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Hölle vs Himmel: ...oder wie die Kartoffeln ins Fegefeuer kamen
Hölle vs Himmel: ...oder wie die Kartoffeln ins Fegefeuer kamen
Hölle vs Himmel: ...oder wie die Kartoffeln ins Fegefeuer kamen
eBook348 Seiten4 Stunden

Hölle vs Himmel: ...oder wie die Kartoffeln ins Fegefeuer kamen

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Über dieses E-Book

Ein Mitarbeiter auf einer Bohrinsel ertrinkt im Meer (...vorläufig jedenfalls) sinkt dabei immer tiefer und tiefer und landet letztendlich in einer seltsamen Umgebung. Hier wird es nun ziemlich mysteriös, denn hier ist das berühmte Fegefeuer zu Haus. Angeblich schmoren darin böse menschliche Seelen die sich bei genauerer Betrachtung allerdings als ganz normale Kartoffeln der Marke Linda festkochend entpuppen. Nun stellen sich mehrere Fragen, wie zum Beispiel: Ist der Tot tatsächlich immer tötlich? Ist das gesamte Leben womöglich nur Betrug und wer betrügt hier eigentlich wen? Durch seltsame Drehungen und Wirrungen unter Mithilfe eines Orakels soll am Ende aber alles gut werden. Tatsächlich...?
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum12. Apr. 2018
ISBN9783746716312
Hölle vs Himmel: ...oder wie die Kartoffeln ins Fegefeuer kamen
Autor

Reiner Nawrot

Nach jahrelanger textlicher Mitarbeit an TV-Unterhaltungssendungen, Soloprogrammen für deutsche Kabarettisten, Comedians und seinem vielbeachteten Erstlingswerk URKNALL AM MITTAG erscheint nun das zweite Buch.

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    Buchvorschau

    Hölle vs Himmel - Reiner Nawrot

    cover.jpg

    Während vor langer, langer Zeit bei den einfachen Menschen allein die Frage im Vordergrund stand: Wie finde ich täglich etwas zu essen ohne selbst gegessen zu werden, und ihnen dabei völlig gleichgültig war, ob sie auf einem Würfel, einer Pyramide oder einem fliegenden Teppich lebten, waren die Gebildeten davon überzeugt, dass die Erde eine Scheibe sei, mit einer Art Käseglocke darüber, die vor bösen Geistern und Platzregen schützte. Erst sehr viel später und ziemlich langsam setzte sich bei allen Menschen die Erkenntnis durch, dass man auf einer Kugel lebt. Aber trotzdem blieben immer noch viele Fragen offen. Über sich vermutete man zwar die Götter, aber was geschah  u n t e r  den eigenen Füßen,  i n  der Kugel?

    Anhänger der Kirche hatten schon bald die Erklärung zur Hand, dass dort nur die Hölle sein könnte, weil der Himmel ja schon an Gott vergeben und damit besetzt war. Tief im Innern würde demnach der Teufel hausen, der dort die Seelen der Sünder im ewig flackernden Fegefeuer schmoren ließ. Immerhin würde man ja schon an den dampfenden Vulkanen sehen können, dass irgendwo in der Tiefe gekocht, gebraten oder gegrillt wurde. Kirchenkritiker hielten allerdings dagegen, der Teufel wäre nur eine nicht existierende Kunstfigur der Kirche um die Gläubigen gefügig zu machen.

    So mussten erst Jahrhunderte ins Land ziehen, bis endlich die Aufklärung die Oberhand gewann. Wissenschaftler konnten nun der Menschheit mit abschließender absoluter Gewissheit Umgebung und Bestandteile des Heimatplaneten erklären. Seit dieser Zeit gehört zum Allgemeinwissen jedes aufgeklärten Menschen, dass die Erdkugel einen Durchmesser von knapp dreizehntausend Kilometer hat und aus Atmosphäre, Hydrosphäre und Lithosphäre besteht. Letztere setzt sich aus der Erdkruste, dem Erdmantel und dem Erdkern zusammen. Während die starre Erdkruste etwa 100 Kilometer in die Tiefe reicht, besteht der Erdkern überwiegend aus heißem flüssigem Eisen das mit geringen Nickelteilen angereichert ist …

    …sagen die Wissenschaftler jedenfalls.

