–5) geforderte Transformation von einer produktorientierten hin zu einer kunden- und dienstleistungszentrierten Sichtweise in den meisten Unternehmen noch nicht stattgefunden hat.

    Die Kundenintegration liefert durch die Identifikation von spezifischen Bedürfnissen den Input für die Individualisierung der Dienstleistung. Kundenintegration und Individualisierung sind keine voneinander unabhängigen Ansätze, sondern bedingen sich vielmehr gegenseitig. Aufgrund der steigenden Nachfrage nach bedarfsgerechten Dienstleistungen hat die Individualisierung für Anbieterunternehmen strategische Bedeutung für das Kundenbeziehungsmanagement und die Schaffung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile erlangt (z. B. Arora et al. 2008, S. 306; Bask et al. 2010, S. 363). Nur durch die Kundenintegration ist es möglich, den für die Individualisierung notwendigen Input zu generieren.

    Dieser Beitrag zielt daher darauf ab, Unternehmen dabei zu helfen, sowohl die Kundenintegration als auch die Individualisierung erfolgreich umzusetzen. Konkret werden in diesem Buchbeitrag zunächst ein Baukasten zur Kundenintegration sowie anschließend ein Toolkit mit Individualisierungsstrategien für digitalisierte Dienstleistungen vorgestellt, die als Hilfsmittel für einen integrierten und systematischen Entwicklungsprozess verwendet werden können. Sowohl der Baukasten als auch das Toolkit wurden inhaltlich im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts DIGIVATION (Förderkennzeichen: 02K14A222) erarbeitet.

    Unsere dafür herangezogenen Erkenntnisse beruhen auf systematischen Literaturrecherchen sowie insgesamt 107 qualitativen Interviews (Abb. 1.1), die im Rahmen des DIGIVATION-Projekts sowohl mit beteiligten Verbundprojekten (20 %) als auch mit Experten aus dem Business-to-Business (B2B) (74 %) und Business-to-Consumer (B2C)-Kontext (6 %) durchgeführt wurden. Im Rahmen der B2B-Interviews konnten sowohl Vertreter hauptsächlich produzierender Unternehmen (z. B. aus dem Maschinen- und Anlagenbau oder der Elektrotechnik) als auch Experten aus reinen Dienstleistungsunternehmen (z. B. aus der Logistik oder der Beratung) befragt werden. Darüber hinaus fließen die Ergebnisse einer dreistufigen Delphi-Studie mit einem Expertengremium ein. Dieses methodische Vorgehen soll einerseits Aufschluss über den derzeitigen Stand von Vorgehensweisen und Methoden zur Entwicklung von digitalen Dienstleistungen vermitteln und andererseits einen Überblick über praxistaugliche Individualisierungsstrategien geben. Abb. 1.2 stellt das methodische Vorgehen für die Entwicklung und Ausarbeitung des Methodenbaukastens und des Toolkits in übersichtlicher Weise dar.

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    Abb. 1.1

    Verteilung der qualitativen Interviews

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    Abb. 1.2

    Methodisches Vorgehen

    Der Buchbeitrag gliedert sich wie folgt: Im ersten Teil des Beitrags, Abschn. 1.2, steht die Entwicklung eines Methodenbaukastens für die Kundenintegration in die Entwicklung von digitalen Dienstleistungsinnovationen im Fokus. Dabei werden zunächst in Abschn. 1.2.1 die Grundlagen der Kundenintegration genauer dargestellt. In Abschn. 1.2.2 wird ein Referenzprozess für die Entwicklung digitaler Dienstleistungssysteme beschrieben. Hierbei wird auch das Vorgehen zur Erstellung der Methodenbeschreibungen genauer dargestellt. Anschließend daran wird Interessierten mit Hilfe des Quick Checks in Abschn. 1.2.3 ermöglicht, geeignete Kundenintegrationsmethoden zu identifizieren. Der zweite Teil des Beitrags, Abschn. 1.3, behandelt Individualisierungsstrategien für digitale Dienstleistungsinnovationen. Hierfür liefert Abschn. 1.3.1 zunächst eine Einführung und Grundlagen zur Individualisierung von Dienstleistungen und geht dabei auch auf die durch Digitalisierung entstehenden Individualisierungspotenziale ein. In Abschn. 1.3.2 wird erneut die Möglichkeit gegeben, die eigene Situation mit Hilfe eines Quick Checks besser einschätzen zu lernen, um anhand des in Abschn. 1.3.3 aufgezeigten Überblicks geeignete Strategien für die Individualisierung digitaler und teildigitalisierter Dienstleistungen identifizieren zu können. Abschließend werden dann alle Strategien im Detail beschrieben.

