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Trägerin des Lichts - Erwachen
Trägerin des Lichts - Erwachen
Trägerin des Lichts - Erwachen
eBook1.310 Seiten18 Stunden

Trägerin des Lichts - Erwachen

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Über dieses E-Book

Schon lange wissen Phelan und Althea, der gewitzte Sohn und die ungewöhnliche Nichte des Königs von Morann, dass ihr bisher so behütetes Leben längst nicht so sorglos ist, wie sie es glauben sollen. Schließlich sind sie Meister im Lauschen und bestens mit den Geheimnissen und Intrigen des Königshofes vertraut. Doch als sich eine unheimliche Macht nach und nach der Mitglieder des Hofstaates bemächtigt, ahnen sie, dass sie einem ungeheuerlichen Geheimnis auf die Spur gekommen sind. Ist gar das gesamte Königreich in Gefahr? Plötzlich sehen sich die beiden Heranwachsenden vor einer fast unüberwindlichen Aufgabe: Wie können sie das beweisen? Und wer würde ihnen schon glauben? Hilfe dürfen sie von niemandem erwarten, im Gegenteil, strafen würde man sie für ihr eigenmächtiges Handeln oder fortschicken in vermeintliche Sicherheit. Sie aber spüren, dass sie am Königshof bleiben müssen, denn sonst wird es niemanden mehr geben, der sich dieser Macht entgegenstellen kann. So sind sie gezwungen, ihre eigene Familie zu hintergehen und allein den Kampf gegen den Feind aufzunehmen. Sehr bald entwickelt sich das zu einem Wettlauf auf Leben und Tod. Werden sie ihre Familie, ihr ganzes Reich retten können?
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum12. Juli 2012
ISBN9783844226584
Trägerin des Lichts - Erwachen
Autor

Lydie Man

Autorin seit 2005 In meinem ersten Leben habe ich Betriebswirtschaft studiert und viele Jahre als Analystin und Referentin in einem Hamburger Industrieunternehmen gearbeitet. Dann entdeckte ich meine Leidenschaft fürs Schreiben. Die Saga um die Königskinder von Morann und ein begonnenes neues Projekt sind die Folge und das Vergnügen daraus. Mögen es viele Leser teilen :)

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    Buchvorschau

    Trägerin des Lichts - Erwachen - Lydie Man

    Eine Reise endet – eine andere beginnt

    <=

    Endlich tat sich etwas. Jeldrik spähte über den breiten Rücken ihres Führers und sah etwas in der gleißenden Sonne aufblitzen. Seit Wochen hatten sie nach dem Aufstieg auf die Hochebene Moranns nichts anderes gesehen als Steppe, Steppe und nochmals Steppe. Keinen Baum, ja, kaum einen Strauch, keinen Fluss, einfach nur ein großes, weites Nichts.

    Jeldrik wischte sich mit dem Tuch, das er zum Schutz gegen die gleißende Sonne und den Staub trug, die Augen aus und versuchte, mehr zu erkennen. Aber das blitzende Etwas war schon wieder in der allgegenwärtigen Staubwolke verschwunden, die ihren Tross begleitete. Der Staub war einfach überall, in ihren Haaren, der Kleidung, zwischen ihren Zähnen. Langsam begann er ihn zu hassen und sehnte sich nichts sehnlicher herbei als Wasser zum Waschen, aber dies war streng rationiert. Sie hatten eine Menge Packpferde dabei, die allein dieses kostbare Gut trugen, denn die Wasserstellen unterwegs waren rar. Er seufzte und biss sich auf die Zunge, wollte er doch seinen Vater nicht schon wieder fragen, wann sie endlich ankommen würden, und sich damit zum Gespött der anderen Männer machen.

    Sie waren auf dem Weg zu König Aietan von Morann, durch dessen karges Land sie seit Wochen ritten und von dessen Führer und Soldaten sie seitdem begleitet wurden. Oder bewacht? Das vermochte er nicht wirklich zu ergründen. Sämtliche Siedlungen und Städte auf dem Weg hatten sie ausgelassen, allenfalls an Wasserstellen in der Nähe gerastet. Es schien, als wollte man nicht, dass sie sich unbeaufsichtigt im Lande bewegten.

    Jeldrik wusste um den oberflächlichen Zweck dieser Reise. Sein Vater, Fürst Roar von Saran, wollte mit dem König ein Handelsabkommen schließen. Sie führten ein noch wertvolleres Gut als das Wasser mit sich, so wertvoll, dass sie seit Ankunft ihres Führers auf Befehl seines Vaters nicht mehr darüber sprachen. Aber Jeldrik vermutete – auch wenn ihm niemand etwas sagte – dass diese Reise noch einen anderen Grund hatte, denn sie hatten einen hochrangigen Begleiter. Meister Anwyll von Temora war es, der Hohepriester der Völker des Westens. Dass er in seinem hohen Alter noch einmal auf eine derart weite Reise ging, konnte nur einen gewichtigen Grund haben.

    Jeldrik hatte sehr schnell seine Scheu vor Anwyll verloren, seit er herausgefunden hatte, dass er von dem weisen alten Mann eine Menge lernen konnte. Dieser beantwortete geduldig und mit viel Humor seine vielen Fragen, anders als die Männer seines Vaters, die manchmal schon entnervt die Augen verdrehten und abwinkten. Nur nach diesem einen, besonderen Grund wagte Jeldrik nicht zu fragen, vielleicht, weil sein Vater auch im Vorfelde nicht darüber gesprochen hatte. Ein Geheimnis lag über dieser Reise, und nach der manchmal sehr in sich gekehrten Miene des alten Priesters zu urteilen, ein sehr gefährliches noch dazu. Was das wohl sein mochte? Jeldrik hatte jedenfalls beschlossen, Augen und Ohren offenzuhalten, um alles zu erfahren, worüber die Erwachsenen so hartnäckig schwiegen.

    Plötzlich begann seine Stute zu scheuen, und auch die anderen Pferde wurden nervös. „Schscht, Jerika, was ist denn?" Er zog die Zügel etwas straffer. Da hörte er es auch: Ein vielfaches Glöckchengebimmel erklang vor ihnen, gleich darauf tauchte aus dem Staub eine Schaf- und Ziegenherde auf. Sie wurde von Kindern begleitet, die bei ihrem Erscheinen erschrocken stehen blieben. Mit großen Augen starrten sie die Fremden an. Jeldrik fiel auf, dass sie dunkel waren, Haare, Augen und die Haut braun gebrannt, so wie ihre Führer auch.

    „Buh!", machte einer der Männer hinter ihm. Die Kinder schraken zusammen und stoben davon. Die Männer lachten.

    „Och schade!", sagte Jeldrik mit Bedauern, doch er sagte es nicht allzu laut. Gerne hätte er sie noch weiter betrachtet oder gar mit ihnen geredet. Sein Vater, der mit Anwyll vor ihm ritt, drehte sich um und erteilte den Männern eine scharfe, geknurrte Rüge. Sie wollten den Bewohnern dieses Landes keine Angst machen. Er hatte den Männern strenge Regeln auferlegt, und dies wirkte auch jetzt. Das Lachen verstummte augenblicklich und sie ritten schweigend weiter die Straße entlang.

    Kurz darauf sahen sie, wohin die Kinder verschwunden waren. Vor ihnen öffnete sich eine breite, flache Senke in der Steppe. Darin musste sich ein See befinden, auch wenn sie kein Wasser sahen, dafür aber eine große Menge Schilf. Um ihn herum waren ausgedehnte Felder angelegt und – einer der Männer entdeckte ihn zuerst - es gab einen von niedrigen Bäumen und Gebüsch bestandenen Zufluss. Dies war das erste fließende Gewässer, das sie seit Langem zu sehen bekamen. Gleich daneben befand sich eine Siedlung, aber leider auf der anderen Seite des Sees, sodass nicht viel zu erkennen war, außer noch mehr Felder und Bewässerungsgräben.

    Jeldrik sog den Anblick des Wassers in sich auf und bedauerte, dass sie an dem See vorbeiritten. „Vater, können wir nicht .." Er verrenkte den Hals in Richtung der Siedlung.

    „Hab Geduld, die Stadt ist nicht mehr weit." Roar schmunzelte heimlich in seinen Bart, als er sich wieder nach vorne wandte. Er wusste genau, was sein Junge wollte, und er konnte es ihm nicht verdenken. Seine erste große Reise – da wollte er so viel sehen und erleben, wie es nur möglich war. Aber bald würden sie am Ziel sein: Gilda, Handelsstadt und Lebensader mit den einzigen größeren Quellen in der weiten Steppe des Landes. Der Sitz des Königs von Morann.

    Der Führer drehte sich zu ihm um. „Fürst, gleich kommt sie in Sicht."

    Roar winkte Jeldrik neben sich und fing einen amüsierten Blick von Anwyll auf. Er wollte es nicht zugeben, aber auch er war gespannt. Viele Legenden rankten sich um diese Stadt, von ihren Reichtümern und Bauten, ausgeschmückt auch von den Händlern ihres Volkes, die bereits hier gewesen waren. Nun würden sie selbst erfahren, was der Wahrheit entsprach und was nicht.

    Sie ritten aus der Senke heraus, immer begleitet von dem grün bewachsenen Rinnsal des Zuflusses, erklommen eine Anhöhe und da lag sie endlich vor ihnen.

    Wie auf Kommando hielten die Männer an.

    „Seht euch das an!"

    „Bei den Göttern!" So tönte es aus ihren Mündern.

