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Die Ministerin und die Tibet-Mafia
Die Ministerin und die Tibet-Mafia
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eBook553 Seiten8 Stunden

Die Ministerin und die Tibet-Mafia

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Über dieses E-Book

Immer wieder wird von Menschen berichtet, die scheinbar unsterblich viele Generationen lang durch die Weltgeschichte geistern. Existieren sie wirklich oder sind sie nur Legenden? Wer sind diese sagenhaften Gestalten wie zum Beispiel der ominöse Graf von Saint Germain oder der Highlander? Und wenn es sie gibt, welchen Einfluss nehmen sie auf das Weltgeschehen? Welche Ziele verfolgen diese "Zeitlosen"? Sind sie tatsächlich die wirklichen Herrscher über diese Welt?

Die deutsche Umweltministerin Suzan Bergstoh lernt auf einem Empfang des Bundespräsidenten einen geheimnisvollen Grafen kennen, der sie mehr und mehr in seinen Bann zieht und immer größere Macht über sie gewinnt. Was will er von ihr, was sind seine Ziele? Irgendwann entführt er sie bei einer Dienstreise in China aus ihrem Hotel und bringt sie nach Tibet. Eine deutsche Ministerin verschwindet spurlos. Wie reagieren die Öffentlichkeit und die Medien? Doch nach einem Jahr taucht sie wieder auf und ist ein anderer Mensch. Sie gehört nun zu den "Zeitlosen" und weiß um die Gefahren, die der gesamten Menschheit drohen. Zusammen mit ihren Freunden versucht sie, die Katastrophe zu verhindern und riskiert dabei ihr Leben.

Sie hat sich zu einer lebensgefährlichen Mission entschlossen und dringt tief in das verborgene Leben der Superreichen ein. Dabei kommt sie in einen der exklusivsten Vergnügungsparks der Welt. Was dort vor sich geht, davon ahnen die Normalsterblichen nichts, sie können nicht einmal davon träumen. Aber nachdem bei einer Sex-Session ein Mord geschieht, wird der Aufenthalt für sie zu einem lebensgefährlichen Alptraum. Überhaupt ist ein Motto der Mächtigen: Wer im Weg steht, wird beseitigt.

Bis zuletzt aber bleibt die Fragen: Regieren die Zeitlosen aus dem Hintergrund die Welt und mit welcher Absicht? Welches Spiel spielt der Graf? Wie mächtig ist er, und was will er von Suzan Bergstoh?
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum17. Jan. 2017
ISBN9783741884177
Die Ministerin und die Tibet-Mafia
Autor

Horst Neisser

Dr. Horst Neißer ist Autor von Romanen, Kurzgeschichten, Sachbüchern, Arbeiten für Zeitungen, Fachzeitschriften und Rundfunk, langjähriges Mitglied in prominenten Literatur-Jurys, Vorträge, Lesungen in mehr als 20 Ländern, Psychotherapeutische Praxis, lebt in Deutschland und in der Slowakei.

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    Buchvorschau

    Die Ministerin und die Tibet-Mafia - Horst Neisser

    Horst Henrik Neißer

    Die Ministerin und die Tibet-Mafia

    Ein Verschwörungs-Thriller

    Im Mittelpunkt dieses Thrillers stehen die geheimnisvollen Mächte, von denen auch die großen und unermesslich reichen Bankiersfamilien, die die Welt regieren, abhängig sind.

    Immer wieder wird von Menschen berichtet, die scheinbar unsterblich viele Generationen lang durch die Weltgeschichte geistern. Existieren sie wirklich oder sind sie nur Legenden? Wer sind diese sagenhaften Gestalten wie zum Beispiel der ominöse Graf von Saint Germain oder der Highlander? Und wenn es sie gibt, welchen Einfluss nehmen sie auf das Weltgeschehen? Welche Ziele verfolgen diese „Zeitlosen"? Sind sie tatsächlich die wirklichen Herrscher über diese Welt?

    Die deutsche Umweltministerin Suzan Bergstoh lernt auf einem Empfang des Bundespräsidenten einen geheimnisvollen Grafen kennen, der sie mehr und mehr in seinen Bann zieht und immer größere Macht über sie gewinnt. Was will er von ihr, was sind seine Ziele? Irgendwann entführt er sie bei einer Dienstreise in China aus ihrem Hotel und bringt sie nach Tibet. Eine deutsche Ministerin verschwindet spurlos. Wie reagieren die Öffentlichkeit und die Medien? Doch nach einem Jahr taucht sie wieder auf und ist ein anderer Mensch. Sie gehört nun zu den „Zeitlosen" und weiß um die Gefahren, die der gesamten Menschheit drohen. Zusammen mit ihren Freunden versucht sie, die Katastrophe zu verhindern und riskiert dabei ihr Leben.

    Sie hat sich zu einer lebensgefährlichen Mission entschlossen und dringt tief in das verborgene Leben der Superreichen ein. Dabei kommt sie in einen der exklusivsten Vergnügungsparks der Welt. Was dort vor sich geht, davon ahnen die Normalsterblichen nichts, sie können nicht einmal davon träumen. Aber nachdem bei einer Sex-Session ein Mord geschieht, wird der Aufenthalt für sie zu einem lebensgefährlichen Alptraum. Überhaupt ist ein Motto der Mächtigen: Wer im Weg steht, wird beseitigt.

    Bis zuletzt aber bleibt die Frage: Welches Spiel spielt der Graf? Wie mächtig ist er und was will er von Suzan Bergstoh?

    Horst Henrik Neißer

    Die Ministerin

    und die Tibet-Mafia

    Circel

    Imprint

    Horst Henrik Neißer

    Die Ministerin und die Tibet-Mafia

    Copyright: © 2014 Horst Neisser

    Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

    3. Auflage Circel 2017

    Der Roman erschien in der ersten Auflage 2013 unter dem Titel: „Die Ministerin im Banne der Eliten."

    Alle Rechte der Vervielfältigung und Verbreitung (auch elektronisch) vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Autors wiedergegeben werden.

    Wichtige Vorbemerkung

    Die Handlung dieses Romans ist absolut fiktiv.

    Alle Personen sind frei erfunden.

    Allerdings spielt das Buch in der Gegenwart.

    Um eine glaubwürdige Authentizität zu erzeugen, mussten deshalb manchmal existierende Personen aus dem öffentlichen Leben oder reale Zeitungen usw. genannt werden.

    So spielt zum Beispiel eine erfundene deutsche Bundeskanzlerin eine entscheidende Rolle. Diese Figur hat jedoch absolut nichts mit der tatsächlichen, bisher einzigen weiblichen Regierungschefin der

    Bundesrepublik Deutschland zu tun.

    Auch sind für die Handlung erforderliche Medien-Artikel

    (zum Beispiel aus der „WELT oder dem „SPIEGEL)

    frei erfunden.

    Larvatus prodeo

    (Unter einer Maske gehe ich meinen Weg)

    Wahlspruch Descartes

    Mit dem Wissen wächst der Zweifel.

    Johann Wolfgang von Goethe

    Die junge Ministerin

    1

    Es war einer jener unsäglichen Abende, die zum Pflichtprogramm einer Ministerin gehören. Der Bundespräsident hatte zu Ehren ausländischer Staatsgäste zu einem Bankett ins Schloss Bellevue geladen. Natürlich mussten an derartigen Feierlichkeiten nicht alle Kabinettsmitglieder teilnehmen, man wechselte sich ab, aber diesmal hatte es sie erwischt.

