Hanky und der Tausendschläfer
Von Marvin Roth
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Über dieses E-Book
Hanky findet unerwartet Mitstreiter. Zusammen kommen sie dem mordenden Monster immer näher. Ein weiter Schwenk in die Vergangenheit offenbart, wie das "Ding" auf die Erde kam.
Der finale Kampf wird von Menschen geführt, die in unserer Gesellschaft am Rande stehen. In der indianischen Kultur aber waren sie als von den Göttern berührte, verehrt.
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Buchvorschau
Hanky und der Tausendschläfer - Marvin Roth
Der Autor
Marvin Roth lebt seit 2001 in den USA. Durch berufliche und private Reisen, die ihn und seine Frau quer durch die USA führten, abseits der touristischen Routen, lernten sie Land und Leute kennen und lieben.
Marvin Roth veröffentlichte bereits früh Kurzgeschichten und beschäftigt sich seit 2004 mit verschiedenen Romanideen. Die Idee zu Hanky und der Tausendschläfer kam ihm im Jahr 2005. Bis zum fertigen Buch dauerte es weitere drei Jahre, da der Autor nicht durchgehend an dem Roman arbeiten konnte.
Zurzeit sind zwei weitere Romane in Vorbereitung, darunter eine weitere Hanky-Story.
Hanky und der Tausendschläfer ist Marvin Roths erste deutschsprachige Veröffentlichung.
Hanky und der Tausendschlafer
Originalausgabe
FanPro Band
99GG1
Titelbild: Arndt Drechsler
Lektorat: Jürgen Stürmer
Satz und Layout: Ralf Berszuck
Umschlaggestaltung: Ralf Berszuck
Druck und Bindung: CPI Moravia Books s. r. o., Tschechien
Copyright © 2009 by Marvin Roth
Besuchen Sie unsere Website www.cm-art-house.de
Published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de
Alle Rechte vorbehalten. Der Nachdruck, auch auszugsweise, die Verarbeitung und die Verbreitung des Werkes in jedweder Form, insbesondere zu Zwecken der Vervielfältigung auf fotomechanischem, digitalem oder sonstigem Weg sowie die Nutzung im Internet dürfen nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags erfolgen.
Printed in the Czech Republic 2GG9
ISBN 978-3-8442-3683-5
Danksagung
Meinen Dank an meine liebe Frau Conny für die unverzichtbare Mitarbeit, die Geduld, meine Texte mehr als einmal zu lesen, und ihre wichtigen Kommentare!
Den schönsten der Kommentare brachte sie ziemlich am Anfang des Buches, als ich zu der Szene kam, wo die Bestie in dem Hasen saß und der Hund den Hasen sah. Sie sagte sehr bestimmt: »Tu ja dem Hund nichts!«
Oder noch besser von unserer Freundin Patti kommentiert, als wir ihr diese kleine Episode schilderten: »Dont kill the dog!«
Meinen speziellen Dank richte ich an dieser Stelle an meine liebe Freundin Irina Launhardt, die mit großem Engagement das Manuskript redigiert hat.
Ja, und was wäre ein Buch ohne Verleger?
Nicht möglich!
Vielen Dank an Rolf Bingenheimer, meinem Freund und Buchagenten, der mit seinem Transgalaxis Verlag nicht nur die Tür zu den Sternen öffnet, sondern auch den Kontakt zu Fantasy Productions herstellte.
Widmung¹
An alle meine Leser einen herzlichen Dank für ihre Bereitschaft, auch einmal das Undenkbare zu denken! Für meine Familie und meine Freunde, auf deren Hilfe ich immer zählen kann!
Vorwort
Wir alle haben schon von Geistern, Poltergeistern, Kobolden und Dämonen gehört.
Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum das so ist?
Schon seit Menschengedenken befassen wir uns mit diesen unheimlichen Wesen. Gibt es sie wirklich, oder ist das alles nur Phantasie? Wer will das schon genau sagen? Fakt ist jedenfalls, dass Vorstellungen der Völker Afrikas, Indonesiens, Ozeaniens, des Amazonasgebiets, aber auch der Römer, Germanen, Chinesen, Japaner sowie die katholische Kirche und der Islam von diesen Geschöpfen geprägt wurden.