    Jeldrik blieb der Selbige nur offen stehen. Zu mehr brachte er es nicht, so gebannt war er von dem Anblick, und dabei war die Stadt noch weit entfernt. Erst als ein Windstoß ihm einen Schwall Staub in den Mund schickte, wurde ihm bewusst, dass er ein wahrhaft kindisches Verhalten an den Tag legte. Hastig presste er die Lippen zusammen und versuchte, eine unbewegte und, wie er hoffte, erwachsene Miene zu machen.

    „Das ist ein Anblick, den man wahrlich nicht alle Tage zu sehen bekommt", sagte Anwyll. Niemand erwiderte etwas. Dies würden sie alle bis an ihr Lebensende nicht vergessen.

    Alle zugleich setzten sie sich wieder in Bewegung. Nun schälten sich immer mehr Details heraus. Jeldrik schaute auf die Stadt und wusste gar nicht, was er als Erstes benennen sollte. Alles stürmte auf ihn ein, die wehrhaften Mauern, die hellen, gleißenden Häuser und darüber auf einem hohen, steil zur Stadt hin abfallenden Tafelberg thronend, die riesige Festung. „Das höchste Gebäude ganz oben in der Mitte, Meister Anwyll, ist das die Halle des Königs?", fragte er und lenkte seine Stute um seinen Vater herum an Anwylls Seite.

    „Ja, das ist sie", antwortete Anwyll.

    „Und oben drauf, dieses runde .." Jeldrik suchte das gildaische Wort dafür und fand keines.

    „Kuppel, mein Junge." Die Stille hinter ihnen verriet ihm, dass auch die Männer seinen Worten lauschten.

    „Eine Kuppel .. So eine Riesige hatte Jeldrik noch nie gesehen. „Aber warum ist sie so merkwürdig verfärbt?, wunderte er sich.

    Auch darauf hatte Anwyll eine Antwort: „Denk doch einmal daran, wofür ist Gilda berühmt?"

    „Natürlich, für sein Kupfer und seine Bronze! Dann ist die Kuppel damit beschlagen? Sie hat sich mit der Zeit verfärbt? Jeldrik schüttelte ungläubig den Kopf angesichts dieser Möglichkeit. Was für eine Verschwendung! Seine Augen suchten weiter den Berg ab. „Seht nur, sie haben zwei, nein, drei Stadtmauern, rief er. Eine außen um die Stadt herum, eine oben um die Festung und die Mittlere hätte er fast nicht gesehen. Sie ragte ganz knapp am Fuße des Berges über das Häusermeer hinaus und schützte den Zugang zur Festung.

    „Das nenne ich wahrhaft mächtige Mauern", sagte einer der Männer hinter ihm. Jeldrik pflichtete ihm im Stillen bei. Sie schienen ihm unüberwindlich zu sein, besonders mit dem tiefen Wehrgraben vor der äußersten Mauer.

    „Ihr wisst ja, dass mein ehemaliger Schüler Thorald seit mehr als zehn Jahren hier liebt. Er hat mir geschrieben, dass die Gebäude, die innerhalb der mittleren Mauer an der Straße den Berg hinauf liegen, ebenfalls zur Festung gehören. Die eigentliche Stadt beginnt erst außerhalb davon", erklärte Meister Anwyll.

    Roar hörte mit unbeweglichem Gesicht zu. Er war dabei, die strategische Anlage der Stadt in Augenschein zu nehmen. „Wisst Ihr, ob diese Gebäude das Heer beherbergen?" Sie schienen ihm groß genug, das gildaische Heer aufzunehmen, das bewundert und gefürchtet zugleich in allen Ländern diesseits des großen Meeres war.

    Anwyll runzelte die Stirn und kramte in seinem Gedächtnis. „Ich meine ja, aber sicher bin ich mir nicht. Schließlich hat Thorald es mir ganz am Anfang seiner Zeit hier beschrieben. Mein Gedächtnis ist nicht mehr das Beste", sagte er mit einem übertriebenen Seufzer in Jeldriks Richtung.

    Der Junge ging prompt darauf ein: „Aber Ihr behaltet doch wirklich alles!" Es war für ihn keine Frage.

    Roar schnaubte nur und rollte mit den Augen, und Anwyll lachte. „Ich danke dir, mein Junge, aber kein Mensch weiß alles. Aber über eines bin ich mir gewiss: Das Gebäude dort auf halber Höhe des Berges mit dem runden Turm beherbergt das Haus des Wissens. Dort wohnt und lehrt Thorald. Er unterrichtet die Söhne des Königs."

    Jeldrik folgte seinem Blick. Ohne sich bewusst zu sein, dass er damit erneut sein fast noch kindliches Staunen verriet, rief er: „Oh seht nur, auf der anderen Seite der Straße! Dort ist es alles ganz grün, und es gibt sogar Bäume!" Jetzt hatten es auch die Männer entdeckt. Sie waren schon ziemlich nahe an die Stadt herangekommen.

    „Das sind die hängenden Gärten der Häuser der heiligen Asklepia. Siehst du an der Bergflanke den Wasserfall? Deswegen ist es so grün."

    Jeldrik hätte sich am liebsten sofort darunter gestellt, so sehr lechzte ihm nach einem Bad. „Was sind das für Häuser? Diesen Namen habe ich noch nie gehört."

    Anwyll sah aus den Augenwinkeln, dass Roar sich langsam von ihnen absetzte. Der Junge fragte wirklich eine Menge. „Es sind Heilerinnen."

    „So etwas wie Eure Priestergemeinschaft in Temora?"

    „Nein, nicht ganz. Es sind nur Heilerinnen, keine Priesterinnen. So etwas wie Priester kennen die Gildaer gar nicht, das Wort gibt es in ihrer Sprache nicht. Dieses Amt haben die Mönche des Einen Tempels inne", sagte Anwyll ernst.

    „Wie, nur einen Tempel für all die Menschen?" Das konnte sich Jeldrik kaum vorstellen.

    „Nein, nein, Anwyll lachte, „nicht ein Gebäude, es gibt viele Heiligtümer in der Stadt. Er heißt einfach so, so wie sich die Gemeinschaft Temoras einfach die Gemeinschaft nennt. Das dort oben ist ihr wichtigstes Heiligtum. Der Tempel des Einen Herrn Urian.

    „Oh ja, sie kennen nur einen Gott." Es klang etwas verächtlich, wie Roar dies hinter ihnen knurrte, gerade so laut, dass der Führer es nicht hörte.

    „Trotzdem sind die Gildaer sehr gläubige Menschen, Roar", mahnte Anwyll ebenso leise.

    Darüber musste Jeldrik erst einmal nachdenken. Seine Fragen verstummten. Aber er kam nicht mehr dazu, sich allzu sehr damit zu beschäftigen. Sie ritten erneut über eine Kuppe, und jetzt lag die Stadt in voller Ausdehnung vor ihnen.

    „Sie geht vor den Mauern noch weiter!" Jeldriks erstaunter Ausruf ging unter. Hütten, Verschläge, umzäunte Areale, eine dichte Staubwolke darüber und ein unglaublicher Lärm, der ihnen mit einem Mal entgegen schallte, verurteilten jeden Versuch einer weiteren Unterhaltung zum Scheitern. Sie beeilten sich, mit ihrem Tross dort hindurchzukommen, und strebten geradewegs auf ein mächtiges Stadttor zu.

    Nur der Staub hielt Jeldrik davon ab, den Mund offen stehen zu lassen. Erst jetzt, als sie so dicht an das Tor heran waren, dass sie hineinsehen konnten, erkannten sie die vollen Ausmaße der Mauer. Sie war so dick, dass sich mindestens fünf Männer an den Händen fassen konnten und trotzdem nicht hindurch reichten. Menschen strömten durch das Tor aus und ein, verschwanden mit ihren Lasten in dem Wirrwarr der Hütten und Verschläge. Mehr bekam Jeldrik nicht zu sehen. Ihr Führer hielt vor einer Gruppe von Leuten an, die Jeldrik erst jetzt wahrnahm, so sehr hatte die Stadt ihn in seinen Bann geschlagen.

    Sie wurden von einer Abordnung erwartet. Sein Vater und Anwyll saßen ab und auch Jeldrik wollte sich anschicken ihnen zu folgen, aber er blieb völlig verblüfft sitzen. Eine Reihe Sänften waren aufgestellt, doch das war nicht das, was ihn so erstaunte, sondern der Mann, der sich vor den beiden verbeugte.

    „Im Namen König Aietans von Gilda heiße ich Euch willkommen, sagte dieser in fließendem Temorisch. „Ich bin der Herold des Königs und stehe zu Eurer Verfügung.

    Roar erwiderte den Gruß, warf jedoch einen strengen Blick hinter sich, denn von seinen Männern erklang leises Gebrumm. Es verstummte sofort. Jeldrik musste sich sehr anstrengen, beim Anblick des Herolds nicht loszulachen, und die regungslosen Mienen der Männer sagten ihm, dass es ihnen ähnlich erging. Sie amüsierten sich köstlich.

    Der Herold bemerkte davon nichts. „Seine Hoheit, König Aietan, lädt Euch und Eure Berater zu sich in den Palast. Dort soll alles zu Eurer Zufriedenheit bereitet sein. Doch erst einmal .." Er bedeutete zwei Dienern vorzutreten. Der eine trug eine große Schale, in die der andere aus einer Amphore frisches, klares Wasser füllte. So verheißungsvoll plätscherte es, dass alle wie auf Kommando absaßen, doch als der zweite Diener ein Tuch über die ausgestreckten Arme des ersten breitete und dieser mit einer Verbeugung auf Roar zu trat, wurde ihnen klar, dass dieses Wasser nicht zum Trinken gedacht war.

