Innowachstum: Wachstum durch unternehmerisches Management
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Buchvorschau
Innowachstum - Robert Kowalschek
Kapitel 1 – Die Anatomie des Entrepreneurs
Eine neue Spezies
Mit Öffnung des freien Marktes im Internet betrat eine neue Form des Unternehmers die Bühne, der sich durch seinen Willen auszeichnete, Geschäftssysteme zu entwickeln, zu organisieren und zu managen. Eine Vielzahl von inzwischen weltbekannten Innovatoren krempelte in den letzten Jahrzehnten das Verständnis des Begriffs „Entrepreneur" völlig um. Bill Gates, Steve Jobs, Richard Branson, Sergey Brin und Larry Page oder Mark Zuckerberg sind dabei nur die schillerndsten Figuren. Sie veränderten nicht nur das allgemeine Strukturdenken von Firmengründern, sondern zeigten durch ihre Persönlichkeit und ihren persönlichen Einsatz, welche Marktveränderungen möglich sind.
Diese Art von Mensch kann in gewisser Weise als eine neue „Spezies" in der Industrie verstanden werden. Sie tauchen an allen möglichen Kontaktstellen der verschiedenen Märkte auf und besitzen die Fähigkeit, durch vernetztes Denken neue Lösungen für alte und neue Probleme umzusetzen. Um ein Verständnis für die Denkweise dieser Personen zu erhalten, wollen wir im ersten Schritt eine Definition der charakterlichen Eigenschaften skizzieren, die sich auf den persönlichen Hintergrund, die Motivation sowie die Erfolg generierende Arbeitsethik respektive das Arbeitsverständnis stützen.
Der Hintergrund
In einer Studie analysierten Wadhwa et al. (2009) Hintergründe und Motive von 549 Firmengründern in den Vereinigten Staaten von Amerika in ausgewählten Branchen, wie Luftfahrtindustrie und Verteidigung, Computer und Elektronik, Gesundheitswesen und Dienstleistungen. Die Ergebnisse zeigten, dass das durchschnittliche Alter der Firmengründer mit 40 Jahren zu beziffern war. 95 % verfügten zumindest über einen Bachelorabschluss.
Diese Entrepreneure kamen mit 71,5 % vorwiegend aus der Mittelschicht der Bevölkerung, 21,8 % aus dem oberen Bereich der Unterschicht. Weniger als ein Prozent hingegen kamen aus sehr reichen oder sehr armen Verhältnissen. Auch in Bezug auf den Bildungsstand der Eltern ergibt sich ein interessantes Bild. Rund die Hälfte der Väter der Firmengründer verfügte ebenfalls über zumindest einen Hochschulabschluss, bei 33,9 % verfügte auch die Mutter über einen akademischen Abschluss. Etwa die Hälfte der Befragten gab an, dass sie die ersten in ihrer Familie wären, die sich daran gewagt haben, ein Unternehmen zu gründen. Die meisten Entrepreneure dieser Umfrage (69,9 %) waren verheiratet und hatten mindestens ein Kind. Nimmt man diese Untersuchung zum Anlass, eine Persona eines Entrepreneurs zu kreieren, kann festgehalten werden, dass die überwiegende Zahl amerikanischer Firmengründer etwa 40 Jahre alt und verheiratet ist, Kinder hat sowie über eine akademische Ausbildung verfügt. Hieraus lässt sich schließen, dass diese Personen zwischen Abschluss ihres Studiums und dem Umsetzungswunsch einer Firmengründung bis zu 20 Jahre Zeit hatten, sowohl die grundlegenden Mechanismen ihrer Branche und des damit zusammenhängenden Marktes zu erlernen und zu verstehen sowie ihren Wunschvorstellungen gemäß zu adaptieren.
Die Motivation
Ebenso spannend wie die Herkunft der Firmengründer war in diesem Bezug die Motivation, die diese Personen dazu veranlasste, aus der Sicherheit eines funktionierenden Arbeitsverhältnisses herauszutreten, um eigene Ideen zu verwirklichen. Die Hauptmotivationen konnten dabei mit Begriffen wie Aufbau von Wohlstand, Besitz einer Firma, die Start-up-Kultur oder die Monetarisierung einer Geschäftsidee benannt werden. Die Tatsache, keine traditionelle Anstellung zu finden, war jedoch kein Faktor. Die Unterstützung und Motivation durch Co-Founder, Freunde aus der Start-up-Szene oder Familienmitglieder hingegen spielten eine sehr wichtige Rolle beim Umstieg von der Festanstellung in die Selbstständigkeit.
