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Monetarisierung von technischen Daten: Innovationen aus Industrie und Forschung
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eBook1.417 Seiten12 Stunden

Monetarisierung von technischen Daten: Innovationen aus Industrie und Forschung

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Über dieses E-Book

Die Monetarisierung von Daten ist per se ein sehr junges Thema, zu dem es nur sehr vereinzelt Fallbeispiele gibt. Es fehlt an einer Strategie bzw. einem Konzept, das Führungskräften den Weg in die Monetarisierung von Daten zeigt, insbesondere jenen, die die Digitale Transformation bzw. Industrie 4.0 für sich entdeckt haben oder davon bedroht sind. Weil Maschinendaten meist unstrukturiert und ohne Domänenwissen/Metadaten nicht verwertbar sind, birgt die Monetarisierung von Maschinendaten ein noch nicht abschließend bewertbares Potenzial. Um dieses Potenzial greifbar zu machen, werden in diesem Werk neben Beiträgen aus der Wissenschaft auch Praxisbeispiele aus der Industrie beschrieben. Anhand von unterschiedlichen Beispielen aus diversen Branchen kann der Leser bereits heute Teil einer zukünftigen Datenökonomie werden. Mehrwerte und Nutzen werden konkret beschrieben.
SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer Vieweg
Erscheinungsdatum12. Aug. 2021
ISBN9783662629154
Monetarisierung von technischen Daten: Innovationen aus Industrie und Forschung

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    Buchvorschau

    Monetarisierung von technischen Daten - Daniel Trauth

    © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2021

    D. Trauth et al. (Hrsg.)Monetarisierung von technischen Datenhttps://doi.org/10.1007/978-3-662-62915-4_1

    1. Monetarisierung von Daten am Beispiel von Fertigungsmaschinen

    Grundlagen, Herausforderungen und Potenziale

    Daniel Trauth¹  

    (1)

    Senseering GmbH, Köln, Deutschland

    Daniel Trauth

    Email: d.trauth@senseering.de

    Die Fertigungstechnik muss von einem typbasierten Denken – jede Instanz eines Typs ist gleich – hin zu einem instanz- bzw. zustandsbasierten Denken. Dafür ist eine Monetarisierung von Fertigungsdaten unerlässlich.

    Joachim Starke, BMW

    Zusammenfassung

    Der Vision der Industrie 4.0 folgend, werden Maschinen digitalisiert und untereinander sowie mit Software-Systemen vernetzt. Trotz der erwarteten Potenziale und der Popularität der Thematik, stehen Unternehmen in der Praxis vor der Herausforderung echte monetäre Mehrwerte zu erzielen. Dieser Buchbeitrag erläutert charakteristische Probleme, welche die Monetarisierung von Maschinendaten innerhalb sowie außerhalb der eigenen Unternehmensgrenzen erschweren. Weiterhin wird ein Framework zur schrittweisen Umsetzung einer Datenmonetarisierung vorgestellt. Abschließend werden Fallbeispiele skizziert, die zusammen mit Experten aus der industriellen Praxis entwickelt wurden, um die Vorteile von zuvor beschriebenen Monetarisierungsstrategien zu untersuchen und zu belegen.

    1.1 Einleitung

    Die Aufgabe der Produktionstechnik, die ein wichtiges Teilgebiet des modernen Maschinenbaus darstellt, ist nicht erst seit der industriellen Revolution im 18. Jahrhundert die Effizienzsteigerung von verarbeitenden und herstellenden Methoden. Bereits in der Steinzeit wurden Faustkeile aus Stein zur Bearbeitung von Holz und tierischen Materialen eingesetzt. Später wurden Faustkeile zu Äxten und Speeren weiterentwickelt oder durch neue Materialen revolutioniert. Doch für alle Zeitalter und Entwicklungsstufen galten dieselben ökonomischen Werte.

    Wandel des Wertesystems

    Alles was erforscht, entwickelt oder erarbeitet wurde, zahlte in das Wertesystem besser, schneller, billiger ein. Es handelt sich hierbei um das noch immer moderne Spannungsfeld der Produktionstechnik bestehend aus Qualität, Zeit und Kosten. Die Vision der Industrie 4.0 verspricht eine Revolution der industriellen Produktion mittels Digitalisierung und Vernetzung von physischen und digitalen Systemen. Aber in vielen Fällen erhöht eine Digitalisierung in der Praxis nur die Kosten, ohne glaubhafte oder greifbare Aussichten auf Qualitäts- und Zeitvorteile. Für Unternehmen scheint der Spagat aus digitalen Versprechen und der individuellen Umsetzung der eigenen Prozesse immer noch schwierig. Es wurde oftmals „zum Selbstzweck digitalisiert". Daher wurde der Sachverhalt an der RWTH Aachen University bereits erfolgreich in ein Exzellenzcluster überführt. Der sogenannte Cluster „Internet of Production" verfolgt das Ziel, das Werteversprechen von Industrie 4.0 greifbar zu machen. Industriell hat es im Maschinenbau jedoch bis heute keinen digitalen Durchbruch gegeben. Ein denkbarer Grund dafür ist, dass ein Wandel des klassischen Wertesystems notwendig ist. Denn Digitalisierung ist nicht nur eine Investition in besser, schneller, billiger, sondern eine Beschreibung eines neuen, digitalen Wertesystems, für das Unternehmen ein neues Werteversprechen und ein anderes Führungsverständnis brauchen. Hermann Bach, SVP und Head of Innovation Management der Covestro AG, sagte jüngst auf dem Handelsblatt Industriegipfel im Dezember 2019: „Deutschland hängt bei der Digitalisierung hinterher. Das ist kein Technologieproblem. Das liegt am Mindset."

    Mittels Machine Wallet zur Maschinenökonomie

    Um diesem Mindset einen Namen zu geben, wurde bereits im letzten Quartal 2017 am Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen University ein provokatives Experiment konzipiert, um endlich die verschiedenen digitalen Mehrwerte der Industrie 4.0 aufzuzeigen. Es wurde eine industrielle Großserienmaschine derart digitalisiert und vernetzt, dass ein Prototyp für eine sogenannte Maschinenökonomie entstand. Unter Maschinenökonomie wird eine Vision verstanden, in der industrielle Maschinen und Geräte ihre Maschinendaten autonom in einem Wertschöpfungsnetzwerk teilen und im Gegenzug monetär vergütet werden. Hierdurch sollen wegen der höheren Datendichte und besseren Informationstransparenz neben technischen Produktionsprozessen auch Geschäftsprozesse bzw. Geschäftsmodelle profitieren oder neu entstehen. Der Prototyp wurde mit einem sogenannten Machine Wallet, einer digitalen Geldbörse für Maschinen, versehen und über eine Distributed Ledger Technologie (häufig auch als Blockchain verallgemeinert), in unserem Fall IOTA, mit einem lokalen Edge-AI-Netzwerk vernetzt. Ziel des Prototyps war es, die Machbarkeit einer Maschinenökonomie zur beweisen und dabei Sichtbarkeit zu erzeugen, um Kundengruppen zu mobilisieren und in den Dialog zu kommen.

    Mobilisierung von Kundengruppen

    Die zuvor beschriebenen Bestrebungen zeigten Erfolg. In den zwei Jahren zwischen Dezember 2017 und Dezember 2019 teilten uns 405 Expertinnen und Experten von 63 Firmen ihre Meinung mit. Der Prototyp mobilisierte unterschiedliche Partner: von „Early Adopters" (ca. 19 %), die schnell Begeisterung und Umsatzwillen zeigten, über „Pragmatiker" (ca. 45 %), die einsahen, dass das Zielbild der Maschinenökonomie einen gewissen Nutzen ermöglicht, bis zu „Konservativen" (ca. 32 %), die nicht vollständig zu überzeugen waren. Von den 405 Expertinnen und Experten waren ca. 37 % Entscheider. Mit sämtlichen Experten wurden konstruktive Gespräche über die Potenziale, Herausforderungen und Mehrwerte einer Monetarisierung von Maschinendaten, geführt.

    Was die Industrie denkt und fühlt

    Von 63 Firmen, mit denen wir über die Monetarisierung von Maschinendaten sprachen, waren sich 98 % in einer Sache einig. Sie vertrauen ihren aktuellen (analogen) Zulieferern und Lieferanten. „Man arbeitete schließlich seit Jahren zusammen. Die erfolgreiche Partnerschaft hat sich über Jahre bewährt". Umso faszinierender ist, dass nur 19 % bereit gewesen wären, diesen Zulieferern und Lieferanten Daten über Produkte oder Maschinen zukommen zu lassen. Es überwog die Angst, dass ein Zulieferer oder Lieferant etwas mit den Daten macht, was das datenerhebende Unternehmen verpasst. Weiterhin wurde beobachtet, dass 53 % der Unternehmen, unabhängig davon ob sie bereits Daten erfassten oder nicht, keine Strategie hatten, wie sie Maschinendaten erheben wollen oder wie diese Maschinendaten anschließend aufgebarbeitet werden müssten, um sie nutzenbringend in einem Geschäftsprozess zu verwerten. Die beschriebenen sowie weitere Sorgen lassen sich wie folgt zu den vier häufigsten Bedenken zusammenfassen:

    a)

    Den Wert der eigenen Daten nicht kennen

    Unternehmen kennen häufig den Wert ihrer Daten nicht. Daher handeln sie sicherheitshalber protektionistisch und halten die Daten lieber unter Verschluss. Sie nehmen wohlwissend in Kauf, dass hierdurch auch neue Erkenntnisse und Mehrwerte verborgen bleiben und ökonomische Wettbewerbsnachteile entstehen können.

    b)

    KI-Fachkräftemangel hält auf

    Selbst wenn Unternehmen den Wert ihrer Daten erahnen, fehlen ihnen KI-Experten im eigenen Haus, um diese Datenschätze zu bergen. Der Handel mit Daten stellt einen Lösungsansatz für dieses Problem dar, wird aber häufig abgelehnt.

    c)

    Datenmonetarisierungsmodell unklar

    Auch wenn der Handel mit Daten für alle Befragten weit weg war, wäre ein Incentivierungs- bzw. Monetarisierungsmodell hilfreich, um sich der Thematik erstmals zu öffnen. Voraussetzung hierfür ist, dass vor dem Handel die Randbedingungen und Incentives klar sind.

    d)

    Datenakquisestrategie unklar

    Trotz aller Werbeaussagen marktführender Schnittstellen- und Protokoll-Unternehmen, ist die Erfassung der Daten weiterhin der wesentliche Inhibitor, der Unternehmen davon abhält, sich überhaupt mit Monetarisierungsfragen zu beschäftigen. Nur 19 % der Unternehmen wussten, ob sie Daten für ihre eigenen Prozesse oder für die Prozesse ihrer Kunden einsetzen sollten oder ob vielleicht beides der Schlüssel zum Erfolg sein könnte. Die Definition von Use Cases zur Verwertung von Daten, gab bei den meisten Gesprächspartnern den Anstoß eine Datenakquisestrategie zu entwickeln.

