Tagungsband über das Historische Symposium: zum Beziehungsgeflecht zwischen Alexander von Humboldt, Felix Mendelssohn Bartholdy, Giacomo Meyerbeer und Richard Wagner
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Buchvorschau
Tagungsband über das Historische Symposium - Sieghart Döhring
Impressum
Tagungsband über das Historische Symposium zum Beziehungsgeflecht zwischen Alexander von Humboldt, Felix Mendelssohn Bartholdy, Giacomo Meyerbeer und Richard Wagner
1. Auflage Juni 2015
Herausgeber: Petra Meßbacher, Hartmut Koschyk MdB
Alexander von Humboldt-Kulturforum Schloss Goldkronach e.V.
Schlossweg 5
95497 Goldkronach
Internet: www.humboldt-kulturforum.de
E-Mail-Adresse: info@humboldt-kulturforum.de
published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de
Copyright: © 2015 Alexander von Humboldt-Kulturforum Schloss Goldkronach e.V.
ISBN 978-3-7375-5091-8
Inhaltsverzeichnis
Einführung
Döhring, Prof. Dr. Sieghart
Alexander von Humboldt, Felix Mendelssohn Bartholdy, Giacomo Meyerbeer und Richard Wagner: Die Quadratur des Kreises?
Schwarz, Dr. Ingo
Wie erhöht man „Intelligenz und „Sittlichkeit
der Berliner? Alexander von Humboldt im öffentlichen Leben der preußischen Hauptstadt.
Holl, Dr. Frank
„Zur Freiheit bestimmt" – Alexander von Humboldts Blick auf die Kulturen der Welt
Lackmann, Dr. Thomas
Die Humboldts und ihre Mendelssohns.
Tagungsband zum Symposium über Mendelssohn, Meyerbeer, Wagner und Alexander von Humboldt
Goldkronach. Ein großer Naturwissenschaftler und drei bedeutende Komponisten: Um das Beziehungsgeflecht zwischen Alexander von Humboldt, Giacomo Meyerbeer, Felix Mendelssohn Bartholdy und Richard Wagner zu beleuchten, war das Who is Who der deutschen Humboldt-Forschung einen Tag lang in die Humboldt-Wirkungsstätte Goldkronach gekommen. Während bei einem, vom Alexander-von-Humboldt-Kulturforum Schloss Goldkronach veranstalteten, historischen Symposium die Fakten vorgestellt wurden, gab es bei einem musikalisch-literarischen Abend Kostproben aus Briefen und Kompositionen.
Ordnung in das Beziehungsgeflecht brachte Professor Dr. Sieghart Döhring vom Meyerbeer-Institut in Thurnau. Alexander von Humboldt und Giacomo Meyerbeer hätten sich nachweislich 1825 in Paris kennen gelernt, sagte Döhring. Humboldt sei später auch die treibende Kraft für die königliche Berufung sowohl Meyerbeers als auch Mendelssohns zum preußischen Generalmusikdirektor in Berlin gewesen.
Sicher nicht persönlich gekannt habe Humboldt Richard Wagner, der in der frühen ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Gegensatz Mendelssohn und Meyerbeer ein „absoluter Nobody gewesen sei. Nicht auszuschließen sei allerdings, dass Humboldt eine der frühen Aufführungen des Fliegenden Holländers in Berlin gesehen hat. Allerdings war es auch Richard Wagner, der in seiner 1850 erstmals erschienen und 1869 stark erweiterten und als Buch erschienen Hetzschrift „Das Judentum in der Musik
gerade Mendelssohn als auch Meyerbeer angriff, sie schwer diffamierte und beiden jegliche Fähigkeit zu künstlerischen Aktivitäten absprach.
Noch wenige Jahrzehnte zuvor habe Wagner beide als künstlerische Vorbilder bezeichnet und besonders an Meyerbeer unterwürfige Briefe verfasst. Sowohl Mendelssohn als auch Meyerbeer waren zum Erscheinungszeitpunkt der Hetzschrift bereits tot. Döhring bezeichnete Wagners Argumentation vor allem deshalb als rassistisch, weil Mendelssohn bekanntlich als Christ getauft wurde und sich ein Leben lang als Christ verstand.