Professionelle Netzwerke, aber auch die Möglichkeit, Startkapital durch Venture Capital oder Private beziehungsweise Angel Financing zu kreieren, waren für viele der letzte Baustein, um den letzten Schritt zu wagen. Betrachtet man mit diesem Wissen die Herangehensweise und die Philosophie dieser Personen, wird schnell ersichtlich, dass neben den erlernten Fertigkeiten und der Arbeitserfahrung, Erfolge und Misserfolge genauso ausschlaggebend für eine Entscheidung waren, wie ein starkes Teammanagement und das von fast allen Firmengründern genannte „Quäntchen Glück".
Der Charakter
Mehr noch als Hintergrund und Motivation, die mit Sicherheit für viele andere Personen ebenfalls dieselbe Gültigkeit haben, ist die Persönlichkeitsstruktur eines Entrepreneurs ausschlaggebend dafür, ob ein Start-up-Unternehmen Erfolg hat oder nicht. Dieser Punkt ist insbesondere dann essenziell, wenn ein Unternehmen versucht, das Entrepreneurwesen für die eigene Organisationsstruktur zu verwenden. Nicht jeder Gründer ist teamfähig oder in der Lage, Anordnungen korrekt auszuführen. Ein besonderes Problem stellt dies dann dar, wenn ein Entrepreneur aus der Selbstständigkeit in ein Unternehmen wechselt und dort als Intrapreneur Neuerungen implementieren soll. Oftmals sind dann jene Fähigkeiten, die in der Selbstständigkeit von Nutzen waren, bei der erfolgreichen Umsetzung von organisationsinternen Prozessen oder Projekten kontraproduktiv. Hierzu können zum Beispiel das selbstständige Ändern von Deadlines, das Umgehen von Befehlsstrukturen oder die kurzfristige Freizeiteinteilung genannt werden.
Die grundlegenden Charaktereigenschaften von Entrepreneuren können wie folgt eingeteilt werden:
1. Beharrlichkeit
Ein neues Unternehmen zu starten, ist wie ein Ultralangstreckenlauf. Man muss mit Ungewissheiten zurechtkommen, eine nicht bekannte Anzahl an Hindernissen überwinden und dies über Jahre hinweg. Da immer wieder Fehler passieren werden, ist es von großer Bedeutung, dass der Entrepreneur in der Lage ist, diese Fehler zu analysieren, aus ihnen zu lernen und das nächste Mal, wenn sich das Problem ergibt, richtig zu reagieren. Unzählige Erfolgsgeschichten aus dem amerikanischen Entrepreneurwesen kennen Episoden, in denen der Firmengründer beinahe vor dem Bankrott stand. Beharrlichkeit rettete diese Personen jedoch immer wieder, sodass diese Eigenschaft die wohl herausragendste für Gründer und Unternehmer ist.
2. Leidenschaft
Eine viel zitierte Annahme berichtet davon, dass Entrepreneure vorwiegend davon angetrieben werden, Geld zu verdienen. Dies entspricht jedoch nur selten der Wahrheit; vielmehr ist es so, dass diese Personen eine Leidenschaft für ein gewisses Produkt oder einen Service haben, dass ein Problem löst oder das Leben leichter, besser oder billiger macht. Oft ist es auch so, dass erfolgreiche Entrepreneure in ihrer eigenen Zielgruppe zu finden sind. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Unternehmen erfolgreich ist, hängt somit direkt mit der Leidenschaft zusammen, die ein Unternehmer für sein Produkt oder Service aufbringen kann.
3. Lösungsorientierung
Dieses klassische Verhaltensmuster steht in direktem Zusammenhang mit der Definition von Risikobereitschaft: der Fähigkeit, der Angst vor Unsicherheit und potenziellen Fehlern zu widerstehen. Je besser ein Unternehmer in der Lage ist, seine Angst unter Kontrolle zu haben und sie im besten Fall in Neugier zu transformieren, um seine Energie in eine positive Richtung zu lenken, desto gestärkter wird die Unternehmung aus Krisensituationen hervorgehen. Eine weitere oft zitierte Episode in Gründungsphasen von Unternehmen ist jene, wenn sich der Entrepreneur mit der Frage konfrontiert sieht, ob eine Idee wirklich das Potenzial hat, ein tragfähiges Geschäftsmodell zu generieren, oder ob es nicht besser sei, sich selbst und seine Arbeitskraft wieder in den klassischen Arbeitsprozess zu integrieren. Der starke Wille zur Lösungsorientierung ist hier schlussendlich das ausschlaggebende Zünglein an der Waage für den Erfolg.