    1.2 Grundlagen

    1.2.1 Was ist Datenmonetarisierung?

    Der Begriff der Datenmonetarisierung umfasst mehr als den direkten Tausch von einem definierten Datum gegen eine monetäre Vergütung. Beispielweise ermöglicht auch die Verwertung von Erkenntnissen, die aus Daten gewonnen wurden, monetäre Vorteile, etwa in Form einer Reduktion von Herstellungskosten oder einer Steigerung der Produktivität. Vor diesem Hintergrund bezeichnet die Monetarisierung von Daten im erweiterten Sinne jeden Vorgang der Erzeugung eines messbaren ökonomischen Vorteils basierend auf der Verwendung von Daten, aggregierten Daten oder Daten Services. Zur Beschreibung der Mehrwerte der Datenmonetarisierung lassen sich zwei Kategorien unterscheiden. Interne Mehrwerte beziehen sich auf Vorgänge und Strategien innerhalb des eigenen Unternehmens. Externe Mehrwerte werden durch kundenzentrierte Strategien erschlossen, die über die Unternehmensgrenzen hinausgehen.

    1.2.2 Unternehmenszentrierte, interne Mehrwerte

    Bei der internen Datenmonetarisierung werden ökonomische Vorteile auf Basis von firmeneigenen oder zugekauften Daten generiert. Folgende Mehrwerte können durch eine unternehmenszentrierte Analyse von Daten monetarisiert werden:

    1.

    Erschließung von neuen Erkenntnissen über Produktions- oder Geschäftsprozesse

    2.

    Reduktion der Entscheidungslatenz

    3.

    Minimierung von Risiko

    4.

    Optimierung von Produkten

    5.

    Reduktion von Kosten

    6.

    Steigerung von Profiten

    Weil bei einer internen Datenmonetarisierung keine sensiblen Daten das Unternehmensnetzwerk verlassen, gelten in der Regel geringere Anforderungen an Datensouveränität, Datensicherheit und Datenschutz als bei einer externen Datenmonetarisierung. Daher lassen sich Monetarisierungsmehrwerte häufig am schnellsten unternehmensintern verwirklichen.

    Datenmonetarisierung bei bestehenden Geschäftsmodellen

    Sinkende Grenzerträge stellen tradierte Geschäftsmodelle der analogen Marktwirtschaft, so ausgereift sie auch sind, vor eine Herausforderung [1]. Das Gesetz des sinkenden Grenzertrags beschreibt ein Phänomen, bei dem der durch Produkte oder Dienstleistungen erwirtschaftete Ertrag mit zunehmender Skalierung ab einem gewissen Punkt nur noch degressiv steigt oder sogar abnimmt. Ein Grund sind z. B. unerwartete Mehrkosten aufgrund von zusätzlichen Anstrengungen in Folge einer überproportional gestiegenen Verwaltungskomplexität. Es ist nicht davon auszugehen, dass durch eine interne Datenmonetarisierungsstrategie abnehmende Grenzerträge verhindert werden. Die interne Datenmonetarisierung stellt jedoch eine Möglichkeit dar, eine Effizienz- und vielleicht sogar Effektivitätssteigerung zu erzielen, welche die in Abb. 1.1 gezeigte Kurve zu höheren Werten und zu einer späteren Abflachung verschieben kann. Frei nach dem Prinzip: „Mit den Daten mehr aus den eigenen Prozessen holen".

    ../images/502350_1_De_1_Chapter/502350_1_De_1_Fig1_HTML.png

    Abb. 1.1

    Mehrwerte durch interne Datenmonetarisierung bei Skalierung des Geschäfts, i. A. a. [1]

    1.2.3 Kundenzentrierte, externe Mehrwerte

    Kundenzentrierte, externe Mehrwerte sind in der Regel deutlich schwieriger zu erzielen als unternehmensinterne Mehrwerte. Zwar werden durch das Verkaufen von Daten (Data as a Service) schnell neue Einkommensströme erschlossen, eine nachhaltige Kundenbindung wird jedoch nur mit fertigen Lösungen (Data Solutions as a Service) erwirkt. Darüber hinaus sind erhöhte Anforderungen an Datensicherheit und Datenschutz zu erfüllen. Gelingt es Unternehmen eine externe Datenmonetarisierung umzusetzen, dann dürfen die folgenden Mehrwerte erwartet werden:

    1.

    Erschließung neuer Einkommensströme

    2.

    Steigerung des bestehenden Marktwerts

    3.

    Gewinnung neuer Marktanteile

    4.

    Erhöhung der Kundenbindung

    5.

    Progressive Geschäftsmodelle

    Datenmonetarisierung bei neuen Geschäftsmodellen

    Durch eine externe Monetarisierung von Maschinendaten ergeben sich nichtlineare Skalierungseffekte. Einmal erfasste Daten lassen sich in wenigen Sekunden zu geringen Kosten, näherungsweise grenzkostenfrei, replizieren. Damit stehen diese Datenpakete zeitgleich einer theoretisch unendlichen Zielgruppe zur Verfügung (Plattformgedanke). Anhand der digitalen Nachfrage ist es Aufgabe des Unternehmens, zu verstehen, wie diese Daten von wem eingesetzt werden und zu entscheiden, ob es sinnvoll ist, Lösungen in Form einer „Data Solution as a Service" zu entwickeln. Die externe Datenmonetarisierung hat demnach das Potenzial ein progressiv skalierendes Geschäftsmodell zu etablieren, deren Ertragskurve insbesondere mittels KI zu früheren und steileren Werten verschoben werden kann (vgl. Abb. 1.2) [1]. Diese Art der Transformation zu neuen, progressiven Geschäftsmodellen erfüllt nicht die Charakteristika sogenannter disruptiver Innovationen [2]. Nach Iansiti und Lakhani handelt es sich vielmehr um eine „Kollision", bei welcher neue, überlegene Geschäftsmodelle auf traditionelle Modelle treffen und diese überwältigen [1]. Eine interne oder externe Monetarisierung von Maschinendaten setzt jedoch voraus, dass Unternehmen sich einigen Herausforderungen stellen, die nachfolgend beschrieben werden.

    ../images/502350_1_De_1_Chapter/502350_1_De_1_Fig2_HTML.png

    Abb. 1.2

    Mehrwerte durch externe Datenmonetarisierung bei Skalierung des Geschäfts, i. A. a. [1]

    1.3 Herausforderungen und Lösungsansätze

    In unseren Gesprächen mit Expertinnen und Experten wurden immer wieder sich ähnelnde Herausforderungen angesprochen. Die wichtigsten davon werden nachfolgend angesprochen:

    a) Wie an geeignete Daten kommen?

    Problem der Industrie: Die Verfügbarkeit von Maschinendaten ist Voraussetzung für deren Monetarisierung. Je weniger die eigene Digitalisierungsstrategie fortgeschritten ist, desto eher scheiterten selbst die leisesten Vorstoßversuche bereits an Vorgesprächen über Datenherkunft, Datenformate oder die Speicherung der Daten. Gleichzeitig bestehen Vorbehalte bezüglich der Verwendung einer Cloud-Infrastruktur. Die Bedenken beziehen sich dabei zum einen auf die Sicherheit aber auch auf technologische Aspekte.

    Erklärungsansatz: Industrielle Maschinen verfügen meist über mehrere tausend Sensorsignale, die in aufwendigen Wandlungsvorgängen von analog zu digital gewandelt werden und dann innerhalb weniger Millisekunden wieder in die Maschine zurückgespeist werden müssen. Eine Cloud führt aufgrund der weiten Wege daher in der Tat zu einer zu langen Latenz [3]. Weiterhin sind unterschiedliche industrielle Feldbussysteme etabliert, die nicht kompatibel zueinander sind [4]. Was jedes Unternehmen für sich selbst lösen muss ist der sogenannte Erste Meter der Datenerfassung. Der Maschinen- und Gerätepark ist auch in naher Zukunft heterogen und für die Vielzahl an Sondermaschinen wird es eine entsprechende Vielzahl an Protokollen, Schnittstellen und Insellösungen geben.

    Mögliche Lösung: Wird der erste Meter nicht als Schwäche bzw. Hürde gegen Standardisierung gesehen, sondern als Speziallösung für eine besondere Digitalisierungskompetenz, wird der Grundstein für ein schnelles und lokales Netzwerk gelegt. Ab dem ersten Meter können mithilfe von Plug-and-Play-Lösungen (Edge-Devices) in sogenannten Edge-AI-Netzwerken harmonisierte Standards und Protokolle abgespult werden, die zudem noch den Vorteil haben, dass die Datenhaltung und -verarbeitung im eigenen Netzwerk lokal stattfindet [5]. Aufgrund der großen Datenmengen von industriellen Maschinen erlaubt dieser Ansatz zudem die latenzärmste Form der Datenanalyse und kostengünstigste Form der Datenspeicherung [3]. Wichtige Dateien, Erkenntnisse oder Analyseprogramme können dann in einer hybriden Edge-Cloud-Lösung an weitere Standorte oder Partnernetzwerke weitergegeben werden.

    b) Wie an kompetente KI-Experten kommen?

    Problem der Industrie: Wenn Unternehmen für sich eine schlüssige und plausible Digitalisierungs- und Vernetzungsstrategie erarbeitet haben, steht die nächste Herausforderung bevor: Fachkräftemangel. Investitionen in neue Büromöbel, Coworking-Spaces, Hackathons und weitere moderne Marketing-Aktionen reichen nicht aus, um qualifizierte Fachkräfte in ausreichendem Umfang für das eigene Unternehmen zu gewinnen.

    Erklärungsansatz: Gemäß einer Studie von Tencent stehen weltweit nur ca. 300.000 fähige KI-Experten einem Bedarf im Millionenbereich gegenüber [6]. Es ist daher unwahrscheinlich, dass Unternehmen den Bedarf an KI-Experten in vollem Umfang selbst decken können.

    Mögliche Lösung: Wenn es nicht gelingt, KI-Experten in das eigene Unternehmen zu holen, dann müssen die Daten zu den KI-Experten. Eine Datenaustauschplattform ermöglicht es, die eigenen Daten mit Dritten zu teilen und bietet Vorteile für beide Seiten. Die Industrie, insbesondere der Mittelstand, dem Fachkräfte fehlen, kann ihre Daten nutzbarmachen. KI-Experten werden mit relevanten Daten versorgt, um datengetriebene Lösungen zu realisieren und weiterzuentwickeln. Eine Datenaustauschplattform, die zusätzlich mit dem o. g. Edge-AI-Netzwerk zusammenarbeitet und dadurch die Daten nicht zentral in der Cloud, sondern dezentral vorhält, bietet Potenzial, die wichtige Brücke zwischen brachliegenden Daten und qualifizierten KI-Experten zu bilden. Für eine erfolgreiche Umsetzung sind ein Governance- und Incentivierungsmodell bzw. Datenmonetarisierungsmodell zu entwickeln. Zentrale Fragen sind: wer, was, und wofür als Gegenleistung erhält und wie Datenschutz und Datensouveränität gewährleistet werden.

    c) Wie mit Datenschutz und -souveränität umgehen?

    Problem der Industrie: Wenn Maschinen- und Gerätepark digitalisiert und vernetzt sind, zögert die Mehrheit dennoch die Daten letztlich an externe Experten weiterzugeben, obwohl die erforderlichen Fachkräfte unternehmensintern nicht verfügbar sind. In einer Befragung der Bitkom Research GmbH und der KPMG AG äußerten 74 % der Befragten Bedenken bzgl. der Weitergabe ihrer Daten an Drittanbieter. Wirtschaftliche Nachteile werden in Kauf genommen, bevor gemeinschaftlich mit Daten gearbeitet wird.