    Und was  d i e  sagen stimmt, heißt es zumindest. Denn wie ihr Name schon vermuten lässt, schaffen sie mit ihrer Arbeit Wissen, das bisher noch niemand wusste. Stellt sich das neue Wissen allerdings später wieder als lücken- oder fehlerhaft heraus, gilt das als peinlicher Rückschlag, der dem strahlenden Ansehen des jeweiligen Wissenschaftlers hässliche dunkle Flecken verpasst.

    Also sind Wissenschaftler natürlich darauf bedacht, Rückschläge oder auftauchende Widersprüche nicht unbedingt zu vertuschen, aber …. 

    …sagen wir mal, sie auch nicht unbedingt mit voller Lautstärke in die hintersten Winkel der Welt hinauszuposaunen. So sind sie denn auch daran interessiert, um bei dem Beispiel mit dem flüssigen Erdkern zu bleiben, dass das Erdinnere auch weiterhin flüssig bleibt. Obwohl …

    Hat denn das Innere der Erdkugel wirklich jemals ein Mensch  g e s e h e n  ?

    Außer den Wissenschaftlern könnte es vielleicht aber auch  n o c h  eine Gruppe geben, die daran interessiert ist, dass das heutige Wissen über den flüssigen Erdkern so erhalten bleibt wie es ist. Womöglich, um nicht entdeckt zu werden und in Ruhe weiter ihrem Alltag nachgehen zu können? Natürlich wissen wir in unserer aufgeklärten Zeit mit absoluter Sicherheit dass es keine Teufel gibt. Ist doch wohl klar.

    Teufel …? Haah. Solch ein Unfug. Allerdings …

    …falls doch …? Wo könnten die sie sich dann wohl aufhalten?

    Ob nicht vielleicht doch die Kirchenfreaks ein kleines bisschen …?

    Eigentlich weiß man ja niiiiie ganz genau, vielleicht …. 

    So  g a n z  abwegig wäre es natürlich nicht, denn immerhin glaubt ja auch der Papst so ungefähr in diese Richtung. Und der ist doch bekannterweise unfehlbar und hat auch immer Recht. Obwohl auch er keine handfesten Beweise liefern kann.

    Beweise hatte zwar auch Billbo Heinze nicht, noch nicht jedenfalls, aber im Gegensatz zum Papst sollte er der ganzen Sache bald auf die Schliche kommen. Ähnlich wie der Papst hatte auch Billbo einen unerschütterlichen Glauben. Allerdings beschränkte der sich nur darauf, dass er glaubte den schlechtesten Job auf Erden erwischt zu haben. Bei wissenschaftlichen Tieflochbohrungen hatte er nämlich jahrelang Hilfsarbeiten verrichten müssen. An vorderster Front stehend, musste er die verdreckten abgenutzten Bohrerköpfe austauschen wenn das schwere Gestänge wieder in die Höhe gezogen wurde. Ein rechter Knochenjob. Allerdings hatte der ihm dann auch den jetzigen Job beschert. Aufgrund seiner langjährigen Erfahrung hatte man ihn für eine Bohrplattform im Dienste der Wissenschaft angeworben. Etliche Kilometer vor der Küste versuchten Spezialisten mit Probebohrungen Methanhydratablagerungen zu erschließen, die im Festlandsockel entdeckt worden waren. Die Eisklumpen ähnelnden Methanknollen sollten laut Fachleuten der Energielieferant der Zukunft sein und dementsprechend eifrig gingen die Bohrungen voran. Billbo stand auch hier wieder an vorderster Front, brauchte den Bohrerwechsel aber nur noch zu überwachen. Die schwere Arbeit mussten nun andere verrichten. Er war jetzt für die präzisen und rechtzeitigen Wechsel des Werkzeugs zuständig. Und weil die Arbeiten planmäßig vorangingen, die Arbeiter so aufeinander eingespielt waren dass ein Bohrerwechsel zwar immer noch schwere Plackerei aber eben doch nur Routine war, plätscherten die Tage gleichmäßig dahin. 