    1.2 Methodenbaukasten Kundenintegration

    1.2.1 Grundlagen der Kundenintegration

    Unsere Definition von Kundenintegration orientiert sich an Kristensson, Matthing und Johansson (2008, S. 475) und beschreibt Kundenintegration als Einbezug des Kunden als aktiven Mitgestalter direkt von Beginn des Innovationsprozesses an, der darauf abzielt, ein Kundenproblem zu lösen. In der Praxis integrieren viele Unternehmen ihre Kunden kaum in solche Prozesse. Eine Studie von McKinsey (2018, S. 10) zeigt, dass 40 % der befragten Unternehmen während der Dienstleistungsentwicklung nicht mit ihren Kunden sprechen. Häufig werden hierfür Gründe wie der hohe Ressourcenbedarf (Zeit, Geld, etc.) (Fähling et al. 2011, S. 1) oder das Fehlen einer geeigneten Räumlichkeit für kreative Zusammenarbeit genannt. Auch die Identifikation von für eine Integration geeignete und interessante Kunden stellt für viele Unternehmen eine große Herausforderung dar (Bagdoniene und Valkauskiene 2016, S. 7). Ein weiteres Problem kann zudem, u. a. aufgrund von Zeitknappheit, die mangelnde Motivation der Kunden sein, sich in Workshops oder ähnlichen Formaten einzubringen (Straub et al. 2013, S. 27; Alam 2013, S. 58). Genauso ist es möglich, dass die Kunden sich durch die Menge an Informationen, die Ihnen zur Verfügung gestellt wird, überfordert fühlen (Hoyer et al. 2010, S. 289). In vielen Fällen sind die Mitarbeiter des Unternehmens zudem fälschlicherweise davon überzeugt, sämtliche Kundenwünsche zu kennen, auch ohne den Kunden systematisch zu integrieren. Außerdem gibt es innerhalb der Unternehmen häufig Widerstände gegen externe Ideen, weil die Mitarbeiter die aktuellen Vorgehensweisen unterstützen, sie keine Änderungen akzeptieren wollen oder es kulturelle Widerstände gegenüber den externen Ideen gibt. In der Literatur wird dieser Effekt als „Not-invented-here"-Syndrom bezeichnet (Katz und Allen 1982, S. 7). Zudem sprechen oft Probleme durch Geheimhaltungsvereinbarungen oder durch den Schutz intellektuellen Eigentums gegen eine erfolgreiche Kundenintegration zur Dienstleistungsentwicklung (Alam 2013, S. 51). Um dem zu begegnen sollte genau geregelt werden, wem die Ideen gehören, die im Rahmen von Workshops erarbeitet werden. Die Angst, dass Ideen durch illoyale Kunden an Konkurrenten weitergegeben werden könnten, spielt in diesem Zusammenhang auch eine große Rolle (Enkel et al. 2005, S. 205–206). Unternehmen wollen den Kunden oft keine halb fertigen Produkte zeigen aus Angst, ihre Reputation könnte darunter leiden. Darüber hinaus fürchten viele Unternehmen, dass die Kunden nur inkrementelle Weiterentwicklungen anregen können, weil sie nicht dazu in der Lage sind, ihre impliziten Wünsche zu äußern (Atuahene-Gima 2005, S. 64; Franke et al. 2009, S. 104–105; Matthing et al. 2004, S. 479). Ein weiteres Problem ist es, dass die Dienstleistungsideen der Kunden eventuell nicht umsetzbar sind (Magnusson et al. 2003, S. 113). Auch besteht die Gefahr, dass durch den zu starken Fokus auf den Kunden ein Nischenmarkt bedient wird, während neue Trends und Technologien übersehen werden, die zu radikalen Innovationen hätten führen können (Bagdoniene und Valkauskiene 2016, S. 7; Christensen 1997, S. 54; Enkel et al. 2005, S. 206). Darüber hinaus fällt es den Unternehmen z. B. bei digitalen Idea Contests schwer, aus der großen Anzahl an Einreichungen die relevanten Ideen herauszufiltern (Riedl et al. 2010, S. 2). Ein bekanntes Beispiel hierfür ist der Innovation Jam von IBM, wo 46.000 Ideen eingereicht wurden (Bjelland und Wood 2008, S. 35). Die Auswertung von unstrukturiertem und heterogenem Kundeninput (je nach Methode z. B. Zeichnungen, Videos, kurze Ideenbeschreibungen, etc.) ist häufig nur manuell durchführbar und daher sehr zeitintensiv (Ziegler et al. 2008, S. 1).

    Trotz all der genannten Herausforderungen gibt es viele gute Gründe, die für die Einbindung des Kunden in den Dienstleistungsprozess sprechen. Studien belegen die höhere Marktakzeptanz (Biemans 1991, S. 167; Engelhardt 1996, S. 82) durch die schnellere und bessere Identifikation von Kundenbedürfnissen (Carbonell et al. 2009, S. 539) und die kürzere „Time-To-Market (Alam 2006, S. 477; Carbonell et al. 2009, S. 539). Diese Zeitersparnis durch kürzere Innovationszyklen kann vor allem bei dem hohen Innovationsdruck durch Digitalisierung ein entscheidender Erfolgsfaktor sein. Laut Hipp und Grupp (2005, S. 520) ermöglicht Kundenintegration insgesamt effizientere Prozesse. Dies wird auch durch Kosteneinsparungen belegt (Hauser et al. 2006, S. 700–702), die sich z. B. durch die frühzeitige und damit noch kostengünstige Anpassungsmöglichkeit ergeben. Kunden stellen laut Afuah und Tucci (2012, S. 362) eine zentrale Ressource für externes Wissen dar. Kristensson et al. (2004) zeigen sogar, dass Kunden zum Teil kreativere Ideen entwickeln als professionelle Produktentwickler. Außerdem lässt sich eine höhere Kundenzufriedenheit und in der Folge auch eine höhere Kundenloyalität nachweisen, da sich die Kunden durch den Einbezug respektiert fühlen (Butler 2003, S. 229; Merisalo-Rantanen et al. 2009, S. 729). Insbesondere durch die spezifischen Charakteristika von digitalen Dienstleistungen (z. B. räumliche Unabhängigkeit für die Erbringung der Dienstleistungen) und bedingt durch die sich aufgrund von technologischen Weiterentwicklungen schnell ändernden Kundenbedürfnisse können zudem noch weitere Vorteile durch die frühzeitige Kundenintegration in den Entwicklungsprozess realisiert werden. Beispielsweise ist das Anpassen und Lernen am „lebenden Produkt möglich. Frühe Versionen und Prototypen einer digitalen Dienstleistung sind vergleichsweise leicht anpassbar und das sogar auch während des laufenden Betriebs. Außerdem besteht im digitalen Bereich eine höhere Akzeptanz von „halbfertigen" Lösungen (z. B. Beta-Testing von Computerspielen) seitens der Kunden.

    Die angesprochene Vorteilhaftigkeit der Kundenintegration haben bereits einige Unternehmen erkannt und befassen sich daher immer mehr mit strukturierten Vorgehensweisen in diesem Bereich. Doch diese Kundenintegrationsmethoden müssen zudem in einen größeren Rahmen und Entwicklungsprozess eingebettet sein. Die Erkenntnisse unserer zahlreichen Datenerhebungen zeigen, dass die meisten Unternehmen sich hierzu bereits explizit mit Service Engineering und den dazugehörigen Methoden auseinandersetzen. Eine nähere Analyse der Methoden und deren Anwendung verdeutlichte, dass eine Vielzahl an unterschiedlichen Methoden bekannt ist.