    Mit leisem Bedauern zerstörte Roar die glatte, saubere Wasseroberfläche, verstand jedoch, dass dies offensichtlich zur gildaischen Gastfreundschaft dazugehörte. In aller Ruhe wusch er sich Hände und Gesicht. Dann nahm er dem Diener die Schale aus der Hand und hielt sie seinen Männern hin. Damit war der Rangfolge Genüge getan. Alle drängten sich begeistert vor, wuschen sich und spülten sich den Staub aus Augen, Mund und Nase. Jeldrik wollte es ihnen gleichtun, da spürte er eine Hand auf seinem Arm. Anwyll schüttelte warnend den Kopf und nickte zu dem Herold und seinen zwei Dienern hinüber. Diese sahen dem Treiben der Saraner mit offenen Mündern, der Herold sogar mit kaum verhohlener Verachtung zu. Jeldrik blickte zu der wartend gehaltenen Amphore, und plötzlich begriff er. Als sein Vater zu ihm kam, nahm er die Schale an sich und brachte sie mit einem entschuldigenden Lächeln zu den Dienern zurück. Diese erwachten aus ihrer Starre, spülten die Schale gründlich aus und befüllten sie neu. So kamen erst Anwyll und dann Jeldrik in den vollen Genuss des frischen Wassers, und als Jeldrik abschließend dem Herold mit einer leichten Verbeugung dankte, trug es ihm ein huldvolles Nicken des Mannes ein.

    „Nun denn, wenn Ihr mir folgen würdet?" Der Herold deutete auf die bereitstehenden Sänften.

    „Unser Gepäck können die Pferde weiterhin tragen, wir danken Euch", erwiderte Roar und wollte sich wieder auf sein Pferd schwingen, froh darüber, dass sie dank Jeldrik noch einmal um diesen gastlichen Fallstrick herumgekommen waren.

    „Verzeiht, Fürst, ich habe mich wohl etwas unglücklich ausgedrückt. Die Sänften sind für Euch." Der Herold stand stocksteif, als er das sagte.

    „Ich soll mich tragen lassen!?", grollte einer der Männer entrüstet.

    Ihr Führer griff beschwichtigend ein: „Fürst, in der Stadt sind keine Tiere gestattet. Für Eure Pferde ist ein Lager am Fluss bereitet, es wird ihnen dort an nichts fehlen."

    Roar sah sich schon zum zweiten Mal vor einem Dilemma, und dabei waren sie noch nicht einmal in der Stadt. Das fing ja gut an! Man erwies ihnen alle Ehrerbietung, aber ein Saraner, der sich tragen ließ .. besser, er sorgte gleich für klare Verhältnisse.

    „Die Männer meines Volkes lassen sich nur dreimal im Leben tragen, dröhnte seine Stimme, „in die Wiege, vom Schlachtfeld und vom Totenbett. Habt Dank für die Ehre, die Ihr uns erweisen wollt, aber wir schreiten lieber zu Fuß. Erweist uns stattdessen den Dienst, Euch unseres Gepäckes anzunehmen.

    Den Herold wunderte bei diesen Gästen nichts mehr. Er verneigte sich knapp. „Wie Ihr wünscht."

    Roar machte sich daran, seine Männer einzuteilen. Nur die engsten Vertrauten würden ihn begleiten, alle anderen sollten im Lager am Fluss bleiben, teilte er dem Herold mit.

    Jeldrik zupfte unterdessen Anwyll am Ärmel. „Meister Anwyll, was .." Er deutete auf die den Herold und die Träger, die das Gepäck verluden.

    „Das nennt man eine Tunika. Es ist das Kleid des gildaischen Mannes, erwiderte Anwyll. „Du kannst davon ausgehen, dass unsere Begleiter unter ihren Umhängen und Tüchern Ähnliches tragen. Lass dich davon nicht täuschen, auch wenn sie fast so lang sind wie die Kleider unserer Frauen. Jeldrik setzte zur nächsten Frage an, aber der alte Mann schüttelte warnend den Kopf. Jeldrik verstand und fragte nicht weiter.

    „Roar, noch ein Wort zu Euch und Euren Männern, rief Anwyll sie zusammen. Ihm machte die zunehmend ablehnende Haltung des Herolds Sorgen. Sich vergewissernd, dass dieser in hörbarer Entfernung war und es auch mitbekam, sah er alle eindringlich an. „Die Sitten und Gebräuche dieses Volkes sind den unseren sehr fremd, wie Ihr bereits gesehen habt. Seid jedoch versichert, die Gildaer sind – trotz ihrer .. ungewöhnlichen Kleidung, die Männer lachten leise, „ebenso furchtlose Kämpfer wie Ihr. Wenn Ihr durch die Stadt geht, tut es zügig und lasst Euch nicht durch Blicke beleidigen. Sie sind zwar ein Händlervolk, aber den Anblick saranischer Krieger nicht gewöhnt. Und noch eines – richtet niemals unaufgefordert das Wort an ihre Frauen, starrt sie auch nicht an. Es wäre ein ernsthafter Verstoß gegen ihre Sitten."

    Die Männer nickten knapp auf die Worte ihres geistigen Oberhauptes. Sein Wort war Gesetz. Anwyll drehte sich um und machte dem Herold eine auffordernde Handbewegung, sie zu führen.

    Jeldriks Ungeduld, endlich in die Stadt zu kommen, stieg ins Unermessliche. Nur widerwillig reihte er sich neben seinem Vater ein, der ihm als Anerkennung für sein Eingreifen kurz auf die Schulter klopfte und dadurch eine neue Staubwolke erzeugte, die alle vorhergehenden Waschversuche zunichtemachte. Sie tauschten ein Grinsen und folgten dem Herold, der ihnen voraus durch das Stadttor schritt. Die Wachen standen alle auf einen Schlag stramm vor den Gästen des Königs, Lanzen und Schilde knallten auf den Boden, dass es nur so in den Tiefen des Tores widerhallte. Jeldrik wunderte sich, dass sie keine Schwerter trugen. Die Rüstung jedoch war auch nicht viel anders, als er sie kannte – bis auf jenes Kleidungsstück, das sie alle so sehr erheiterte.

    Sie traten durch das Stadttor. Vor ihnen erstreckte sich eine Straße, gepflastert und schnurgerade ansteigend bis zu einem weiteren mächtigen Tor in der mittleren Stadtmauer. Hohe Häuser säumten sie dicht an dicht. Jeldrik staunte über die Fassaden. Sie waren alle aus Stein und hell verputzt. Daher also das Strahlen, das sie schon von Weitem gesehen hatten. Ansonsten fand er die Häuser sehr merkwürdig. Kein Fenster, ja kaum einen Schlitz nach außen gab es, zumindest nicht im unteren Stockwerk. Die Häuser sahen aus wie kleine Festungen. Lebten sie so abgeschottet? Oder hatten sie Angst, bestohlen zu werden? Die mächtigen, sehr kunstvoll beschlagenen und verzierten Eingangstore sprachen dafür.

    Er legte den Kopf in den Nacken und versuchte, einen Blick auf die oberen Stockwerke zu erhaschen, vergebens. Sie waren so zurückgesetzt, dass man von unten keinen Einblick hatte. Lediglich einen Teil der Dächer konnte er sehen, und er wäre beinahe stehen geblieben, spürte aber gerade noch rechtzeitig die nachrückenden Männer hinter sich. „Seht nur, Meister Anwyll, sogar die Dächer sind aus Stein." Niedrig waren sie, teils mit einer kleinen Kuppel, teils flach.

    „Und, kannst du dir vorstellen, warum das so ist?", brummte Roar über seine Schulter.

    Jeldrik brauchte nicht lange nachzudenken. Er rief sich die baumlose Steppe in Erinnerung. „Sie haben kein Holz."

    „So ist es. Erinnere dich daran, unser Volk verdient eine Menge Gold damit, ihnen dieses rare Gut zu liefern."

    „Wie könnte ich das vergessen, Vater, erwiderte Jeldrik ergeben. „Aber seht doch, ihre Tore sind aber trotzdem aus Holz, rief er aus, als er sich an eines etwas näher heranwagte. Er fand es merkwürdig, aber er bewunderte die vielen Farben und Formen und die wertvollen bronzenen Beschläge. Manche der Tore standen auch offen. Wenn er weit und lange genug den Kopf verdrehte, konnte er einen Blick auf prächtige Innenhöfe mit allerlei Ständen und Waren erhaschen. Wie gerne hätte er dort gestöbert! Doch es ging ohne Halt weiter.

    Rasch wandte er wieder seinem Vater seine ganze Aufmerksamkeit zu, der ihm gerade zuraunte: „Sieh nur genau hin, Sohn. Du kannst davon ausgehen, dass hier, an der Hauptstraße der Stadt, nur die reichsten Gildaer wohnen. Wie die Häuser der ärmeren Bewohner aussehen, das wirst du wohl erst in den nächsten Tagen erfahren. Vielleicht die Gelegenheit, mancherlei zu erfragen, hmm?"

    Jeldrik grinste in sich hinein, sehr zufrieden auf einmal. Damit gab sein Vater ihm indirekt die Erlaubnis, durch die Stadt zu streifen. Er riss sich von den Häusern los und wandte sich den Menschen zu. Nein, arm sahen die Gildaer wirklich nicht aus. Jeldrik sah feine Stoffe in allen möglichen Farben und Verarbeitungen, selbst die einfacheren Träger wirkten wohlgenährt und gut gekleidet.