    Mittlerweile war die Bohrung schon in eine solche Tiefe vorangetrieben, in der man Ergebnisse erwarten konnte, als das Bohrgestänge gerade mal wieder, mit einem neuen scharfen Kopf versehen, hinabgelassen wurde. Nichts ließ auf Ungewöhnliches schließen, als die kreischend mahlenden Betriebsgeräusche des Bohrers wieder einsetzten und die Plattform durch gleichförmiges Vibrieren ins Zittern geriet. Doch gerade als sich Billbo daraufhin zu einer Zigarettenpause zurückziehen wollte, endete die vermeintliche Routine schlagartig.

    Einem kurzen grauenhaften Knirschen folgte unheimliche Stille. Billbo lauschte mit geweiteten Pupillen dem plötzlichen Verstummen der Arbeitsgeräusche und wusste sofort, dass er ein Problem hatte.

    Außer dem Wellenschlag und dem jaulenden Wind, der ständig über die Plattform fegte, war nichts mehr zu hören. Zutiefst erschrocken hastete er zum Bohrturm zurück. Dort standen die Arbeiter mit offenen Mündern und bestaunten das runde leere Loch im Boden der Plattform, das dem Bohrgestänge normalerweise als Führung dient. Billbo traute seinen Augen nicht. Das gesamte Gestänge war verschwunden und durch die Öffnung im Boden war nur noch das schäumende Meer zu sehen.

    „Was ist los…?", herrschte er die Arbeiter an.

    Die zuckten aber nur mit den Achseln und zeigten ratlos und ziemlich unbeteiligt auf das Loch. Als könnte er dann mehr sehen, ließ sich Billbo überstürzt auf die Knie herab und starrte entsetzt durch die gähnende Öffnung ins brausende Wasser hinab. Weit und breit war aber vom Bohrer nichts mehr zu sehen. Kalkweiß im Gesicht guckte er anklagend von einem zum anderen.

    „Was habt ihr gemacht …wo ist der Bohrer …?"

    Einer der Arbeiter zog unter dem Gelächter der anderen spöttisch mit spitzen Fingern das Futter aus seinen Hosentaschen und hielt die Stoffzipfel wie Beweisstücke in die Luft. Ohne wirklich eine Antwort erwartet zu haben überschlugen sich Billbos Gedanken. Er allein war für den ordnungsgemäßen Zustand des Bohrers verantwortlich und nun war das ganze Ding plötzlich nicht mehr da. Wo sollte der denn so schnell geblieben sein? Solch ein riesiges Gerät konnte doch nicht einfach so verschwinden, wenn es nicht mit dem …

    In seinem Ohr meldete sich Sell Berdohf, der Chef aus dem Regieturm.

    „He, was ist los, warum habt ihr den Bohrer angehalten …?"

    In Billbos Kopf ging es drunter und drüber. Sollte er etwa sagen, dass der Bohrer nicht nur angehalten sondern ganz verschwunden war? Fast hätte er gelacht. Andererseits war es ja aber auch nicht sein persönliches Verschulden dass der Bohrer abhanden gekommen war. Trotzdem wollte er erst mal Zeit gewinnen.

    „Kein Grund zur Aufregung Chef …, hörte er sich zu seiner eigenen Verwunderung in sein Head-Set sprechen, „…gleich geht’s weiter. Nur ein kleiner Stopp …

    „Okay, dann gebt euch Mühe dass wir nicht solange stehen."

    Ein Knacken im Ohr zeigte ihm an, dass er wieder allein, aber nun auch gefordert war. Apathisch erhob er sich, klopfte sich hilflos den Staub von der Hose und sah sich den gelangweilten Gesichtern der Arbeiter gegenüber.

    „Tja …ähh …hat vielleicht einer ne Idee, wo der Bohrer sein könnte?"