    Das Essen fand im Großen Saal im Obergeschoss des Amtssitzes statt. Man traf sich im Schinkelsaal mit dem riesigen Bild von Karl Friedrich Schinkel. Die goldgerahmte ‚Gotische Klosterruine‘ dominierte auf unerträgliche Weise den Raum. Davor standen die Männer in ihren Fräcken und sahen aus wie Pinguine, um ihre Hälse und an den Frackbrüsten baumelten bunte Kreuze. Gemächlich stolzierten sie mit ihren weiblichen Begleitungen von der einen zur anderen Gruppe. Die Frauen trugen lange Kleider und hatten ihre kostbarsten Brillanten und Perlen aus den Safes geholt. Dazwischen schlängelten sich livrierte Diener und Dienerinnen mit ihren Tabletts, auf denen Champagnergläser, Fruchtsäfte und Mineralwasser standen. Man wartete in diesem eigens dafür vorgesehenen Vorraum, bis sich die Türen zum Festsaal endlich öffneten und man sich seinen Platz suchen durfte. Dieses gesellige Zusammensein vor dem Entree zum Mahl gehörte zur Inszenierung derartiger Festlichkeiten.

    Suzan Bergstoh hatte sich für ein schwarzes langes Abendkleid entschieden, schlicht aber elegant. Sie wusste, dass sie noch immer eine gute Figur hatte, die das Kleid prächtig zur Geltung brachte. Dazu trug sie eine Perlenkette und Perlenohrringe. Im Gegensatz zu ihrer Gewohnheit, kaum Schminke zu verwenden, hatte sie für den Abend nicht nur Lidstrich und Lippenstift, sondern sogar ein wenig Make-up aufgelegt. Der Lidstrich war wichtig, denn ihre Wimpern waren so hell, dass ihr Gesicht ohne ihn seltsam blass und unkonturiert wirkte.

    Der Abend würde lang und unangenehm werden. Wer würde wohl neben ihr sitzen und mit wem würde sie sich stundenlang unterhalten müssen? Sie wollte dabei einen klaren Kopf behalten und hatte sich deshalb für Mineralwasser entschieden.

    Da sich ihr Mann zurzeit in den USA aufhielt, hatte sie keinen Begleiter und stand etwas verlegen in der Ecke. Sie war erst seit wenigen Monaten im Amt und kannte deshalb nur einige der Anwesenden flüchtig. Ihr fehlte ein Gesprächspartner.

    Ein Mann fiel ihr auf. Er mochte sechzig Jahre sein, vielleicht älter, vielleicht jünger, durchtrainierte Figur, kaum Bauchansatz, weißes, dichtes Haar, sehr schönes Gesicht. Auch er war ohne Begleitung, aber er bewegte sich zwischen all den Leuten, als wäre er hier zu Hause. Irgendwann öffnete er ohne Umstände die Tür zum Großen Saal und trat ein. Suzan Bergstoh, froh über die Abwechslung, tat es ihm nach und schlüpfte ebenfalls in den Bankettsaal.

    Sie beobachtete ihn, wie er, ohne sich um das Personal zu kümmern, das letzte Hand an die Gedecke legte, von Tisch zu Tisch schritt und in aller Ruhe die Tischkarten las. Dann nahm er eine der Karten und vertauschte sie mit einer Karte von einem anderen Tisch. Als er damit fertig war, bemerkte er die Beobachterin.

    „Schauen Sie nicht so böse, sagte er und lächelte. Es war ein bezauberndes Lächeln. „Ich weiß, dass die Leute vom Protokoll stundenlang an der Sitzordnung gefeilt haben. Aber der Abend wird lang werden, und es gibt nichts Schlimmeres, als eine langweilige Tischnachbarin zu haben, bei der schon nach wenigen Minuten der Gesprächsstoff ausgeht. Das, was ich eben getan habe, ist nur Selbstschutz.

    Weiter kam er nicht, denn nun öffneten sich die beiden Türen des Saals und die Gäste strömten herein. Jeder suchte seinen Platz, und auch die Ministerin fand die Tischkarte mit ihrem Namen. Zu ihrem großen Erstaunen saß sie neben dem Fremden. Auf der Karte las sie einen hochtrabenden Namen: Graf von und zu Manderscheidt.

    Der trat nun auf sie zu, schüttelte ihr herzlich die Hand, tat, als sei auch er von der Sitzordnung überrascht, und sagte gewinnend: „Welche angenehme Überraschung!"

    Der Saal war hell erleuchtet, unangenehm hell. An der Decke brannten kristallene Leuchter mit vielen einzelnen Birnen und an den Wänden glitzerten ebenso viele Wandlampen in der gleichen Art. Der Bundespräsident hatte bereits im Schinkelsaal jeden Gast mit Handschlag begrüßt. Nachdem er und seine Frau Platz genommen hatten, setzten sich alle.

    Jeweils acht Personen waren um die großen runden Tische gruppiert. Der Mann links neben Suzan gehörte zu einer ausländischen Gesandtschaft und sprach nur wenig Englisch und kein Deutsch.

    Da saß sie nun zwischen diesem selbstbewussten Grafen und einem Gast, dessen Namen sie nicht einmal aussprechen konnte.

    ‚Das kann ja heiter werden‘, dachte Suzan. ‚Warum habe ich mir das angetan und mich nicht einfach mit einer Ausrede entschuldigt. Aber die schlimmsten Strafen sind die, die man sich selbst auferlegt. ‘

    Höflich wandte sich der neben ihr sitzende Graf an sie: „Liebe, gnädige Frau! Wie schön, dass ich mich mit Ihnen unterhalten kann, und dass mir der Zufall eine Prominente als Tischnachbarin geschenkt hat."

    Bergstoh lachte ein wenig verlegen: „Prominent bin ich sicher nicht."

    „Sie sollten nicht so bescheiden sein. Zumindest die Zeitungen berichten, dass sie dem Kabinett unserer hochverehrten Bundeskanzlerin angehören. Was war doch gleich Ihr Ressort?"

    „Da sehen Sie, wie prominent ich bin. Sie kennen nicht einmal meinen Geschäftsbereich."

    „Lassen Sie mich raten! Außenministerium?"

    Nun lachten beide gleichzeitig so laut, dass sich alle Gesichter am Tisch ihnen zuwandten.

    „Nein, zum Glück nicht, gluckste sie, „ich bin ein Reisemuffel. Und für eine Vizekanzlerin bin ich wohl noch etwas jung.

    „Was nicht ist, kann noch werden. Ich kann mir vorstellen, dass Sie eine ausgezeichnete Außenministerin wären. Sie würden bei allen Staatsoberhäuptern den Kavalier herauskitzeln. Wahrscheinlich würden Sie von jeder Dienstreise eine Menge unanständiger Anträge mit nach Hause bringen."

    ‚Dieser Graf von und zu weiß gar nicht, wie recht er hat‘, dachte Suzan.

    Laut sagte sie: „Ich bin mit meinem Job als Ministerin für Umwelt und Naturschutz recht zufrieden. Es ist eine wichtige und hochinteressante Aufgabe."

    Suzan Bergstoh war eine schlanke, gepflegte Person und sah mit ihren zweiundvierzig Jahren recht gut aus. Das rötliche Haar trug sie kurz und mit den Sommersprossen auf der Nase sah sie noch jünger aus. Sie hatte grüne Augen, mit denen sie ihre Gesprächspartner fest fixierte. Die Journalisten waren begeistert von der gut aussehenden Ministerin, und der STERN hatte sie sogar auf die Titelseite als Covergirl genommen.