    Bei der praktischen Anwendung dieser lassen sich jedoch zwei Trends erkennen. Einerseits werden nach wie vor klassische Methoden des Service Engineering, wie beispielsweise Service-Blueprinting und Quality-Function-Deployment, angewandt. Diese sind allerdings wenig agil und flexibel, was im Kontext von digitalen Dienstleistungsinnovationen, die durch rapide technologische Entwicklungen schnelle Anpassungen erfordern, nachteilig ist. Andererseits werden Methoden aus anderen Bereichen (z. B. der Softwareentwicklung) verwendet, die nicht explizit für das Service Engineering entwickelt wurden. Dazu zählen beispielsweise SCRUM und Design Thinking. Beiden Trends ist gemeinsam, dass eine Weiterentwicklung der Methoden für die strukturierte und systematisierte Dienstleistungsentwicklung in Form eines Service Engineerings 4.0 notwendig ist, um diese gewinnbringend und zukunftsorientiert einsetzen zu können. Problematisch hierbei ist, dass die Methoden nicht für den expliziten Zweck angepasst wurden. Daher fehlen den meisten Unternehmen Ansätze und Methoden zur agilen und flexiblen Dienstleistungsentwicklung. Um diesen Herausforderungen der Unternehmen zu begegnen, wurde im Rahmen des DIGIVATION-Verbunds die DIN SPEC 33453 zur systematischen Entwicklung von digitalen Dienstleistungsinnovationen entwickelt, die als Referenzprozess und Handlungsempfehlung dienen soll. Dieser Referenzprozess, bei dem Kundenintegration eine maßgebliche Rolle spielt, soll im Folgenden im Detail beleuchtet werden.

    1.2.2 Referenzprozess zur Entwicklung von digitalen Dienstleistungsinnovationen

    Die DIN SPEC 33453 zielt darauf ab, ein besser anwendbares, aktuelleres und agileres Verfahren für die Entwicklung digitaler Dienstleistungssysteme zu definieren. Das Vorgehensmodell hilft dabei, die Marktreife der zu entwickelnden digitalen Dienstleistungen und Dienstleistungssysteme frühzeitig zu erreichen.

    Für die systematische Entwicklung einer digitalen Dienstleistung werden typischerweise drei Phasen durchlaufen: Analyse, Gestaltung und Implementierung. Grundsätzlich handelt es sich hierbei aber um einen iterativen Prozess mit flexiblen Einstiegspunkten, um sowohl Neu- als auch Weiterentwicklungen bestehender Dienstleistungssysteme zu ermöglichen. Daher ist es auch möglich, einzelne Phasen erneut zu durchlaufen oder den Entwicklungsprozess jederzeit abzubrechen. Die Abb. 1.3 zeigt die Übersicht über den Referenzprozess zur Entwicklung digitaler Dienstleistungssysteme. Die genaue Beschreibung der Aktivitäten, die in jeder Phase durchlaufen werden müssen, sowie der Gestaltungsdimensionen, die im äußeren Kreis dargestellt sind, findet sich in der DIN SPEC 33453.

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    Abb. 1.3

    Referenzprozess der im Überblick (DIN SPEC 33453)

    Die Analysephase zielt darauf ab, Kundenpräferenzen zu priorisieren und erste Geschäftsmodellentwürfe für die identifizierten Dienstleistungsideen zu erarbeiten. Aktivitäten, die in dieser Phase schwerpunktmäßig durchgeführt werden, sind zunächst die Marktanalyse, die Priorisierung der Kundenbedürfnisse und die Kundensegmentierung. Darüber hinaus spielt die Identifikation aller Ressourcen, Prozesse und Lösungen im Dienstleistungssystem eine wichtige Rolle. Weitere notwendige Schritte sind die Ideengenerierung sowie die Evaluation und Priorisierung der Ideen. Darüber hinaus ist es notwendig, die Kernfunktionalitäten der digitalen Dienstleistung zu definieren sowie strategische Erfolgspositionen festzulegen. Die Analysephase befasst sich darüber hinaus mit der Identifikation einer Business-Logik und der Identifikation von organisationalen, technischen, menschlichen und strategischen Einschränkungen des initialen Entwurfs.

    Das Ziel der Gestaltungsphase ist die Weiterentwicklung des Dienstleistungsentwurfs, der in der Analysephase identifiziert und ausgewählt wurde. Notwendige Aktivitäten innerhalb dieser Phase sind die Konzeptionierung des Dienstleistungssystems und die Definition und Zuordnung der Rollen einzelner Wertschöpfungspartner. Ein weiterer zentraler Bestandteil der Gestaltungsphase ist der Test des Prototyps.

    Die digitale Dienstleistung technisch und organisatorisch so im Unternehmen zu verankern, dass sie auch für weitere Kunden erbracht werden kann, ist das Ziel der Implementierungsphase. Dazu muss zunächst die Einführung der Dienstleistung geplant werden. Die Entwicklung einer Markteinführungsstrategie spielt auch eine große Rolle. Im Rahmen der Implementierungsphase sollte das Geschäftsmodell noch weiter evaluiert und konkretisiert werden. Letztlich wird das Dienstleistungssystem eingeführt und als wichtiger abschließender Schritt erfolgt die Reflektion über den gesamten Entwicklungsprozess.

    1.2.3 Quick Check

    Ein Überblick über typische Fragestellungen, die in den einzelnen Phasen des Referenzprozesses beantwortet werden, findet sich in Abb. 1.4. Dieser Überblick unterstützt Unternehmer dabei, sich leichter in die drei bereits vorgestellten Phasen einzuordnen. Grundsätzlich ist es auch möglich, sich parallel Fragen aus verschiedenen Phasen zu stellen, allerdings sollte jeweils beim Entscheidungspunkt überprüft werden, ob die Voraussetzungen für die Folgephase erfüllt sind. Falls dies nicht der Fall ist, sollte eine weitere Iteration der vorherigen Phase durchgeführt werden.

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    Abb. 1.4

    Quick Check für die Kundenintegration

    Es ist allerdings wichtig, zu bedenken, dass Kundenintegration bei rein technischen Innovationen, die der Kunde nicht verstehen kann oder stark standardisierten Dienstleistungen nur begrenzt hilfreich sein könnte. Dies sollte vor Beginn des Prozesses abgewogen werden.

