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MAUL VERNIMMT: Frankfurter Wache
MAUL VERNIMMT: Frankfurter Wache
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eBook112 Seiten1 Stunde

MAUL VERNIMMT: Frankfurter Wache

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Über dieses E-Book

Fünf Tage Polizeiarbeit, das heißt: mit stadtstreichenden Diven umzugehen, die Tauben (oder: Taube?) füttern, - mit einem brutalen Tennismatch zwischen Ost und West, mit einem techniksüchtigen Photoliebhaber, mit einem sodomistischen Entwicklungshelfer und schließlich einer Gruppe betrunkener GIs, die sich ein Maskottchen aus dem Kuwait-Krieg mitgebracht haben. Also: der ganz normale Wahnsinn in Frankfurt.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum21. Juli 2012
ISBN9783844226140
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    Buchvorschau

    MAUL VERNIMMT - Hinrich Schroeder-Hohenwarth

    IMPRESSUM

    MAUL VERNIMMT Frankfurter Wache

    Hinrich Schroeder-Hohenwarth

    published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

    Copyright: © 2012 Hinrich Schroeder-Hohenwarth

    ISBN 978-3-8442-2614-0

    INHALT

    Marlene füttert die Tauben

    Konkurrenten

    Joss

    Platz für alle

    Jonny Maskottchen

    MARLENE FÜTTERT DIE TAUBEN

    Sie haben sich bestimmt schon mal gefragt, weshalb die Polizei diese ganzen Penner nicht einfach abräumt, - ich meine: einsammelt und wegschließt oder wenigstens in die Obdachlosenasyle bringt. Da können die dann von mir aus ihren Rausch ausschlafen oder sich wenigstens mal waschen.

    Wahrscheinlich haben Sie auch schon mal beobachtet, daß der eine oder andere tatsächlich verschwunden ist, wenn sie morgens über die Mainbrücke kommen. Dann ist die Parkbank bei der DLRG-Wache frei, und ein übriggebliebenes Liebespärchen verkriecht sich ineinander vor der Morgensonne. Oder ein wohnsitzloser Pole redet ganz manierlich mit den Möven. Die sitzen aufgereiht mit dem Schnabel zum Wind und dösen. Hinten im Sandkasten liegt noch ein gelber Eimer.

    Aber einen oder zwei Morgen später liegt der wieder da auf der Bank, der Penner. Am Anfang sieht er ja noch ordentlich aus, liegt auf der Seite, abgetragener Mantel, aber sauber. Die blaue Hose nur etwas zerknittert vom Liegen, vier Plastiktüten zwischen Bauch und Lehne eingeklemmt. An Schuhsohlen und Absätzen sehen Sie: aus der Kleidersammlung; immerhin, es geht. Später aber, nach einer Woche höchstens, können Sie es dann schon von weitem riechen: dieselben Socken, dieselbe Hose, derselbe Mantel, dreckig, fleckig, durchgeschwitzt, seit Tagen ungewaschen. Sie sehen den roten Ausschlag am Hals, auf den Händen Schorf; die leeren Flaschen liegen im Einkaufswagen, das Glas klimpert auf dem Drahtgestell. Also fragen Sie sich: Wenn das doch einmal geht und immerhin eine Woche recht und schlecht funktioniert, warum nicht immer so?

    Die Antwort ist einfach: Die Polizei hat Angst. Nicht solche Angst wie vor Junkies oder den Rausschmeißern in der Elbestraße, wo es schon mal Prügel geben kann. Die Polizei hat vor den Pennern Angst, weil die den ganzen Dienstplan durcheinander bringen. Und ich sage Ihnen: das braucht Tage, so etwas wieder einzurenken. Dagegen gehört so eine Schlägerei zum normalen Geschäft, jedenfalls für meine Kollegen. Aber so ein Penner! – Besser, man läßt ihn, und wenn es zu schlimm wird, hilft meistens schon ein Hinweis bei der Abteilung Wohnsitzlose, und wenn die überlastet sind oder der Penner noch nicht wieder lange genug Platte gemacht hat, dann findet sich vielleicht noch ein unerfahrenes und ehrgeiziges Mitglied bei der Heilsarmee oder so.

    Besonders elegant läßt sich das Problem auch schon mal in Zivil lösen, hat Maul erzählt. Nämlich hat er neulich an einem Samstag einen solchen Bruder in die Stadtbäckerei am Lokalbahnhof eingeladen. Das war wirklich filmreif, stelle ich mir vor. Also, da stehen in dieser Gegend immer die Leute mit dem Wachtturm 'rum und versuchen, einen beim Brötchenholen zu erwecken. Natürlich hat der Bäcker den stinkenden Kerl sofort vor die Tür gesetzt. Maul hat was von mangelnder Solidarität gemurmelt, gezahlt und ist hinterher. Um die Ecke stehen zwei Zeugen Jehovas, besser eine junge Zeugin und ein älterer Zeuge. Maul bittet den Zeugen, seinen Gast zu erwecken. Verdutztes Schweigen. Die zwei Hände klammern sich um das Erleuchtungsblättchen. Maul sagt, daß er leider anderswo gebraucht wird und auch sehr ungeeignet ist, für die Errettung Schiffbrüchiger und so weiter. Sofort erkennt Mauls stinkender Gast die Chance und bittet um Hilfe jeglicher Art, während er sein restliches Brötchen mümmelt. Der Wachturm-Mann ist also völlig überrumpelt, und Maul entfernt sich.