    Erklärungsansatz: Datenschutz und Datensouveränität sind zweifelsfrei sehr ernstzunehmende Themen. Es existieren jedoch technische Lösungen, welche Datenintegrität und die Verwaltungshoheit über die eigenen Daten in einem Datenmarktplatz sicherstellen. Diese werden aber häufig nicht diskutiert, weil die Sorge im Umgang mit Daten überwiegt.

    Mögliche Lösung: Eine Lösung, die sich hier anbietet, ist die Absicherung der oben eingeführten hybriden Edge-Cloud-AI-Infrastruktur mittels Distributed Ledger Technologies (DLT), gemeinhin als Blockchain bekannt. Die Kernaufgabe einer DLT ist es, Event- oder Transaktionsdaten in einem dezentralen Netzwerk ohne Notwendigkeit eines Mittelmanns, unveränderbar und für alle Teilnehmer jederzeit einsehbar abzuspeichern. Jederzeit einsehbar bedeutet nicht, dass Daten im Klartext abgespeichert werden. Im Gegenteil, die Daten in der DLT sind in der Regel keine Originaldaten, sondern nur verschlüsselte Prüfsummen, Hashes oder Signaturen des Originaldatums. Jeder Netzwerkteilnehmer ist damit in der Lage, zu jeder Zeit ein Datum mit der in der DLT gespeicherten Prüfsumme/dem Hash oder der Signatur zu verifizieren. Vertrauen und Authentizität wird über die lückenlose Rückverfolgbarkeit von Daten generiert. Wenn ein Datenurheber sein Ur-Datum mit einer DLT abgesichert hat, wird er immer als Datenurheber identifiziert werden können. Ebenso jene KI-Experten, die mit diesem Datum dann einen digitalen Mehrwert erarbeiten und diesen Mehrwert ebenfalls in der DLT protokollieren. In einem hybriden Edge-Cloud-DLT-Netzwerk bedeutet Unveränderbarkeit der DLT-Einträge nicht, dass lokale oder Cloud-Daten nicht gefälscht werden können. Es bedeutet aber, dass diese Fälschung mit fast an 100 % grenzender Sicherheit nachvollzogen werden kann. Somit kann die Integrität der Daten sichergestellt werden. Sogenannte Konsensmechanismen einer DLT gewährleisten, dass keine unberechtigten Transaktionen durchgeführt werden [7]. Aufgrund der Dezentralität des Ansatzes wird die Kontrolle der eigenen Daten nicht an einen Plattformanbieter abgetreten.

    1.4 Der Weg zur Datenmonetarisierung

    Dieses Kapitel dient dazu, den Weg hin zu einer Monetarisierung von Maschinendaten greifbarer zu machen. Zunächst wird ein Framework vorgestellt, welches beschreibt wie die Mehrwerte der Datenmonetarisierung schrittweise gehoben werden. Darauffolgend werden Fallbeispiele erläutert, welche gemeinsam mit Experten entwickelt wurden, um die Monetarisierungsmehrwerte zu untersuchen.

    1.4.1 Framework zur Datenmonetarisierung

    Basierend auf der Analyse unserer Befragung, schlagen wir die folgenden fünf Schritte der Datenmonetarisierung vor. Unternehmen können an beliebigen Schritten entsprechend ihrer Digitalisierungsreife quereinsteigen.

    Schritt 1: Digitalisieren und Vernetzen (intern)

    Der Maschinen- und Gerätepark eines jeden Unternehmens ist meist heterogen. Daher sollten Unternehmen als ersten Schritt eine geeignete Edge-AI-Infrastruktur aufbauen. Hierbei wird der erste Meter jeder Maschine spezifisch umgesetzt und hinter einem Edge-Device harmonisiert, z. B. in einen gemeinsamen oder mehreren unterschiedlichen Data-Lake-Servern. Bei zeitkritischen Prozessen ist es erforderlich das Edge Device ausreichend performant auszulegen, z. B. mithilfe von FPGAs, um eine echtzeitnahe Vernetzung zu erreichen.

    Schritt 2: Visualisieren und Analysieren (intern)

    Die einfachste Möglichkeit Maschinenbediener, Bereichsleiter oder C-Level-Manager in Kombination mit ihrer Expertise bei der Identifikation von Prozessanomalien zu unterstützen, ist die simple Visualisierung der Daten. Insbesondere für die interne Datenmonetarisierung ist die Visualisierung ein wichtiges Instrument. Für komplexe Problemstellungen sind moderne Datenverarbeitungsarchitekturen sinnvoll, die Batch- und Streaming-Analytics trennen. Das Analysieren von historischen Daten (Batch) erfordert in der Regel eine hohe Rechenleistung. Es ist daher ratsam, diesen Prozess von der Analyse echtzeitnaher Datenströme zu entkoppeln. Wenn ein Modell angelernt wurde, kann dieses auf den Streamingdaten angewandt werden. So ist es möglich, die Schritte „Modellieren und „Anwenden in einer Architektur nach Belieben modular zu realisieren. Insbesondere für die externe Datenmonetarisierung ist das eine wichtige Methode, um die angelernten Modelle in wertvolle Services zu überführen.

    Schritt 3: Umsetzen und Optimieren (intern)

    Das Ziel einer internen Datenmonetarisierung ist der messbare ökonomische Vorteil gegenüber dem Status Quo. Hierfür müssen die gefundenen Erkenntnisse in einem Testszenario evaluiert und validiert werden. Das kann aufgrund von mehreren Iterationen, die notwendig sind, um einen echten Mehrwert zu erarbeiten, teuer werden und lange dauern. Daher ist es in der Verantwortung des Managements einen starken Use Case zu definieren, der gewisse Iterationen verträgt und immer noch profitabel sein wird. Erst nach der erfolgreichen Umsetzung werden Daten intern monetarisiert.

    Schritt 4: Data as a Service (extern)

    In Unternehmen fallen neben den Daten der Kernprozesse auch Nebeninformationen an. Das sind in der Regel Daten, die nichts über Produkte oder Prozesse preisgeben, dennoch für Zulieferer und Lieferanten einen Wert haben und somit eine Handelsgrundlage darstellen. Beispielweise könnte ein Unternehmen Auskunft über Zustände von Betriebs- und Hilfsstoffen geben. Diese Daten sind für Zulieferer interessant, da sie es erlauben, Produkte besser auf den Kunden zuzuschneiden. Ein besserer Zuschnitt bedeutet einen höheren Absatz des Zulieferers und eine bessere Qualität beim Hersteller.

    Schritt 5: Data Solutions as a Service (extern)

    In einer digitalen Marktwirtschaft, in welcher Hersteller mit Zulieferern, Lieferanten und KI-Experten Daten austauschen und handeln, wird sich wahrscheinlich, wie in der analogen Marktwirtschaft, eine erhöhte Nachfrage nach beliebten Datentypen einstellen. Es ist die Aufgabe des Managements diese Nachfrage vor dem Kontext des Unternehmens zu interpretieren und eine Datenlösung zu konstruieren, die den Kunden des Unternehmens zusätzlichen Mehrwert gegenüber dem Datum alleine liefert. Die in Schritt 2 implementierte Datenverarbeitungsarchitektur und daraus abgeleitete Modelle und Algorithmen bilden eine Basis, um Daten in einen Service zu überführen, der eine Kundenproblematik löst. Mithilfe von Schritt 4 können zudem ebenfalls externe Daten hinzugekauft werden, die den Service basierend auf den eigenen Daten ergänzen. Managementaufgabe wird sein, zu entscheiden, wie dieser Mehrwert an den Kunden gebracht wird. In der Regel bieten sich verbrauchsabhängige pay-per-x- oder pauschalisierte Abonnement-Modelle an, die sowohl Wenig- wie auch Vielnutzern ein faires Angebot bieten.

    Beliebter Fehler

    Ein beliebter Fehler bei der Monetarisierung von Maschinendaten ist die Bildung von Use Cases, welche – aus Kostengründen – ausschließlich auf den bestehenden Datenstrukturen fußen. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass in der bestehenden Infrastruktur bereits der heilige Gral der Datenmonetarisierung liegt und nur darauf wartet gefunden zu werden. Werden also Use Cases nur auf Basis der bestehenden Infrastruktur initiiert, ist mit großer Wahrscheinlichkeit das Ergebnis ernüchternd.

    1.4.2 Fallbeispiele

    Mit ausgewählten Firmen wurden zur Validierung der Thesen zur Datenmonetarisierung Use Cases definiert, um die Rentabilität und Profitabilität zu belegen. Die Use Cases (vgl. Abb. 1.3) sind aktuell in einer mehrjährigen Evaluierungsphase und anonymisiert.

    ../images/502350_1_De_1_Chapter/502350_1_De_1_Fig3_HTML.png

    Abb. 1.3

    Fallbeispiele für die praktische Umsetzung einer Monetarisierung von Maschinendaten

    1.4.2.1 Use Case 1: Handeln von Maschinendaten

    Unternehmensprofile

    Unternehmen G baut „Großmaschinen, mit denen Unternehmen B „Bauteile herstellt. Unternehmen W liefert hierfür den „Werkstoff und Unternehmen S den „Schmierstoff.

    Problembeschreibung

    Obwohl Unternehmen B Millionen von Bauteilen mithilfe eines stabilen Prozesses herstellt, gleicht kein Bauteil dem anderen. Es kommt in wiederkehrenden Mustern zu Ausschuss, welcher teuer ist und häufige Nacharbeit und zusätzliche Fertigungslose/Fahrten mit sich bringt.

    Ursache

    Unternehmen B produziert rund um die Uhr. Aus einem internen Vorprojekt ist bekannt, dass die Umgebungsparameter, wie z. B. Temperatur und Luftfeuchtigkeit in der Maschinenhalle, über den Tag schwanken. Ebenfalls hat das Vorprojekt gezeigt, dass Schwankungen in den Eigenschaften des Werkstoffs, z. B. Dicke und Festigkeit, vorkommen. In bestimmten Szenarien werden dabei Toleranzen verletzt und es kommt zu Ausschuss.

    Lösungsansatz

    In Gesprächen mit dem Werkstoffzulieferer W wurde besprochen, dass der Werkstoffprozess an seinen natürlichen Grenzen ist. Dieser kann nicht weiter verbessert werden. Wenn aber Werkstoffzulieferer W einen digitalen Datensatz über die Dicke und Festigkeit des Werkstoffes teilen würde, könnte das Unternehmen B seine Fertigung an diese Daten anpassen und die Schwankungen minimieren. Wenn Unternehmen B gleichzeitig seine Hallenumgebungsparameter und die zur Fertigung nötigen Kräfte pro Bauteil mit Unternehmen S teilen würde, könnte Unternehmen S die Produktionsbedingungen vor dem Hintergrund der Schmierstoffentwicklung nachbauen, seinen Schmierstoff verbessern und an Unternehmen B ein Schmierstoffprodukt liefern, das robuster gegenüber den Prozessschwankungen ist.