    Die Männer guckten verständnislos. Es handelte sich um Bohrgestänge, das Stück für Stück aufeinander gesteckt verlängert wurde und einige hundert Meter Länge erreichen konnte. Es würde also wohl kaum hier in einer Ecke oder hinter irgendeiner Kiste herumliegen. Einer der Männer deutete mit beiden Zeigefingern nach unten.

    „Der gesamte Gestänge wird abgerissen und im Meer versunken sein …was sonst?"

    Die anderen nickten mehr oder weniger zustimmend, was Billbo aber nur noch nervöser machte. Trotz seiner Aufregung wusste er zwar auch, dass das die einleuchtendste Erklärung war, allerdings  d u r f t e  es so nicht sein. Verzweiflung packte ihn und seine Stimmbänder.

    „Im Meer versunken? …Quatsch. Die Kupplungen haben wir heute Morgen überprüft, er  k a n n  nicht im Meer versunken sein ...und dürfen darf er es schon gar nicht."

    „Dann hat ihn wohl die Bordkatze gefressen.", sagte einer der Männer neckisch und brachte damit die anderen erneut zum Lachen. Die Spannung schien bei ihnen gelöst. Kein Bohrer bedeutete nämlich auch gleichzeitig für sie, keine Arbeit, und damit erst einmal eine zusätzliche Pause, wenn nicht sogar Feierabend. Billbo selber konnte allerdings nicht mitlachen, er war ja für den reibungslosen Ablauf verantwortlich, und im Moment war überhaupt nicht abzusehen wie und wann es weitergehen würde.

    „Wie viel Ersatz haben wir?", fragte er hastig in die Runde.

    „Gestänge haben wir noch einiges, aber keinen scharfen Bohrkopf mehr …, antwortete einer der Männer, „…und ohne den können wir gar nichts machen.

    Billbo knetete seine Finger und wollte gerade weitere Anweisungen geben, als er von der Seite her Sell Berdohf kommen sah. Dessen Schritte wurden immer langsamer und seine Augen immer größer je dichter er kam.

    „Was ist denn hier los? Habt ihr etwa den Bohrer  a u s g e b a u t ?"

    Auf Billbos Gesicht machte sich ein dümmliches Grinsen breit.

    „Ähhh …also nicht selber …nicht so direkt."  

                                                                        *  

    Die beiden Gestalten schüttelten sich das Wasser aus dem Pelz. Nach dem unerwarteten Guss sah ihr schwarzes Fell noch struppiger aus als sonst. Mit einem Fingerschnippen hatten sie zwar das entstandene Loch in der Decke sofort wieder verschlossen, aber nun lag hier dieses komische, elendlange Ding und blockierte einen großen Teil des Saals. Ein schneller Kontrollblick hatte zwar gezeigt dass niemand in der Nähe war, der das Malheur hätte bemerken können, aber es konnte nur eine Frage der Zeit sein, bis Ärster erschien um die ihnen aufgetragenen Vorbereitungen für die Abschlussfeier zu kontrollieren.

    „Ich habe dir immer gesagt, dass du deine Aufgaben ernster nehmen solltest …, sagte Machmanix der etwas Kleinere von beiden vorwurfsvoll, „…das kommt nun von deiner schluderigen Arbeit. So etwas musste ja irgendwann mal passieren.

    Geetnich, der Angesprochene machte einen zerknirschten Eindruck und konnte seine roten Augen kaum von dem langen, stählernen Eindringling abwenden. Er war in diesem Reich für Hoch- und Tiefbau zuständig. Seine Aufgaben beinhalteten unter anderem die statische Überwachung baulicher Anlagen. Bei kontinuierlicher Überwachung hätte also solch ein Deckeneinsturz nie und nimmer stattfinden dürfen. Weil Geetnich aber eine ziemlich lockere Arbeitsauffassung hatte, ließ er ziemlich oft Fünfe gerade sein, frei nach der Devise: Danach ist oft auch noch früh genug.

    Jetzt sah es allerdings mehr nach zu spät aus. Mit so einem Einsturz konnte man doch aber auch wirklich nicht rechnen. Und überhaupt, was war denn das für ein komisches langes Ding? Das hatte doch das Unglück scheinbar verursacht.