    Um Unternehmen dabei zu unterstützen, die Phasen erfolgreich zu durchlaufen, haben wir eine beispielhafte Auswahl an Möglichkeiten für das methodische Vorgehen innerhalb der Phasen des Prozesses dargestellt. Unter anderem wurden Methoden aus dem Service Engineering und anderen verwandten Disziplinen wie Business Analytics und Softwareentwicklung in das Verfahren zur Entwicklung digitaler Dienstleistungssysteme integriert. Ziel war es, einen möglichst umfassenden Methodenkatalog zu erstellen und die Methoden den einzelnen Phasen des Referenzprozesses zuzuordnen. Dabei wurde auch der Eignungsgrad für die Anwendung bei digitalen Dienstleistungsinnovationen eingestuft. Abb. 1.5 stellt einen Überblick über die Zuteilung der einzelnen Methoden zu den Phasen im Referenzprozess dar. Methoden, die in den Querschnittsbereich eingeordnet wurden, können in mindestens zwei der Phasen angewandt werden. Alle Methoden, die mit einem * gekennzeichnet sind, benötigen keinen expliziten Einbezug des Kunden.

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    Abb. 1.5

    Zuordnung der Methoden zu den Phasen der DIN SPEC 33453

    In Abb. 1.5 wird ersichtlich, dass die Kundenintegration potenziell in allen Phasen des Entwicklungsprozesses sinnstiftend ist. In der Analysephase ist Kundenintegration jedoch von besonderer Bedeutung, da zu Beginn des Prozesses möglichst genaue Erkenntnisse über das Kundenproblem bzw. die Kundenanforderungen an die zu entwickelnde Dienstleistung gesammelt werden sollen. Auch die bisherige Literatur bezeugt die Vorteilhaftigkeit der Einbindung von Kunden im gesamten Entwicklungsprozess (Alam und Perry 2002, S. 528; Alam 2013, S. 55; Carbonell et al. 2009, S. 548). Alam (2006, S. 476) bestätigt außerdem, dass die Einbindung zu Beginn des Prozesses – für die Ideengenerierung, die Auswahl von Ideen und die Konzepterstellung – noch wichtiger ist, als in späteren Phasen des Prozesses. Kunden können sowohl die Rolle als „Informant" im Prozess einnehmen als auch im späteren Verlauf Prototypen verfeinern und validieren (Durugbo 2014, S. 329–330). Durch die Einbindung des Kunden über den gesamten Dienstleistungsentwicklungsprozess hinweg ist eine langfristige Kundenbeziehung noch wichtiger als bei der Produktinnovation (Kindström und Kowalkowski 2009, S. 7–8).

    Von einzelnen Transaktionen wie beim Produktverkauf verschiebt sich der Fokus der Forschung immer mehr Richtung Beziehung mit kontinuierlichem Kontakt von der Entwicklung bis zur finalen Nutzung der Dienstleistung beim Kunden (Eloranta und Turunen 2016, S. 178; Leseure et al. 2010, S. 17).

    Folglich variiert die Rolle des Kunden je nach Erforderlichkeit und Aktivität im Innovationsprozess. Sie kann von einem passiven Beobachtungsobjekt mit fortschreitendem Integrationsgrad über den Kunden als fremdbestimmten Dialogpartner bis hin zu einem selbstständigen Ideengeber reichen (Kunz und Mangold 2004, S. 10). Abhängig vom Integrationsgrad lässt sich die Eigeninitiative und Aktivität des Kunden im Prozess darstellen. Während beispielsweise bei der Methode des Shadowing aus der DIN SPEC 33453 der Kunde als passives Beobachtungsobjekt dient, gibt er als gleichberechtigter Interaktionspartner z. B. beim Brainstorming aktiv eigene Ideen als Input für den Dienstleistungsentwicklungsprozess.

    Die 30 durch das Expertengremium ausgewählten Methoden für die Entwicklung digitaler Dienstleistungen und deren Ablauf sind in der DIN SPEC 33453 in Kurzbeschreibungen dargestellt. Die Kurzbeschreibungen sollen Unternehmern dabei helfen, schnell und einfach geeignete Methoden für den gewünschten Zweck auswählen zu können, ohne sich vorher intensiv mit der Literatur auseinandersetzen zu müssen. Darüber hinaus finden sich auch weiterführende Literaturhinweise. In diesem Beitrag wird beispielhaft die Methode „Persona" aus der Analysephase dargestellt.

    Abb. 1.6 zeigt eine typische Kurzbeschreibung. Im Feld Besonderheiten bei digitalen Dienstleistungen wird beschrieben, inwiefern eventuell Anpassungen beim Einsatz der traditionellen Methode wichtig sein könnten. Der Schwierigkeitsgrad der Methode gibt an, ob vor der Durchführung der Methode ein spezielles Training oder eine andere Qualifikation notwendig ist. Manche der Methoden erfordern auch eine längere Auseinandersetzung und fachspezifische Erfahrung, um sie erfolgreich im Unternehmen einsetzen zu können. Dementsprechend können Entscheidungsträger anhand der verfügbaren Ressourcen im Unternehmen und dem gewünschten Detaillierungsgrad der Ergebnisse Methoden für die Dienstleistungsentwicklung auswählen. Methoden, die keines speziellen Trainings bedürfen, können beispielsweise leichter und schneller in kleineren Unternehmen durchgeführt werden (z. B. 5 Why’s oder Brainstorming). Die angegebene Skala beim Detaillierungsgrad der Ergebnisse verdeutlicht, ob qualitative oder quantitative Ergebnisse nach der erfolgreichen Durchführung zu erwarten sind und in welchem Detailgrad diese letztlich vorliegen. Falls ein höherer Detaillierungsgrad an Ergebnissen gewünscht ist, kann es auch notwendig sein, komplexere Methoden (z. B. Conjoint-Analysen) durchzuführen.