    Die Gildaer waren kleiner als sie. Auch er mit seinen noch nicht einmal vierzehn Jahren überragte die meisten bereits um Haupteslänge. Sein Vater und dessen Männer mussten ihnen wie Riesen vorkommen. Hatte auf der Straße eben noch ein Gewühl aus Menschen, Karren, Sänften und Trägern geherrscht, so leerte sie sich bei ihrem Erscheinen merklich. Dafür erspähte er plötzlich in den Gassen und an allen Ecken schattenhafte Gestalten. Die waren doch eben noch nicht dort gewesen? Unauffällig rückte Jeldrik näher an seinen Vater heran. Es war ihm irgendwie unheimlich. Sein Verdacht, sie wurden überwacht, bekam neue Nahrung und verdarb ihm ein wenig die Freude beim Anblick der Stadt.

    Der Herold schien dies zu bestätigen. Er schritt derart zügig aus, als wolle er die Stadt möglichst schnell hinter sich lassen. Ein Mann in einer schwarzen Kutte starrte sie an, schlug hastig ein Zeichen mit seiner rechten Hand und verschwand eilig in einer Gasse. Frauen zogen ihre Kinder beiseite, wenn keine Gasse in der Nähe war. Jeldrik fiel auf, dass alle Frauen ihr Haar mit großen, hüftlangen Tüchern bedeckt hatten und diese sogar anhoben, um ihr Gesicht darin zu verbergen. Er nahm sich zusammen und versuchte, sie nicht allzu offen anzustarren. Er fand sie schön – klein und zierlich, mit glutvollen Augen. Ein Blick hinter sich sagte ihm, dass auch die Männer seines Vaters sichtlich Mühe hatten, ihnen nicht doch hinterherzustarren, aber Anwylls Worte zeigten Wirkung. Sie beherrschten sich.

    Sie ließen die Stadt hinter sich. Wieder standen die Wachen stramm. Jetzt zeigte sich, dass Roar richtig mit seiner Vermutung lag: Das große Gebäude auf der rechten Straßenseite hinter dem Tor war eine Kaserne, denn es strömten Soldaten aus und ein. Im Gegensatz zu den Bewohnern schienen sie sich nicht an den Fremden zu stören, sondern gingen ohne zu Zögern ihrem Tagewerk nach. Ihre Ankunft schien sich hier bereits herumgesprochen zu haben.

    In dem Gebäude auf der linken Seite – Jeldrik blieb abrupt stehen, sodass die Männer auf ihn aufliefen – kämpften Jungen in einem großen Innenhof. Sie waren jeden Alters, von etwa zehn Jahren bis ins Erwachsenenalter, soweit er dies auf die Schnelle beurteilen konnte. Er wäre am liebsten hinzugetreten, aber sein Vater zog ihn mit festem Griff weiter. Der Innenhof entschwand seinem Blick, so sehr er auch den Kopf verdrehte.

    Jetzt ging es steil bergauf. In vielen Serpentinen wand sich die Straße den Fels hinauf, immer noch gepflastert und durch eine halbhohe Mauer begrenzt. Jetzt musste der Herold doch etwas langsamer werden, denn Anwyll geriet schell außer Atem. So hatte Jeldrik mehr Zeit, die Dinge um sich herum zu betrachten. Das Haus des Wissens auf halber Höhe ließen sie ohne Halt hinter sich, obwohl es jetzt Anwyll war, der suchend den Kopf wandte, doch das Tor neben dem trutzig wirkenden Turm war verschlossen. Dafür hörten sie aus der Ferne das Plätschern des Wasserfalls und wurden daran erinnert, wie sehr sie sich nach Wasser sehnten. Der Herold führte sie zügig weiter, sie durchschritten das Festungstor, aber Jeldrik scherte aus ihrer Reihe aus und wandte sich noch einmal zur Stadt um. Der Ausblick war atemberaubend. Unter ihm erstreckte sich das Meer der Häuser, dahinter die endlose Steppe. Wie musste es erst von der Mauer oder von einem der vielen Türme aussehen, welche die obere Mauer krönten?

    „Jeldrik! Komm jetzt!" Der barsche Ruf seines Vaters holte ihn aus seiner Versunkenheit. Er beeilte sich, hinter den Männern herzukommen. Als er sie einholte, wäre er fast wieder stehen geblieben. Vor ihnen öffnete sich ein großer, weiter Platz, der sich auf die große Halle zu verjüngte. Wie sie so dicht davor standen, wirkte die Halle einfach nur riesig. Wie mochte es erst von innen sein?

    Aber auch linker Hand wartete ein nicht minder beeindruckendes Gebäude. Die hohen schlanken Doppeltürme glänzten im Sonnenlicht. Sie waren doch tatsächlich mit Gold verkleidet. Jeldrik musste die Augen zusammenkneifen, so sehr gleißten sie im Sonnenlicht.

    „Ah, dies ist ihr wichtigstes Heiligtum. Der Eine Tempel und Sitz ihres obersten Mönches, Seiner Exzellenz Nusair", raunte Anwyll ihm zu, bevor er zu einer Frage ansetzen konnte.

    Auch die Kuppel der großen Halle blendete sie, aber anders. „Meister Anwyll, was ist das dort an der Kuppel?"

    Der alte Mann war sich nicht sicher. Sie taten ein paar Schritte, bis die Sonne nicht mehr so reflektiert wurde. „Oh, das ist Glas, in die Mauer eingelassene Glassteine. Das ist auch etwas, was nur die Gildaer herzustellen vermögen. Es ist sehr kostbar."

    Beeindruckt drehte sich Jeldrik um die eigene Achse. Doch dann beschlich ihn auf einmal ein ungutes Gefühl. Er hielt inne.

    „Was hast du?" Anwyll wandte sich fragend zu ihm um.

    Auch Roar bemerkte, dass sein Junge auf einmal merkwürdig wachsam wirkte. „Jeldrik?"

    Dieser konnte es selbst nicht beschreiben. „Etwas ist hier merkwürdig .. Er sah sich suchend um. Was war es nur? Plötzlich durchzuckte ihn die Erkenntnis. Er dachte an das stete Kommen und Gehen in seinem Zuhause, von Menschen, Sklaven und Boten, und fand diesen Ort einfach verlassen. Er war wie tot. „Wo sind denn all die Menschen?

    Jetzt fiel es auch Roars Männern auf, dass der Platz völlig leer war. Es war nicht lebendig, nicht wie in der Stadt. So viel Jeldrik manchmal auch fragte, er hatte ein untrügliches Gespür für die Dinge um sich herum, wie sich jetzt einmal mehr zeigte.

    Roar konnte es genauer benennen: Wenn dies der wichtigste Ort des gildaischen Volkes war, warum lag er verlassen? Fürchteten sie den Anblick der Fremden so, dass sie ihn geräumt hatten? Sie konnten sich keinen Reim darauf machen. „Gehen wir", sagte er auf Temorisch, damit es auch der Herold verstand.

    „Folgt mir bitte." Der Herold schritt weiter. Er führte sie zu einem kleineren Tor rechts neben der großen Halle, durch das man in die eigentlichen Gebäude des Palastes zu gelangen schien. Gleich darauf standen sie in der kühlen Dämmerung eines kleinen Durchganges.

    „Hier entlang." Der Herold wandte sich einen kurzen, mit Fackeln beleuchteten Gang hinunter. Seine Stimme und ihre Schritte hallten an den Wänden wider.

    Jeldrik legte den Kopf in den Nacken. Die Decke war hoch, mindestens fünf Mannhöhen, schätzte er. Im Vorbeigehen fuhr er mit der Hand über die Oberfläche einer Säule. An der Kühle erkannte er es sofort. „Marmor", flüsterte er Anwyll zu, der mit einem Nicken antwortete. So wie die Statue, die sein Vater zu Hause hatte, aber wie viel mehr war es hier! Allein um die vielen verschiedenen Farben des Bodens zu erfassen, hätte er sich am liebsten an Ort und Stelle niedergelassen. Obwohl – dafür brauchte er hier wohl eine warme Decke. Es war kühl, angenehm nach der Hitze des Tages, aber er mochte sich nicht vorstellen, wie es hier nachts oder gar im Winter war. Fast wie in einer Höhle und völlig verlassen. Wieder beschlich ihn dieses merkwürdige Gefühl, und er erschauderte.

    Sie durchschritten einen mit einem wunderbar plätschernden Brunnen und grünen Pflanzen ausgestatteten Innenhof. Ginge es nach Jeldrik, er wäre hiergeblieben, doch der Herold durchquerte den Innenhof ebenso zügig wie alles andere und öffnete eine doppelflügelige Tür am anderen Ende. Er verbeugte sich. „Dies ist der Gästetrakt. Es ist alles zu Eurer Zufriedenheit bereitet." Er wies auf die nächste Tür, hinter der sie eine lang gestreckte Tafel mit allerlei Speisen und Getränken erkennen konnten. Die Männer brachen in anerkennendes Gemurmel aus. Roar dankte ihm.

    „Bei Sonnenuntergang empfängt Euch Seine Majestät in der großen Halle. Wir werden Euch zu ihm geleiten." Mit einer Verbeugung schloss der Herold die Tür.

    „Was dann wohl heißt, wir dürfen uns nicht frei bewegen", knurrte Roar ihm durch die geschlossene Tür hinterher. Er wechselte einen ernsten Blick mit Anwyll, der nur die Augenbrauen hochzog.

    Die Männer schien es indes nicht zu stören. Hungrig machten sie sich über die köstlichen Speisen her, ließen sich Pasteten, Fleisch und das wunderbar knusprige Brot schmecken. Nachdem der erste Hunger und Durst gestillt war, nahmen sie ihre mit zahlreichen Kissen und Decken verschwenderisch ausgestatteten Schlafkammern in Augenschein. Jeldrik mochte sich nicht in seiner staubigen Kleidung auf das Bett werfen und ließ sein Gepäck neben der Tür liegen, weit entfernt von den kostbaren Teppichen.