    Natürlich gab es stets irgendwelche Männer, die sich selbst etwas beweisen mussten, indem sie Suzan anmachten. Aber das war sie gewohnt und konnte damit umgehen. Sogar beim ersten gemeinsamen Treffen nach der Regierungsbildung, als sich alle Minister zusammen mit der Kanzlerin den Fotografen präsentierten, hatte der neue Innenminister leise zu ihr gesagt, sie sei eine Sünde wert.

    Manche Männer, selbst in hohen Positionen, halten eben noch immer starr an der Meinung fest, dass Frauen nur auf anzügliche Komplimente warten und sich davon beeindrucken lassen. Natürlich ist dieses Gerede nur Angeberei und dummes Geschwätz. Wenn sie tatsächlich einmal echtes Interesse an einem Mann zeigte, so wurde der rasch verlegen und machte einen Rückzug.

    ‚Männer mögen keine starken Frauen‘, das wusste sie. ‚Jemand wie ich macht den Männern Angst. Sie sind wie Pfauen, sie schlagen ein Rad, um zu imponieren. Doch ihre bunte Angeberei fällt rasch in sich zusammen, wenn man sie beim Wort nehmen will.‘

    Hätte sie ihren Mann nicht schon vor vielen Jahren auf der Uni kennengelernt, als sie noch beide Studenten gewesen waren, sie wäre sicher heute ledig.

    Der Graf unterbrach ihre Gedanken: „Ich habe gelesen, Sie sind so etwas wie ein politischer Shootingstar. Sie haben in Ihrer Partei nicht die Ochsentour gemacht und es dennoch in wenigen Jahren zu einem Ministeramt gebracht. Kompliment!"

    „Ich glaube, dass sich die Außenstehenden falsche Vorstellungen von der Politik machen, wies sie ihn zurecht. „Letztlich zählen in den Spitzenpositionen doch nur Sachverstand und Können. Die treuen Parteisoldaten bleiben alle auf halber Strecke hängen, auch wenn sie sich noch so anstrengen und intrigieren. Ich glaube nicht an den Willen zur Macht. Solides Wissen, Fleiß und Verhandlungsgeschick sind eher Garanten für eine Karriere.

    Der Graf sah sie skeptisch an.

    „Sie müssen es ja wissen", sagte er endlich.

    ‚Wie bin ich eigentlich wirklich zu diesem Ministeramt gekommen?‘ dachte sie auf einmal.

    Sicher sie hatte sich im Ortsverein ihrer Partei engagiert und war schließlich sogar zur Vorsitzenden gewählt worden. Irgendwann bot man ihr dann einen Platz auf der Landesliste für die Landtagswahl an. Doch noch bevor sich das Landesparlament konstituiert hatte, bekam sie einen Anruf von der Kanzlerin, die ihr das Umweltministerium im Bund anbot. Diese Berufung war mehr als seltsam, denn bis dahin war sie eine recht unauffällige Nachwuchspolitikerin gewesen. Eine engagierte Frau, wie sie in allen Parteien zuhauf vertreten sind. Weshalb war gerade sie für das hohe Amt auserwählt worden? Sie wusste es nicht und beschloss, ein andermal darüber nachzudenken.

    Das Essen war ausgezeichnet, aber Suzan Bergstoh bekam wenig davon mit, denn ihr Tischnachbar zog sie mehr und mehr in eine immer intensivere Unterhaltung. Dabei war die Verständigung schwierig, denn der große Saal summte und brummte von all den Gesprächen an den Tischen. Der Bundespräsident hatte seine offizielle Rede längst gehalten, der letzte Gang war abgetragen und Kaffee mit Cognac serviert worden. Nun löste sich auch die Sitzordnung auf. Man setzte sich zu Bekannten an andere Tische und sprach dem Wein ohne weitere Hemmungen zu.

    „Ich glaube, hier wird es jetzt ungemütlich, sagte der Graf. „Was halten Sie davon, wenn wir uns ein ruhigeres Plätzchen suchen.

    Dagegen hatte die Ministerin nichts einzuwenden. Aber sie war gespannt, wo der Mann in dieser Abendgesellschaft ein ‚ruhiges Plätzchen‘, wie er sagte, finden wollte. So stand sie mit ihm zusammen auf und folgte ihm nach draußen. Sie durchquerten den Schinkelsaal und landeten im Salon Luise. Dort war es dämmrig, denn es brannten nur die vier Wandlampen neben den Türen. Als der Graf die Türen geschlossen hatte, war es ganz still. Der Lärm und der Trubel der Abendgesellschaft waren ausgesperrt, waren weit weg. Als sie auf der klassizistischen Sitzgruppe Platz genommen hatten, waren sie in einer anderen Welt gelandet.

    Und nun änderte sich auch der Mann, der sie hierhergebracht hatte. Er sprach nicht mehr von Politik und erzählte witzige Anekdoten über abgetretene Politiker. Vielmehr berichtete er jetzt von längst vergangenen historischen Ereignissen, so als sei er dabei gewesen: „Sie können sich nicht vorstellen, was für ein Gesicht Ludwig der XV. gemacht hat, als ihn die Pompadour vor allen Leuten auf seine nachlassende Potenz ansprach."

    Er hatte seine ganze Aufmerksamkeit der Ministerin zugewandt, und diese hatte das Gefühl, dass sie in diesem Augenblick für ihn der wichtigste Mensch auf dieser Welt war.

    „Erzählen Sie mir von sich", bat er irgendwann, und sie tat es, ohne lange nachzudenken.

    Sie berichtete von ihrem Mann, einem Berufsschullehrer, der nun auch noch einen Beraterjob bei einer Firma für Sonnenkollektoren hatte.

    „Haben Sie da nachgeholfen?" fragte der Graf.

    Sie schüttelte den Kopf.

    „Sie sind an ihn herangetreten, und er hat nicht ‚nein‘ gesagt. War mächtig stolz. Ich habe erst davon erfahren, als der Vertrag bereits unterschrieben war."

    „Vorsicht, vorsicht! murmelte der Mann. „So etwas macht Sie erpressbar.

    Suzan erzählte von ihrem Elternhaus, von ihren verstorbenen Schwestern und erwähnte sogar ihre erste Liebe, und wie unglücklich sie damals gewesen war.

    Plötzlich kam sie zu sich.

    ‚Bin ich denn verrückt‘, schalt sie sich. ‚Ich sitze hier mit einem wildfremden Mann, von dem ich nichts weiß, und schütte ihm mein Herz aus. Frau Minister reißen Sie sich endlich am Riemen! ‘

    Aber der Graf war so sympathisch und geduldig und wusste die richtigen Fragen zu stellen, sodass sie weitererzählte.

    Irgendwann erschien ein Bediensteter, um das Licht zu löschen. Er war sehr erstaunt, als er hier zwei Menschen vorfand und sagte, dass sich die Abendgesellschaft bereits aufgelöst habe und nur noch wenige Gäste anwesend seien. Auch der Herr Bundespräsident sei schon vor einiger Zeit gegangen.

    „Dann werden wir wohl auch gehen müssen, sagte der Graf. „Darf ich Sie nach Hause fahren?

    „Mein Fahrer wartet unten."

    „Dann schicken Sie ihn nach Hause. Die Nacht ist so schon kurz für den Mann, schließlich soll er Sie schon morgen früh wieder abholen."