    Natürlich war seine Schadenfreude in diesem Moment noch viel größer als seine Vorfreude, beim Dienstantritt am Montag einen Penner weniger im Revier zu haben. Aber solchen verbotenen Freuden folgt bekanntlich sehr rasch die verdiente Strafe. Als Maul nämlich schnell die beiden Zeugen mit ihren Blättchen und dem Penner stehen lassen wollte, sah er noch einmal ganz routinemäßig die Frau an und die ihn, aber irgendwie besonders. Jedenfalls muß die Frau gesehen haben, daß Maul ein ganz und gar rettungsbedürftiger Zeitgenosse ist, geradezu eine Erleuchtungsprüfung, während Maul gleich am nächsten Montagmorgen mit dem Kaffeebecher in der Hand über die Verführung so vieler junger Leute durch die Sekten redete. Ich kenne den Maul inzwischen schon ganz gut: Der war einfach hin. Natürlich muß er sich als Polizist besonders für den Schutz von gefährdeten Minderheiten einsetzen, zum Beispiel von Pennern oder Glaubensbrüdern. Zufällig war nun diese junge Zeugin nicht nur gläubig, sondern auch ziemlich reizvoll.

    Überhaupt sind die Pennerinnen viel gefährlicher als die Penner. Und ohne diese etwas ausführliche Vorgeschichte würden Sie bestimmt nie verstehen, warum Maul gerade Marlene aufs Revier schleppen mußte. Zugegeben: Sie war notorisch, - fast in jeder Beziehung. Saß im Sommer laut schimpfend auf der Bank hinter dem Spielplatz, fütterte die Tauben mit Getreide aus dem Reformhaus, räumte unablässig in ihren Rucksäcken und Tüten, ließ die Wollstrümpfe rauf und runter, daß jeder ihre Krampfadern sehen konnte. Lag auf dem Rücken im Gras und turnte wegen ihrer Bandscheibe oder schob mit ihrer schwerbeladenen Kinderkarre rum und brüllte die Leute an. Ja, Marlene brüllt eigentlich pausenlos. Das ist das Schlimmste. Dabei hat die Frau einen Wortschatz, überhaupt eine Art zu reden, - unbeschreiblich. Und noch an einer anderen Stelle, da ist sie ganz notorisch: Sie riecht immer nach Parfum, allerdings nach sehr viel Parfum, also schon von weitem, so, wie man sie auch von weitem schon hört. Irgendwie paßt das bei Marlene zusammen.

    Und sie trägt immer einen langen, weißen Schal, möglichst mit breiten Fransen. Im Sommer, wenn es heiß ist, legt sie ihn über Schultern und Arme, nimmt die langen Enden locker in die Hände und geht dünn und kerzengerade auf dem Plattenweg vor dem Bunker hin und her, dass es nur so weht, sagt Maul. Und zum Klappern ihrer Absätze ruft sie dazu manchmal einzelne Wörter in die Luft, im selben Rhythmus, sagt Maul, nur ganz kurze, wie ruck zuck, weg und auf der Streck. Ich bin noch nicht so lange dabei, daß ich sie schon so gesehen hätte. Ich kenne nur den Mann mit dem weißen Bart, der mich seit dem Tag im Oktober immer ausschimpft, als er in seinen Pantoffeln an uns vorbeigeschlurft kam und die Flasche Zitronenlimonade unter seinem Arm vergessen hatte, als er Maul militärisch grüßte.

    Als ich hier anfing, trug Marlene den weißen Schal jedenfalls immer um den Kopf, wie einen gewaltigen Turban, mit den herunterhängenden Fransen oder Quasten rechts und links als Ohrenschützer. Wo sie bleibt, wenn es richtig kalt wird, weiß auch Maul nicht. Den Frühling hört man jedenfalls schon früh an der Nizza und der Schönen Aussicht, auch wenn man von ihm noch nichts sieht. Da rennt sie dann wieder rum und wütet.

    Marlene füttert nicht einfach Vögel, sondern nur die Tauben. Gerade in den Altbaugebieten haben die Leute aber wieder Angst vor Taubenzecken. Junge Mütter glauben, ihre Kinder kriegen Hirnhautentzündung, Milben , Krätze oder beschweren sich beim Schornsteinfeger, weil ein Kamin nicht zieht. Natürlich hat sich irgendwo eine tote Taube verklemmt. Auch das Denkmalamt macht schon mal Meldung, weil Goethe I in der Taunusanlage wieder dermaßen mit Taubenschissen zugedeckt ist, daß die Busse von der Stadtrundfahrt nur noch vorbeirollen. Kein Halt mehr zum Fotografieren.

    Trotzdem: Ältere Leute zeigen Pennerinnen eigentlich nie wegen Taubenfütterei an. Eher schon wegen unflätiger Beschimpfungen oder heruntergelassener Strümpfe. Diesmal war es jedenfalls eine jüngere Tagesmutter, die darauf bestanden hatte, daß Marlene in Gewahrsam genommen wird, sagt Maul. Was war passiert? Natürlich war es nicht nur der schleimige, weißliche Kot mit dem grauen Endkringel auf den Gehwegen und bei den Sandkästen, und bestimmt war das mit der besonderen Verantwortung für die drei fremden Kinder von der Tagesmutter auch nur vorgeschoben. Wahrscheinlich sind die beiden Frauen irgendwie persönlich aneinander geraten. Denn Maul sagte mir noch vor der Vernehmung, daß er die beiden mühsam trennen mußte, damit sie sich nicht vor den Kindern verdreschen. Dann ist die Marlene aber gleich auf ihn losgegangen, und da hat er sie dann eben vorläufig festgenommen.

    Tatsächlich hat Marlene, kaum

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