    „Männer, seht euch das an!" Ein Ruf schallte durch den Gang. Jeldrik beeilte sich, zu der Tür zu gelangen, vor der sich die anderen drängten.

    „Die Götter haben ein Einsehen mit uns!", rief jemand.

    „Wohl eher der König von Gilda!" Die Männer lachten.

    „Lasst mich durch! Jeldrik drängte sich zwischen sie. „Was ist .. oohhh! Er blieb mit großen Augen stehen. Vor ihm öffnete sich ein weiter Raum. Bunte Steine leuchteten ihm entgegen und in der Mitte .. „Ist das .. ein Bad?" Jeldrik deutete auf das große flache Becken voller Wasser.

    „Oh ja! Sichtlich zufrieden steckte Anwyll seine Hand ins Wasser. „Es ist sogar warmes Wasser. Nun, die Zeit bis zu dem Empfang wird uns nicht lang werden. Er richtete sich wieder auf. „Worauf wartet Ihr noch? Ich lasse Euch gerne den Vortritt." Das ließen sich die Männer nicht zweimal sagen.

    „Pst, mach schnell! Die Luft ist rein, niemand zu sehen. Althea zog ihren Cousin Phelan rasch durch das Tor zum Haus des Wissens. „Hast du die Sachen? Warum hat das so lange gedauert?

    „Ich musste mich verstecken, irgend so eine Abordnung ist die Straße heraufgekommen. Phelan hielt triumphierend ein Bündel hoch. „Keiner hat mich gesehen. Hast du die Schere? Althea nickte und zerrte ihn mit sich.

    Hätten die beiden gewusst, wer da eben vor ihrer Tür vorbeigekommen war, sie hätten gewiss ihr Vorhaben sofort aufgegeben, aber so blieben sie völlig ahnungslos. Sie liefen durch den Torgang zur ersten Säule im Innenhof.

    Phelan stemmte die dahinter verborgene Tür auf. Wieder einmal fragte er sich, wer so dumm war, eine Säule derart dicht vor eine Tür zu bauen, sodass kein Erwachsener mehr hindurchpasste. Einerlei. Sie taten es, wenn es auch mit zunehmendem Alter immer mühsamer wurde. Der dahinter liegende Raum war seit Jahren ihre geheime Kammer, ihr Rückzugsort, der Platz, wo sie Abenteuer erlebten, den sie ganz für sich hatten. Niemand außer ihnen kannte ihn, und das sollte auch so bleiben.

    Althea drängte sich an ihm vorbei. Sie begann sogleich, in einem großen Haufen bunt durcheinanderliegender Schilde, Speere, Lanzen und anderer Dinge zu wühlen. Schließlich hatte sie einen Korb gefunden, kippte die darin verwahrten Pfeile achtlos auf den Boden und setzte sich rittlings darauf.

    „Vorsicht, so schnell komme ich nicht an neue Pfeile heran!, mahnte Phelan, aber Althea überhörte es einfach. Sie war in Gedanken bereits ganz bei ihrem Vorhaben. Energisch drückte sie Phelan die schwere Schere in die Hand und beugte ihren Kopf nach vorne. „Los, mach schon!

    Er fasste zögerlich mit beiden Händen in ihr Haar. „Thea, bist du wirklich sicher?", fragte er, unsicher, ob er der langen roten Lockenpracht wirklich den Garaus machen sollte.

    „Ja! Althea presste wild entschlossen die Lippen zusammen. „Das wird Currann mir büßen! Schickt einfach irgendeinen Lehrer, um mich abzufangen, wie einen Dienstboten. Was bildet er sich eigentlich ein? Sie schnaubte immer noch vor Wut.

    Phelan verkniff sich ein Grinsen. Es war wie immer ein Erlebnis, wenn seine Cousine und sein älterer Bruder aneinandergerieten. In ihrem Temperament waren sie sich ziemlich ähnlich. „Tja, so als Thronfolger .. immerhin habt ihr eine Wette abgeschlossen, also wird er alles tun, um zu verhindern, dass du doch noch an der Reitstunde teilnimmst. Warum bist du auch einfach losgerannt? War doch klar, dass sie dich in der Heerschule entdecken und zurückschicken!"

    ‚Frag mich doch gleich!’ Althea hörte den unausgesprochenen Vorwurf wohl. Sie seufzte. „Du hast ja recht. Dein Einfall ist wirklich besser, aber mit der Jungenkleidung ist es nicht getan. Fang endlich an, sonst ist die Reitstunde noch vorbei!" Jetzt war sie wie Currann bereit, alles zu tun.

    „Also gut." Phelan packte mit einer Hand ihr Haar, mit der anderen die Schere, drückte die beiden gegenläufigen Messer zusammen und schnitt, bevor er es sich anders überlegen konnte. Nachdem die ersten Strähnen herunter waren, fiel es ihm wesentlich leichter. Nicht einmal besonders sorgfältig brauchte er vorgehen, denn die kurzen roten Locken standen wirr in alle Richtungen. Er schnitt kräftig drauflos.

    Althea rührte sich nicht. Kein Bedauern, nichts fühlte sie, außer eine wilde Entschlossenheit, ihr Ziel doch noch zu erreichen: endlich reiten zu lernen.

    „So, fertig." Phelan kämmte ihr mit den Fingern die letzten losen Strähnen heraus.

    Althea sprang auf. Sie schüttelte ihren Kopf, sodass die kurzen Locken kreuz und quer abstanden. „Es fühlt sich so leicht an!", rief sie erstaunt aus.

    „Hier, probier sie an. Die trage ich normalerweise beim Reiten."

    Phelan hielt sich nicht auf, sondern warf ihr eine Tunika zu. Als Althea schließlich samt Umhang und hochgeschlagener Kapuze vor ihm stand, betrachtete er sie abschätzend. „Dein Haar sieht man immer noch. Dann erkennen sie dich sofort. Und gewiss wird die Kapuze beim Reiten nach unten rutschen. Wir müssen die Farbe verändern. Er kaute nachdenklich an seiner Unterlippe. Da blitzte es in seinen Augen auf. „Ich weiß etwas: Asche!

    So schnell sie konnten, liefen sie über den Innenhof in den Wohntrakt des Hauses, nicht ohne jedoch vorher nach verdächtigen Geräuschen von den übrigen Bewohnern gelauscht zu haben. Sie hatten Glück, es war nach wie vor niemand zu sehen. Althea wollte in der Küche selbst zugreifen, aber Phelan hielt sie gerade noch zurück. „Nein, halt, lass mich das machen. Du bekommst deine Finger sonst nie rechtzeitig sauber!"

    Mit der Asche und etwas Wasser waren ihre Haare im Handumdrehen in eine undefinierbare, graubraune Masse verwandelt. „Jetzt ist es wirklich gut. Zufrieden betrachtete Phelan sie. „Keiner wird dir zu nahe kommen, weil alle denken, dass man sich bei dir Läuse holt. Sie tauschten ein Grinsen. „Beeile dich lieber, sonst sind sie schon fort", drängte er und schob sie hinaus in Richtung Tor.

    Doch Althea sträubte sich: „Soll ich mich nicht doch lieber über die untere Stadtmauer in die Heerschule schleichen?" Es war nur eine einfache Kletterpartie auf ihrer Gartenmauer entlang und ein kurzer Sprung hinunter, ein Leichtes für sie.

    „Bloß nicht! Phelan schüttelte entschieden den Kopf. „Wenn du vom Innern der Heerschule kommst, schöpfen sie sofort Verdacht. Nein, misch dich einfach unter die Jungen, die vor dem Tor warten, riet er und spähte durch das Tor auf die Straße. Schließlich hatte er wie alle Jungen der Stadt gelegentlich Unterricht in der Heerschule und kannte sich daher bestens aus, genauso wie sein zwei Jahre älterer Bruder Currann. Phelan freute sich jetzt schon diebisch darüber, ihm ein Schnippchen schlagen zu können.

    Nun kamen Althea doch Zweifel. „Und du bist sicher, dass Currann nicht mehr dort ist?"

    „Nein, er ist mit Heerführer Bajan irgendwo hin, keine Sorge. Nun geh schon, die Luft ist rein!" Er schob sie durch das Tor.

    Althea grinste ihm zu. „Beeile dich, dass du.."

    „Phelan!", tönte da eine strenge Stimme durch den Innenhof.

    „Oh nein, das ist Vater! Lauf zu ihm!", zischte Althea und drückte das Tor bis auf einen Spalt zu. Phelan rannte bereits. Sie lauschte mit angehaltenem Atem.

    „Wo hast du gesteckt?, hörte sie ihren Vater tadeln. „Deine Aufgaben warten noch auf dich, junger Mann .. Mehr hörte sie nicht mehr. Sie rannte los.

    Drei Stunden später kam eine triumphierende Althea die Straße hinauf. Nicht nur, dass es ihr gelungen war, unerkannt in der Menge der Jungen bis zu den königlichen Stallungen vor der Stadt zu gelangen. Nein, sie war auch als Einzige nicht einmal vom Pferd gefallen. Nie würde sie das Gefühl vergessen, wie es war, das erste Mal auf einem Pferd zu sitzen. Ihr Überschwang ließ sie alle Vorsicht vergessen. „Phelan!" Sie stürmte durch den Torgang und rannte in jemanden hinein. Leider nicht in ihren Cousin.

    Sie wurde energisch gepackt. „Althea .. bei allen Heiligen, wie siehst du denn aus?!" Lusela, die Dienstmagd ihres Vaters und der gute Geist des Hauses, meistens jedenfalls, stemmte entsetzt die Hände in ihre umfangreichen Hüften.