    Zusammen mit seinem Kollegen betrachtete Geetnich den reglos am Boden liegenden Eindringling. Von den Alten hörte man immer wieder, dass weit irgendwo da oben in der Unendlichkeit seltsame Wesen leben und ihr Unwesen treiben würden. Nach ihrem Tod würden deren Seelen dann hier zu ihnen herunter kommen um zur Strafe im ewigen Fegefeuer zu brutzeln. Sollte es sich etwa um solch ein Wesen handeln? Zumindest schien es selber ziemlich verängstigt zu sein, denn es rührte sich keinen Millimeter mehr. Oder sollte es sogar bei dem Absturz ums Leben gekommen sein? Dann hatte es aber selber Schuld.

    Obwohl die Sache mit der Unendlichkeit und den Seelen bei vielen hier unten auf Skepsis stieß. Vieles war ja undurchschaubar und wurde nur durch Überlieferung und Erzählung der Alten verbreitet. Manche meinten sogar, die Oberen würden ihnen vieles vorenthalten, anderes verdrehen und vielleicht sogar bewusst die Unwahrheit sagen. Alles Wissen stammte doch sowieso nur aus einem Buch, dem Großen alten Buch, kurz gesagt, dem GaB. Darin hieß es unter anderem, dass alle Gebote aus dem GaB streng befolgt werden müssten, sonst könnte es irgendwann später mal ziemlichen Ärger geben. Manche glaubten mehr daran, andere weniger. Bisher war jedenfalls noch nichts Dramatisches passiert.

    „Wir müssen irgendwas machen, bevor das hier jemand sieht.", flüsterte Machmanix jetzt in die Stille hinein. 

    Geetnichs Blick wanderte zum jetzt wieder verschlossenen Loch in der Decke, aus dem der Besuch gekommen war. Ob man den Fremdling dadurch wohl zurückschicken konnte? Denn eigentlich wollte er mit dem so plötzlich Aufgetauchten ja gar nichts zu tun haben. Gerufen hatte er ihn jedenfalls nicht. Obwohl Geetnich natürlich auch so ein gaaanz kleines bisschen vom schlechten Gewissen geplagt wurde. Hätten seine regelmäßigen Kontrollen dieses Unglück vielleicht doch verhüten können? 

    „Hallo du da...", versuchte es Machmanix jetzt leise in Richtung des Eindringlings. Doch der blieb stumm. Stand der vielleicht noch unter Schock, war es Unhöflichkeit oder konnte er gar nicht sprechen? Auch ein vorsichtiger Stupser mit dem Fuß brachte keinen weiteren Aufschluss. Hatte der seinen Sturz tatsächlich nicht überlebt?

    Jedenfalls würde Geetnich wohl ordentlichen Ärger bekommen, wenn das hier entdeckt werden sollte. Obwohl er ja ohnehin als schwarzes Schaf galt. Das heißt, schwarz waren sie ja alle, bis auf Sgibtmichwirklich, ihrem Oberhaupt. Der konnte je nach Tageszeit in verschiedenen Farbvariationen schimmern. Erzählte man sich zumindest, denn von den Jüngeren hatte ihn noch niemand gesehen. Mit dem verhielt es sich nämlich noch mysteriöser als mit den angeblichen Wesen über ihnen. Niemand wusste genau wo er sich befand. Es hieß immer nur, eines Tages würde er wieder erscheinen. Allerdings war dieses „eines Tages" wohl noch nicht gekommen, denn er war und blieb bisher unsichtbar wie ein Phantom. Genau deshalb gab es unter einigen Jung-Schwarzen auch starke Zweifler, die sogar die gesamte Existenz von Sgibtmichwirklich in Frage stellten. Was sollte man aber auch von jemandem halten der sich nicht blicken ließ und meinte, alles was er zu sagen hatte durch ein Buch mitteilen zu können, das darüber hinaus noch uralt und ziemlich angestaubt war.