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    Abb. 1.6

    Kurzbeschreibung der Methode „Persona"

    Grundsätzliche Voraussetzung für die Durchführung von solch systematischen Entwicklungsprozessen ist die Notwendigkeit einer entsprechenden Kultur innerhalb des Unternehmens. Es ist wichtig, dass Projekte auch abgebrochen werden können, weshalb im Referenzprozess auch nach jeder Phase ein Entscheidungspunkt zu durchlaufen ist. Ohne entsprechende unternehmenskulturelle Voraussetzungen werden Unternehmen die Risiken des externes Wissens und Innovationsideen aufzunehmen nur sehr schwer integrieren können (Chesbrough 2004, S. 23; Huston und Sakkab 2006, S. 7). Ein weiterer wichtiger Faktor, der für die Kundenintegration in Innovationsprozessen bedacht werden muss, ist die Motivation der Kunden sich überhaupt aktiv zu beteiligen. Diese kann auf verschiedene Arten erhöht werden. Die extrinsische Motivation kann als Anreiz beispielsweise durch finanzielles Entgelt erzeugt werden (z. B. Brockhoff 2005, S. 867–870; Lüthje 2000, S. 42). Intrinsische Motivation des Kunden entsteht auf verschiedene Arten: beispielsweise dadurch, dass der Kunde das Gefühl hat zu helfen, er seine eigene Expertise erweitert, grundsätzlich Spaß am Prozess hat oder sein Ansehen bei anderen Kunden erhöht (z. B. Von Krogh 2003, S. 15). Dementsprechend sollte der Anbieter Maßnahmen (z. B. durch gezielte Kommunikation oder finanzielles Entgelt) ergreifen, um die extrinsische und intrinsische Motivation der Kunden zu stärken.

    Der in diesem Kapitel dargestellte Methodenbaukasten soll als Unterstützungstool für die Kundenintegration bei der Entwicklung von digitalen Dienstleistungsinnovationen dienen. Das Tool wurde auch durch die im DIN SPEC-Gremium beteiligten Praxisexperten in mehreren Runden validiert. Die identifizierten Kundenbedürfnisse können im nächsten Schritt weiterverwendet werden, um die entwickelten Dienstleistungen zu individualisieren. Reckenfelderbäumer (2009, S. 221) unterscheidet Kundenintegration daher in zwei mögliche Innovationsstrategien: Der Kunde als Ideenquelle für Innovationen sowie der Kunde als Komplettierer und Individualisierer. Die erste Option erfordert aktive Beteiligung des Kunden bei der Gewinnung und Weiterentwicklung von Ideen im Sinne der Open Innovation (Chesbrough 2003, S. 43–62, 2004, S. 23; Reichwald und Piller 2006, S. 115–206). Bei der zweiten Option werden standardisierte Leistungselemente des Anbieters um individuelle Leistungselemente durch den Kunden ergänzt. Daher wird im nächsten Teilbereich dieses Buchbeitrags ein Toolkit für verschiedene Individualisierungsstrategien präsentiert.

    1.3 Toolkit Individualisierungsstrategien für digitalisierte Dienstleistungen

    1.3.1 Einführung und Grundlagen zur Dienstleistungsindividualisierung durch Digitalisierung

    Grundsätzlich kann eine „kundenspezifische Leistung (…) nur dann erbracht werden, wenn der Nachfrager (…) Informationen (…) bereitstellt" (Piller 2006, S. 143). Ausgehend von diesen Informationen über individuelle Bedürfnisse, Wünsche und Präferenzen der Kunden können dann darauf abgestimmte, maßgeschneiderte Dienstleistungen angeboten werden (Murthi und Sarkar 2003, S. 1345). Da Kunden zunehmend erwarten, individualisierte, auf ihre entsprechende Situation zugeschnittene Dienstleistungen in Anspruch nehmen zu können und diese bedarfsgerecht zu gestalten, gewinnt die Individualisierung von Dienstleistungen immer weiter an Bedeutung für die Aufrechterhaltung der Kundenbeziehung (Arora et al. 2008, S. 306; Bask et al. 2010, S. 360). Nur wenn Leistungen individuelle Kundenwünsche und Bedürfnisse treffen, sind sowohl B2C- als auch B2B-Kunden bereit, sich langfristig an ein Unternehmen zu binden (Coelho und Henseler 2012, S. 332; Piller und Meier 2001b, S. 3) und höhere Preise zu akzeptieren (Franke et al. 2009, S. 116; Franke und Piller 2003, S. 594). Auch unternehmensseitige Lerneffekte und Wissens-Spillovers zählen zu den Vorteilen der Dienstleistungsindividualisierung (Schaarschmidt et al. 2018, S. 120). Infolgedessen hat die Individualisierung strategischen Wert für Unternehmen erlangt (Ghosh et al. 2006, S. 664) und immer mehr Unternehmen möchten individualisierbare Dienstleistungen anbieten (Ålström und Westbrook 1999, S. 265; Ceci und Masini 2011, S. 91). Manche Autoren schreiben individualisierten Dienstleistungen sogar ein größeres Wertschöpfungspotenzial als individualisierten Produkten zu (Anderson et al. 1997, S. 141; Peters und Saidin 2000, S. 111).

    Allerdings entstehen durch die für die Individualisierung von Dienstleistungen erforderliche Kundenintegration in den Erstellungs- und Erbringungsprozess sowohl dem Kunden selbst als auch dem Anbieter auch Kosten: Beispielsweise müssen Kunden über technische Interfaces Präferenzen zum Ausdruck bringen oder Servicemitarbeiter umfassend geschult werden, um den zielgerichteten Austausch von Informationen über tatsächliche Kundenbedürfnisse zu ermöglichen (z. B. Da Silveira et al. 2001, S. 7; Piller 2004, S. 317). Zudem sehen sich beide Parteien mit Unsicherheit über Kundenpräferenzen beziehungsweise die Art und Weise der Erfüllung von Präferenzen konfrontiert (Piller et al. 2005). Auch können sich als umständlich oder kompliziert wahrgenommene Individualisierungsprozesse negativ auf die Wahrnehmung des individualisierten Angebots auswirken (Novemsky et al. 2007, S. 347). Um diese Kosten reduzieren oder gar ganz einsparen zu können, versuchen viele Anbieter von Dienstleistungen, diese zunehmend standardisiert zu erbringen (Piller und Meier 2001a, S. 5). Diese Standardisierung geht jedoch mit dem Verlust von Angebotsvielfalt und daraus resultierenden Kundenbindungspotenzialen einher (Haug et al. 2009, S. 639; Wind und Rangaswamy 2001, S. 29).