    Althea hätte sich ohrfeigen mögen. Warum hatte sie nur nicht daran gedacht nachzusehen, ob die Luft rein war? Ihren Fehler bekam sie sogleich zu spüren. Lusela riss ihr mit einem Ruck die Kapuze herunter. Sprachlos starrte sie auf das Mädchen herab. Dann lief ihr sonst so gutmütiges Gesicht rot an. Sie atmete heftig aus und ein, als würde sie keine Luft mehr bekommen. Althea wurde ganz klein. Lusela packte sie rüde und zerrte sie hinter sich her zu dem Turm, der das königliche Archiv beherbergte. „Was hast du mit deinen Haaren gemacht?! Nichts als Dummheiten im Kopf! Was hast du dir nur dabei gedacht?! Sieh dich nur an! Eine schöne Bescherung. Na warte, was dein Vater dazu sagen wird!"

    Althea wagte nicht zu protestieren. Jetzt würde es gewaltigen Ärger geben, und sie war selbst schuld daran. Ärgerlich verbarg sie ihre ganz und gar nicht bußfertige Miene hinter Luselas breitem Rücken, als sie im ersten Stockwerk des Turmes den Studierraum betraten.

    Dort saß ihr Vater Thorald mit Archivar Meno über wahre Berge von Pergamenten gebeugt. Beide Männer sahen auf, doch während Meno die Brauen hochzog und erstaunt seine Augengläser absetzte, wandte Thorald den Blick gleich wieder den Pergamenten zu, offensichtlich in Gedanken ganz darin versunken. „Was ist denn, Lusela?", fragte er, hörbar ungehalten über die Störung.

    Menos Gesicht verzog sich zu einem Grinsen, das von einem abstehenden Ohr zum anderen ging und sein Gesicht in tausend Lachfältchen legte. Lusela warf ihm einen erbosten Blick zu, sodass er lieber gleich wieder seine Augengläser aufsetzte und sich geschäftig über die Pergamente beugte. Mit Lusela war in diesem Zustand nicht zu spaßen, das wusste er genauso gut wie Althea.

    „Seht Euch Eure Tochter an, Meister Thorald. Seht, was sie angerichtet hat!" Anklagend schob Lusela das Mädchen nach vorne.

    Thorald seufzte, sah aber immer noch nicht auf. „Hat das nicht Zeit bis nachher? Wir sind hier gerade bei einem schwerwiegenden Problem.."

    „Problem ist das richtige Wort, jawohl!", unterbrach ihn Lusela.

    Doch Thorald war nicht gewillt, sich so schnell ablenken zu lassen. Stirnrunzelnd fuhr er mit dem Finger über die Zeilen vor sich. Althea hielt die Luft an. Würde er abbrechen? Einerseits hoffte sie nicht, aber andererseits .. doch Thorald sah nicht einmal auf. „Althea, du wirst jetzt in den Schulraum gehen. Dort wirst du mir genauestens niederschreiben, weshalb Lusela so verärgert ist und wie es dazu gekommen ist. Und vergiss nicht die einleitenden Angaben, du weißt ja.."

    Althea senkte den Kopf. „Ja, Vater", sagte sie leise. ‚Alles hat einen historischen Wert, selbst deine Aufsätze.’ Wie oft hatte sie diesen Satz schon gehört?

    Lusela begriff, dass mit ihrem Brotgeber so nichts mehr anzufangen war. Sie schnaubte und zerrte das Mädchen hinter sich her die Treppe hinunter. Menos schallendes Gelächter folgte ihnen bis in den Innenhof. „Der hat gut Lachen!, schimpfte sie. Kurzerhand schob sie Althea durch die nächste Tür. „Los, hinauf in den Schulraum. Und dass du mir ja nicht herunterkommst, bevor ich dich hole!

    Althea floh geradezu. Gedrückt lief sie die Treppe hinauf in den ersten Stock des Hauses, wo der Schulraum lag, und ließ sich auf ihren Platz fallen.

    Pergament, Rohrfeder und Tinte lagen wie immer bereit. Mutlos spitzte sie die Feder. So wie heute war es in letzter Zeit häufig. Ihr Vater verbrachte außerhalb des Unterrichts kaum noch Zeit mit ihr, ja, er nahm sie manchmal nicht einmal mehr wahr. Ständig saß er mit Meno, dem Heerführer Fürst Bajan und ihrer Tante, Königin Naluri, zusammen und besprach irgendwelche Neuigkeiten aus dem hohen Norden. Aus ihren Mienen war zu schließen, dass dort ernste Dinge vor sich gehen mussten. Die übrige Zeit war er mit seinen Studien und ihrem Unterricht beschäftigt. Hier bekam Thronfolger Currann momentan die meiste Aufmerksamkeit. Ihr Vater hatte sie und Phelan sogar schon einige Male aus dem Raum geschickt, um Currann Dinge zu lehren, die sie nicht wissen durften. Ganz ernst war Currann danach gewesen, hatte aber nichts verraten. Phelan und sie rätselten noch jetzt, Wochen später, über den Inhalt dieser Stunden. All ihre Versuche, mehr zu erfahren, waren bislang gescheitert. Aber sie dachten nicht daran aufzugeben, ganz gewiss nicht!

    Althea seufzte und wandte den Kopf. Das goldene Herbstlicht warf ein Mosaik aus Licht und Schatten an die Wand, nur zu verlockend, den Schulraum doch zu verlassen und draußen anderen Abenteuern nachzugehen. Traurig wandte Althea den Blick vom Lichterspiel ab und starrte unschlüssig auf das vor ihr liegende, leere Pergament, als wolle sie die Worte zwingen, von selbst dort zu erscheinen.

    Bald waren ihre Hände von Tintenflecken übersät, so oft hatte sie die Rohrfeder in ihrer Hand hin und her gedreht. Es half nichts. Sie sollte einen historisch korrekten Aufsatz schreiben.

    „Im Jahre des Einen Herrn .., das achtzehnte Jahr der Herrschaft von König Aietan. Althea, Tochter des Thoralds und der Amaya, Schwester der Königin Naluri ..’ Es folgte eine Aufzählung all ihrer Titel und Verwandtschaftsgrade, wie sich das für ein richtiges gildaisches Dokument gehörte. Wie sie dies hasste! Ihre Hand war ganz verkrampft, als sie endlich mit den säuberlichen Buchstaben der Einleitung fertig war. Wollte sie etwa so weitermachen? Nein! Ein mutwilliges Blitzen erschien in ihren Augen. Sie tauchte die Feder in das Tintenfass. Da würde sie zukünftigen Historikern etwas zu rätseln geben!

    ‚Mein Name ist Althea, ich bin zehn Jahre alt, fast schon elf, und leider ein Mädchen", schrieb sie in großen Buchstaben unter die Einleitung auf das Pergament. Die Feder kratzte und hinterließ Tintenflecke, die sie mit einem nachlässigen Wisch verteilte. Dann wusste sie nicht mehr weiter. Wie sollte sie das erklären?

    Sollte sie etwa von den ständigen Sticheleien Curranns berichten, die heute Morgen einen weiteren Höhepunkt erreicht hatten? Denn heute hatte ein neuer Jahrgang Jungen mit dem Reitunterricht an der Heerschule angefangen. Er wusste genau, dass Phelan ihr heimlich viele der Dinge beibrachte, die er wie alle Jungen Gildas in der Heerschule lernte, aber Reiten lernen konnte man eben nur mit einem echten Pferd. Ihre Cousins waren mit ihren dreizehn und fünfzehn Jahren bereits geschickte Reiter und Wagenlenker und Althea wollte ihnen in Nichts nachstehen. Es gab dabei nur ein Problem: Sie war ein Mädchen, und Mädchen lernten in Gilda niemals reiten.

    ‚Nun, diese Wette hat Currann verloren’, dachte Althea und kaute nachdenklich an ihrer Feder herum. Sie wischte sich über den Mundwinkel. „Ach, verd…!" Sie besah sich ihre Hand. Jetzt hatte sie auch noch Tinte im Gesicht. Sie begann einen vergeblichen Versuch, sich zu reinigen, und gab es gleich wieder auf.

    Das hatte ihr Vater wirklich geschickt angestellt! Trotz seiner Abwesenheit hatte er sie bereits jetzt dazu gebracht zu erkennen, dass sie völlig überstürzt und töricht gehandelt hatte. Auf den Gedanken, ihn einfach um den Reitunterricht zu bitten, war sie nämlich noch nicht gekommen. Er hätte gewiss einen Weg gefunden, die gildaischen Bräuche zu umgehen, wie so oft.

    Althea schrak aus ihren Gedanken auf. Sie hatte bisher nur einen Satz geschrieben, und die Sonne stand schon viel tiefer als vorher. ‚Beeile dich!’, dachte sie, ‚Vater wird den Aufsatz sicherlich nachher lesen wollen’. Also beschloss sie, einfach die Wahrheit aufzuschreiben, denn alles andere würde ihn nur beleidigen.

    „Ich halte es für sehr ungerecht, dass in Gilda Mädchen nicht dasselbe lernen dürfen wie Jungen. Ich weiß, dass Vater mich schon viel mehr lehrt, als alle anderen Mädchen in Gilda lernen, und dass er dafür schon viel Ärger mit den anderen Erwachsenen bekommen hat. Dennoch lernen Phelan und Currann noch mehr als ich. Currann zieht ständig über mich her, wenn Vater nicht hinhört. Er sagt, dass Mädchen zu schwach zum Kämpfen und zu dumm für mehr als ein bisschen Lesen und Schreiben sind. Das ist nicht wahr, aber in Gilda denken das sehr viele Menschen. Ich möchte jedoch all das können, was meine Cousins auch können.