    Einen Hungernden würde doch auch das schönste Bild eines belegten Brötchens auf Dauer nicht vor dem Verhungern retten. Und so sah es nicht nur Geetnich.

    „Nun steh nicht lange rum, wir müssen das Ding endlich wieder loswerden."

    Machmanix trippelte von einem Bein aufs andere und sah sich suchend um, wobei er immer wieder leicht den Kopf schüttelte. Außer den aufgestellten Tischen für die Gäste gab es hier nämlich nichts, wohinter oder worunter man etwas so Großes hätte verstecken können. Geetnich wirkte ebenso ratlos. Wären sie aus fester Materie gewesen, hätte man in diesem Moment einige leere Denkblasen von seinem Kopf aufsteigen sehen können. Machmanix hatte das stumm daliegende Ding eine Weile fixiert, bevor ihm ein erlösendes Jetzthabichs-Grinsen übers Gesicht huschte.

    „Wir lassen es einfach für immer verschwinden. Derjenige dem es gehört, hätte eben besser auf seine Sachen aufpassen sollen. Und wenn es hier erst wieder verschwunden ist, wissen  w i r   jedenfalls von nix."

    Geetnich zauderte weil er sich natürlich betroffener als Machmanix fühlte. Immerhin hatte der seine Aufgaben ja nicht vernachlässigt und konnte leicht daherreden. Andererseits hatte er schon Recht, dass man den Besucher schnell wieder loswerden musste bevor ihn hier noch jemand sah. Ehe er jedoch überhaupt zustimmen oder ablehnen konnte, handelte Machmanix schon. Mit erhobenen Armen stand der jetzt vor dem Eindringling und ließ einen Funkenregen über ihn prasseln. In einem gelblich qualmend, sprühenden Inferno schrumpfte das Ding immer weiter zusammen bis es völlig verschwunden war. Kaum hatte Machmanix seine Arme wieder sinken lassen, versiegte auch der Funkenregen. Zwar dampften seine Hände noch etwas, aber er schien zufrieden.

    Von dem komischen Besucher war jedenfalls nichts mehr zu sehen. Ohne auch nur die kleinste Spur auf dem Boden hinterlassen zu haben hatte der sich aufgelöst. Obwohl Geetnich im tiefsten Innern wusste, dass das die beste Lösung war, zeigte er sich über das drastische Ende doch erschreckt. 

    Ein langgezogenes sparsames „Ooooha" war allerdings seine einzige Reaktion darauf. Machmanix hatte wirklich keine Sekunde zu früh gehandelt, denn schon im nächsten Augenblick hörten sie Schritte und sahen Ärster durch die Tür kommen. Zwischen den Tischen durchschlendernd kam ihr Vorgesetzter mit prüfendem Blick langsam näher und schien zufrieden. Als er die beiden allerdings sah, die wie ertappte Lausbuben dastanden, wurde er misstrauisch. Sein Blick wanderte von einem zum andern und blieb dann an Machmanix’ immer noch dampfenden Fingerspitzen hängen.

    „Habt ihr schon wieder gezaubert? "

    Bevor Geetnich überhaupt etwas einfiel womit man sich hätte herausreden können, schüttelte Machmanix schon entschieden den Kopf.

    „Natürlich nicht Meister …ohne Grund ist das doch verboten."

    Dazu zog er ein Gesicht, das hätte Steine erweichen können. Ärster starrte aber noch immer auf Machmanix’ Hände. „Und was ist damit …?"

    Jetzt war Geetnich schneller und er beeilte sich Machmanix aus der Patsche zu helfen, der jetzt doch noch in Not zu geraten drohte. Vor einigen Jahren hatte Geetnich als Bester die Abschlussprüfung des zweiwöchigen Seminars „Wie dehne ich die Wahrheit unter Zuhilfenahme der Buchstaben  L, Ü, G, und E" mit Auszeichnung bestanden, was ihm seither schon oft hilfreich war.

    „Es waren einige Kohlen aus dem Feuer gepurzelt und keine Schaufel zur Hand."

    Nur ganz kurz zog Machmanix ein erstauntes Gesicht, dann nickte er zustimmend.