    Erwarteter Datenmonetarisierungsmehrwert

    Für Unternehmen B gibt es gleich mehrere Datenmonetarisierungsmehrwerte. Durch den Verkauf von Daten eröffnen sich neue Einkommensströme und es wird ein neuer Markt erschlossen. Gleichzeitig besteht für Unternehmen S das Potenzial, durch den Kauf der Daten sein Schmierstoffprodukt zu verbessern, sodass eine gesteigerte Absatzmenge und bessere Kundenbindung die notwendigen Investitionen amortisieren. Für Unternehmen B ergibt sich aus dem besseren Schmierstoffprodukt der interne Datenmonetarisierungsmehrwert einer effektiveren Produktion, wodurch Kosten fallen oder Profite steigen. Ähnlich verhält es sich mit Unternehmen W und B. Für Unternehmen W ergeben sich neue Einkommensströme und Unternehmen B ist mit den gekauften Daten in der Lage die Produktivität zu steigern.

    1.4.2.2 Use Case 2: Datengetriebenes Assistenzsystem

    Unternehmensprofile

    Unternehmen G ist Hersteller von „Großmaschinen, mit denen unter anderem Unternehmen B „Bauteile hergestellt hat. Unternehmen B* ist diesmal ein weiterer Hersteller von anderen „B*"auteilen und hat heute die Großmaschine von Unternehmen G geliefert bekommen.

    Problembeschreibung

    Unternehmen G hat bereits hunderte von Großmaschinen weltweit installiert. Aufgrund der Größe und Komplexität der Großmaschine dauert eine Installation und Inbetriebnahme mehrere Tage. Es kommt zu Problemen und zu Verzögerungen. Für Unternehmen G entstehen hierdurch deutlich höhere Personalkosten und für Unternehmen B* entstehen Verluste aus entgangenen Profiten infolge des Stillstandes.

    Ursache

    Mitarbeitende auf Montage sind meist auf sich alleine gestellt. Die Örtlichkeiten sind ihnen in der Regel nicht vollumfänglich bekannt und so müssen sie häufig spontane Entscheidungen fällen, ohne eine ausreichende Informationsbasis zu haben und ohne die Folgen abschätzen zu können. Darüber hinaus frustriert das die Mitarbeitenden, weswegen die Qualität der Inbetriebnahme schwankt.

    Lösungsansatz

    Digitale Assistenzsysteme sind datengestützte Systeme, welche mittels Virtual, Augmented oder Mixed Reality unterstützende Informationen bereitstellen. Diese unterstützenden Informationen führen zu einem User Empowerment, indem sie das Risiko, Fehlentscheidungen zu treffen, reduzieren und hierdurch eine Optimierung der Implementierungsqualität vor Ort ermöglichen. Um ein solches System aufzusetzen, ist Unternehmen G darauf angewiesen, Daten über die Implementierungsvorgänge zu protokollieren und zu analysieren. Unternehmen B und B* sind hierzu bereit, weil sie erstens monetär vergütet werden, zweitens nur anonymisierte Daten bereitstellen müssen und drittens zukünftig selbst davon profitieren, wenn sie eine weitere Maschine erwerben wollen.

    Erwartete Datenmonetarisierungsmehrwerte

    Der primäre Mehrwert für Unternehmen G ist die Reduktion an notwendigen Montagetagen sowie ein in der Qualität deutlich gestiegener Kundenservice. Beides sind gegenüber den Wettbewerbern deutliche Marktvorteile.

    1.4.2.3 Use Case 3: Transformieren des Geschäftsmodells

    Unternehmensprofile

    Unternehmen M ist Hersteller von „Messgeräten zu Detektion von lebensgefährlichen Gasen. Unternehmen A ist ein „Anwender dieser Geräte von Unternehmen M und ersteht diese durch Kaufvorgänge.

    Problembeschreibung

    Die Einsatzbedingungen der Geräte von Unternehmen M sind rau und schroff. Sie werden hauptsächlich mobil eingesetzt, fallen häufig zu Boden, stoßen an und kommen mit aggressiven Flüssigkeiten in Kontakt. Weiterhin ist es notwendig, dass diese Geräte regelmäßig kalibriert, gewartet oder einem Hard-/Software-Upgrade unterzogen werden. Da Unternehmen bzw. Mitarbeiter diesen Aufwand scheuen, ist es trotz allen Vorkehrungsmaßnahmen wahrscheinlich, dass Geräte über ihre Einsatztauglichkeit hinaus benutzt werden und womöglich menschliches Leben gefährden.

    Ursache

    Unternehmen A ist kein Experte im Warten, Aktualisieren oder Reinigen von Geräten von Unternehmen M und will es auch gar nicht werden, wenn auch Unternehmen M diese Vorgänge maximal vereinfacht hat. Unternehmen A will seine Kernaufgaben schlank halten und in kürzester Zeit die Aufgaben mit maximaler Qualität erledigen.

    Lösungsansatz

    Die ökonomische Beziehung zwischen Unternehmen M und A basiert auf einem tradierten Geschäftsmodell. Unternehmen A kauft von Unternehmen M ein maximal ausgereiftes und reguliertes Produkt, das kaum Spielraum für technische Weiterentwicklungen oder tradierte Serviceangebote zulässt. In einer Datenmonetarisierung erlauben digitale Innovationen die Transformation des Werteversprechens zu digitalen Services. Beispielweise wird Unternehmen M die Geräte zukünftig nach einem pay-per-x-Modell verleihen. Wenignutzer reduzieren hierdurch ihre Investitionskosten und können das Gerät am Ende seiner Einsatztauglichkeit bequem zurückgeben. Vielnutzer hingegen werden sich für ein Abo-Modell entscheiden und dabei ein Kontingent an mehreren tausend Geräten, die mehrmals am Tag zum Einsatz kommen und über kurze Einsatztauglichkeitszeiten verfügen, erstehen. Über die gemeinsam gesammelten Daten kann Unternehmen M digitale Services, wie z. B. Geräte-Apps, anbieten, die sich deutlich vom Wettbewerb unterscheiden.

    Erwartete Datenmonetarisierungsmehrwerte

    Durch die Transformation des Geschäftsmodells vom Geräteverkäufer zum Serviceanbieter bzw. Plattformbetreiber eröffnen sich für Unternehmen M neue Einkommensströme in einem neuen Markt, wodurch sich Unternehmen M automatisch zum Marktführer entwickelt hat. Über die Plattform ist Unternehmen M in der Lage, zusätzlich digitale Services, in Form von Geräte-Apps, anzubieten, die einer progressiven Skalierung folgen. Unternehmen wie das Unternehmen A profitieren von dem Serviceangebot, da sie alles aus einer Hand erhalten und ihre eigenen Prozesse verschlanken können. Unternehmen A verfügt jederzeit über eine ausgezeichnete Einsatztauglichkeit der Geräte und kann über die digitalen Services seine Prozesse effektiver gestalten. Das erhöht die Messqualität und rettet Leben.

    1.5 Fazit

    Datenmonetarisierung birgt ein großes Potenzial, die eigenen Prozesse als auch die der Kunden zu verbessern. Unternehmen erzielen schnell monetäre Mehrwerte, wenn sie unkritische Daten, zum Verkauf anbieten, die externe Lieferanten oder Zulieferer befähigen, ihre Produkte zu optimieren bzw. maßzuschneidern. Ein Beispiel sind Daten über den Zustand von Hilfs- und Betriebsstoffen, die keine erfolgskritischen Rückschlüsse auf Produkt- oder Prozessgeheimnisse zulassen. Im Anschluss sollten Daten von Dritten, z. B. Kunden, Lieferanten oder Zulieferern, eingekauft werden, um die eigenen Prozesse zu verbessern. Hierfür müssen zwar monetäre Mittel investiert werden, aber durch die zusätzlichen Daten können neue Erkenntnisse gewonnen, Kosten reduziert, die Produktivität gesteigert und Risiken minimiert werden, sodass sich die Investitionen mittelfristig amortisieren. Letztlich sollten sich die Unternehmen fragen, welche Kundenprobleme sie mit ihren eigenen Daten lösen können. Hier helfen wichtige Erkenntnisse aus dem Handel der Daten, um zu verstehen, welche Probleme und Nutzen ein Kunde haben könnte. Werden dann die eigenen Daten, durch Aggregation mit Daten, die extern erworben wurden, zu einem skalierbaren Service, einer App oder eines Algorithmus entwickelt, steht dem anbietenden Unternehmen eine exponentielle Einnahmequelle bevor.

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    Teil IRechtliche Aspekte der Datenmonetarisierung

    © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2021

    D. Trauth et al. (Hrsg.)Monetarisierung von technischen Datenhttps://doi.org/10.1007/978-3-662-62915-4_2

    2. Datenmonetarisierung im Recht

    Nutzungs- und Kommerzialisierungsrechte

    Walter Frenz¹  

    (1)

    RWTH Aachen University, Aachen, Deutschland

    Walter Frenz

    Email: frenz@bur.rwth-aachen.de

    Zusammenfassung

    Die Monetarisierung von Daten hat einen maßgeblichen rechtlichen Bezug: Die Verfügungsmacht über die Daten erlangt derjenige, der sie dominant verarbeitet. Daher ist bei Aufträgen im Rahmen der Digitalisierung sorgfältig darauf zu achten, klar zu vereinbaren, wer hinterher die Daten nutzen und sie weitergeben darf – der Auftraggeber, der sich eine Softwarelösung entwickeln und installieren lässt, oder aber das Softwareunternehmen als Auftragnehmer. Hat dieses eine marktbeherrschende Stellung, muss es seine Dienstleistungen zur Verfügung stellen, wenn auch nur gegen angemessenes Entgelt; dieses darf aber nicht prohibitiv ausfallen. Dabei gilt das Prinzip der gemeinsamen Wertschöpfung, wenn eine gemeinsame Entwicklung erfolgt. Solche Kooperationen sind wettbewerbsrechtlich zulässig, um neue Entwicklungen voranzubringen. Kartellrechtliche Grenzen ergeben sich auch für den Austausch von Informationen.

    2.1 Einordnung der betrachteten Monetarisierungseffekte

    Dieser Beitrag demonstriert, wie durch das Recht Monetarisierungseffekte entstehen: Wie können Daten genutzt und verwertet werden? Inwieweit besteht Zugang zu Daten anderer (marktbeherrschender) Unternehmen und zu welchem Preis? Ändert der Klimaschutz etwas an den bestehenden Regeln?

    2.2 Aktuelle Bedeutung

    Datenmonetarisierung beinhaltet die Nutzung und die Kommerzialisierung von Daten. Wesentlicher Bestandteil ist der Wettbewerb. Die dafür bestehenden Regeln prägen auch den Prozess der Digitalisierung. Wettbewerb und Digitalisierung sind in der neuen EU-Kommission zusammen in der Hand der stellvertretenden Kommissionspräsidentin Margrethe Vestager. Hieran zeigt sich der bedeutende Zusammenhang.

    Die Wettbewerbsregeln bilden mit Fragen der Datennutzung ein zentrales Feld. Es bedarf nach Vestager einer Kombination aus Wettbewerbspolitik und Regulierung: „Unser Bekenntnis zu den Werten, die unser Europa aufgebaut haben, zu Werten wie Freiheit und Fairness und Demokratie, gibt uns die solide Grundlage, die wir brauchen, um die digitale Welt zu gestalten" [1]. Diese Elemente zeigen sich bereits in einem vertraglichen Rahmen, den die Kommission gesetzt hat. Dieser erfasst auch die Datensammlung: Die Art und Weise, wie Unternehmen Daten sammeln, wie sie sie verwenden, die Entscheidungen, mit wem sie die Daten teilen – das beeinflusse nicht nur den Wettbewerb, sondern habe nach Vestager mehr und mehr Einfluss darauf, wie unsere Gesellschaft funktioniert [1].