    Suzan nickte. Schaltete ihren Blackberry ein und sagte dem Fahrer, er brauche nicht auf sie zu warten.

    Der Graf schien sich im Schloss Bellevue gut auszukennen, denn er führte die Ministerin auf dem kürzesten Weg nach draußen. Als sie aus einer Nebenpforte in die Nacht traten, war es kalt und Suzan fröstelte. Behutsam, wie um sie zu wärmen, legte er den Arm um sie, und sie ließ ihn gewähren. Der Mann führte die Ministerin zum Parkplatz, wo sein Wagen wartete. Es war eine große, schwarze Stretch-Limousine, wie sie in Europa unüblich ist, wohl aber von wichtigen Leuten in den USA gefahren wird. Als der Fahrer seinen Chef kommen sah, sprang er aus dem Auto und riss die hintere Tür auf. Die beiden kletterten hinein. Durch die Standheizung war es angenehm warm. Die Fensterscheibe zum Fahrer war hochgefahren und zusätzlich mit einem Vorhang verdeckt.

    „Wo darf ich Sie hinbringen?" fragte der Graf, und Suzan nannte ihre Adresse.

    Der Graf sprach in ein verstecktes Mikrofon, und der Wagen setzte sich in Bewegung. Nun öffnete er einen kleinen Kühlschrank und entnahm ihm eine Champagnerflasche, die er routiniert öffnete. Er schenkte zwei Kelche voll und stieß mit seinem Gast an.

    Dann stellte er die Gläser auf eine Ablage und begann Suzan ohne Umstände zu küssen. Sie ließ es verwundert geschehen. Die Küsse waren nicht intensiv und auch nicht leidenschaftlich. Eher ein wenig zärtlich. Mehr so, wie ein Vater die Tochter auf Wange, Stirn und Augen küsst.

    Irgendwann streifte er den Rock ihres Abendkleides hoch und begann sie zwischen den Beinen zu streicheln.

    ‚Die Frau Minister treibt Petting wie eine Sechzehnjährige‘, dachte sie noch verwundert, bevor sie sich seinen Liebkosungen ganz hingab.

    2

    Am nächsten Morgen war die Ministerin, Doktor Bergstoh, wie immer pünktlich um sieben Uhr im Büro. Sie war schlecht gelaunt, denn sie hatte kaum geschlafen. Sie war wütend auf sich, dass sie sich von diesem Mann hatte verführen lassen. Aber, und das musste sie sich nun bei Tageslicht hier in ihrem Büro doch eingestehen, sie hatte noch nie einen Mann mit so erfahrenen Händen erlebt.

    Die Ministerin zwang sich zum Arbeiten, wühlte sich durch Postmappen und den Presseüberblick. Für neun Uhr war die erste Konferenz angesetzt. Danach hatte sie im Halbstundentakt Termine. Vor elf Uhr in der Nacht würde sie wohl nicht nach Hause kommen.

    Sie wurde in ihren Gedanken von ihrer Sekretärin, Frau Warnstrut, unterbrochen, die mit Blumen ins Zimmer kam.

    „Das wurde eben für Sie abgegeben", sagte sie erstaunt.

    Blumen erreichen die Ministerin in der Regel nicht. Sie werden unten an der Pforte entgegengenommen und aus Sicherheitsgründen sogleich entsorgt. Doch diesmal hatte einer der Sicherheitsleute den Strauß persönlich gebracht. Der Absender hatte damit ein kleines Wunder vollbracht.

    Als das Papier entfernt worden war, kamen drei wunderschöne Orchideen zum Vorschein. An einer war die Visitenkarte des Grafen geheftet. Seine Titel nahmen die halbe Karte ein, aber eine Adresse oder gar Telefonnummer standen nicht auf der Visitenkarte.

    Auf der Rückseite fand sich handschriftlich der Satz: „Danke für den wunderschönen Abend. Er bleibt mir unvergesslich!"

    Suzan war geschmeichelt und lächelte. ‚Ein Kavalier der alten Schule‘, dachte sie sich. Doch als die Sekretärin die Blumen in eine Vase stellen wollte, fiel ihr Blick auf die Klammer, die die drei Rispen zusammenhielt. Sie sprang auf und nahm Frau Warnstrut den Strauß aus der Hand. Dann ging sie mit der Klammer an Fenster, um im hellen Tageslicht besser sehen zu können.

    Es war eine Brosche aus Platin, zu allem Überfluss auch noch reich mit Brillanten besetzt. Flüchtig bemerkte sie auf ihrer Rückseite die eingravierte Zahl 220, die ihr aber nichts sagte. Deshalb dachte sie nicht weiter darüber nach, sondern schätzte stattdessen den Wert dieses Kleinods und kam auf mindestens zwanzigtausend Euro. Suzan Bergstoh erbleichte. Wo war sie da hineingeraten? Solche Geschenke werden nicht ohne Hintergedanken gemacht. Natürlich würde sie das Schmuckstück unverzüglich zurückgeben und die dämlichen Orchideen gleich mit. Was bildete sich dieser Mann nur ein?

    Doch wohin sollte sie das Paket schicken? Trotz Visitenkarte hatte sie weder eine Adresse noch eine Telefonnummer. Sie kannte nur den Namen und die angeberischen Titel.

    In jedem Ministerium gibt es eine Stelle, bei der offizielle Geschenke abgegeben werden. Schließlich erhält ein Regierungsmitglied eine Fülle von Geschenken und zwar nicht als Person, sondern in seiner Funktion. Dorthin schickte Doktor Bergstoh Frau Warnstrut und ließ die Brosche abgeben. Die Quittung dafür wurde abgeheftet.

    Nachdem dies geregelt war, durften auch die Orchideen auf ihren Schreibtisch gestellt werden.

    ‚So schöne Blumen kann man doch nicht verkommen lassen‘, dachte sie sich.

    3

    Die Tage vergingen und die Erinnerung verblasste. Suzan Bergstoh hatte andere Sorgen, denn sie war über Nacht in politische Turbulenzen geraten. Eine vertrauliche Planung ihres Ministeriums war einer Zeitungsredaktion in die Hände gespielt worden, und nun gab es in der Öffentlichkeit große Aufregung und Proteste. Sogar ihren Rücktritt hatte man schon gefordert. Eine Konferenz mit Spezialisten aus dem Presseamt jagte die nächste. Bergstoh führte eine Menge Gespräche insbesondere mit Journalisten, um die Gemüter zu beruhigen, telefonierte mit wichtigen Leuten in ihrer Partei, um sich abzusichern und sich den Rücken stärken zu lassen. Endlich wurde sie von der Kanzlerin angerufen. Die erklärte ihr, dass sie hinter ihr stünde und sich ihre Ministerin keine Sorgen machen müsse.

    Suzan war erleichtert, fragte sich jedoch, warum die Kanzlerin sich erst so spät vor sie gestellt hatte.

    Inzwischen war auch ihr Mann aus den USA zurückgekehrt und hatte in der kurzen Zeit, in der sie sich sahen, viel zu erzählen.

    Suzan Bergstoh hatte also wenig Zeit zum Nachdenken, und bald erschien ihr die Nacht in der Stretch Limousine wie trügerische Fantasie. Da war nichts gewesen! Sie hatte es sich nur eingebildet. Sie würde sich doch niemals mit einem Mann, den sie kaum kannte, am ersten Abend auf so etwas einlassen. Und dazu noch im Auto, sie die Ministerin, undenkbar.