    Ich kann eh kein richtiges gildaisches Mädchen sein, das sagen alle, auch meine Cousinen Lelia und Leanna, denn ich bin viel zu groß und zu anders dafür. Das stimmt, ich bin schon genauso groß wie Phelan, der ist zwei Jahre älter ist als ich. Und welches Mädchen in Gilda hat schon solche Augen und Haare wie ich? Keines!

    Ich möchte ein Gelehrter werden wie mein Vater oder ein Soldat wie Fürst Bajan, deshalb habe ich mir heute die Haare abgeschnitten, habe mich verkleidet und bin in die Reitstunde geschlichen. Vielleicht kann ich dann auch so kämpfen lernen wie die anderen Jungen, ich habe es von der Gartenmauer aus beobachtet. Wenn man Gelehrter oder Krieger ist, spielt das Aussehen keine Rolle, und ich brauche auch niemals zu heiraten wie meine albernen Cousinen. Ich werde alles lernen, was es zu lernen gibt, ohne Einschränkung. Dann wird mein Vater gewiss sehr stolz auf mich sein."

    Bei diesem Gedanken angekommen, hörte sie schwere Schritte auf der Treppe zum Schulraum.

    „Althea, wo steckst du nur, du dummes Mädchen?", ertönte die sichtlich atemlose, tiefe Stimme Luselas, die gleich darauf in der Tür zum Schulraum erschien. Ihr Kopftuch war verrutscht, und die Schwitzflecken auf ihrem einfachen Kleid zeigten deutlich, wie sehr sie sich angestrengt hatte. Keuchend holte sie ein paar Mal tief Luft und zerrte Althea von ihrem Stuhl. Althea gelang es gerade noch, die Feder sicher ins Tintenfass zu stecken, dann wurde sie auch schon aus dem Raum geschoben.

    „Hast du vergessen, dass ihr heute Abend bei Hofe erscheinen müsst? Was soll bloß deine Tante von dir denken?, rief Lusela verzweifelt mit einem Blick auf das Mädchen. Sie hatte sich noch immer nicht beruhigt. „Sieh dich an, wie soll ich so schnell den ganzen Schmutz und die Tinte von dir herunterbekommen? Und eine Chadra kannst du auch nicht tragen, sie hält nicht auf deinem kurzen Haar!

    Althea verkniff sich ein Grinsen. Jenes große Tuch, mit dem alle sittsamen Mädchen und Frauen ihre Haare und Hände verbargen, verabscheute sie aus vollem Herzen. Sie vermied es, dies zu tragen, wo sie nur konnte. Also hatte sich ihr Abenteuer noch mehr gelohnt, dachte sie und bemühte sich, ihre mutwillig blitzenden Augen vor Lusela zu verbergen.

    „Aber du hast doch gesagt, ich soll hierbleiben, bis du mich holen kommst ..", brachte sie stattdessen kleinlaut hervor, denn den Empfang heute Abend hatte sie in der Tat völlig vergessen. Das würde ein schönes Gerede geben!

    Aber Lusela hörte ihr gar nicht mehr zu, sondern zerrte sie vor sich hinschimpfend die Treppe hinunter. Als ob sie nicht selber laufen könnte, dachte Althea und beeilte sich, mit ihr Schritt zu halten. In der Diele des Wohntraktes warteten bereits ihr Vater und Meno auf sie. Meno konnte ein Lachen ob dieses kleinen Unholdes nicht unterdrücken.

    „Was gibt’s da zu grinsen, Herr Meno!, rief Lusela. „Nicht nur, dass wir bereits spät dran sind, was fangen wir nur mit Eurer Tochter an, Meister Thorald?

    Thorald besah sich Althea genauer, denn vorhin war er so beschäftigt gewesen, dass er sie in der Tat kaum wahrgenommen hatte. Nun konnte er die Misere durchaus verstehen. Altheas Aussehen würde bei Hofe einiges an Aufsehen erregen. Da kam ihm ein Einfall: „Lauf rasch hinauf zum Palast der Königin und hole einige von Phelans abgelegten Festtagskleidern. Wenn wir schon nicht ein braves Mädchen aus dir machen können, sagte er zu Althea, „einen wohlgestalteten Jungen wirst du wohl abgeben. Die Gäste werden es kaum bemerken, und wie ich die Höflinge und Mönche kenne, werden sie aus Angst vor dem Gerede der Leute schweigen. Und nun komm mit mir!, befahl er ihr streng.

    Lusela riss erstaunt die Augen auf, und Meno fing lauthals an zu lachen. Nur das Mädchen schwieg und schämte sich zutiefst seines unbedachten Verhaltens, denn es erkannte erst jetzt, in was für eine Lage es ihren Vater gebracht hatte. Dies währte aber nicht lange. Thorald erhob sich rasch auf seine ganze beachtliche Länge und stieß sich dabei wieder einmal den Kopf an dem über dem Tisch hängenden Leuchter. Fluchend klemmte er sich Althea unter den Arm und verschwand mit dem quietschenden Mädchen in die Küche, wo bereits ein mit warmen Wasser gefüllter Zuber auf sie wartete.

    „Und ich darf dann hinterher auch noch die Überschwemmung beseitigen!", schimpfte Lusela und machte sich notgedrungen auf den Weg, das Gewünschte zu besorgen.

    Meno lehnte sich genüsslich in seinem Sitz zurück, trank noch einen Schluck von Thoralds hervorragendem Wein und lauschte amüsiert der Schlacht, die sich in der Küche abspielte. So wie heute verbrachte er den größten Teil seiner Zeit im Archivturm des Hauses, wo er sich ein gemütliches Quartier eingerichtet hatte, oder in Thoralds Wohntrakt, denn hier fühlte er sich wahrhaft wohl. Lediglich zu den offiziellen Anlässen bei Hofe musste er sein Refugium verlassen, da er dort als Schriftführer fungierte.

    Geraume Zeit später kam Althea in ein großes Tuch gewickelt und zusammen mit ihrem Vater, der mit Wasserflecken auf der Kleidung und im Bart reichlich mitgenommen aussah, wieder zum Vorschein.

    „Erinnert mich daran, dass ich morgen diesen unsäglichen Leuchter höher hänge", sagte Thorald zu Meno und rieb sich den Kopf, wo wieder einmal eine Beule am Entstehen war.

    „Das habt Ihr doch die letzten zehn Jahre nicht geschafft, Meister Thorald, und Ihr schafft es auch morgen nicht, schnaufte Lusela, die in diesem Moment wieder zur Tür hereinkam. Sie war noch ganz außer Atem von ihrem Gang, hielt aber ein paar Lederschuhe, eine Tunika aus dunkelgrünem Samt und eine wunderschöne, mit dem Wappen von Gilda bestickte Chadra in der Hand. „Hier, diese habe ich für dich bekommen. Sie drückte Althea die Kleidungsstücke in den Arm.

    Althea seufzte innerlich. Auch die Jungen trugen die Chadra zu offiziellen Anlässen, bis sie das Erwachsenenalter erreicht hatten, allerdings war sie kürzer und wurde um die Schultern geschlagen getragen. Also würde sie doch nicht um sie herumkommen.

    Lusela packte sie am Arm. „Los, Kleines, ab in deine Kammer, wir haben nicht mehr viel Zeit. Und Ihr, sagte sie mit einem Blick auf Thorald, „zieht Euch am besten auch noch einmal um, so könnt Ihr nicht bei Hofe erscheinen. Schon war sie mit Althea durch die angrenzende Tür verschwunden. Thorald folgte ihr mit einem entschuldigenden Blick in Menos Richtung.

    Der Wohntrakt im Hause des Wissens war sehr bescheiden. Neben der Diele, der Küche, der Vorratskammer und der daneben liegenden Kammer Luselas gab es nur einen langen Gang mit zwei Räumen für ihn und seine Tochter, von denen seiner nach hinten auf den kleinen Garten hinausging, sowie eine Gästekammer. Diese bescheidene Wohnstatt war ihm aber alle Mal lieber als die großartigen, aber intrigenverseuchten Räume des Palastes, die ihm als Schwager der Königin eigentlich zugestanden hätten.

    In seiner Kammer angelangt, besah er sich den Schaden. Lusela hatte wie immer recht, er musste sich wirklich noch einmal umkleiden. Seufzend richtete er seine Ratsherrenrobe und schaute anschließend in Altheas Kammer, wo diese sich gerade bewundernd vor dem Spiegel drehte.

    „So möchte ich immer aussehen", rief sie und strahlte ihren Vater glücklich an. Ihm schmolz das Herz dahin, denn sie sah wirklich süß aus, wie ein richtiger Junge. Sogar die Haare hatte Lusela sorgfältig gekürzt.

    Lusela aber verpasste ihr eine sanfte Kopfnuss. „Das wird das erste und das letzte Mal sein, dass du so aussiehst. Also wirklich, alle können dein Haar sehen! Und außerdem drehen sich Jungen nicht so vorm Spiegel hin und her! Sie blickte streng zu ihrem Brotgeber. „Meister Thorald, wir müssen uns heute Abend wirklich unterhalten. So kann es mit ihr nicht weitergehen.

    „Du hast ja recht, Lusela, ich habe kaum noch Zeit für sie, und sie schlägt über alle Stränge, sagte Thorald leise zu ihr, als sie den Raum verließen und Althea vorauslief, um sich ein paar bewundernde Komplimente von Meno einzuholen. „Lass uns heute Abend, wenn der Empfang vorbei ist und wir nicht zu spät zu Hause sind, darüber sprechen. Er forderte Meno mit einer Kopfbewegung auf, ihm zu folgen.