    Besonders bedeutsam ist auch die internationale Ebene. Für die Wahrung der Bedürfnisse der europäischen Wirtschaft und Gesellschaft bedarf es eines internationalen Umfeldes – bis hin zu fairen internationalen Steuerregelungen für Digitalunternehmen [1]. Auf EU-Ebene wird eine Besteuerung nach der „digitalen Präsenz gefordert, welche die bisherige Belastung ausschließlich nach der „physischen Präsenz eines Unternehmens ablösen soll. Sie soll auf EU-Ebene eingeführt werden, wenn auf G20-Ebene keine Einigung erzielt wurde. Hieran zeigt sich die Bedeutung internationaler Standards [2]. Dabei sollte die EU eine Vorreiterrolle übernehmen, um ihre Standards zu etablieren. Jedenfalls kann sie diese für ihr eigenes Territorium etablieren – auch für ausländische Unternehmen, die auf dem EU-Binnenmarkt tätig sind bzw. darin ihren Sitz haben. Das betrifft neben den Wettbewerbsregeln [3] (näher in Abschn. 2.5.1) und dem Steuerrecht den Verbraucher- und den Arbeitnehmerschutz; für Letzteren wird die Einbeziehung und die Maßgeblichkeit des „digitalen Grenzübertritts" für das Ziellandprinzip gefordert, das sowohl der Entsenderichtlinie [4] als auch der Dienstleistungsrichtlinie [5] zugrunde liegt [2]. Von hoher Bedeutung sind auch die Grundsätze für die Datennutzung zwischen Unternehmen.

    2.3 Leitfaden der Kommission für die gemeinsame Nutzung von Daten des Privatsektors

    2.3.1 Erfasste Varianten

    Dabei hat die Kommission bereits wichtige Vorarbeit geleistet und Standards gesetzt, die den europäischen Werten entsprechen und zugleich Vorbildfunktion haben. Sie hat einen Leitfaden für die gemeinsame Nutzung von Daten des Privatsektors entwickelt: Die Bereitstellung und Weiterverwendung von Daten zwischen Unternehmen kann durch einen Open-Data-Ansatz, durch gewinnbringende Verwertung der Daten auf einem Datenmarktplatz oder durch Datenaustausch über eine geschlossene Plattform erfolgen [6]. Mit der Nutzung eines Open-Data-Ansatzes werden die jeweiligen Daten einem prinzipiell offenen Kreis von (Weiter-)Verwendern mit möglichst wenig Einschränkungen und entweder ohne oder gegen äußerst geringes Entgelt bereitgestellt. Die gewinnbringende Verwertung von Daten auf einem Datenmarktplatz kann aufgrund bilateraler Verträge gegen Entgelt erfolgen. Der Datenaustausch über eine geschlossene Plattform ermöglicht das Angebot von Mehrwertdiensten und hält damit eine komplexere Lösung für stabilere Datenpartnerschaften bereit. Außerdem kann so auf mehrere Mechanismen für die Kontrolle der Datenverwendung zurückgegriffen werden. Mustervertragsbedingungen können die Kosten senken, die mit der Ausarbeitung von Datennutzungsvereinbarungen verbunden sind. Die geltenden Wettbewerbsvorschriften müssen hierbei zwingend eingehalten werden [6]. Auch hieran zeigt sich die enge Verbindung zwischen Digitalisierung und Wettbewerbsrecht (ausführlich in Abschn. 2.5).

    2.3.2 Vertragliche Grundlage

    Der Datenaustausch zwischen zwei oder mehr Unternehmen muss auf einer vertraglichen Grundlage erfolgen. Die Vereinbarung über die Datennutzung bzw. -lizenzierung muss hierbei den geltenden Rechtsvorschriften entsprechen, die einem möglichen Datenaustausch entgegenstehen könnten. Neben den Rechtsvorschriften sind zudem die strategischen Interessen aller Parteien und der Wettbewerb zu wahren [7]. Folgende Aspekte können in eine Datennutzungsvereinbarung zwischen Unternehmen einfließen:

    Beschreibung der Daten (so konkret und präzise wie möglich)

    Qualitätsstufe der Daten

    Handelt es sich um einen Datensatz oder einen Datenstrom?

    Einhaltung der rechtlichen Verpflichtungen

    Einhaltung der Datenschutzvorschriften

    Transparente, klare und verständliche Klarstellung, wer auf die Daten zugreifen darf

    Einschränkung des Zugangsrechts und Verwendungszweck der Daten

    Technische Mittel für den Datenzugang und -austausch

    Maßnahmen zum Datenschutz [7].

    Dabei regelt die EU-DSGVO nur den personenbezogenen Datenschutz. Daher ist darauf zu achten, dass nicht im Zuge der Digitalisierung Mitarbeiterdaten preisgegeben und so von außen sichtbar werden. Das gilt auch für verarbeitete personenbezogene Daten. Weiter ist auf die EU-DSGVO zu achten, wenn es um die Ansprache von Privatkunden geht. Ebenso unterliegen ihr Cloud-Dienste. Insoweit wird bereits ein europäisches Zertifizierungsverfahren für ein europäisches Datenschutzsiegel durch den Europäischen Datenschutzausschuss diskutiert.¹ Hieran zeigt sich die enge Verbindung auch der Digitalisierung mit dem Datenschutz. Die Firmendaten werden hingegen von den folgenden Grundsätzen erfasst und in ihrer Verwendung geprägt.

    2.3.3 Rechtliche Grundsätze – verbunden mit dem Wettbewerbsrecht

    2.3.3.1 Transparenz

    Diese für vertragliche Vereinbarungen vorgesehenen Punkte deuten bereits auf die wesentlichen rechtlichen Grundsätze, die zu wahren sind: Nach dem Transparenzgrundsatz sollen die einschlägigen Verträge auf transparente und verständliche Art und Weise ersehen lassen, i) welche Personen oder Einrichtungen Zugang zu den durch das Produkt oder die Dienstleistung erzeugten Daten haben sowie die Art und Detailliertheit dieser Daten und ii) zu welchem Zweck diese Daten verwendet werden [7]. So kann differenziert werden, ob Daten nur zu Entwicklungszwecken oder auch zu Verkaufszwecken verwendet werden dürfen. In beiden Fällen hat das zweite Prinzip eine besondere Bedeutung, wenngleich in unterschiedlicher Weise: Auf der Entwicklungsebene wird der spätere Verkauf vorbereitet und ist daher langfristig zwischen den Beteiligten zu konzipieren, auf der Verkaufsebene läuft er bereits und ist deshalb konkret auszugestalten.

    2.3.3.2 Gemeinsame Wertschöpfung

    Stets gilt das Prinzip der gemeinsamen Wertschöpfung, wonach anerkannt werden sollte, dass mehrere Beteiligte zur Erzeugung der Daten beigetragen haben, wenn Daten als Nebenprodukt der Verwendung eines Produkts oder einer Dienstleistung anfallen [7]. Steht der Verkauf erst noch später bevor, kann entsprechend dem Entwicklungsbeitrag konzipiert werden, inwieweit die jeweiligen Parteien an dem späteren Verkaufserlös partizipieren sollen. Am wettbewerbsneutralsten ist ohnehin, wenn lediglich die Entwicklung gemeinsam bewerkstelligt wird und im Anschluss zwei verschiedene Produkte auf den Markt kommen. Dadurch bleibt die Kooperation auf den erforderlichen Rahmen beschränkt. Eine solche Stufenbezogenheit ist Ausdruck der nach Art. 101 Abs. 3 AEUV geforderten Unerlässlichkeit [8]. Das gilt auch für die Beschränkung der Zusammenarbeit in der Zeit.

    2.3.3.3 Wahrung der Geschäftsinteressen aller Beteiligten

    Unabhängig davon, welche konkrete Konstruktion gewählt wird, sind die Geschäftsinteressen aller Beteiligten gegenseitig zu achten: Die einschlägigen Verträge sollten mithin dem notwendigen Schutz der geschäftlichen Interessen und Geheimnisse sowohl der Dateninhaber als auch der Datennutzer Rechnung tragen [7].

    2.3.3.4 Unverfälschter Wettbewerb

    Weiter ist ein unverfälschter Wettbewerb zu gewährleisten, indem die einschlägigen Verträge der Notwendigkeit Rechnung tragen, beim Austausch sensibler Geschäftsinformationen einen unverfälschten Wettbewerb zu wahren [7]. Hier greift ebenfalls wieder ein wettbewerbliches Kernelement ein: Die gegenseitige Unkenntnis der Wettbewerber von ihren Strategien und Planungen, damit so dem Verbraucher ein stärkerer Wettbewerb erhalten bleibt. Deshalb darf nicht die Transparenz am Markt erhöht werden [9, 10]. Daher kann zwar über technische Probleme gesprochen werden, nicht aber über künftige Produktentwicklungen und Preisfestsetzungen sowie sonstige vertrauliche Geschäftsinformationen [11]. Formal genügt es aber schon, wenn eine bewusste praktische Zusammenarbeit erfolgt oder einfach strategische Daten ausgetauscht werden [12]. Selbst aus einem einseitigen Offenlegen strategischer Daten, welches der Empfänger akzeptiert, kann sich eine wettbewerbswidrige Zusammenarbeit ergeben [9, 13]. Dabei entscheidet die Intensität des Wettbewerbs und die Zahl der Wettbewerber darüber, in welchem Ausmaß ein Informationsaustausch erfolgen darf [14]. Ein Informationsaustausch kann einen regen Wettbewerb sogar noch beleben [15].

    2.3.3.5 Datenunabhängigkeit

    Schließlich gilt es, die Datenabhängigkeit von einem Anbieter zu minimalisieren: Unternehmen, die Produkte oder Dienstleistungen anbieten, die Daten als Nebenprodukt generieren, sollten so weit wie möglich die Datenübertragbarkeit erlauben und ermöglichen. Zudem sollten sie nach Möglichkeit und entsprechend den Merkmalen des Marktes, auf dem sie tätig sind, in Betracht ziehen, dasselbe Produkt oder dieselbe Dienstleistung jeweils sowohl mit Datentransfer als auch ohne oder mit nur begrenztem Datentransfer anzubieten [7]. Damit kann einer Monopolbildung von vornherein entgegengewirkt werden.

    2.3.4 Weiterungen

    Über diese rechtlichen Grundsätze des Leitfadens hinaus gilt es, schon um von vornherein Streitigkeiten zu verhindern, das Miteinander zu stärken. Eine Verbindung zwischen wirtschaftlichen Einheiten, die gemeinsam Daten nutzen oder im Rahmen einer Entwicklung zusammenarbeiten, kann über ein Wissensmanagementsystem und eine gegenseitige technische Unterstützung für den Zugriff auf Daten gestärkt werden. Es sollte eine gemeinsame IT-Governance eingerichtet werden, damit die Informationstechnik die Strategie und die Ziele beider Unternehmen fördert und voranbringt. Sofern es sich um abgetrennte Bereiche bzw. klar definierte Bereiche z. B. als Service-Unternehmen für eine bloße unselbstständige Unterstützung eines anderen Unternehmens geht, gilt es festzulegen, wer für welchen Bereich Zugriff auf die Daten haben soll und wem sie gehören. Nach diesen beiden Konstellationen richtet sich auch eine etwaige Haftung: Ist sie bereichsbezogen oder gemeinsam? Im zweiten Fall sollte eine gemeinsame Sicherheitsorganisation erfolgen, im ersten eine klare Abgrenzung, wer welche Vorkehrungen zu treffen hat.

