Schöpfen und Erschöpfen
Von Maja Göpel und Eva von Redecker
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Über dieses E-Book
Wie lässt sich Ökonomie anders denken als im Wachstumsparadigma, welchen Umgang mit Ressourcen sollten wir pflegen, um ökologischer und sozialer Erschöpfung entgegenzuwirken, und ist es möglich, dass Gesellschaften tatsächlich mehr Reichtum, Wohlstand und Wohlbefinden für alle erzeugen können, wenn sie nicht mehr an Profit orientiert sind? – Diesen Fragenstellen sich die Politökonomin Maja Göpel und die Philosophin Eva von Redecker, beleuchten sie aus ihren jeweiligen Disziplinen und gehen dabei debattierend aufeinander zu, um gemeinsam mögliche Wege aus der Vielfachkrise der Gegenwart aufzuzeigen.
Dieser Dialog ist die Weiterführung eines Gesprächs zwischen den beiden Autorinnen, das im Rahmen der Veranstaltungsreihe »Burning Futures: On Ecologies of Existence« im HAU Hebbel am Ufer (Berlin) stattfand, kuratiert und moderiert von Margarita Tsomou und Maximilian Haas.
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Buchvorschau
Schöpfen und Erschöpfen - Maja Göpel
Schöpfen und Erschöpfen
MH: Vorweg muss eines gesagt werden: Dass eine queer-feministische linke Philosophin und eine in der Realpolitik agierende Transformationsforscherin gemeinsam über Ökologie und Ökonomie ins Denken kommen, ist nicht selbstverständlich.
MT: Aber wir dachten, es ist ein Skandal, dass ihr beide noch nie in der Öffentlichkeit miteinander gesprochen habt.
MH: Wo sich eure Positionen doch in interessanter Weise ähneln …
MT: … aber doch auch an entscheidender Stelle unterscheiden. Das ruft nach einem Gespräch!
MH: Eine wichtige Rolle spielen in euren Büchern die jüngsten öko-aktivistischen Bewegungen, auf die ihr verschiedentlich Bezug nehmt. Maja, du machst das in deinem Buch Unsere Welt neu denken, aber auch, indem du zum Beispiel 2019, sehr früh nach dem Beginn von Fridays for Future, als Unterstützung die Scientists for Future mitgegründet und der Bewegung zur Seite gestellt hast. Und Eva, du hast in deinem Buch Revolution für das Leben eine philosophische Auswertung dieser neuen Protestbewegungen vorgenommen. Das heißt, es werden darin philosophische Ansätze zur Kritik und Neuerfindung von Eigentum und Wirtschaft aus den Bewegungen abgeleitet und erst im zweiten Schritt mit philosophischen Referenzen und Begriffen belegt.
MT: Warum wir euch so gern ins Gespräch bringen wollten, ist, weil in beiden Büchern Ökonomiekritik zentral ist. Und zwar eine Ökonomiekritik, die wirtschaftliches Wachstum und auch den Glauben an linearen Fortschritt als eine Dynamik kritisiert, die auf Erschöpfung hinausläuft: Erschöpfung von Menschen, more-than-humans und natürlich der Erde, der Natur, des Klimas und so weiter. Dagegen setzt ihr beide dezidiert die zyklischen Kreisläufe der Natur. Eva, du sprichst von Gezeiten, und Maja spricht von Zeit als einem zyklischen Paradigma, dem sich auch unser ökonomisches Denken anpassen könnte, ja sogar muss, um Regeneration zu ermöglichen. Und zwar ein Regenerieren, das eben nicht nur mit technologischen Lösungen zu tun hat, sondern mit Gesten der Sorge, mit der Arbeit des Pflegens, des Rettens und des Teilens.
MH: Wir wollen vorschlagen, daher auch bei der Ökonomie zu beginnen. Nicht nur weil die Ökonomie für euch beide so eine wichtige Referenz bildet, sondern auch, weil unsere ökopolitische Lage ohne sie nicht zu verstehen ist. Ökonomie und Ökologie sind heute weniger denn je zu trennen.
Eva, du führst in deinem Buch den Begriff »Phantombesitz« ein, vielleicht kannst du zum Einstieg beschreiben, wie Phantombesitz und Eigentumsform zueinander stehen, aber auch, wie sie den wirtschaftlichen Zugang zu Ressourcen strukturieren und welche Rolle sie also für die Ökologie spielen?
ER: Das eine ist sozusagen der Schatten des anderen, also der Phantombesitz der Schatten des Eigentums. Aber von vorn: Die Eigentumsform ist die Gestalt, die Eigentum jeweils historisch annimmt – was es also konkret bedeutet, dass einem etwas gehört. In der westlichen Moderne hat Eigentum die Gestalt der absoluten Sachherrschaft, das heißt, es verspricht volle Verfügung über eingegrenzte »Sachen«. Phantombesitz besteht nun wiederum im Anspruch auf ein solches Verfügen. Es beschreibt eine Weise, die Welt so zu sehen, als sei sie aus lauter separaten Sachen gemacht, verfügbaren Sachen, genauer: mir verfügbaren Sachen. Ich benutze die Kategorie des Phantombesitzes, um gleich zu zeigen, dass die Ökonomie symbolische Gehalte hat und Wertschöpfung ohne ideologische Anteile gar nicht zu denken ist. Dazu bin ich auf zwei Wegen gekommen.
Das eine ist eine Beobachtung über gegenwärtige reaktionäre oder protofaschistische Bewegungen, die ganz oft lautstark den Anspruch auf etwas erheben, das ihnen angeblich gehört und das ihnen nun entwendet wurde. Oft genug handelt es sich dabei um etwas, von dem man denkt, das kann eigentlich gar kein Eigentum sein, weil es sowieso niemandem zusteht, also ein Phantom: ein geschichtlich verankerter Herrschaftsimpuls, eine Leerstelle, an der mit aller Gewalt Eigentum reklamiert werden soll. Diesen politischen Impuls wollte ich besser verstehen.
Der andere Weg zur Eigentumsform ergab sich für mich aus der Suche nach dem Scharnier oder dem gemeinsamen Nenner von intersektionalen Herrschaftsverhältnissen, von Kolonialität und politischer Ökonomie. Die Kritische Theorie denkt ja eigentlich immer von der Warenform her. Das Klassenverhältnis, aber auch die Naturbeherrschung ergeben sich aus der Warenwelt. Und in der Dialektik der Aufklärung wird sogar Antisemitismus auf raffinierte Weise aus einer Gesellschaft abgeleitet, die alles in vergleichbare und austauschbare Werte verwandelt. Diese Perspektive hat jedoch ziemliche Probleme, Rassismus und Sexismus theoretisch reichhaltig