    ‚Ich bin ganz einfach überarbeitet‘, dachte sie, ‚wenn ich schon irgendwelche Fantasien für real halte. ‘

    Aber wenn eine der vielen Sitzungen langweilig wurde, und ihre Gedanken abschweiften, dann spürte sie noch immer seine Hände.

    Dann kontrollierte sie sogleich ihre Gedanken und verdrängte diese absurden Erinnerungen. Es konnte schon deshalb nichts gewesen sein, weil es nicht gewesen sein durfte. ‚Du bist das, an was du dich erinnerst‘, hatte sie im SPIEGEL gelesen.

    Nur die Orchideen verloren nichts von ihrer Pracht. Sie strahlten in der Sonne auf ihrem Schreibtisch und wurden von jedem Besucher bewundert. Suzan konnte sich den Schreibtisch ohne diese Orchideen schon gar nicht mehr vorstellen.

    Den Grafen traf die Ministerin überraschend auf einer Sitzung wieder. Geladen waren wichtige Vertreter aus Wirtschaft und öffentlichem Leben. Es war ein erlauchter Kreis, der sich da unter dem Vorsitz der Kanzlerin Kruschka zusammenfand. Aus dem Kabinett waren der Wirtschaftsminister, der Innenminister und eben Bergstoh vom Ministerium für Umwelt anwesend.

    Suzan hatte zusammen mit dem Präsidenten der Bundesbank den Sitzungssaal betreten. Sie war so in das Gespräch vertieft gewesen, dass sie den Grafen erst entdeckte, als die Kanzlerin die Sitzung bereits eröffnet hatte. Er saß ganz am unteren Ende des Tisches und meldete sich während der zweistündigen Diskussion kein einziges Mal zu Wort. Die Kanzlerin hatte ihn nicht in seiner Funktion vorgestellt, sondern nur seinen Namen, Graf Manderscheidt, genannt.

    Die Versammlung verbiss sich schließlich in zwei Alternativen, und man konnte sich für keine der beiden entscheiden. Etwa die Hälfte der Anwesenden bevorzugte die eine Lösung und die andere Hälfte die andere. Es wurde erregt debattiert, und ein Ende des Streits war nicht abzusehen.

    Da meldete sich der Graf zu Wort. Er fasste kurz die wesentlichen Argumente zusammen und empfahl dann lächelnd als Lösung: „Aggressives Hinwarten!"

    Nach anfänglicher Verblüffung und Schweigen meldeten sich nach und nach die Teilnehmer zu Wort und unterstützten den Vorschlag. Damit war er angenommen und die Sitzung beendet.

    Später beim Hinausgehen traf Suzan den Grafen. Er begrüßte sie herzlich. Seine lange, schmale, gepflegte Hand, deren Finger sie noch immer in Erinnerung hatte, umklammerte die ihre mit einem festen Druck.

    „Wir sollten zusammen essen gehen", sagte er dabei.

    Weiter kam er nicht, denn eine Stimme stellte fest: „Sie kennen sich also!"

    Es war die Kanzlerin, die hinter ihnen stand und fortfuhr: „Dann muss ich Sie gar nicht mehr vorstellen. Sie wandte sich an den Grafen und sagte: „Ich muss mit Ihnen noch einiges besprechen. Darf ich Sie bitten, mich in mein Dienstzimmer zu begleiten?

    Als ihre Chefin mit dem Grafen abzog, blieb Suzan enttäuscht zurück. Erst nach einer Weile wurde ihr klar, dass es ein Gefühl von Eifersucht war, welches in ihr tobte.

    4

    Für diesen Tag waren keine weiteren Konferenzen und Termine mehr angesetzt. Schließlich war das Ende dieser so überaus wichtigen Sitzung unter der Leitung der Kanzlerin nicht absehbar gewesen. Und obgleich ihr Schreibtisch mit unerledigten Aufgaben bedeckt war, die sie eigentlich bis in die Nacht hinein hätte aufarbeiten müssen, ließ sich Suzan Bergstoh von ihrem Fahrer nach Hause bringen.

    Die Haushaltshilfe, die treue Seele, hatte für ihren Mann gedeckt und das Abendessen gerichtet. Er saß im Speisezimmer ein wenig verloren an dem großen Tisch, las in einer Zeitschrift und kaute dabei gedankenverloren auf seinem Brot. So einsam wie er dasaß, tat er ihr sehr leid. Sie konnte auf ihn keine Rücksicht nehmen, und er führte eigentlich das Leben eines Singles. Wie er sich wohl fühlte? Sie wusste es nicht. Sie wusste überhaupt nicht, was in ihrem Mann vor sich ging. Die Zeiten, in denen sie vertraut waren und jeden Gedanken miteinander geteilt hatten, waren längst vergangen.

    „Was habe ich mit diesem Mann noch zu schaffen?" fragte sich Suzan.

    Sie war unbemerkt in der Tür stehen geblieben und beobachtete Simon. Er war so alt wie sie selbst, aber während sie sich noch jung und tatkräftig fühlte, fielen ihm bereits die Haare aus, und sein Bauch wölbte sich mächtig nach vorn.

    Unwillkürlich musste sie an den Grafen denken, seine sportliche Figur, die kontrollierten Gesichtszüge und das gepflegte Haar. Ob er wohl ein Toupet trug? Nein, das konnte sie sich nicht vorstellen. Das hätte nicht zu seinem Stil gepasst.

    Vielleicht sollte sie sich von Simon scheiden lassen, dachte sie. Schließlich war er für sie zu einem Fremden geworden. Es verband sie nichts mehr. Ihr Zusammensein war eine Lüge.

    ‚Nach all dem, was wir zusammen erlebt haben, hätte er mehr Ehrlichkeit verdient. Jetzt hatte er noch die Chance, eine Frau zu bekommen, die auch zu ihm passt. ‘

    Aber eine Trennung kam nicht infrage, solange sie noch in der Politik Karriere machen wollte. Das hätte sie zu viele Wählerstimmen gekostet. So etwas konnte sich vielleicht ein Paradiesvogel wie Joschka Fischer leisten, aber kein normaler Politiker. Selbst dieser Seehofer war schließlich zähneknirschend zu seiner Frau zurückgekehrt.

    Nun bemerkt Simon die Beobachterin und stand erfreut auf. Er und seine Frau umarmten sich flüchtig, dann lief er in die Küche und holte Teller und Besteck für sie.

    „Gab es heute etwas Besonderes?" fragte Simon, als sie sich gegenübersaßen.

    „Nein, antwortete sie laut, „nur eine endlose Sitzung und dachte bei sich: ‚Natürlich gab es etwas Besonderes, ich habe den Grafen wiedergetroffen, und er hat mich zum Essen eingeladen. ‘

    Dann erinnerte sie sich, wie die Kanzlerin ihn abgeschleppt hatte und dachte bitter: ‚Ob wohl die Kruschka auch etwas mit ihm hat? ‘

    Der Gedanke war ihr unangenehm, und sie verdrängte ihn sogleich mit aller Macht.

    Sie hatte eben ihren Teller Suppe zu Ende gegessen und belegte sich eine Scheibe Toastbrot mit ungarischer Salami, da klingelte das Telefon. Simon stand unwillig auf und hob den Hörer ab.

    Kurz darauf sagte er: „Es ist für dich!"

    Sie überlegte, wer sie so spät noch zu Hause anrufen würde? Doch als sie die Stimme hörte, blieb ihr beinahe die Luft weg. Es war ER!