Es gibt sogar einen Forschungszweig, der sich mit dem sogenannten Animismus beschäftigt — das ist lateinisch und bezeichnet den Glauben, dass alle Dinge und Naturerscheinungen eine Seele besitzen, die nach dem Tod den Körper verlässt und woanders weiterlebt.
Noch heute werden Kultfeiern veranstaltet, bei denen Geister vertrieben werden sollen. Auch Sie haben schon an solchen Feiern teilgenommen! Ganz bestimmt! Oder waren Sie noch nie auf einem Polterabend? Na also!
Der Polterabend hat seinen Ursprung im 16. Jahrhundert und heißt genau genommen Poltergeistabend. Durch das Zerschlagen von Porzellan wird den Poltergeistern gezeigt, dass diese Arbeit schon getan ist und sie nicht weiteres Geschirr zu zerschlagen brauchen. Damit soll dem jungen Ehepaar eine ruhige Nacht gesichert werden.
Dies ist nur ein Beispiel aus unserem »modernen« Leben, das erkennen lässt, dass Geisterwesen noch immer eine Rolle spielen.
Begleiten Sie nun Hanky bei seinem aufregenden Abenteuer.
Ich wünsche Ihnen spannende Stunden!
Ihr
Marvin Roth
Kapitel 1
Der Morgen kroch mit müden, kalten Nebelschwaden über die Waldwiese. Tautropfen hingen an den Zweigen der Buchen, Eichen und Eiben. Das Gras zeigte die ungesunde, ins Blaugraue tendierende Farbe des voranschreitenden Herbstes. Der Tag erwachte langsam und mühselig. Fahles Licht der hinter grauen Wolken versteckten Sonne vertrieb nur schwerfällig die Nachtkälte.
Eine kleine Gruppe Rehe stand am Waldrand und äste. Sie kamen fast jeden Morgen zu dieser frühen Stunde auf die einsame Lichtung, ehe der Wald mit all seinen Geräuschen ihre gesamte Aufmerksamkeit forderte. Hier war es sicher, und noch nie war ein Räuber hier erschienen. Trotzdem waren die Tiere, ihrer Art entsprechend, vorsichtig. Abwechselnd schauten sie auf und überprüften den nahen Waldrand, auf eine verdächtige Bewegung, das Rascheln eines Strauches oder das Knacken eines Astes achtend.
Doch alles war wie immer. Der Wald lag ruhig da, und nur eine leichte Böe bewegte die Spitzen der Gräser.
Von einer Sekunde zur anderen veränderte sich das friedliche Bild schlagartig. Die gesamte Gruppe stellte wie auf einen geheimen Befehl das Äsen ein und schaute gebannt in die gleiche Richtung. Optisch hatte sich nichts geändert, auch war kein ungewöhnliches Geräusch zu hören, aber dort draußen war etwas. Dort war ein Jäger, der gefährlicher und grausamer war als alle anderen. Er war lautlos, unsichtbar und doch voller Mordlust. Die Rehe spürten, wie er erwachte. Sie spürten das Grauenvolle und Unfassbare. Sie spürten, wie das Böse nach ihnen tastete.
Mit vor Panik aufgerissenen Augen und Schaum vor dem Maul, durch das hastige, überschnelle Atmen in großer Angst verursacht, stampften die Tiere das feuchte Gras nieder, ehe sie, nicht ohne andere Rehe anzurempeln, in entgegengesetzte Richtung in den Wald flohen.
Momente später zeugten nur die niedergetrampelte Wiese und das immer leiser werdende Geräusch brechender Äste von der Anwesenheit des Rudels.
Einige Kilometer entfernt knatterte der Farmer Ben Jo-hanson mit seinem altersschwachen, aus den Fünfzigern stammenden Fordtraktor über die holprigen Feldwege von Prisco. Er war heute früh dran, denn er wollte am Nachmittag mit seiner Frau Julie noch in die Stadt fahren, wenn man New Bismark so nennen konnte. Dort gab es nur das Kaufhaus des alten Josh Biller. Zusätzlich konnte man noch in einigen kleinen Läden die Sachen des normalen Lebens kaufen. Die Geschäfte lagen an der Mainstreet von New Bismark. Insgesamt gab es da aber nicht mehr als vielleicht fünfundzwanzig Straßen mit etwa dreitausend Einwohnern. Er freute sich schon auf den Ausflug, obwohl Einkaufen nicht so seine Sache war. Aber während Julie bei Josh Biller die Regale durchstöberte, würde er bei Betty Sue, deren kleines, ländliches Restaurant direkt neben dem Frisörladen von Hose de
Villa lag, die Neuigkeiten der Gegend hören und einige gesellige Stunden mit seinen Freunden verbringen. So war der Einkaufstag schon immer gelaufen, jedenfalls seit der Zeit, als er die Farm von seinem Vater geerbt hatte, und das war schon zweiunddreißig Jahre her.