Fest überzeugt ist Döhring davon, dass Alexander von Humboldt musikalisch war. So habe Humboldt beispielsweise die Uraufführung von Meyerbeers Oper „Die Hugenotten" 1836 in Paris besucht und sich noch vor Erscheinen der Kritiken in Briefen fundiert dazu geäußert. Darüber hinaus sei Humboldt die Nachwuchsförderung ein Herzensanliegen gewesen, auch von jungen Musikern.
Von einer weiteren Beziehung Alexander von Humboldts zur Familie Mendelssohn wusste Dr. Ingo Schwarz, der Leiter der Alexander-von-Humboldt-Forschungsstelle an der Akademie der Wissenschaften Berlin-Brandenburg zu berichten. So habe Humboldt ab 1806 in Berlin geomagnetische Messungen unter anderem im Garten des Hauses von Abraham Mendelssohn Bartholdy, dem Vater von Felix und Fanny, durchgeführt. Humboldt sei mit der Bankiersfamilie Mendelssohn Bartholdy nicht nur eng befreundet gewesen, sondern habe ab 1842 in der Berliner Oranienburgerstraße in einem Haus gewohnt, das den Mendelssohns gehörte.
Schwarz sprach von wichtigen wissenschaftlichen Untersuchungen, die unter anderem den Einfluss der Sonne auf das Magnetfeld der Erde nachweisen sollten. Ähnliche Messungen wie im Garten der Mendelssohns an der Leipziger Straße, unternahm Humboldt auch an anderen Teilen der Erde, unter anderem in Russland. Ein Terracotta-Fries am „Roten Rathaus" von Berlin zur Geschichte der Stadt zeige noch heute zahlreiche Geistesgrößen der damaligen Zeit, darunter auch Alexander von Humboldt, Felix-Mendelssohn Bartholdy und Giacomo Meyerbeer. Das Fries habe wahrscheinlich nur deshalb die Nazi-Zeit unbeschadet überstanden, weil damals niemand die abgebildeten Persönlichkeiten erkannt habe, so Schwarz.
Nach den Worten von Dr. Thomas Lackmann, dem stellvertretenden Vorsitzenden der Mendelssohn-Gesellschaft, steht die Humboldt-Familie, Alexander, sein Bruder Wilhelm und dessen Ehefrau Caroline, mit ihrer Haltung zum Judentum exemplarisch für einen Teil deutscher Geschichte. Während Alexander von Humboldt als „Judenfreund eine absolut liberale Haltung an den Tag legte, habe Bruder Wilhelm diese Haltung nur in der Theorie gelebt. In der Praxis habe Wilhelm eher Abstand genommen. Ganz anders dessen Ehefrau Caroline von Humboldt, geborene von Dacheröden. Von ihr seien „richtig schlimme Vorstellungen
überliefert, während sie konkret auf unterschiedlicher Ebene mit Juden in Kontakt gewesen sei. Über Humboldts vielfältigen Blick auf die Kulturen der Welt sprach schließlich der renommiert e Historiker und Humboldt-Kenner Frank Holl, der erst im vergangenen Jahr das Buch „Alexander von Humboldt in Franken" veröffentlicht und damit erstmals eine Publikation zum Wirken des Universalgelehrten in der Region vorgestellt hatte.
In diesem Tagungsband finden Sie die Vorträge der Referenten des Symposiums: Prof. Dr. Sieghart Döhring (Vorsitzender der Meyerbeer-Instituts, Thurnau), Dr. Ingo Schwarz (Leiter der Alexander von Humboldt-Forschungsstelle der Akademie der Wissenschaften Berlin-Brandenburg), Dr. Frank Holl (Leiter der Münchner Wissenschaftstage, Humboldt-Fachmann, München) und Dr. Thomas Lackmann (Mitglied des Vorstands der Mendelssohn-Gesellschaft e. V., Berlin).
Alexander von Humboldt, Felix Mendelssohn Bartholdy, Giacomo Meyerbeer und Richard Wagner: Die Quadratur des Kreises?