    Dieser zwinkerte Althea zu und streckte ihr galant den Arm hin. Althea hakte sich bei beiden Männern ein. Gemeinsam verließen sie das Haus des Wissens. Bereits auf der Straße davor gab sie die unbequeme Haltung wieder auf, war Meno doch erheblich kleiner als ihr Vater und hinkte zudem stark, ein Gebrechen, das er von seiner Mutter geerbt hatte. Die Sonne stand bereits recht tief, was sie daran erinnerte, dass sie bereits spät dran waren. Eilig lief sie den Männern voraus die große Straße hinauf.

    Althea hob lauschend den Kopf. Ein Brausen erfüllte die Luft, denn auf den Türmen der Festungsmauer wurden die Signalfeuer angezündet, welche spät eintreffenden Reisenden den Weg durch die Steppe wiesen. Sie wusste nur zu gut, dass man von den Festungstürmen einen großartigen Blick auf die gesamte Stadt und das umliegende Hügelland hatte. Ihr Vater war sich nicht einmal ansatzweise im Klaren darüber, in welche Bereiche der Festung sie und Phelan bereits vorgedrungen waren, die ein wahres Labyrinth an versteckten Durchgängen, Tunneln und geheimen Beobachtungsposten beherbergte. Was auch gut so war.

    Althea spähte sofort, als sie das Tor durchschritten, nach rechts zum Palast der Königin hinüber, aber dort rührte sich niemand mehr. Sie waren wohl alle schon hinter der großen Halle. Stattdessen wartete am Fuß der Treppe, die zum Palast der Königin hinaufführte, eine zierliche Frau, die in kostbare, aber schlicht geschnittene Gewänder gekleidet war. Yola, die Zofe und persönliche Vertraute der Königin, erwartete sie bereits.

    „Na, was haben wir denn hier für einen kleinen frechen Jungen! Sie blinzelte Althea zu. „Wie sollen wir dich denn nennen? Etwa Althan?

    Nachdem sie sich vor Thorald verbeugt hatte und er ihren Gruß erwidert hatte, fuhr sie weitaus ernster fort: „Ihre Majestät ist mit ihren Kindern bereits auf dem Weg in die große Halle, Meister Thorald. Eilt Euch bitte, Ihr seid spät dran!" Noch einen Blick auf Meno werfend, der errötete und seinen Blick senkte, drehte sie sich um und eilte die Treppe hinauf, zurück in den Palast der Königin.

    Thorald nahm seine Tochter fest an die Hand. Das tat er immer, wenn sie sich dem Palast näherten, und er hatte gute Gründe dafür. Zügig überquerten sie den Platz vor der großen Halle und traten links davon in einen langen Säulengang, der auf die Rückseite der Halle führte. Von dort gelangten sie zu dem Raum hinter der großen Halle, durch den die Mitglieder der königlichen Familie und des Rates in die Halle einzuziehen pflegten.

    Sie trafen gleichzeitig mit Seiner Exzellenz Nusair und dessen Schreiber Stiig ein. Nusair maß Thorald nur mit einem verächtlichen Blick und rauschte an ihnen vorbei in den Raum, während Stiig sich seiner Manieren besann und Thorald mit einer leichten Verbeugung die Tür aufhielt und ihm den Vortritt ließ. Er streifte Althea mit einem flüchtigen Blick, riss dann aber entsetzt die Augen auf und ließ vor Schreck die Tür los, die Meno prompt im Kreuz traf. Althea grinste und folgte ihrem Vater so schnell sie konnte. Sich hastig bei Meno entschuldigend, eilte Stiig seinem Herrn hinterher.

    Meno musste einen Augenblick nach Luft ringend vor der Tür stehen bleiben. Ein Fehler, wie er sogleich feststellte, denn er wurde von der einen Person entdeckt, der er eigentlich heute nicht begegnen wollte. Brida, die Haushofmeisterin und leider seine Mutter, beobachtete ganz genau, wer in ihrem Reich kam und ging.

    „Warum seid ihr so spät dran? Sie war eine kleine Frau mit grauen Haaren, spitzem Gesicht und harten Augen und näherte sich ihm genauso hinkend, wie er selbst stets lief. „Hat dich dieser Heide aufgehalten? Sie wollte ihn am Arm fassen, aber Meno packte kurz entschlossen den Griff der Tür.

    „Nein, Mutter, hat er nicht, aber ich werde wirklich zu spät sein, wenn ich mich nicht beeile", sagte er rasch und brachte eilig die Tür zwischen sie beide.

    Aufatmend blieb er stehen. Hierher würde sie ihm nicht folgen. Seine Mutter hatte wahrlich ihre Augen, Ohren und Finger überall im Palast. Lediglich der Palast der Königin und die unteren Ebenen der Festung entzogen sich ihrem Zugriff. Er fand sie – der Eine Herr möge ihm verzeihen – wahrhaft schrecklich, und das hing auch damit zusammen, wie sie über seine Freunde dachte. Meno holte tief Luft, nickte grüßend in alle Richtungen und machte sich dann an sein Amt.

    Sie waren wirklich als Letzte eingetroffen. König Aietan und Königin Naluri warteten mit ihren vier Kindern vor einer geschlossenen mächtigen doppelflügeligen Tür zur großen Halle. Auch Heerführer Bajan und die übrigen Ratsmitglieder waren vollzählig anwesend und in leise Gespräche vertieft. Durch die Tür war Stimmengewirr aus der großen Halle zu hören. Nusair eilte sogleich an die Seite des Königs und begann nach der Verbeugung, leise und eindringlich auf ihn einzureden.

    Königin Naluri dagegen hörte auf damit, die Kleider ihrer Kinder zu ordnen, und kam ihnen entgegen. Auch Heerführer Bajan unterbrach sein Gespräch mit den anderen Ratsherren und begrüßte sie. Er warf Althea einen undurchdringlichen Blick zu, was sie jedoch nicht weiter störte. Durch die lange Freundschaft zu ihrem Vater wusste sie, dass sich hinter seinem strengen Äußeren ein warmer Charakter und viel Humor verbarg. So beantwortete sie seinen Blick mit einem Lächeln. Bajan blinzelte ihr zu, während Königin Naluri und Thorald sich mit einem leichten Nicken begrüßten. Naluri zog die Augenbrauen hoch, als sie Altheas ansichtig wurde, sagte aber nichts. Es war nicht auszumachen, was sie dachte, und sicherlich war sie bereits bestens über den neuesten Streich ihrer Nichte unterrichtet.

    Als nächste begrüßten Altheas jüngere Cousinen Lelia und Leanna schüchtern ihren Onkel und ihre Cousine. Sie waren Zwillinge, und Althea ließ sich von dem braven Verhalten nicht täuschen. Besonders mit Lelia verstand sie sich überhaupt nicht, während sie mit Leanna sogar hätte befreundet sein können, wäre nicht ihre Schwester gewesen. Schadenfroh bemerkte sie, dass Lelia in ihren dünnen Seidenschuhen von einem Fuß auf den anderen trat. Der Boden war eiskalt, das wusste sie aus eigener Erfahrung, und sie war sehr dankbar für Phelans Lederschuhe. Lelias Blick schoss zwischen Althea und ihrer Mutter hin und her. Die Enttäuschung darüber, dass Altheas ungewöhnliche Erscheinung keine sofortige Strafe nach sich zog, war ihr deutlich anzusehen. Althea ignorierte ihren giftigen Blick geflissentlich.

    Die beiden Brüder Currann und Phelan kamen zuletzt heran. Sie waren sichtlich ungeduldig, endlich in die Halle eingelassen zu werden, wobei Currann sich wesentlich mehr Mühe gab, dies zu verbergen.

    ‚Er hält sich wohl schon für zu erwachsen’, dachte Althea verächtlich und bewegte sich langsam um die Erwachsenen herum in ihre Richtung.

    Phelan begann sofort, übertrieben an seiner Kleidung herumzunesteln. Mit einem kaum unterdrückten Grinsen sah er die Reaktion seines Bruders, als dieser Althea entdeckte.

    Currann fielen fast die Augen aus dem Kopf. Alle Versuche, erwachsen zu wirken, waren vergessen. Er packte Althea nicht gerade sanft beim Arm und zerrte sie von den Erwachsenen fort. „Hast du es tatsächlich geschafft, an der Reitstunde teilzunehmen!", zischte er und schoss einen eisigen Blick in Richtung seines jüngeren Bruders, der es aufgab, sein Grinsen zu verbergen.

    Althea machte sich behände von ihm los und reckte frech den Kopf. „Natürlich habe ich es geschafft, und du hast die Wette verloren! Jetzt schuldest du mir einen Ritt auf deinem Hengst!"

    Currann schnaubte verächtlich. „Du schaffst es nie, dich auf ihm zu halten, und fällst nur herunter. Du wirst dir wehtun!"

    „Ich bin heute als Einzige nicht vom Pferd gefallen, nur damit du es weißt! Der Rittmeister hat mich sogar vor allen anderen gelobt!" Althea konnte es nicht lassen dagegenzuhalten. Endlich einmal war sie an der Reihe.

    „Das hat er nur gemacht, weil er nicht wusste, dass du ein Mädchen bist. Sonst hätte er dich gleich wieder nach Hause geschickt", schoss Currann zurück.

    „Das zeigt doch, dass Mädchen genauso gut reiten können wie Jungen, nicht wahr?", stichelte Althea weiter.

    Die Schwestern waren ihnen neugierig gefolgt und kicherten los. Lelia sagte schadenfroh: „Wenn die Gäste erfahren, dass du ein Mädchen bist, wird es ein schönes Gerede geben!"

    „Pah, du sorgst dich doch nur darum, dass du mit einer solchen Cousine

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