Am Abend zuvor hatte das Verhängnis begonnen. Ein Fuchs hatte eine Elster gefangen. Er hatte lange auf der Lauer gelegen, und sein Magen knurrte vor Hunger. Dann war direkt vor ihm die Elster gelandet. Der Vogel war unaufmerksam und stocherte mit seinem Schnabel in der Erde herum, auf der Suche nach einem Wurm oder einer schmackhaften Made. Der Fuchs sprang aus einem kleinen Gebüsch hervor, und beinahe wäre es dem Vogel noch gelungen, die Flucht zu ergreifen. Er flatterte auf, und der Fuchs sprang dem Vogel hinterher. Im letzten Moment erwischte er ihn gerade noch an den Schwanzfedern und riss ihn zu Boden. Schnell stellte er seine Pfote auf den Leib der Elster und biss dieser hastig das Genick durch. Sofort erschlaffte die Elster, und ein paar Tropfen Blut fielen auf den Waldboden. Dort versickerten sie im weichen Humus. Der Fuchs packte seine Beute und lief von plötzlicher Panik befallen mit ihr davon. Nach wenigen Sekunden war er im dichten Unterholz verschwunden. Das Blut aber weckte tief unter dem Humus etwas, das nie mehr hätte erweckt werden sollen.
Ben Johanson hatte gerade mit dem Pflügen angefangen, als er drüben am Waldrand eine Bewegung wahrnahm. Ben schaute genauer hin und sah einen Mann in blauer Latzhose, kariertem Hemd und einer schwarzgrauen
Baseballmütze dort stehen. Der Mann winkte ihm zu. Ben winkte zurück und erkannte Hank Berson, den alle aber immer nur Hanky nannten, obwohl er an die zwei Meter groß war. Hanky hatte strohblondes Haar und das Gemüt eines siebenjährigen Jungen.
Seine Eltern, Ellie und Daniel, hatten damals geheiratet, obwohl sie Cousin und Cousine ersten Grades waren. Aber hier auf dem Land machte sich zu dieser Zeit keiner große Sorgen darum. Wenn die Kinder sich liebten, sagten alle, dann sollten sie ruhig heiraten. Sie waren doch so ein schönes Paar.
Schon von kleinauf waren Ellie und Daniel immer zusammen gewesen. Daniels Vater, Ray, war Waldarbeiter, und ab und zu brachte er abends ein Stück Wild mit nach Hause, was in den armen, harten Tagen Fleisch für eine Woche bedeutete. Gleich neben den Bersons lebte in einer kleinen Hütte seine Schwester Willma, die den Bergarbeiter Ed Leuten geheiratet hatte. Er brachte nie genügend Geld mit nach Hause, um seine kleine Familie ordentlich zu versorgen. Oft kam er betrunken nach Hause und hatte nicht mehr viel Geld in der Tasche. So kam es, dass Willma und ihre kleine Ellie regelmäßig bei der Familie ihres Bruders zu essen bekamen. Eines Tages kam Ed nicht mehr nach Hause. Anfangs glaubte seine Frau, Ed wäre wieder auf einer Sauftour, doch als er nach drei Tagen noch nicht wieder aufgetaucht war, machte sich Ray auf die Suche. Er schulterte sein Gewehr, packte etwas Brot und getrocknetes Rehfleisch in einen Beutel und ging los. Tagelang durchstreifte er die Wälder und die nahegelegenen Gemeinden. Keiner der Leute, die er nach seinem Schwager fragte, hatte Ed gesehen. Am fünften Tag fand er ihn schließlich ... oder vielmehr das, was von ihm übrig geblieben war. Ed lag an einem Abhang, etwa fünf Meilen von seinem Zuhause entfernt. Er war schrecklich zugerichtet. Kaum ein Körperteil war noch an seinem natürlichen Platz. Er war so verstümmelt, dass Ray sich übergeben musste. Nach einer Weile schaufelte er mit bloßen Händen ein Grab für seinen Schwager und beerdigte ihn. Gewissenhaft hatte er alle Spuren des grauenhaften Geschehens beseitigt und sogar Laub und Zweige über den aufgewühlten Boden verteilt. Der Wald sah nun wieder völlig unberührt aus. An einem nahen Bach wusch er sich gründlich und ging dann zurück zu seiner Familie. Dort angekommen sagte er, dass er nichts gefunden habe und Ed bestimmt weggelaufen sei. Seine Schwester und ihre kleine Tochter zogen nun ganz zu Rays Familie. Von diesem Tag an waren Ellie und Daniel immer zusammen. Für jeden im Tal war es ein gewohntes Bild, dass die beiden überall gemeinsam auftauchten, und so war es fast natürlich, dass sie schließlich heirateten.