    „Ich freue mich auf dich, sagte er mit seiner ruhigen, tiefen Stimme. „Bitte komme herunter, ich warte hier auf dich.

    Bevor Suzan etwas antworten konnte, hatte er bereits aufgelegt.

    Sie starrte den Telefonhörer an und bemühte sich, einen klaren Gedanken zu fassen.

    „Ich muss noch einmal weg", sagte sie.

    „Schade, war die Antwort ihres Mannes, „wir hätten uns endlich wieder einmal einen gemütlichen Abend machen können.

    Seine Worte reizten sie. Wütend antwortete sie: „Deine Klagen und Beschwerden kann ich nun gar nicht gebrauchen. Du wusstest, als ich in die Politik ging, dass dies eine Belastung für unsere Ehe werden würde. Ich habe es dir damals ausdrücklich gesagt. Und du warst auch damit einverstanden, dass ich das Ministeramt übernehme. Was soll also jetzt das Lamentieren. Ich kann eben nicht so frei über meine Zeit verfügen wie du."

    Sie wartete seine Antwort nicht ab, sondern ging zur Tür. Dort drehte sie sich noch einmal um und sagte versöhnlich: „Vielleicht dauert es ja auch nicht lange. Ich werde mich auf jeden Fall beeilen, dann habe wir doch noch etwas von dem Abend."

    Als sie langsam die Treppe hinunterstieg, fragte sie sich, wie der Graf wohl an ihre private Telefonnummer gekommen sein mochte. Wie alle Minister hatte sie natürlich eine Geheimnummer, die nur wenige Leute ausgehändigt bekamen.

    Vor dem Haus standen zwei Autos. Der Polizeiwagen mit den Beamten, die sie rund um die Uhr bewachten, und die Stretch Limousine, die sie schon kannte.

    Sie sah nach oben zu ihrer Wohnung und meinte dort am erleuchteten Fenster eine Bewegung gesehen zu haben. War dies Simon, der sie beobachtete? Rasch stieg sie in den schwarzen Wagen, der sogleich losfuhr.

    Der Graf saß in der Ecke. Es war dunkel, und sie konnte sein Gesicht nur schemenhaft sehen. Er reichte ihr seine kühle, gepflegte Hand und sagte: „Schön, dass du gekommen bist."

    Wie beim ersten Mal öffnete er geschickt eine Flasche Champagner und schenkte zwei Sektkelche ein. Er stieß nicht mit ihr an, sondern trank sogleich schlürfend einen Schluck. Dann nahm er noch einen Schluck und wandte sich seinem Gast zu.

    „Bitte zieh dich aus", sagte er mit sanfter Stimme.

    Suzan war es, als habe sie nicht richtig gehört und eine Ohrfeige erhalten. Sie reagierte nicht.

    „Bitte zieh dich aus", wiederholte der Graf noch einmal.

    Sie wusste selbst nicht warum, aber nun knöpfte Suzan langsam ihre Bluse auf. Dabei ärgerte sie sich über sich selbst. Was fiel diesem arroganten alten Typ eigentlich ein? Er behandelte sie wie eine Hure. Dabei war sie eine wichtige Persönlichkeit in dieser Republik. Sie, Doktor Suzan Bergstoh, verhandelte mit den wichtigsten Politikern dieses Erdballs. Jede öffentliche Bemerkung von ihr stand am nächsten Tag in der Presse, und Hunderte von Leuten rätselten, was sie damit wohl habe ausdrücken wollen.

    Nun aber saß sie hier in diesem amerikanischen Angeber-Auto, fuhr völlig sinnlos durch die Nacht und zog sich vor einem fremden Mann aus. Was war in sie gefahren? Welche Macht übte dieser Graf auf sie aus? Ob er wohl mit der Kanzlerin auch so umsprang?

    Sie hatte die Knöpfe der Bluse geöffnet und zog sie aus. Da saß sie nun mit ihrem weißen BH, der in der Dunkelheit leuchtete. Bis hierhin war sie bereit, diese Verrücktheit mitzumachen, aber nun sollte es Schluss sein.

    Doch der Graf war nicht zufrieden. Er nippte wieder an dem Sektkelch und flüsterte: „Bitte auch den Büstenhalter."

    Suzan wollte widersprechen, nach dem Sinn dieser törichten Aktion fragen, doch er ließ sie nicht zu Wort kommen.

    „Bitte…", sagte er eindringlich.

    Obgleich sich alles in ihr sträubte, griff sie nach hinten und öffnete den Verschluss. Der BH fiel auf ihren Schoß, und ihre Brüste standen leuchtend weiß von ihrem Körper ab.

    „Danke, flüsterte er wieder. „Und nun die Hose. Bitte!

    Suzan wollte erneut protestieren, sich wieder anziehen, den Wagen anhalten lassen und aussteigen. Sie würde mit ihrem Mobiltelefon ein Taxi rufen und nach Hause fahren. Dieser Mann war ein Verrückter, ein Perverser. Wahrscheinlich war er sogar gefährlich. Sie hatte alle Vorsicht außer Acht gelassen und war ohne Personenschutz im Dunklen zu einem fremden Mann, den sie kaum kannte, ins Auto gestiegen.

    Doch sie sagte nichts, presste die Lippen aufeinander und begann, die Knöpfe ihrer Hose zu öffnen. Als sie sich von dem Sitz ein wenig erhob, um die Hose abzustreifen, bemerkte sie, dass sie erregt war. Und sie ärgerte sich noch mehr über sich selbst. Dann war sie völlig nackt. Sie sah auf ihre Scham herunter und schämte sich.

    „Du darfst es jetzt machen", sagte er sanft.

    5

    In dieser Nacht schlief Suzan Bergstoh nicht eine Minute. Sie hörte das leise Schnarchen ihres Mannes, während sie sich von einer Seite auf die andere wälzte. Was war nur in sie gefahren? War sie von allen guten Geistern verlassen? Hatte sie den Verstand verloren?

    Sie hatte sich im Auto eines fremden Mannes zu exhibitionistischen Sexspielen verleiten lassen. Wenn sie jemand gesehen oder gar fotografiert hatte, war sie erledigt. Paparazzi gab es schließlich überall, und für so ein Bild wäre von den entsprechenden Redaktionen bis zu einer Million gezahlt worden.

    „Die Frau Minister auf der Straße beim Sex Spiel ertappt!"

    Eine tolle Schlagzeile – und sie wäre sogar wahr gewesen.

    Wie hatte der SPIEGEL einmal geschrieben? „Es ist eine Welt, in der Berühmtheit als Ware gehandelt wird."

    Ihr Wert als Ware wäre ins Unermessliche gestiegen. Sie musste unbedingt den Kontakt zu diesem perversen Grafen abbrechen. Sie würde keine Sekunde mehr mit ihm allein verbringen. Diese Eskapaden waren Vergangenheit. Sie würde sich nun wieder zusammenreißen.

    Während sie so im Bett lag und verzweifelt zu schlafen versuchte, fiel ihr eine Episode aus ihrer Schulzeit ein. Es war im Abiturjahr gewesen. Die Klasse war auf einen Schulausflug nach Italien gefahren. Der sie begleitende Klassenlehrer hatte Mathematik unterrichtet. Die weibliche Begleitung war eine Lehrerin aus der Parallelklasse gewesen, die vor dem Mathekollegen großen Respekt gehabt hatte.