    In Folge dieses scheinbaren Gegensatzes zwischen Individualisierung und Standardisierung sehen sich Anbieter gewissermaßen zwischen zwei gegensätzlichen Polen gefangen. Einerseits kann keine One-Size-Fits-It-All-Lösung gefunden werden, die alle Kunden zufriedenstellt und auch das Angebot von unterschiedlichen Varianten befriedigt oftmals nicht alle Kundensegmente. Auf der anderen Seite entstehen mit steigender Dienstleistungsindividualisierung auch substanzielle Kosten auf Kunden- und Anbieterseite. Aus diesem Grund ist es für Anbieter essenziell, Individualisierungsstrategien auszuwählen, die dem jeweiligen Kontext optimal gerecht werden. Um Dienstleistungsanbieter dabei zu unterstützen, soll das folgende Teilkapitel einen Überblick über unterschiedliche Strategien der Dienstleistungsindividualisierung geben, diese entlang eines Kontinuums abnehmender Individualisierung charakterisieren und Handlungsempfehlungen für Anbieter insbesondere digitalisierter Dienstleistungen ableiten.

    Dazu sollen im nächsten Schritt jedoch zunächst begriffliche Grundlagen erläutert werden. Unter Individualisierung (Customization) verstehen wir, „wenn ein Unternehmen die angebotene Leistung mehr oder weniger vollständig an den Ansprüchen eines einzelnen Abnehmers oder einer kleinen Gruppe von Abnehmern mit homogenen Ansprüchen ausrichtet, und zwar dergestalt, dass sich diese Leistung von der vom selben Unternehmen für andere Abnehmer bzw. Abnehmergruppen hergestellten wahrnehmbar unterscheidet, wobei der bzw. die Abnehmer in den Prozess der Leistungserstellung aktiv eingebunden ist bzw. sind" (Gregori 2006, S. 109). Grundlage jeder Art von Individualisierung ist dementsprechend die Annahme, dass Kunden inhärente Präferenzen haben, diese artikulieren können und dass eine Ausrichtung des Angebots an diesen Präferenzen mehr Kundennutzen erzeugt als ein standardisiertes Angebot (Simonson 2005, S. 32; Syam et al. 2008, S. 379; Valenzuela et al. 2009, S. 754). Der Individualisierungsgrad einer Dienstleistung bezeichnet infolgedessen den Grad ihrer spezifischen Anpassung an die heterogenen individuellen Bedürfnisse unterschiedlicher Kunden (Anderson et al. 1997, S. 129; Hildebrand 1997, S. 41). Hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass sich das individualisierte Dienstleistungsangebot maßgeblich von Dienstleistungsangeboten, die vom selben Unternehmen für andere Kunden oder Kundengruppen erstellt wurden, unterscheidet (Mayer 1993, S. 63).

    Die Integration des Kunden in den Leistungserstellungsprozess bildet dabei das entscheidende Abgrenzungskriterium zum einfachen Angebot von unterschiedlichen Varianten einer Dienstleistung: Das Angebot unterschiedlicher Varianten bietet Kunden Auswahlmöglichkeiten, aber keine Möglichkeit, die Leistung selbst entsprechend ihrer individuellen Bedürfnisse, Wünsche und Anforderungen zu spezifizieren (Duray et al. 2000, S. 607). Auch das verwandte Konzept der Personalisierung lässt sich mit Hilfe dieses Charakteristikums von der Individualisierung abgrenzen, da die Personalisierung ebenfalls nicht notwendigerweise durch den Kunden, sondern das Anbietersystem initiiert wird (Sundar und Marathe 2010, S. 300; Wind und Rangaswamy 2001, S. 15). Bei der Personalisierung handelt es sich somit lediglich um die „Individualisierung der Kommunikation mit den Abnehmern (…) im Sinne eines One-to-One-Marketing" (Piller 2006, S. 178), wohingegen die Individualisierung einer Dienstleistung auf die Erstellung und Erbringung einer an individuelle Kundenbedürfnisse angepassten Leistung unter Integration des Kunden abzielt.

    Insbesondere für die im Rahmen der Dienstleistungsindividualisierung erforderliche Kundenintegration stellen digitale Technologien einen wichtigen Treiber dar (Barrett et al. 2015, S. 135; Da Silveira et al. 2001, S. 11; Fogliatto et al. 2012, S. 19): Mit Hilfe von digitaler Informationstechnologie verbessern sich Zugang und Verfügbarkeit von Daten sowie deren Vollständigkeit für Anbieterunternehmen massiv (Brohman et al. 2003, S. 48; Chen und Wang 2008, S. 320). Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass Kunden unter Einsatz digitaler Technologien wesentlich einfacher und unkomplizierter ihre Präferenzen mit Anbietern teilen können. Beispielsweise bieten immer mehr Anbieterunternehmen die Möglichkeit, digitalisierte Dienstleistungen im Internet über Konfiguratoren individuell zusammenzustellen. Im Rahmen der McKinsey Solutions können Firmenkunden zum Beispiel über die Homepage des Unternehmens auf internetbasierte Beratungsmodule zugreifen und diese bedarfsgerecht nutzen (McKinsey und Company 2019). Während es sich bei den McKinsey Solutions um sogenannte Primärdienstleistungen handelt, bei denen die erbrachte Dienstleistung nicht unmittelbar an ein Produkt geknüpft ist, können auch produktgebundene obligatorische oder fakultative Sekundärdienstleistungen (Jugel und Zerr 1989) mit Hilfe digitaler Technologie individualisiert erbracht werden: Beispielsweise bieten immer mehr Automobilhersteller ihren Kunden Möglichkeiten, über Anwendungen wie Mercedes me (Mercedes-Benz AG 2019) oder BMW Connected Drive (BMW AG 2019a) ausgehend von individuellen Wünschen und Anforderungen Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen.

