Reinventing Business: Wie traditionelle Unternehmen hierarchiefrei werden & Wie sich eine Geschenkökonomie entwickelt
Von Bertram Fischer
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Über dieses E-Book
Wie kann man diese neuen Unternehmensformen verstehen? Wo liegen ihre Möglichkeiten, Herausforderungen, Risiken und Chancen? Wie schaffen es traditionelle Unternehmen den Anschluss zu halten? Warum werden traditionelle Unternehmen hierarchiefrei und warum entwickelt sich eine Geschenkökonomie?
Dieses Buch beschreibt den Wandel von traditionellen Unternehmen zu hierarchiefreien Unternehmen und wie sich aus hierarchiefreien Unternehmen eine Geschenkökonomie entwickelt.
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Buchvorschau
Reinventing Business - Bertram Fischer
Warum Unternehmen hierarchiefrei werden
In den letzten Jahren gewannen vielfältige neue Formen von Wirtschaft und Zusammenarbeit an Bedeutung. Seien es hierarchiefreie Unternehmen wie Buurtzorg oder Morning Star, Stakeholder geprägte Konzepte der Zusammenarbeit wie eBay, airbnb, Uber oder BlaBlaCar oder „gegenleistungslose Unternehmen wie Wikipedia oder Couchsurfing. Diese neuen Organisationen wachsen mit großer Geschwindigkeit und verdrängen viele traditionelle Unternehmen. Sie schaffen innerhalb von Jahren, was traditionelle Unternehmen in Jahrzehnten nicht erreicht haben. So beschreibt „CNN Money
, wie sich airbnb in nur sieben Jahren zu einem globalen Marktplatz für Übernachtungen entwickelt hat, der bisher von mehr als 60 Millionen Menschen in 190 Ländern genutzt wurde. Und wie airbnb in dieser Zeit einen höheren Börsenwert als die anderen großen Hotelketten wie Hilton oder Marriott entwickelt hat. Die kostenfreie Internetplattform Wikipedia sorgte in Deutschland für das Ende fast aller analogen Enzyklopädien. So titelte die „NZZ im Januar 2014 „Es ist aus mit dem «Brockhaus»
. Es treten Unternehmen aus ehemals fremden Branchen in neue Konkurrenzbeziehungen, so deutet sich heute an, dass die Autoindustrie bald von der IT Branche mit einem selbstfahrenden Auto Konkurrenz bekommt. Eine solche Entwicklung war vor einigen Jahren noch undenkbar. Auch das erste Auto, das Open Source entwickelt wurde und dezentral von jedem selbst gestaltet und zusammengebaut werden kann, ist heute Realität. Der „Spiegel betitelte es als „Open-Source-Auto Tabby: Das Mitmach-Mobil
. Bald lässt es sich wahrscheinlich sogar mit einem 3D Drucker dezentral produzieren, wie es bei dem Open-Source-Auto „Strati" schon in Ansätzen gelungen ist.
Wichtige Wissenschaftler wie der amerikanische Ökonom und Gesellschaftstheoretiker Jeremy Rifkin erwarten eine dritte industrielle Revolution - die „Digitale Revolution - die mit einer radikalen Umgestaltung unserer Wirtschaft und Organisationen einhergeht. Rifkin sagte dem „Spiegel
(2014):
„Wir leben in besonderen Zeiten, denn wir können ein seltenes historisches Ereignis verfolgen: die Entstehung einer neuen Wirtschaftsordnung. Das hat es seit dem frühen 19. Jahrhundert nicht mehr gegeben, als der Kapitalismus auf der Weltbühne erschien. Nun aber wird dieses System selbst in seinen Grundfesten erschüttert, und der Grund sind der enorme technologische Wandel und seine Folgen [...] Wir sehen bereits jetzt die Entstehung einer hybriden Wirtschaft: zum einen ein kapitalistischer Markt, zum anderen ein neues System des Gemeinguts."
Wie kann man diese neuen Wirtschaftsphänomene verstehen? Wo liegen ihre Möglichkeiten, Herausforderungen, Risiken und Chancen? Was charakterisiert diese neuartigen Unternehmen und was unterscheidet ihre Phasen der Organisationsentwicklung von denen Unternehmen, die Lievegoed und Glasl 1993 mit der Pionierphase, der Diversifikationsphase, der Integrationsphase und der Assoziationsphase beschrieben haben? Dieses Buch befasst sich mit der Weiterentwicklung des von Glasl und Lievegoed entworfenen Konzepts der „Dynamischen Unternehmensentwicklung", in dem sie die Veränderung von Unternehmensstrukturen in einem Entwicklungskonzept mit vier Unternehmensphasen dargestellt haben. Zu diesen vier Phasen habe ich anhand aktueller Formen der betriebswirtschaftlichen Zusammenarbeit drei weitere Unternehmensphasen ergänzt, eine Hierarchiefreie-Phase, eine Stakeholderphase und eine Schenkungsphase. Im Ausblick folgt dann noch eine vierte, die Lebenskünstler-Phase. Dabei stütze ich mich auf bedeutende Beispiele aus der Wirtschaft und die sie begleitende wissenschaftliche Literatur.