    2.4 „Eigentum" an den Daten

    2.4.1 Bisherige Anhaltspunkte

    Der vorstehend beschriebene EU-Leitfaden erfasst die vertraglichen Regelungen und die Frage des Datenzugangs – nicht aber, wem die Daten gehören und damit auch, wer sie nutzen und kommerziell verwerten darf. Diese Frage bewegt die Praxis sehr stark, sodass auch insoweit eine EU-Regelung erfolgen sollte. Ansonsten entsteht nämlich dadurch eine Schwierigkeit für den grenzüberschreitenden Datenaustausch im Zuge der Digitalisierung und verschiedene Rechtsregime regeln die Datenzuordnung unterschiedlich. Jedes Unternehmen wird das Recht des Landes anwendbar sein lassen wollen, welches für die eigenen Interessen die vorteilhafteste Regelung beinhaltet.

    Die EU-Kommission stellte als Ansatz die Normierung von Leistungsschutzrechten als eigentumsähnliche Rechte für die Schaffung von Maschinendaten in den Raum (durch den ehemaligen EU-Kommissar Oettinger [16]; ebenso gefordert in Pressemitteilung der Bundesregierung und Bundeskanzlerin [17]) – allerdings mit vielfältiger Kritik durch die Literatur [18–20], werde doch mit solchen Rechten die unternehmerische Flexibilität genommen, mit innovationshemmenden Wirkungen. Eine Selbstregulierung in Form von Datennutzungsvereinbarungen genüge, da industrielle Unternehmen für betriebliche Daten ausreichend sensibilisiert seien [21].

    Zwar wurden bislang ökonomisch ohne Eigentumsrechte fehlende Anreize, um Daten zu erheben und herzustellen, nicht nachgewiesen [22]. Jedoch zeigen sich angesichts der Sampling-Rechtsprechung des EuGH [23] doch zumindest Parallelen zum Eigentumsrecht [24–27] (siehe auch Abschn. 2.4.2), das im Übrigen eine feste Struktur mit klaren Grundsätzen besitzt, welche eine eindeutige Zuordnung möglich machen – allerdings in einer Weise, die mancher kleiner Unternehmer nicht wünscht und daher vertraglich auffangen muss. Daher bedarf es in jedem Fall der näheren vertraglichen Regelung, sollen unliebsame Folgen vermieden werden.

    Daher ist es auch so wichtig, dass die Vertragsgrundsätze aus dem Leitfaden das Prinzip gemeinsamer Wertschöpfung enthalten. Damit ist es schwerlich vereinbar, wenn ein Unternehmen trotz gemeinsamer Anstrengungen allein das Eigentum an den Daten beansprucht. Die bloße Transparenz und damit die Ersichtlichkeit, wer Zugang zu den Daten hat, besagt noch nichts über die eigentumsrechtliche Zuordnung. Diese kann auch über eine bloße Nutzungsregelung für die praktischen Bedürfnisse aufgeweicht werden. Damit bleibt vieles offen.

    In einem Teilbereich entschied der EuGH schon vor einigen Jahren: Die Speicherung von Daten in einer Cloud führt nicht zum Eigentumswechsel: Werden in einer Cloud gespeicherte Kopien von Fernsehprogrammen zur Verfügung gestellt, muss dies vom Inhaber der Urheberrechte oder der verwandten Schutzrechte erlaubt werden. Schließlich stellt eine solche Dienstleistung eine Weiterverbreitung der betreffenden Programme dar [28]. Bedarf es aber der Erlaubnis des Rechteinhabers, ist dieser weiterhin der Eigentümer der Daten.

    2.4.2 Sampling-Urteil des EuGH

    2.4.2.1 Zusammenhang mit der Digitalisierung

    Nähere Anhaltspunkte brachte die Sampling-Entscheidung des EuGH vom 29.07.2019 [23]. In ihr urteilte er zu der Frage, ob andere Werke gesampelt werden können. Das Sampeln ist nach dem EuGH „die Technik des Elektronischen Kopierens von Audiofragmenten", um ein neues Werk zu schaffen [29]. Es ging also darum, ob bestehende Tonsequenzen auch von anderen Künstlern genutzt werden können. In geringem Umfang ist das ohne Zustimmung des Tonträgerherstellers und kostenlos möglich, wenn zudem der Inhalt so verfremdet wurde, dass er nicht mehr erkennbar ist.

    Was hat das mit der Digitalisierung zu tun? Auch Industrie 4.0 ist in großem Maße darauf angewiesen, von anderen Unternehmen erarbeitete Grundlagen zu nutzen, so wenn es um Plattformen und Rahmensoftware geht, die für die Digitalisierung im eigenen Unternehmen herangezogen und dabei an dessen Abläufe angepasst werden müssen. Auch bei der Digitalisierung geht es also darum, inwieweit ein Unternehmen von anderen geschaffene Werke benutzen darf und vor allem um die Frage, wem nach einer Fortentwicklung die Rechte daraus zustehen? Inwieweit kann hier auch der Unternehmer das von anderen Firmen entwickelte Knowhow für seine Zwecke nutzen? Hat er dies getan – wer hat dann das Verwertungsrecht? Oder anders gefragt: Wem gehören die Daten? Kann dann etwa der Softwareanbieter die in einem Betrieb gefundene Lösung für die Etablierung von Industrie 4.0 für andere Kunden selbst verwerten? Sind dann die zur Verfügung gestellten Unternehmensdaten gleichsam das Rohmaterial, das in der Sampling-Entscheidung die verwendeten Tonsequenzen für das neue Musikstück bildeten? Nur profitiert hier womöglich das Softwareunternehmen, welches die betriebliche Digitalisierungsstrategie entwickelt hat.

    Der EuGH entschied nur zur Frage der Nutzung eines fremden Werkes für eine eigene Musikproduktion. Das ist möglich, wenn das alte Werk nicht mehr wiedererkennbar ist, mithin stark genug umgestaltet wurde. Bei der Digitalisierung würde dies voraussetzen, dass die herangezogene Plattform bzw. Software in der betrieblichen Ausgestaltung nicht mehr wiedererkennbar ist. Dann wäre auch ein neues Werk geschaffen. Die Daten gehören daher dem, der diese betriebliche Lösung entwickelt hat. War dies allerdings das Softwareunternehmen, bestätigt der EuGH mit seiner Sampling-Entscheidung, dass dann dieser Unternehmer das Eigentum an den Daten bzw. zumindest das Verfügungsrecht über die entwickelte Anwendungslösung hat.

    Diese Sicht ist als solche nicht neu, sondern stimmt mit sachenrechtlichen Wertungen überein. Dominiert diese Verarbeitung, gehören die Daten dem Softwareunternehmen bzw. der sonst diese Daten modifizierenden Firma. So sieht § 950 BGB einen Eigentumserwerb zugunsten desjenigen vor, der durch Verarbeitung oder Umbildung eines oder mehrerer Stoffe eine neue bewegliche Sache herstellt. Das ist nach dem OLG Stuttgart schon beim Erzielen einer erhöhten Bearbeitungsstufe der Fall. Vor allem auf den Wert kann abgestellt werden: Ist der Wert der Ausgangsdaten geringer als der Wert der Verarbeitung, kann der Softwareanbieter § 950 S. 1 BGB analog Eigentum erwerben. Um Unsicherheiten zu vermeiden, empfiehlt sich eine klare vertragliche Regelung – auch und erst recht nach dem Sampling-Urteil des EuGH.

    Der andere Weg der möglichen Nutzung fremder Werke ist nach diesem Urteil das Zitatrecht und damit gerade die Wiedererkennbarkeit. Der Nutzer tritt bewusst in Interaktion zu dem entnommenen Audiofragment. Dann setzt er aber auch etwas Eigenes dazu. Das erfolgt auch bei der Softwareentwicklung im eigenen Betrieb. Allerdings muss dann auf den Urheber des Grundmusters und damit etwa der Rahmensoftware verwiesen und auch dafür bezahlt werden, erfolgt doch eine geschäftliche Nutzung.

    Grundlage des EuGH ist neben der Urheberrichtlinie die Kunstfreiheit nach Art. 13 der Europäischen Grundrechtecharta. Diese ist in Ausgleich mit dem Recht auf geistiges Eigentum als Teil der Eigentumsgarantie nach Art. 17 EGRC zu bringen. Bei der Digitalisierung trifft dieses Eigentumsrecht der Softwareanbieter bzw. der die Rohdaten besitzenden Unternehmen auf das Eigentumsrecht sowie die Berufs- und Unternehmensfreiheit der Vertragspartner, welche die Daten für eigene Zwecke nutzen wollen. Daher geht es auch nicht um den vom EuGH betonten öffentlichen Austausch von kulturellen, politischen und sozialen Informationen, sondern um die Wahrung geschäftlicher Belange, mit denen sich naturgemäß ein monetärer Wert verbindet. Auch in seiner Microsoft-Rechtsprechung billigte das Gericht der Europäischen Union (EuG) sogar einem Monopolisten einen angemessenen Zahlungsanspruch zu, der Zugang zu seinen Plattformen gewähren musste, weil andere Unternehmen darauf für ihre geschäftlichen Aktivitäten angewiesen waren. Das hat dann auch in diesem Rahmen zu gelten.

    Das EU-Sekundärrecht (RL 2001/29 und RL 2006/115) billigt im Ausgangspunkt dem Urheber das ausschließliche Verwertungsrecht zu und untersagt das unerlaubte Kopieren hauptsächlich zur Bekämpfung der Piraterie, welche zu einer erheblichen Verminderung der Einkünfte des Tonträgerherstellers führen kann [30]. Daher können die Ausnahmen nur sehr begrenzt sein – eben bei Schaffung eines neuen Werkes, welches von den benutzten Fragmenten unabhängig ist und diese nur geringfügig einsetzt, sowie bei einer Interaktion mit dem bereits vorhandenen Werk. Auch nach der Sampling-Entscheidung des EuGH unterstreicht dieser enge Rahmen ebenfalls die Notwendigkeit einer vertraglichen Regelung, um unliebsame Überraschungen zu vermeiden.

    2.5 Wettbewerbsrechtliche Zugangsansprüche

    2.5.1 Plattformunternehmen

    „Viele Plattformunternehmen agieren sowohl als Spieler als auch als Schiedsrichter – sie betreiben eine Plattform und konkurrieren auch mit anderen Unternehmen, die auf diese Plattform angewiesen sind, sagte Vestager. Google nutze seine Marktmacht in verschiedenen Bereichen, „um Wettbewerb zu unterbinden und Innovation zu blockieren. Es werde geprüft, ob diese Vorwürfe auch für die Stellensuche bei Google zuträfen.² Hieran zeigt sich die gerade für die Digitalisierung mit ihrer örtlichen Entgrenzung bedeutsame Geltung der EU-Wettbewerbsregeln für alle im Binnenmarkt tätigen Unternehmen.