    Schon 1995 waren Pine II, Peppers und Rogers vom Potenzial digitaler Technologien für die Dienstleistungsindividualisierung überzeugt, wie die Aussage „anything that can be digitized can be customized" verdeutlicht (S. 108). Auch Rust und Kannan (2003, S. 40) sowie Sheth und Sharma (2007, S. 7) betonten die mit der Digitalisierung verbundenen Möglichkeiten zur Abstimmung einer Dienstleistung auf den einzelnen Kunden, die beispielsweise Kundenzufriedenheit, Loyalität und, infolgedessen, die Umsätze eines Anbieters maßgeblich erhöhen kann. Zudem reduziert Digitalisierung potenzielle Qualitätsschwankungen in der Dienstleistungserbringung und das mit Dienstleistungen verbundene Risiko für den Kunden stark. Des Weiteren wird durch Digitalisierung eine technologiemediierte Kundenintegration möglich, so dass der Kunde nicht mehr vor Ort sein muss, um in den Leistungserstellungsprozess eingebunden zu werden. Infolgedessen birgt die Digitalisierung die Chance, den scheinbaren Gegensatz zwischen Individualisierung und Standardisierung durch effiziente Leistungserbringung zu überwinden oder zumindest zu entschärfen (Reichwald et al. 2002, S. 225).

    Um von diesen positiven Effekten der Dienstleistungsindividualisierung durch Digitalisierung profitieren und Kunden besser zufriedenstellen zu können, müssen Anbieter jedoch die geeignetste Individualisierungsstrategie auswählen. Dazu ist es für Anbieter digitalisierter Dienstleistungen nötig, einen Überblick über die Gesamtheit aller Individualisierungsstrategien und ihre Anwendbarkeit im jeweiligen Unternehmenskontext zu erhalten Aus diesem Grund werden im Folgenden Strategien der Individualisierung aufgezeigt, umfassend charakterisiert und deren Einsetzbarkeit im Kontext digitalisierter Dienstleistungen evaluiert.

    1.3.2 Quick Check

    Bevor ein Überblick über die Strategien gegeben wird, erhält der Leser mit dem sogenannten Quick Check (Abb. 1.7) die Möglichkeit, eine Bestandsaufnahme der im Unternehmen vorhandenen Ressourcen und durch das Unternehmensumfeld definierten Rahmenbedingungen vorzunehmen. Beispielsweise unterscheiden sich große und kleine Unternehmen oftmals hinsichtlich ihrer Ressourcenausstattung oder organisatorischen Flexibilität (Xu et al. 2004, S. 16). Aus diesem Grund ist es wichtig, diese Bestandsaufnahme mit Hilfe des Quick Checks sorgfältig durchzuführen. Basierend auf den im Quick Check identifizierten und im Entscheidungshilfetool analysierten Charakteristika können Managementvertreter dann geeignete Individualisierungsstrategien identifizieren.

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    Abb. 1.7

    Quick Check-Individualisierungsstrategien

    1.3.3 Überblick über die Strategien

    Mit dem durch den Quick Check erarbeiteten Hinweisen im Hinterkopf soll nun eine informierte Einführung in die verschiedenen Strategien der Individualisierung gegeben werden. In diesem Beitrag wird unter einer Strategie ein Maßnahmenbündel und eine Ressourcenzuordnung zur Erreichung grundlegender, langfristiger Unternehmensziele (Chandler 1962, S. 13) sowie von Wettbewerbsvorteilen und neuen Erfolgspotenzialen (Dillerup und Stoi 2016) verstanden.

    In der Literatur existiert ein breites Bündel an unterschiedlichen Einteilungen verschiedener Individualisierungsstrategien, ausgehend von einer standardisierten One-Size-Fits-It-All-Lösung bis hin zur einzigartigen, komplett individualisierten Dienstleistungserbringung (Pullman et al. 2001, S. 241). Während Mintzberg (1988, S. 30) lediglich zwischen drei Strategien, der Pure Customization, der Tailored Customization und der Standardized Customization unterscheidet, beschreiben Lampel und Mintzberg (1996, S. 24) ein Kontinuum aus sechs Strategien. Diese reichen von der Pure Customization über die Segmented Standardization, Customized Stardardization und Tailored Customization bis hin zur Pure Standardization. Das Strategiekontinuum von Lampel und Mintzberg (1996, S. 25) kennt dabei vier unterschiedliche Stufen im Produkterstellungsprozess: Die Design-Phase, die Fertigungs-Phase, die Montage-Phase und die Distributions-Phase. Ein Übertrag auf den Dienstleistungskontext ist den Autoren zufolge dennoch möglich. Im Sinne eines Dienstleistungserbringungsprozesses, der üblicherweise durch die Vorkombination und die Endkombination von Leistungspotenzialen beschrieben wird (Corsten und Gössinger 2015, S. 130), können Design, Fertigung und Montage der Vorkombinationsphase zugeschrieben werden. Die Distribution entspräche entsprechend der Endkombinationsphase, die traditionell durch die Integration des externen Faktors Kunde erfolgt (Parasuraman et al. 1985, S. 34).

    Die Unterscheidung der Strategien erfolgt anhand der Phase im Prozess, die von der Kundenintegration betroffen ist sowie des resultierenden Individualisierungsgrads des resultierenden Angebots. Der Kundenintegrationsgrad wird hierbei entsprechend der Phase im Angebotserstellungsprozess, in welcher Kunden erstmals integriert werden, definiert (Duray et al. 2000, S. 606; Lampel und Mintzberg 1996, S. 25). Während bei den Strategien, die den stärksten Individualisierungsgrad bieten, Kunden bereits in die Design-Phase involviert sind, erfordern die Strategien mit geringerem Individualisierungsgrad Kundenintegration erst in den nachgelagerten Phasen des Erstellungsprozesses. Entsprechend stellt der Customer Order De-Coupling Point (CODP) (Haug et al. 2009, S. 634; Rudberg und Wikner 2004, S. 445) beziehungsweise Order Penetration Point (Olhager und Rudberg 2003, S. 339) eine Differenzierungslinie dar. Zwischen den Strategien müssen dabei Trade-Offs zwischen niedrigem Preis und Produktivität sowie hohem Preis und Flexibilität gemacht werden: Je weiter hinten im Erstellungsprozess der CODP positioniert ist, desto mehr müssen sich Anbieter auf Spekulation über die Nachfrage verlassen und desto eher liegt der Fokus auf Produktivität und Effizienz statt Flexibilität (Rudberg und Wikner 2004, S. 447). Mit der erhöhten Effizienz gehen eine geringe Eingriffstiefe und weniger Kundenintegration in den Leistungserstellungsprozess sowie entsprechend weniger Interaktion zwischen Anbieter und Kunde einher, was Unsicherheit und Aufwand für Anbieter und Kunde reduziert (Kreuzer 2005, S. 58). Durch die reduzierte Anzahl an Schritten im Erstellungsprozess, die nicht spezifisch sind, wird die Herstellung insgesamt günstiger (Duray 2002, S. 315). Umgekehrt basiert bei einem früh im Erstellungsprozess angelegten CODP der Erstellungsprozess auf Sicherheit über die Kundennachfrage und entsprechend liegt der Fokus auf Flexibilität (Rudberg und Wikner 2004, S. 446). Natürlich können Anbieter auch mehr als eine Strategie verfolgen (Amaro et al. 1999, S. 360; Duray 2002, S. 323; Gilmore und Pine II 1997, S. 100).