    „Genauso war's …die Schaufel war weg." 

    Ärster verzog das Gesicht zu einer schmerzlichen Grimasse und zeigte damit ohne Worte an, dass er an dieser Erklärung doch erhebliche Zweifel hatte. Ohne aber weiter darauf einzugehen sah er sich wieder im Saal um. „Wie weit seid ihr gekommen?"

    Machmanix, der sich wieder gefangen hatte, beeilte sich mit der Antwort, um so endgültig von dem peinlichen Thema wegzukommen.

    „Soweit alles klar …nur noch ein paar Kleinigkeiten."

    Ärster nickte zufrieden und Geetnich atmete erleichtert auf. Offensichtlich aber zu früh, denn Ärster stutze und guckte mit schief gelegtem Kopf in die Saalecke wo noch die Restlache des durchgebrochenen Wassers schimmerte.

    „Und was ist das …?"

    Geetnich griff noch einmal auf seine Seminarkenntnisse zurück.

    „Ähh... das ist der Rest vom Kühlwasser …, sagte er mit leicht stockender Stimme, „…das wir für die Getränke nachher vorbereitet haben.

    Ärster zog die Augenbrauen hoch, was aber kaum zu sehen war, weil sie genauso schwarz und zottig waren wie sein übriges Fell. „Lügen haben kurze Hosen …"

    Geetnich stutzte einen Moment und meinte ihn verbessern zu müssen.

    „Ach, heißt das nicht …haben kurze  B e i n e …?"

    Ärster grinste wissend.

    „Eben …und kurze Beine brauchen keine langen Hosen."

    Mit einer Siehste-wohl-Miene drehte er um und schlenderte zwischen den Tischen hindurch dem Ausgang zu. Korrigierend zupfte er mal an der einen oder anderen Tischdecke, rückte ein Glas näher zum dazugehörenden Teller und machte im Großen und Ganzen einen zufriedenen Eindruck. Die Inspektion war beendet.

    „Wir sehen uns dann in …"

    Um nach der Uhrzeit zu sehen, neigte er den Kopf. In der dichten Behaarung seines linken Unterarms hatte ständig eine Gruppe von Glühwürmchen Dienst. Niemand wusste genau, was die in ihrem Leben ausgefressen hatten, um jetzt hier zu diesem Strafdienst verdonnert worden zu sein. Auf alle Fälle saßen sie fast ohne Unterbrechung tagein tagaus zwischen den schwarzen zotteligen Haaren und mussten immer wenn der Meister auf sie blickte, in Windeseile die aktuelle Uhrzeit in Zahlen darstellen. Vier hatten sich jetzt eilig zur Null aufgestellt, sieben zu einer Neun und zwei zu den Trennpunkten. Ärster guckte entgeistert und nahm den Arm höher, weil er nicht glauben konnte was er sah. Was war denn das? Hinter den Trennpunkten waren nur Haare zu sehen?

    „Holla …, rief er verstimmt und schüttelte dazu seinen Arm, „…was ist mit euch? Neun Uhr waaas …?

    Hastiges Rascheln und leises Fluchen war zu hören, dann schurrten Stühle über Holzdielen und schon kräuselten sich die Haare hinter dem Trennpunkt wo sich im nächsten Moment eine flackernde Zwölf bildete. Ärster bedachte sie mit einem strengen Blick.

    „Noch einmal verschlafen und der freie Sonntag ist gestrichen …"

    Die Zwölf nickte kollektiv, was Ärster wohlwollend aufnahm und sich noch einmal Geetnich und Machmanix zuwendete.

    „Also in zwei Stunden, seht zu dass ihr fertig werdet."

    Einer nickte, der andere reckte seinen Daumen wortlos in die Luft und Ärster hob zum Abschied die Hand. Erst als die Tür hinter ihm wieder geschlossen war wich auch die knisternde Spannung. Geetnich atmete erleichtert auf wobei zwei Rauchwölkchen aus seinen Ohren aufstiegen.

    „Das ist ja gerade noch mal gut gegangen."