    Damit ist das zentrale Feld angesprochen, welches in der Digitalisierung ein Problem darstellen kann: Der notwendige Zugang von Unternehmen zu Plattformen. Dieses wird auch mit den Daten(sätzen) als essential facility sowie einer daher unzulässigen Geschäftsverweigerung nach Art. 102 lit. c) AEUV bzw. § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 GWB in Verbindung gebracht [20, 31, 32] und wurde bereits im Rahmen des primärrechtlichen Ansatzes für eine Nutzung von urheberrechtlich geschütztem Knowhow für Industrie 4.0 angesprochen (siehe Abschn. 2.3). Das ausschließliche Vervielfältigungsrecht bedurfte insoweit einer teleologischen Reduktion vor dem Hintergrund der Grundrechte.

    Entsprechendes gilt für das Recht der freien Auswahl der Vertragspartner: Zwar können auch marktbeherrschende Unternehmen ihre Geschäftspartner grundsätzlich frei wählen. Deshalb müssen außergewöhnliche Umstände hinzutreten, damit durch eine Zugangsverweigerung ein Verstoß gegen das Missbrauchsverbot vorliegen kann. Spezifisch für die Ausübung eines Rechts des geistigen Eigentums, welches auch die Nutzung, Weiterverbreitung und Öffnung einer Plattform für Industrie 4.0 umfassen kann, verlangt das EuG, dass durch die Leistungsverweigerung das Auftreten eines neuen Produkts verhindert wird, nach dem eine potenzielle Nachfrage der Verbraucher besteht; dabei genügt entsprechend dem Wortlaut von Art. 102 S. 2 lit. b) AEUV schon die Einschränkung einer technischen Entwicklung [33]. Den Ausnahmecharakter eines solches Anspruchs betont im hiesigen Kontext [19].

    Eine weitergehende Auflockerung dieses Maßstabs etwa in Gestalt einer allgemeinen Gegenüberstellung der Bedeutung des Wettbewerbs und dem diesen einschränkenden Gesichtspunkt z. B. in Form der Digitalisierung ergibt sich nicht etwa aus dem more economic approach: Die Struktur des Marktes und der Wettbewerb als solcher bleiben gleichwohl der Schutzgegenstand der Wettbewerbsregeln [34]. Er kann auch nicht durch die Digitalisierung angetastet werden. Die Bedeutung dafür kann höchstens (Kritik wegen der fehlenden wirtschaftswissenschaftlichen Absicherung [35]) durch Effizienzanalysen auf der Basis des more economic approach eingefangen werden, welche dann die Effizienzvorteile näher hervortreten lassen (siehe [36], wo aber die Bedeutung des fortbestehenden Wettbewerbs betont wird (Rn 24)).

    Industrie 4.0 besteht gerade in der Vernetzung und Verbindung von Herstellungsprozessen. Diese technische Entwicklung wird ausgeschlossen, wenn kein Zugang zu einer Software bzw. Cloud besteht, über welche das betroffene Unternehmen sein System für die Digitalisierung etablieren und fortentwickeln kann. Damit ist auch die weitere Bedingung für einen missbräuchlichen Gebrauch einer marktbeherrschenden Stellung erfüllt, dass durch die Zugangsverweigerung Folgeentwicklungen ausgeschlossen werden, die nur mit Zutritt zu einem bestimmten Betriebssystem möglich sind. Da es sich um maschinengenerierte Daten handelt, liegen regelmäßig keine personenbezogenen Daten vor, die im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 DSGVO nicht einfach weitergegeben werden dürfen, sodass insoweit keine datenschutzrechtlichen Bedenken bestehen – wohl aber ggf. kartellrechtliche wegen eines Informationsaustauschs [19, 20]. Jedoch geht es hier nicht um eine gegenseitige Information, sondern um einen Zugang zu für die eigene unternehmerische Weiterentwicklung unabdingbaren Informationen, sodass der Wettbewerb nicht beeinträchtigt, sondern erst geschaffen wird.

    Eine objektive Rechtfertigung, welche einen Verstoß gegen das Missbrauchsverbot hindern kann, kommt nicht in Betracht. Die positiven Auswirkungen einer Offenlegungspflicht sind gegen die potenziellen Innovationsbremsen abzuwägen [37]. Die Grundlagen für die Entwicklung der Digitalisierung bilden praktisch die Basis eines für die Industrie im internationalen Wettbewerb überlebensnotwendigen Fortschritts; Effizienzvorteile für den Verbraucher sind durch eine Lieferverweigerung nicht ersichtlich, ebenso keine unabdingbaren Gesichtspunkte für die Anbieter, die etwa in einem notwendig ganzheitlichen Design bestehen könnten [38]. Vielmehr ist von vornherein klar, dass es sich bei der Software bzw. bei der Cloud für Industrie 4.0 nur um ein Basiselement handelt, welches an die individuellen Bedürfnisse jedes Unternehmens angepasst werden muss. Dies bedeutet, dass jedes Unternehmen Zugang zu der passenden Software sowie zu einer Cloud haben muss. Das gilt zumal dann, wenn sich im Bereich Industrie 4.0 eine Softwarelösung als Standard etabliert, um auf dieser Basis individuelle Lösungen für die einzelnen Unternehmen zu entwickeln.

    2.5.2 Marktbeherrschende Stellung in Zeiten der Digitalisierung

    Eine marktbeherrschende Stellung kann sich allerdings in Zeiten der Digitalisierung leicht ändern, werden doch die Produktentwicklungen immer rascher [39]. Gleichwohl haben sich inzwischen gewichtige Unternehmen herauskristallisiert, die eine Schlüsselposition haben. Im Übrigen wird auch die Digitalisierung immer mehr zur Regelentwicklung werden. Auch frühere Entwicklungen waren zunächst revolutionär und etablierten sich immer mehr, sodass jedenfalls dann eine erprobte wettbewerbsrechtliche Beurteilung angezeigt ist. Nur ausnahmsweise ist daher ein Abrücken von den geläufigen Marktanteilsstandards [34] angezeigt, wenn nämlich ein Bereich sich noch erheblich im Aufbau befindet und daher erreichte Marktanteile sehr volatil sind. Jedoch werden ohnehin bei Marktanteilen zwischen 40 und 50 % [40, 41], teilweise zwischen 45 und 70 % [42] weitere Faktoren hinzugenommen.

    Eine besondere Bedeutung hat die Dynamik des Wettbewerbs [34] und damit die Höhe bestehender Marktzutrittsschranken für mögliche Expansionen sowie den Zutritt neuer Marktteilnehmer [43]. Fließende Strukturen und Positionen können also schon nach bisheriger Dogmatik eingefangen werden. Im Bereich der Digitalisierung haben sich ohnehin bereits Marktanteile gefestigt. Dass einmal ein Unternehmen, das eine erhebliche Position hat, zusammenbricht wie nunmehr im Reisesektor Thomas Cook, gehört zu den üblichen Phänomenen des freien Wettbewerbs, ebenso das Verlieren einer starken Marktposition, wie dies bei Nokia im Handybereich der Fall war. Dies allein rechtfertigt nicht ein Abrücken von besonderen Pflichten eines marktbeherrschenden Unternehmens.

    2.5.3 Modifikation aufgrund des Klimaschutzes?

    Ein Ansatz für eine solche Modifikation könnte im Klimaschutz liegen. Schließlich benennt Art. 191 Abs. 1 4. Spiegelstrich AEUV insbesondere die Bekämpfung des Klimawandels in seiner globalen Dimension als umweltpolitisches Ziel. Diesem Ziel dienen auch kraftvolle Unternehmen in der EU, welche den Klimaschutz durch ihre Entwicklungen voranbringen und über ihre Produkte weltweit vertreiben. Eine wichtige Rolle kann dabei auch die Digitalisierung spielen, so durch verbesserte Simulationsmodelle und energiesparendere Herstellungsverfahren. Indes kann ein fehlender Zugang zu einem bestimmten Anbieter Entwicklungen anderer Firmen hemmen, und zwar auch dann, wenn sie förderlich für den Klimaschutz sind. Genau dies ist der Ansatzpunkt für einen Zugangsanspruch bei marktbeherrschenden Unternehmen. Von daher ist eine pauschale Beurteilung von vornherein ausgeschlossen. Vom System her könnte höchstens dem Ansatz der Vertragsfreiheit, welche grundsätzlich eine Ablehnung von Vertragspartnern erlaubt, der Klimaschutz an die Seite gestellt werden.

    Indes ist die Vertragsfreiheit eine unternehmensbezogene, wettbewerbsrechtlich rückgekoppelte Komponente, nicht aber der Klimaschutz. Letzterer kann höchstens eine Rolle spielen bei der Frage, inwieweit die Vertragsfreiheit zur Geltung kommen kann. Sie wird wettbewerbsrechtlich für marktbeherrschende Unternehmen reduziert, wenn eine Abhängigkeit anderer Unternehmen besteht, um ihre eigenen Entwicklungen voranzutreiben. Ein Kontrapunkt könnte sein, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen auf diese Weise durch Konkurrenz geschwächt würde, um eine bedeutende Rolle im weltweiten Klimaschutz zu spielen. Indes beruht der Klimaschutz regelmäßig weniger auf einer dominanten Position als vielmehr auf zahlreichen Fortentwicklungen sowie generell einem umweltgerechtem Verhalten, das möglichst viele an den Tag legen sollen und nicht nur wenige mächtige Unternehmen. Gerade eine solche möglichst weitgehende Bandbreite der Beteiligten lässt besonders die Vorbildfunktion hervortreten.

    2.6 Pflicht zur Zahlung einer angemessenen Vergütung

    2.6.1 Bemessung nach dem innovativen Charakter der Leistung

    Wird somit eine Pflicht zur Kooperation der Anbieter mit marktbeherrschender Stellung bei Software und Zugang zu einer Cloud für Industrie 4.0 und den einzelnen Unternehmen begründet, müssen Erstere ihre Angebote zur Verfügung stellen – allerdings nicht kostenlos. Sie dürfen Lizenzgebühren bzw. Nutzungsentgelte erheben. Dies gilt aber nicht unbegrenzt. Erhielte doch ansonsten der Inhaber einer marktbeherrschenden Stellung die Möglichkeit, durch hohe Vergütungssätze die auf den Zugang angewiesenen Unternehmen von der Nutzung abzuhalten. Damit darf sich der Inhaber einer marktbeherrschenden Stellung nicht schon die bloße Verfügungsgewalt über ein Erzeugnis oder eine Dienstleistung bezahlen lassen, auf die andere Wirtschaftsteilnehmer unabdingbar angewiesen sind. Angemessen sind hingegen Sätze, die sich daran orientieren, inwieweit die angebotene Leistung eine Neuheit bildet bzw. innovativen Charakter hat und damit einen Fortschritt verkörpert, den sich der Inhaber durch eine entsprechende Vergütung abgelten lassen kann. Allerdings müssen die geforderten Sätze auch im sonstigen Geschäftsverkehr und damit für vergleichbare Technologien üblich sein [44].

    2.6.2 Verbot von Rabattsystemen

    Umgekehrt dürfen die verlangten Vergütungen auch nicht zu gering sein. Es ist ein immer wieder auftretendes Phänomen, dass marktbeherrschende Unternehmen ihre Stellung durch Rabattsysteme festigen wollen. Indem sie niedrige Vergütungen verlangen, versuchen sie andere Wettbewerber zu verdrängen, um hinterher ohne nennenswerte Konkurrenz zu sein und so die Preise erhöhen zu können. Eine solche Chance besteht vor allem am Anfang einer Entwicklung, wie sie jetzt mit Industrie 4.0 begonnen hat: Solange noch nicht viele Anbieter am Markt sind, ist es besonders attraktiv, sich eine möglichst ausschließliche Stellung als Anbieter zu sichern, indem durch zunächst niedrige Preise Kunden gelockt werden – zulasten der anderen Anbieter.