    Die ausgewählten Strategien werden im Folgenden mit abnehmendem Kundenintegrations- und, infolgedessen, Individualisierungsgrad präsentiert (Abb. 1.8). An dieser Stelle soll ausdrücklich erwähnt werden, dass vor allem im Produktbereich noch weitere Individualisierungsstrategien bekannt sind. In diesem Beitrag sind aber explizit nur Strategien dargestellt, die unserer Einschätzung nach das Potenzial haben, auch bei voll- und teildigitalisierten Dienstleistungen Anwendung finden zu können.

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    Abb. 1.8

    Toolkit-Individualisierungsstrategien

    Pure Customization

    Entsprechend dem Standardisierungs-Individualisierungs-Kontinuum handelt es sich bei der Pure Customization um die Strategie mit der größtmöglichen Individualisierung, die denkbar ist. Diese Strategie ist auch unter den Begriffen Engineer-to-Order, Full Customization, Develop-to-Order oder Einzelfertigung bekannt (Haug et al. 2009, S. 634; Piller 2006, S. 218; Piller et al. 2004, S. 443; Squire et al. 2006, S. 10) und zeichnet sich grundsätzlich durch auftragsspezifische Kalkulation, eine hohe Fertigungsflexibilität, die Individualität der Produktionsprozesse sowie die einzelfallbezogene Anfertigung von Fertigungsunterlagen aus (Piller 2006, S. 176). Im Rahmen dieser Art der Individualisierung wird für einen speziellen Kunden ein gänzlich neues, auf die jeweiligen Kundenansprüche abgestimmtes Angebot kalkuliert und entwickelt. Auf diese Weise können beispielsweise Vertrauen, Loyalität und höhere Zahlungsbereitschaften erzielt werden (Bock et al. 2016, S. 3928; Roth et al. 2006, S. 326). Bei der Pure Customization erfolgen Design und Produktion für jedes Angebot dementsprechend neu „from scratch" (Duray et al. 2000, S. 608). Der Erstellungsprozess beginnt erst mit der Bestätigung des Kundenauftrags und wird für jeden Angebotsfall individuell geplant und abgewickelt. Vorfertigung ist nur zu einem sehr geringen Ausmaß möglich. Ziel der Pure Customization kann beispielsweise auch sein, durch das sogenannte Overdelivering, wenn es die Rahmenbedingungen zulassen, mehr zu liefern als Kunden es erwartet hätten, sie so zu begeistern und langfristig zu binden.

    Die Pure Customization erfordert die Integration des Kunden bereits in der Entwicklungsstufe „Design", also schon in der Vorkombinationsphase. Entsprechend können Kunden ein hohes Maß an Einfluss auf den Herstellungsprozess nehmen und das Angebot nach eigenen Wünschen und Anforderungen gestalten (Silvestro und Lustrato 2015, S. 885). Allerdings ist die Pure Customization für das erstellende Unternehmen mit erhöhten Kosten entlang aller Stufen der Value Chain verbunden. Als Beispiele sind zu nennen, dass die Pure Customization beispielsweise die Abstimmung vieler unterschiedlicher firmeninterner Prozesse und Entwicklungsaufwände nötig macht, wodurch die Koordinationskomplexität insgesamt erhöht wird. Darüber hinaus entstehen Kosten aufgrund der erhöhten Informations- und Kommunikationsintensität, da ein hohes Maß an (persönlicher) Interaktion zwischen Anbieter und Kunde sowie der Aufbau von Schnittstellen zur Kundenintegration erforderlich sind. Als eine dieser Schnittstellen müssen auch die Mitarbeiter des erstellenden Unternehmens über ausreichendes Produkt- und Prozesswissen verfügen (Gwinner et al. 2005, S. 135). Zudem ist es nötig, dass Front- und Back-End der Dienstleistungserbringung sehr stark integriert sind (Silvestro und Lustrato 2015, S. 886). Infolgedessen impliziert die Strategie ein weniger hohes Maß an realisierbaren Economies of Scale und dementsprechend höhere Herstellungskosten (Squire et al. 2006, S. 11). Eine detaillierte Übersicht der Einzelkosten der Pure Customization in allen Stufen der Value Chain kann Piller (2006, S. 496) entnommen werden.

    Aber auch auf Kundenseite entstehen durch die Pure Customization erhöhte Kosten. Durch das hohe Maß an Integration in den Leistungserstellungsprozess nimmt der Kunde weniger eine passive, sondern vielmehr die aktive Rolle eines Co-Produzenten oder Prosumers ein (Piller 2006, S. 148). Dies erfordert, dass der Kunde bereit ist, den vorab nicht einschätzbaren Aufwand der Sammlung und Bereitstellung für den Leistungserstellungsprozess wichtiger Informationen auf sich zu nehmen. Darüber hinaus sieht er sich aber auch oft mit einem hohen Maß an Komplexität konfrontiert: Einerseits führt die Palette potenzieller Gestaltungsmöglichkeiten zu Überforderung (Huffman und

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