                                                                     *

    Auch durch noch so lautes Brüllen und Fluchen lassen sich bekanntlich verschwundene Gegenstände nicht wieder herbeischaffen. Vielleicht hatte Billbos Chef davon noch nie etwas gehört, denn er reagierte genau auf diese Art und Weise als er erfuhr dass der Bohrer einfach so mir nix dir nix, und allen anderen erst recht nix, verschwunden war und niemand wusste, wie, wohin und warum. Die Arbeiter hatten nur mit Händen in den Taschen dagestanden und mit den Schultern gezuckt. Ihre Aufgabe war es ja nur, mit dem Bohrer zu  a r b e i t e n. Wenn aber kein Bohrer da war, gab’s auch nichts zu arbeiten. So einfach war die Sache für sie. Billbo dagegen hatte den Joker gezogen. Weil er nun mal für die technische Ausrüstung zuständig war, die ja jetzt zum größten Teil nicht mehr anwesend war, musste er sich zuerst das wütende Gebrüll und dann die Drohung seines Chefs anhören, dass der Bohrer unverzüglich, egal wie, wieder zu bohren habe, ansonsten den Zuständigen ein fürchterliches Unglück ereilen würde.

    Hatte Billbo zuerst noch gehofft, dass der Verschwundene vielleicht doch wieder noch irgendwie auftauchte, wurde ihm langsam klar, dass sich diese Erwartung nicht erfüllen würde. Was blieb also zu tun? Den Bohrer suchen, aber wo? Da es an Deck und in der Luft ziemlich überschaubar war, bot sich als naheliegendste Möglichkeit tatsächlich nur noch an, unter ihnen im Meer nachzusehen. Was sich darin alles verstecken ließ, hatten vor ihm schon ganz andere entdeckt. Allerdings war das auch der unangenehmste und feuchteste Ort um nach verschwundenen Sachen zu suchen. Dachte er jedoch an seinen wütenden Chef, wurde ihm sofort klar, dass er keine andere Wahl hatte.

    In der Gerätekammer zwängte er sich in einen Taucheranzug. Pressluftflaschen und Ausrüstung waren stets einsatzbereit um in Notfällen auch unter Wasser nötige Reparatur- oder Rettungsarbeiten ausführen zu können. Mitleidig grinsend guckten ihm die Arbeiter nach, als er unbeholfen wie ein Astronaut mit den unhandlichen Schwimmflossen, die etwa der Schuhgröße zweiundneunzig entsprachen, zurückkam und über die Plattform tapste. Die Flaschen auf seinem Rücken drückten schwer und zogen ihn fast hinten über. Unter Wasser würde sich das ja ändern, tröstete er sich. Aber auch da sollte er noch eine Überraschung erleben.

    Am Rand der Plattform führte eine Leiter zum Wasser hinunter. Weil ihm der Sprung von oben zu gewagt erschien, entschied er sich für den langsamen Abstieg. Vielleicht lag es am eingeschränkten Sichtfeld, vielleicht war er auch nur einen Augenblick unaufmerksam. Auf alle Fälle hatte er gerade mal die dritte Sprosse erreicht, als er nicht mit dem vollen Fuß aufsetzte, eine der Flossen umknickte und ihn abrutschen ließ. Weil das so überraschend kam, gelang es ihm auch nicht mehr sich richtig festzuhalten. Mit den Händen umklammerte er zwar noch den Handlauf beider Seiten, sauste dann aber so, aufrecht stehend und Sprosse für Sprosse mit den Gummiflossen abklatschend, mit einem Flapp flapp flapp flapp eilig dem Wasser entgegen. Seinen langgezogenen Schrei deuteten die Arbeiter oben als vermeintliches Triumphgeheul darüber, den Bohrer schon entdeckt zu haben. Alle stürzten zum Rand der Plattform um ihm nachzusehen. Aber nur die ersten bekamen noch mit, wie Kopf und in die Höhe gerissene Arme im schäumenden Meer verschwanden.

    Billbo hatte natürlich gehofft, dass die rasante Fahrt spätestens durch das Wasser abgebremst und sich verringern würde, wurde

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