Ein gutes Jahr nach der Heirat wurde Hank geboren. Schon bald merkten die Eltern, dass ihr Sohn anders war als die anderen Kinder. Sie gaben dem Kleinen all ihre Liebe. Er wuchs prächtig heran, aber mit seinem Kopf war etwas nicht in Ordnung, wie die Leute sagten.
Jeder im Tal kannte Hanky. Oft fuhr er mit seinem alten Fahrrad herum und sang Kinderlieder, und das tat er immer noch, obwohl er schon fast dreißig Jahre alt war. Hanky liebte sein Fahrrad, und er liebte den Wald. Die Leute sagten, das habe er von seinem Großvater geerbt. So manchen Tag streifte er durch die Wälder und kam erst bei Einbruch der Dunkelheit nach Hause.
So machte sich Ben Johanson auch keine Gedanken, als er Hanky am Waldrand stehen sah.
Hanky sah den Traktor von Ben Johanson über das Feld fahren. Er mochte Ben gern, denn Ben war immer freundlich zu ihm. Manchmal schenkte er ihm ein Stück Schokolade oder ein Zitronenbonbon. Er stellte sich also gut sichtbar am Waldrand auf und winkte dem Farmer zu. Vielleicht hatte Ben Schokolade bei sich, und wenn er schön winkte, bekam er ein Stück. Der Farmer aber winkte nur kurz zurück und wendete sein Gefährt, um die nächste Reihe zu pflügen.
»Dann hat er nix dabei«, murmelte Hanky vor sich hin.
Ein Eichhörnchen rannte keine zwei Meter an ihm vorbei, und Hanky hatte Ben Johanson schon vergessen. Mit großen Kinderaugen schaute er dem Tier zu, wie es flink und gewandt den Baum erklomm. Nach einer Weile hatte er genug vom Zuschauen und tappte in seiner unbeholfenen Art in den Wald hinein.
Etwa zur gleichen Zeit schaute Rita Miller, die Grundschullehrerin von Prisco, ob alle Kinder der dritten Klasse ihre Jacken und Mützen ordentlich angezogen hatten. Sie war eine sehr verantwortungsbewusste und engagierte Lehrerin, und die Kinder liebten sie. Rita hatte keine eigenen Kinder und konnte, so sagten die Ärzte zumindest, auch keine bekommen.
So hatte sie sich nach einiger Zeit damit abgefunden und konzentrierte sich mit Freude auf ihren Beruf. Ihr Mann Richard arbeitete bei der örtlichen Redaktion der
New Bismark News. So war er immer bestens informiert, was in der Gegend passierte. Das war ganz nach seinem Geschmack, denn er klatschte gerne und wäre bestimmt ein gern gesehener Gast bei so manchen Kaffeekränzchen gewesen. Er fuhr aber lieber durch die Gegend, sprach mit Farmern und den Angestellten kleiner Firmen über deren Probleme.
Nur einmal pro Woche musste er in die Redaktion nach New Bismark fahren, um dort seine Berichte abzugeben und auch manchmal einen Auftrag für ein spezielles Thema zu bekommen.
Rita Miller stellte die Kinder in zwei Reihen auf. Für heute hatte sie einen Ausflug in den Wald geplant. Die Kinder freuten sich schon darauf, mussten sie doch nicht den ganzen Tag ruhig auf den Schulbänken verbringen. So marschierte die kleine Gruppe los. Nachdem sie die Mainstreet überquert hatten, bogen sie in eine kleine Seitenstraße ein, die sie über einen Feldweg direkt zum Wald bringen würde.