4. Vision
Die Erschaffung einer Vision ist gleichsam die Visualisierung des gewünschten Endresultats. Je deutlicher ein Entrepreneur ein bestehendes Problem erkennen und sich die dazu passende Lösung vorstellen kann, desto höher ist auch hier die Wahrscheinlichkeit für den Erfolg. Entrepreneure können Alternativszenarien im Sinne eines „was wäre, wenn" erdenken und, was ebenso wichtig ist, deutlich kommunizieren. Der Vision steht in diesem Zusammenhang auch die Fähigkeit der Beharrlichkeit nahe, denn immer wieder treffen Entrepreneure auf ablehnendes Verhalten und Personen, die nicht in der Lage sind, die definierte Vision zu teilen.
5. Selbstvertrauen
Selbstvertrauen spielt eine Schlüsselrolle in der Persönlichkeitsstruktur eines Entrepreneurs. Die Selbstsicherheit, mit der ein Unternehmer von seinem Service oder seinem Produkt überzeugt ist, steht in direktem Zusammenhang mit der Akzeptanz der Zielgruppe. Kann der Entrepreneur klar und selbstsicher den Nutzen seines Angebots in seinem Marktsegment kommunizieren, so ist dies bereits ein entscheidender Baustein für den Erfolg am Markt. Die Fähigkeit, durch ein ausgeprägtes Verständnis für die Sache ein Risiko in einen Vorteil zu verwandeln, ist ein grundlegendes Element von Menschen mit Selbstvertrauen.
6. Flexibilität
Das Überleben eines Entrepreneurs hängt somit wie auch das Überleben einer Spezies in der Natur davon ab, sich adaptieren zu können. Adaption meint dabei die Flexibilität, sich an neue Situationen anpassen zu können, indem entstehende Probleme durch rationale und pragmatische Lösungen behoben werden. In einem sich ständig verändernden Marktsegment, dass naturgemäß von gegnerischen Unternehmen umkämpft wird, ist das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und die daraus resultierende Flexibilität, zu improvisieren, ein Muss. Flexible Personen können auch leichter mit Stresssituationen umgehen.
7. Regeln brechen
Eine der Fähigkeiten, über die ein Entrepreneur verfügen muss, ist die Überzeugung, existierendes, konventionelles Wissen hinten anzustellen und eigenen Lösungswegen zu folgen. Dieses geradezu rebellische Verhalten gegenüber Konventionen und Vorschriften führt oftmals zur Entwicklung neuer Ideen und innovativer Lösungsansätze. In organisationstechnischer Hinsicht ergibt sich hier eines der Hauptprobleme beim Corporate Entrepreneurship.
Der Entrepreneur ist somit das Ergebnis einer Marktentwicklung, die Organisationen gleichsam dazu zwingen, dieser Art von Menschen in Unternehmen Platz zu schaffen. Die Veränderungen sind im Gegensatz zu früher nicht schrittweise nachvollziehbar, sondern geschehen abrupt und parallel. Die Geschwindigkeit, mit der sich ein Unternehmen an neue Situationen anpassen muss, hat zugenommen. Die angegebenen Charaktereigenschaften von Entrepreneuren sind Voraussetzungen um in diesem Wettbewerb zu überleben. Die Fähigkeiten, sich ergebende Chancen zu erkennen oder sogar zu erschaffen, vorhandene Ressourcen zu nutzen und in kürzester möglicher Zeit innovative Produkte auf den Markt zu bringen, sind die Quintessenz dieses neuen Unternehmertums.
Dass derartiges Verhalten in kleineren Firmen leichter zu etablieren ist, liegt auf der Hand. Große Firmen können gewisse Risiken nicht eingehen, da in diesen aufgrund des strukturierten Prozessmanagements Flexibilität und Geschwindigkeit zugunsten standardisierter Qualitäten, Produkte und Prozesse eingeschränkt sind.
Die sich ergebende Frage für Unternehmen lautet nun: Wie kann eine derartige Person in eine funktionierende Organisationsstruktur integriert