    Diese Verdrängungswirkung ergibt sich aus der Prüfung sämtlicher Umstände und dabei vor allem den angewandten Kriterien und Modalitäten der Rabattgewährung, dem Umfang der beherrschenden Stellung und den marktrelevanten besonderen Wettbewerbsbedingungen. Ein Indiz für die Wahrscheinlichkeit einer solchen Wirkung ist, wenn ein Rabattsystem die Mehrheit der Kunden auf dem Markt erfasst [45]. Das wäre etwa dann der Fall, wenn ein Anbieter von Software für Industrie 4.0 Rabatte gleich für eine ganze Branche gewährt. Umgekehrt ist allerdings wegen des notwendigen Zuschnitts von Industrie 4.0 auf bestimmte Wirtschaftszweige und damit Branchen auch eine Argumentation möglich, dass die Rabatte für alle Kunden einer bestimmten Branche sachbezogen sind; deshalb kann die Erfassung einer großen Kundenzahl durch die Ausrichtung auf Industrie 4.0 bedingt sein. Damit kann aus der Größe und Weite eines Rabattsystems nicht zwingend ein Missbrauch abgeleitet werden [46].

    Freilich genügt die Wahrscheinlichkeit einer wettbewerbsschädigenden Wirkung, ohne dass diese in ihrer Schwere oder überhaupt in ihrer großen Bedeutung nachgewiesen werden muss [47]. Gerade im Hinblick auf Industrie 4.0 würde ein solcher Nachweis schwerfallen, handelt es sich insoweit doch um ein stark aufstrebendes und sich immer weiter rasch fortentwickelndes Phänomen. Dabei muss nicht notwendig darauf abgestellt werden, ob ein ebenso leistungsfähiger Wettbewerber vorhanden ist. Bei einem sehr großen Marktanteil und strukturellen Vorteilen des marktbeherrschenden Unternehmens kann ein solches Kriterium entfallen und muss es auch, schließt doch schon die Struktur des Marktes den Eintritt eines ebenso leistungsfähigen Wettbewerbers praktisch aus [48]. Steht im Bereich Industrie 4.0 noch gar kein Wettbewerber zur Verfügung, ist insoweit gleichfalls das Kriterium des „ebenso leistungsfähigen Wettbewerbers" nicht sachgerecht.

    2.6.3 Unterlassungsanspruch nach dem Urteil Huawei

    Was aber ist, wenn Software genutzt wird, ohne dem Patentinhaber das angemessene Entgelt zu bezahlen? Gerade bei Industrie 4.0 kann teuer entwickeltes Knowhow inzwischen durch die Sammlung vieler Daten kopiert werden. Weiter ist die Übernahme von Standards möglich, die durch eine Standardisierungsorganisation gesetzt wurden. Damit einhergehen kann dann wie im vom EuGH entschiedenen Fall Huawei eine unwiderrufliche Verpflichtungszusage gegenüber der betreffenden Organisation, Dritten Lizenzen zu vorherbestimmten FRAND-Bedingungen zu erteilen. In diesem Fall kann der Patentinhaber schwerlich davon abweichen, eine Lizenz zu diesen Bedingungen zu erteilen, will er nicht missbräuchlich handeln [49]. Klagt er auf Unterlassung oder Rückruf, kann ihm die Verweigerung einer Lizenzerteilung entgegengehalten werden.

    Eine Klage auf Unterlassung oder auf Rückruf kann ihrerseits wegen des Zwangslizenzeinwands missbräuchlich sein, wenn der Patentnutzer nicht mit der vorgeworfenen Rechtsverletzung konfrontiert und angehört wurde sowie ihm keine rechtlichen Schritte angedroht wurden [50]. Zudem darf dann der Patentnutzer nicht seinen Willen bekundet haben, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen zu schließen. Und selbst dann muss der Patentinhaber zunächst ein konkretes schriftliches Lizenzangebot unterbreiten sowie vor allem die Lizenzgebühr einschließlich der Art und Weise ihrer Berechnung angeben [51]. Darauf muss dann das auf das Patent angewiesene Unternehmen auch sofort reagieren, sei es, dass es das Angebot zu den FRAND-Bedingungen annimmt oder aber sofort ein konkretes Gegenangebot macht, welches aus seiner Sicht mit diesen Bedingungen korrespondiert [52].

    Dabei kann allerdings die Einschätzung divergieren, ob die jeweils angebotenen Bedingungen angemessen sind. Der EuGH legt sich nicht fest, wessen Vorstellungen sich durchsetzen sollen, auch wenn es um die Frage einer angemessenen Sicherheit geht, sofern das Patent bereits genutzt wird. Für eine Ausrichtung an den Vorstellungen des Patentinhabers spricht, dass hier schon eine Nutzung vor Vertragsschluss erfolgt [53]. Werden indes nicht die Bedürfnisse des nutzungswilligen Unternehmens zugrunde gelegt, kann der Patentinhaber blockieren und so die Entfaltung wirksamen Wettbewerbs verhindern.

    Daher ist es problematisch, dass der BGH dem Lizenzsucher sogar die Abgabe eines konkreten annahmefähigen Angebotes auferlegen wollte [54]. Der BGH ging regelmäßig von der Zulässigkeit eines Unterlassungsbegehrens aus, wenn der Lizenzsucher dem Patentinhaber kein unbedingtes Angebot unterbreitet hat bzw. den Gegenstand des Patents vor Vertragsabschluss nicht so nutzt, wie dies den üblichen Bedingungen nach dem abzuschließenden Lizenzvertrag und den damit verbundenen Verpflichtungen entspricht [54].

    Diese Entscheidung wurde aber schon ihrerseits als unionsrechtswidrig eingestuft [55, 56] (anders dagegen [57]). Jedenfalls wird dadurch auch ein mittelständisches Unternehmen, das mit Kartellrechtsfragen weniger vertraut sein dürfte, in der Pflicht zu verfahrensmäßig korrektem Handeln gesehen. Daraus können sich in erheblichem Umfang Schwierigkeiten für eine Patentnutzung ergeben. Dies spricht für die ohnehin maßgebliche Lösung des EuGH, die den Patentinhaber in der verfahrensrechtlichen Pflicht zur Konfrontation und Anhörung des patentnutzenden Unternehmens im Hinblick auf die vorgeworfene Rechtsverletzung sieht.

    Insgesamt bleiben aber Fragen offen, so die konkrete Höhe der Gebühr; umso mehr sind die betroffenen Unternehmen gefragt [53]. Nur mit einer engen und vertrauensvollen Kooperation wird eine notwendig an die jeweiligen Verhältnisse angepasste, erfolgreiche Implementierung von Industrie 4.0 in einem Unternehmen durch die Hilfe eines entsprechenden Entwicklers mit passender Software bzw. Cloud erfolgen können.

    2.7 Standardsetzung durch Verbände

    Der Zugang von Marktteilnehmern kann auch dadurch erschwert bzw. unmöglich gemacht werden, dass die einzuhaltenden Standards unnötig verkompliziert werden, woraus sich Eintrittsbarrieren ergeben [58]. Das gilt auch für die Standardsetzung durch Unternehmensverbände.

    Auch diese Standardsetzung unterliegt dem Kartellrecht. Sie erfolgt häufig in Normungsausschüssen unter dem Dach von Unternehmensvereinigungen. Diese sind ebenfalls in der Pflicht [59] und müssen darauf achten, alle Unternehmen einzubeziehen, damit die Zugangschancen auch mit innovativen Produkten gewahrt bleiben und keine Wettbewerbsverfälschung erfolgt (siehe näher im Rahmen der Digitalisierung [60]).

    2.8 Unternehmenskooperationen

    Indem im Bereich Industrie 4.0 bisher unverbundene Branchen kooperieren und so zu neuen Produkten kommen, werden vor allem darin Ansätze für Wettbewerbsverstöße liegen. Dadurch können zwar technologische Innovationen erzielt werden, die grundsätzlich im Rahmen von Art. 101 Abs. 3 AEUV rechtfertigungsfähig sind. Indes bedarf es hierzu der Erforderlichkeit. Zudem ist darauf zu achten, dass der Wettbewerb trotzdem noch erhalten bleibt, indem sich etwa die durch die Zusammenarbeit im Rahmen von Industrie 4.0 entwickelten Produktionssysteme unterscheiden bzw. die daraus hervorgehenden Erzeugnisse immer noch im Wettbewerb stehen.

    Dabei ist es weniger problematisch, wenn kleinere Unternehmen ohne signifikante Marktanteile zusammenarbeiten. Handelt es sich hingegen um große Unternehmen, zumal wenn sie miteinander konkurrieren, können solche Kooperationen den Wettbewerb stärker beeinträchtigen, zumal wenn sie den Nukleus tragen, dass dadurch eine marktbeherrschende Stellung durch mehrere Unternehmen entsteht: Dafür genügt eine Unternehmenskooperation selbst faktischer Art, sofern nach außen ein Auftreten als kollektive Einheit erfolgt [42, 61].

    Auf der Seite der Nachfrager kann ein Kartell dergestalt entstehen, dass sich die Kunden zusammenschließen, um ihrerseits die Wettbewerbsbedingungen für den Anbieter zu diktieren. Eine Zusammenarbeit von Unternehmen derselben Ebene ist allerdings tendenziell problematischer als eine solche zwischen Unternehmen aus verschiedenen Ebenen und damit etwa zwischen Anbietern und Kunden: Einer der Beteiligten muss eine hinreichende Marktmacht haben, damit ein Wettbewerbsverstoß vorliegen kann [62].

    2.9 Informationsaustausch

    Bei Industrie 4.0 geht es sowohl um die Vernetzung vertikaler Prozesse, also im Rahmen der Lieferkette, als auch um die horizontale Zusammenarbeit, wodurch ganz neue Produkte entstehen können. In beiden Varianten beruht Industrie 4.0 ganz wesentlich auf dem Austausch von Informationen. Er gehört zur Entwicklung bzw. Herstellung eines Produkts und ist damit integraler Bestandteil des Herstellungsprozesses. Daher kann es sich schwerlich um eine wirtschaftsrechtlich verbotene Maßnahme handeln, würde doch ansonsten die Produktentwicklung und -herstellung selbst unmöglich gemacht. Das gilt regelmäßig für Lieferketten. Eine andere Stufe wird freilich bei einer Kooperation zumal von in Wettbewerb stehenden Unternehmen erreicht. Zwischen Wettbewerbern kann schon der Austausch marktrelevanter Informationen wettbewerbswidrig sein, so über Unternehmensstrategien und Preise. Im Übrigen ist ein Informationsaustausch im Rahmen von Industrie 4.0 gerade gefordert und darf nicht verweigert werden: Wird dadurch eine marktbeherrschende Stellung ausgenutzt, kann ein Verstoß gegen das wettbewerbsrechtliche Missbrauchsverbot vorliegen [58].

    Problematisch ist auch, Standards zu definieren, welche den Informationsaustausch näher gewährleisten bzw. die Handhabung und unternehmerische Zuordnung der Daten betreffen. Auch dabei kann es nämlich zu Absprachen kommen,

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