Prof. Dr. Sieghart Döhring (Vorsitzender der Meyerbeer-Instituts, Thurnau)
Es war eine faszinierende personelle Konstellation mit Zukunftspotential, die sich 1842 in Berlin konkretisierte: Der junge preußische König Friedrich Wilhelm IV. ernannte auf Anregung seines Vertrauten Alexander von Humboldt die beiden bedeutendsten Komponisten der Zeit, Felix Mendelssohn Bartholdy und Giacomo Meyerbeer, zu Generalmusikdirektoren und berief noch im selben Jahr beide in die – ebenfalls auf Betreiben von Humboldts – neu gegründete Friedensklasse des Ordens Pour le mérite für Wissenschaften und Künste; eine der ersten Entscheidungen Meyerbeers in seinem neuen Amt war es sodann, die kurz zuvor in Dresden uraufgeführte Oper Der fliegende Holländer des jungen Richard Wagner an seinem Haus, Preußens führender Bühne, herauszubringen (die Aufführung fand am 7. Januar 1844 statt). Was Humboldt und dem König vorschwebte, nämlich die Rolle Berlins als neue Kulturhauptstadt Europas auch auf musikalischem Gebiet zu begründen – der Tradition verpflichtet und zugleich offen gegenüber dem Neuen – schien für einen Augenblick der Erfüllung nahe zu sein. Und doch sollte es anders kommen: Zwar stürzten sich Mendelssohn und Meyerbeer sogleich voller Energie in ihre neuen Aufgaben, resignierten aber bald angesichts kleinlicher Widerstände lokaler Konkurrenten und ließen sich von ihren Verpflichtungen ganz oder teilweise entbinden. Ihre weit gespannten europäischen Aktivitäten hatten sie ohnehin nie aufgegeben, war ihnen doch stets bewusst, dass selbst ein aufstrebendes Berlin mit Metropolen wie Paris oder London weder sozial noch kulturell mithalten konnte.
Dieses Bedeutungsgefälle war auch dem Newcomer Wagner früh bewusst. Lebenslang zog es ihn aus der provinziellen Enge Deutschlands nach Paris, dem Mekka der Künste im 19. Jahrhundert. Einen ersten erfolglosen Versuch, dort als Komponist Fuß zu fassen, hatte er gerade erst unternommen und als er mit einem zweiten wenige Jahre später erneut scheiterte, änderte er von Grund auf seine Taktik im Kampf um die Führungsposition unter den Komponisten Europas, die nach seiner unerschütterlichen Überzeugung allein ihm zustand. Nicht wie bisher auf den Schultern seiner Vorgänger – so sein Entschluß – suchte Wagner sein Ziel zu erreichen, sondern – man kann es durchaus so ausdrücken – über deren Leichen, nämlich indem er Mendelssohn und Meyerbeer als Juden wahres Künstlertum absprach.
Seinen Angriff startete Wagner erstmals öffentlich, wenngleich unter einem Pseudonym, in dem Essay Das Judentum in der Musik, erschienen 1850 in zwei Nummern der „Neuen Zeitschrift für Musik. Wegen der geringen Verbreitung dieses Periodikums hielt sich die Resonanz darauf in engen Grenzen (Mendelssohn war drei Jahre zuvor verstorben; Meyerbeer hat den Text überhaupt nicht zur Kenntnis genommen). Umso größer war dann die Wirkung der – leicht überarbeiteten - Wiederveröffentlichung in Buchform 1869. Jacob Katz nannte den Text ein „antijüdisches Traktat, das mit Recht zu den antisemitischen Klassikern gezählt wird
[1]. Zwar war kein einziges der von Wagner vorgetragenen Argumente tatsächlich originell, dennoch entwickelte das Pamphlet enorme propagandistische Stoßkraft, hauptsächlich wegen des nun nicht mehr unter einem Pseudonym versteckten Namens seines Autors, dessen musikhistorische Bedeutung mittlerweile auch von seinen Gegnern nicht mehr in Abrede gestellt wurde. Auf den immer selbstbewusster auftretenden Antisemitismus im neu gegründeten deutschen Kaiserreich wirkte Wagners „Judentum"-Essay geradezu als Brandbeschleuniger mit fatalen historischen Folgen bis weit hinein ins 20. Jahrhundert.[2]
Wie konnte, was so hoffnungsvoll begonnen hatte, so spektakulär scheitern? Als sich die Wege Mendelssohns, Meyerbeers und Wagners zu Beginn der 1840er Jahre in