Lievegoed und Glasl haben mit ihrem Konzept der „Dynamischen Unternehmensentwicklung" viele Jahre die Organisationsentwicklung im deutschsprachigen Raum geprägt. Sie haben unterschiedliche Situationen von Unternehmen in einen Entwicklungszusammenhang gebracht und die Möglichkeiten, Herausforderungen und Lösungsansätze der Situationen anschaulich verständlich gemacht. Viele der in den letzten Jahren entstandenen Unternehmen unterscheiden sich grundsätzlich von den bisher durch Glasl und Lievegoed beschriebenen Unternehmensformen.
Das Buch „Dynamische Unternehmensentwicklung von Bernhard Lievegoed und Friedrich Glasl (1993) ist selbst eine Erweiterung des von Lievegoed (1974) herausgebrachten Buches „Organisationen im Wandel
. Darin wurde ein „Modell der Evolution von Unternehmen über drei Entwicklungsstadien beschrieben. Zu den drei Entwicklungsstadien Pionierphase, Differenzierungsphase und Integrationsphase fügt Glasl (1993), zwanzig Jahre später, mit dem Buch „Dynamische Unternehmensentwicklung
noch die Assoziationsphase als vierte Phase hinzu. Dies begründet er mit der Betrachtung der „Aktualität des Entwicklungsdenkens Lievegoeds im Lichte der modernen Organisations- und Führungstheorien". Meine jetzige Erweiterung, wieder rund 20 Jahre später, aktualisiert das Modell erneut und führt die von Glasl begonnene Ergänzung des Entwicklungskonzeptes fort.
Lievegoed gliedert die Entwicklung von Unternehmen in „idealtypische" Phasen, die für ein Unternehmen sowohl Orientierungshilfe, als auch ein Schlüssel zum Verständnis für einen Entwicklungsprozess darstellen können, um eine Entwicklungsdiagnose zu stellen und ein Unternehmen einzuordnen. Jeder Unternehmensphase liegt ihr eigenes Verständnis von Unternehmen zugrunde. Damit verbunden ist eine entsprechende Organisations- und Führungsstruktur.
In diesem Konzept ergänze ich Lievegoeds und Glasls Instrument der Unternehmens-Diagnose um drei neue Phasen der Unternehmensentwicklung. Ich orientiere mich für die erste neue Phase zunächst am Entwicklungsmodell von Frederic Laloux, der mit einer sehr ähnlichen Einteilung wie Lievegoed und Glasl den Entwicklungsprozess von Unternehmen beschreibt und um eine Phase hierarchiefreier Unternehmen ergänzt. Für die zweite und dritte Phase beziehe ich mich vor allem auf die Autoren Dirk Baecker, Peter Drucker, sowie Tapscott und Williams, die Unternehmenskonzepte von Unternehmen betrachten bei denen es eine hierarchiefreie Zusammenarbeit in der Supply-Chain gibt und in der nächsten Phase, die durch eine Zusammenarbeit ohne finanzielle Gegenleistung geprägt ist. Es ist eine Zusammenarbeit, die keine Tauschwirtschaft mehr ist, sondern eine „Geschenkökonomie. Die Unternehmen der Schenkungsphase bilden die Grundlage für die letzte Phase meines erweiterten Entwicklungsmodells. Ich beschreibe also, wie traditionelle Unternehmen hierarchiefrei werden und wie sich eine Geschenkökonomie entwickelt. Dabei beziehe ich mich auch auf Aristoteles, der schon vor 2400 Jahren in seinem Buch „Politik
ein Entwicklungsmodell für die Zusammenarbeit in der griechischen Stadtgesellschaft, der Polis, beschrieben hat.
Lievegoed und Glasl, aber auch Laloux sehen immer wieder Parallelen zwischen der Entwicklung der sozialen Beziehungen in Unternehmen und der sozialen Beziehungen im Verlauf des Lebens eines Menschen. Glasl beschreibt den Entwicklungsprozess sozialer Systeme mit dem von Pflanze, Tier und Mensch vergleichbar und erklärt: „Die Identität eines Unternehmens kann mit dem Ich eines Menschen verglichen werden, das allen Wahrnehmungen, Gedanken, Gefühlen und Willensäußerungen Zusammenhang und Kontinuität verleiht". Diese These habe ich ausgearbeitet und die Eigenheiten der sozialen Beziehungen im Verlauf der Unternehmensentwicklung mit dem Charakter der sozialen Beziehungen im Verlauf eines Menschenlebens bildhaft verglichen.
In ihren Büchern stellen Lievegoed, Glasl, Laloux und Aristoteles die