    Suzan wusste nicht mehr genau, wie es dazu gekommen war. Sie hatten alle zusammen ein Weinlokal besucht und auf dem Nachhauseweg war sie, ohne dass die anderen es bemerkt hätten, mit dem Lehrer zurückgeblieben. Und dann hatte er sie geküsst und ihr unter den Rock gefasst. Sie hatte es damals nicht nur geduldet, sondern sogar genossen. Anschließend hatte sie alles ihrer Freundin erzählt. Die war wahnsinnig neugierig und aufgeregt gewesen.

    O.K., dachte sie, der Vorfall damals war noch verständlich. Schließlich war der Lehrer eine Respektsperson gewesen, und es hatte ihrer Eitelkeit enorm geschmeichelt, dass er sich mit ihr abgab. Aber heute leitete sie ein wichtiges Ministerium, eine gigantische Behörde. Heute müsste der Lehrer stolz sein, wenn sie ihm überhaupt die Hand gab.

    Bei dem Wort Hand fielen ihr wieder die Hände des Grafen ein. Diese weichen, langen, gepflegten Finger. An sein Gesicht konnte sie sich nur schwer erinnern, aber die Hände standen ihr ganz plastisch vor Augen.

    Hatte ihr der Lehrer damals einen psychischen Schaden zugefügt, sodass sie sich heute nicht gegen diesen anmaßenden Grafen wehren konnte? Was war das überhaupt für ein Graf? Eine seltsame, eine dubiose Gestalt. Und da war auch noch die Bundeskanzlerin Kruschka. Sie kannte den Grafen scheinbar recht gut. Ob er wohl mit ihr auch diese Spielchen trieb?

    Am nächsten Morgen war sie müde und schaffte es erst gegen acht Uhr im Büro zu sein. Natürlich brachte die Verspätung ihren ganzen Tagesplan durcheinander. Nur einmal, als sie stark erkältet gewesen war, hatte sie sich eine derartige Undiszipliniertheit gestattet.

    Als sie sich mit schwerem Kopf hinter ihren Schreibtisch setzte, fiel ihr Blick auf die Orchideen. Sie rief die Sekretärin und ließ die Blumen entfernen.

    „Ich habe nun lange genug auf diese Dinger gestarrt", bemerkte sie dabei.

    „Aber sie sind noch immer sehr schön, sagte die Sekretärin. „Darf ich sie im Vorzimmer aufstellen?

    „Nein! war die barsche Antwort. „Ich möchte, dass sie weggeworfen werden.

    Müde griff sie zur Unterschriftenmappe, öffnete den teuren Parker Füller und machte sich an die Arbeit. Dabei fiel ihr Blick auf ihre Finger und auf den Ring mit dem blauen Brillanten, der seit gestern Nacht dort steckte. Als sei sie bei etwas Unanständigem ertappt worden, verbarg sie sogleich mit ihrer linken Hand den Ring.

    Dieser Ring war das endgültige Zeichen ihrer Blödheit. Als sie wieder vor ihrer Wohnung angekommen waren, und sie bereits aussteigen wollte, hatte ihr der Graf diesen Ring entgegengehalten und sie mit seiner weichen Stimme gebeten: „Bitte trage ihn ab jetzt ständig."

    Sie hatte nicht geantwortet und auch nicht nach dem Sinn dieses Geschenkes gefragt, sie hatte sich den Ring übergestreift und war dann wort- und grußlos aus dem Auto gestiegen und ins Haus geeilt.

    Sollte sie dieses Symbol ihrer Unterwerfung nun tatsächlich tragen? Sie verschob die Entscheidung auf später und vertiefte sich erst einmal in die Post.

    Sie hatte die erste Mappe erst zur Hälfte abgearbeitet, da wurde sie von der Sekretärin unterbrochen. Ein Bote habe wieder Blumen gebracht, erklärte sie und stellte sieben langstielige Rosen vor Suzan auf den Tisch.

    Ein kleines Couvert war an einen Rosenstiel gebunden. Die Ministerin öffnete es und heraus fiel die bekannte Visitenkarte mit der Bemerkung: „Um die Lücke zu füllen, die die weggeworfenen Orchideen hinterlassen haben."

    Was war das für ein Mann? Was wollte er von ihr? Was wusste er? Aber noch wichtiger war ihr die Antwort auf die Frage, warum tat sie alles, was er ihr befahl? Warum erregte er sie so sehr?

    Ihm selbst konnte es doch nicht um sexuelle Befriedigung gehen. Er machte nicht die geringsten Anstalten mit ihr zu schlafen oder sich auf andere Weise befriedigen zu lassen. Sie hatte nicht einmal eine Erektion bei ihm gesehen.

    ‚Vielleicht sollte er eine dieser blauen Pillen nehmen‘, dachte sie und schmunzelte ungewollt. ‚Wahrscheinlich ist er impotent und gewinnt ein perverses Vergnügen, wenn er Frauen in solche Situationen bringt. ‘

    Andererseits, wie ein alter Lustmolch sah er nicht aus und gerierte sich auch nicht so. Welche Absichten verfolgte er? Was sollte das Ganze? Galt sein Interesse ihr als Ministerin oder ihr als Frau? Aber alle diese Gedanken hatte sie bereits in den langen Nachtstunden hin und her gewälzt, ohne eine Antwort zu finden.

    Da standen nun die Rosen vor ihr und zogen ihre Blicke auf sich. Obgleich sie es mit all ihrer Energie versuchte, war Suzan nicht in der Lage, sich auf die Post zu konzentrieren. Endlich gab sie auf. Sie rief die Sekretärin. Diese sollte im Vorzimmer der Bundeskanzlerin anrufen und um die Adresse des Grafen Manderscheidt bitten. Doch sie erhielt die ablehnende Botschaft, dass diese Adresse nur mit Zustimmung der Kanzlerin selbst mitgeteilt werden dürfe.

    Das war mehr als seltsam. Doch Bergstoh dachte nicht weiter darüber nach, sondern ließ um einen raschen Termin bei der Kanzlerin bitten. Es würde nur ein paar Minuten dauern.

    Suzan wusste, wie sehr die Kruschka derartige Überfälle hasste, aber sie sah keine andere Möglichkeit, um ihre Ruhe wiederzufinden. Sie erhielt einen Termin um 11 Uhr 45 und beauftragte ihr Vorzimmer, alle Termine für diesen Tag abzusagen. Ihre Mitarbeiterinnen sahen sie erstaunt und verständnislos an. Die Chefsekretärin versuchte noch einige Einwendungen. Ob die Frau Minister nicht wenigstens an der Sitzung um 15 Uhr teilnehmen könne? Schließlich sei dieses Treffen wegen ihr bereits viermal verschoben worden. Doch Suzan schüttelte nur unwillig den Kopf.

    Um halb zwölf ließ sie ihren Wagen vorfahren. Dann fuhr sie mit Blaulicht von der Alexanderstraße zum Bundeskanzleramt. Es dauerte zehn Minuten. Dort gab es die üblichen, wenn auch eingeschränkten Sicherheitskontrollen.

    Das Kanzleramt in Berlin ist ein Haus voller zeitgenössischer Kunst. Der Chef des Kanzleramts hatte irgendwann für alle Minister und Staatssekretäre eine Führung gemacht und die Historie jedes einzelnen Kunstwerks beschrieben. In der Tat, das Haus hat eine Menge Überraschungen zu bieten. Aber darauf achtete Bergstoh heute nicht. Sie fuhr mit dem Fahrstuhl in den 7. Stock. Dort residierte die Kanzlerin auf Augenhöhe mit dem Plenum des Bundestages. Sie hatte sich bewusst einen Mann als Sekretär ins Vorzimmer gesetzt, der Suzan nun freundlich bat, noch etwas zu warten. Im Warteraum wurden ihr Kaffee und etwas Gebäck serviert.