Kapitel 2
Unter dem Humus war es warm und feucht. Hier war noch nichts vom Herbst und dem nahenden Winter zu bemerken. Es wäre ihm auch egal gewesen. Er spürte nichts davon. Er verspürte nur zwei Gefühle: Hunger und Rachsucht. Das war bei ihm gleichzusetzen mit purer Mordlust. Aber er musste warten. Das wenige Blut, das vermischt mit der Feuchtigkeit des Bodens zu ihm heruntergedrungen war, reichte gerade aus, um ihn zu wecken. Nun musste er warten. Warten auf einen Transportkörper. Warten auf ein ausreichend großes Tier, auf das er überwechseln konnte. Obwohl er ungeduldig war, wusste er, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis er aus seiner Gefangenschaft befreit war. Der Ärger kehrte langsam zurück. Der Ärger, damals überrumpelt worden zu sein. Sein Gastkörper war erschossen worden und gestorben, bevor er in einen anderen Körper schlüpfen konnte. Das hatte ihn betäubt, und bevor er sichs versah, war er im Waldboden verscharrt worden. Das Sterben des Wirtskörpers hatte ihn so geschwächt, dass er ausruhen musste. Schließlich war er so schwach geworden, dass er eingeschlafen war. Er hatte lange geschlafen, wie schon so oft. Er konnte sich nicht mehr erinnern, wie oft. Immer wieder hatte sich das Schicksal gegen ihn gewandt. Aber immer wieder hatte er es geschafft, zurückzukommen. Und jedes Mal hatte er sich gerächt. Grausam gerächt. Die Menschen begannen ihn als Dämon zu betrachten und erzählten sich Geschichten über seine Taten. Manchmal hatte er sich unbemerkt unter sie gemischt und hatte zugehört. Er fühlte sich den Menschen weit überlegen und betrachtete sie voller Verachtung. Doch er war etwas völlig anderes als ein Dämon.
Hanky war schon ein ganzes Stück durch den Wald gelaufen. Manchmal hatte er gesungen. Seine Lieder. Kinderlieder. Er liebte es, alleine herumzuwandern und zu singen. Die anderen schauten immer so komisch, wenn er sang. Aber hier waren keine anderen, und so konnte er aus vollem Halse und manchmal auch ganz leise singen, je nachdem, wie er sich gerade fühlte. Oft redete er auch mit sich selbst oder mit allem, was er so bei seinen Wanderungen sah. Er redete mit den Bäumen, den Vögeln, die scheinbar immer aufmerksam und interessiert auf ihn herabblickten. Ab und zu redete er auch mal mit einem Igel, die waren aber recht grimmige Burschen und schauten ihn nicht mal an, wenn er mit ihnen sprach. Der Wald war gut zu ihm und hatte ihm noch nie wehgetan. Die Tiere blieben in seiner Nähe, da er irgendetwas ausstrahlte, das man vielleicht als Gutmütigkeit und Sanftmut beschreiben konnte. Hanky hatte gerade einem Ameisenvolk zugeschaut, das in langer Kolonne über die kleine Lichtung marschierte, an deren Rand er stand.
»So viele Meisies«, murmelte er, »drei, fünf, dreizehn, acht, einundvierzig, sechs, zwei.«
Hanky hatte es nie geschafft, das Zählen zu lernen. Ihm gefiel es aber sehr, Zahlen aufzusagen. Er kannte alle Zahlen bis Hundert, aber ihm fehlte das Verständnis, sie in die richtige Reihenfolge zu bringen. Das machte Hanky aber nichts aus, er dachte nicht einmal darüber nach. Er richtete sich wieder auf und wollte gerade weitergehen, als er eine Stimme zu hören glaubte. Etwas rief ihn. Nicht eigentlich mit Worten, sondern irgendwie in seinem Kopf, was Hanky sehr verwirrte. Unruhig schaute er sich um und trappelte nervös mit den Füßen, was er immer tat, wenn er nicht wusste, was er machen sollte. Er kratzte sich nervös am Nacken, dann hielt er sich die Ohren zu, doch das Rufen war immer noch da. Hanky tappte ein Stück auf die Lichtung