    Dort dachte Suzan darüber nach, was die Kruschka wohl mit dem Mann in ihrem Vorzimmer demonstrieren wollte. War es eine Geste an die feministische Bewegung in Deutschland? Sollte es ein Zeichen für die Gewerkschaften sein? Oder arbeitete Hannelore Kruschka einfach lieber mit Männern zusammen?

    Suzan wusste, dass die Kanzlerin bei allen Entscheidungen einen Hintergedanken hatte. Sie tat nichts und ordnete nichts an, was nicht genau durchdacht war. Hannelore Kruschka legte großen Wert auf symbolische Akte.

    Bergstoh wurde in ihren Gedanken unterbrochen und zur Kanzlerin gebeten. Die kam ihr schon an der Tür entgegen und gab ihr herzlich die Hand. Beide Frauen trugen dunkle Hosenanzüge und dezenten Schmuck. Aber zu ihrem Erschrecken sah Suzan, dass die Kanzlerin den gleichen Diamantring trug wie sie selbst. Möglichst unbemerkt drehte sie ihren Ring, sodass der Stein nun unter der Handfläche verborgen war und nur noch der schmale Goldreif nach oben zeigte. Es hätte sich nun auch um einen einfachen Ehering handeln können.

    Ihr Blick wurde wie immer von dem Bild an der Wand hinter dem großen Schreibtisch angezogen. Es stellte den ersten Kanzler der Republik dar, Konrad Adenauer, gemalt von Oskar Kokoschka. Doch die Kanzlerin führte sie nicht zu ihrem Schreibtisch. Sie hatte sich angewöhnt, an einer Ecke des großen Besprechungstisches zu arbeiten. Von da sei der Weg zum Büro der Sekretärin am kürzesten, behauptete sie.

    „Ich habe in der Presse von ihren erfolgreichen Verhandlungen mit RWE gelesen, begann Hannelore Kruschka das Gespräch. „Mein Kompliment, das haben Sie wunderbar geregelt.

    Suzan bedankte sich und erläuterte, dass man in ihrem Ministerium gerade an einer Richtlinie zur CO2-Reduzierung arbeite und eine entsprechende Vorlage in Bälde der Kanzlerin vorgelegt werden könne.

    „Ein lobenswertes Unterfangen, war die Antwort. Nach einer kleinen Pause kam die Frage: „Was führt Sie zu mir?

    Suzan Bergstoh beugte sich nervös vor und sagte: „Sie kennen doch den Grafen Manderscheidt? Ich muss unbedingt mit ihm Kontakt aufnehmen, weiß aber nicht, wie ich ihn erreichen kann. Er ist wie ein Gespenst. Er taucht einfach auf und verschwindet dann wieder im Nichts."

    Nun lachte die Kruschka herzlich: „Fürwahr eine treffende Beschreibung. Natürlich kann ich Ihnen die Adresse des Grafen geben. Ich werde im Vorzimmer Bescheid sagen. Geht es um eine wichtige Angelegenheit?"

    „Wie man es nimmt, antwortete Bergstoh ausweichend. „Ich glaube schon, dass es von Bedeutung ist. Wenn es Sie interessiert, werde ich Sie bei Gelegenheit unterrichten.

    „Darum bitte ich."

    Einer plötzlichen Eingebung folgend fragte Suzan: „Wissen Sie eigentlich, wie alt der Graf ist?"

    Die Kanzlerin sah sie erstaunt an, stand plötzlich auf und ging zum Fenster. Ihre Ministerin folgte ihr. Die beiden Frauen starrten eine Weile schweigend auf den Tiergarten und auf den Potsdamer Platz.

    Endlich sagte die Kruschka: „Der Jüngste ist er sicherlich nicht mehr. Er selbst sagt von sich, er sei unendlich alt. Er nennt sich in persönlichen Gesprächen den Grafen von Saint Germain. Wissen Sie, auf wen er dabei anspielt?"

    Suzan hatte den Namen schon gehört, wusste aber nicht genau, wer gemeint war. Irgendeine historische Persönlichkeit.

    Die Kanzlerin sah ihre Unsicherheit und fuhr erklärend fort: „Der Graf von Saint Germain war eine schillernde Persönlichkeit. Er lebte im 18. Jahrhundert. In nüchternen Quellen wird er als Abenteurer, Geheimagent, Alchemist, Okkultist und Komponist bezeichnet. In anderen gilt er als Wanderer durch die Zeiten, der immer wieder als Reinkarnation auftaucht und die Geschicke dieser Welt mitbestimmen soll. Da werden Namen genannte wie Merlin, Bacon oder Paracelsus. Madame Blavatsky, Sie haben sicher schon von dieser Spiritistin gehört, sie hat die Theosophie begründet. Also, diese Madam Blavatsky hielt Saint Germain für einen der geheimen tibetischen Weisen. Das alles ist natürlich Unsinn, aber ich glaube unserem Grafen schmeicheln diese Legenden, und er spielt mit ihnen."

    Die Kanzlerin war ins Erzählen gekommen und rief sich nun wieder demonstrativ zur Ordnung.

    „Ich bin doch eine Plaudertasche und lasse mich einfach gehen. Bitte entschuldigen Sie mich. Ich halte Sie auf und weiß doch, wie sehr Sie unter Zeitdruck stehen."

    Dieses Abschweifen und dann diese demonstrative Selbstkontrolle hatte Suzan bei der Kruschka schon häufiger beobachtet. War dies eine Inszenierung oder tatsächlich ein Charakterzug von ihr. Klar war nur, dass die Besucherin jetzt gehen sollte.

    Die Kanzlerin begleitete ihre Ministerin zur Tür und gab im Vorzimmer Anweisung, die Adresse des Grafen herauszusuchen.

    Bevor sie sich verabschiedete, sagte sie noch: „Bitte gehen Sie pfleglich mit dem Grafen um und behandeln Sie ihn mit äußerster Vorsicht. Er ist sehr einflussreich."

    Ernest Altmann, der engste Mitarbeiter der Kanzlerin, machte ihr einen Ausdruck aus einer Computerdatei, und dann hielt sie tatsächlich die Adresse des Grafen in den Händen. Adresse? Sechs Adressen! Eine davon im Villenvorort Falkensee-Finkenkrug in Berlin.

    6

    Wieder in ihrem Büro erklärte die Ministerin, sie wolle nicht gestört werden. Dann setzte sie sich an den Computer und rief Wikipedia auf. Tatsächlich fand sich dort ein Eintrag zum Grafen von Saint Germain.

    Danach war ein Mann mit diesem Namen im 18. Jahrhundert durch Europa vagabundiert. Er hatte Zugang zu den höchsten Stellen, zu Fürsten und Königen gehabt. Er verfügte über große Geldmittel, war gebildet und ein exzellenter Musiker. Dieser Mann gab an, Zeuge wichtiger, weit zurückliegender historischer Ereignisse gewesen zu sein, die er in genauen Einzelheiten schilderte und dabei sehr gute historische Kenntnisse durchblicken ließ.

    Die Pompadour machte ihn mit dem französischen König Ludwig XV. bekannt. Der richtete ihm im Trianon-Schlösschen in Versailles ein Alchemistenlabor ein. Außerdem stellte er dem Grafen von Saint Germain Räume im

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