Starke Frauen - Hebammen auf den Nordfriesischen Inseln
Von Hubertus Tigges
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Über dieses E-Book
Hubertus Tigges
1983-1988 Studium der Germanistik, Geschichte und Judaistik an der FU Berlin; 1992 Abschluss des Promotionsverfahrens in Germanistik; freiberuflich als Autor, Lektor und Heiler tätig.
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Rezensionen für Starke Frauen - Hebammen auf den Nordfriesischen Inseln
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Buchvorschau
Starke Frauen - Hebammen auf den Nordfriesischen Inseln - Hubertus Tigges
Einiges zuvor
Wenn ich am Wyker Krankenhaus vorbeigehe und zum Haupteingang schaue, entsteht immer dasselbe Bild in mir: Es ist der 30. September 2009. Knapp zwanzig Stunden sind seit der Geburt unserer Tochter im Kreißsaal vergangen. Am 29.09.2009 um 21.09 Uhr wurde sie geboren. Nun stehen wir im Eingangsbereich, unser Liebstes ist dick eingepackt in wärmende Kleidung. Wir warten auf das Taxi, das uns zum Hafen bringen soll, weil wir mit der Fähre zurück nach Amrum wollen. Es dämmert, Regen fällt. Mutter und Kind geht es gut. Dem Papa auch.
Am 27. September sind wir mit einem Schiff der W.D.R. von Amrum nach Föhr gefahren. Es wurde Zeit für Anna. Antje Hinrichsen, Amrums Hebamme, die meine Frau in der Schwangerschaft betreut hatte, stand ihr auch im Kreißsaal zur Seite, aufmerksam, liebevoll, kompetent.
Heute würde Anna nicht mehr im Wyker Kreißsaal zur Welt kommen, denn der ist seit dem 1. Oktober 2015 aus „haftungsrechtlichen Gründen" geschlossen. Etwa eintausend Kinder wurden dort in den vergangenen Jahrzehnten entbunden. Zwar hatte der Geschäftsführer des Klinikums Nordfriesland, Frank Pietrowski, zunächst beschlossen, die Geburtshilfeabteilung in Wyk zum 1. Dezember 2015 einzustellen, doch dann ereilte die Föhrer und Amrumer die Mitteilung, dass nun schon am 1.10. keine Entbindungen mehr stattfinden dürften. Der Grund: Da Herr Pietrowski Haftungsgründe für die Schließung öffentlich gemacht hatte, beschloss das Wyker Gynäkologen-Ehepaar Juliane Engel und Dr. Thomas Hölter, ab sofort keine Geburten mehr zu begleiten. Das Risiko lag allein bei ihnen, die Klinikleitung lehnte es ab, sie von der Haftung zu befreien.
Als ich von der Schließung erfuhr, rieb ich mir verwundert die Augen. Offen gestanden fand ich diesen Schritt unerhört. Ich fragte mich, welchen Interessen hier eigentlich gedient wird? Den der Frauen auf Amrum, Föhr und den Halligen, die selbstverständlich ihre Kinder in Wyk zur Welt gebracht hatten, wenn es sich nicht um Risikoschwangerschaften handelte, die in Flensburg oder Husum entbunden wurden?
Nein, sicherlich nicht.
Den Interessen der Hebammen, die nach einem vorgelegten Konzept ihre Frauen nicht mehr bis zur Geburt begleiten können, weil die Schwangeren nun 14 Tage vor der Geburt aufs Festland sollen? Nein, auch nicht.
Den Interessen des Ungeborenen, das in den letzten Tagen vor der Geburt einem Stress ausgesetzt wird, den es deutlich wahrnimmt und auf den es reagiert?
Nein.
Also: Wem dient diese Schließung? Wer profitiert davon?
Das Leben auf den Nordfriesischen Inseln gestaltet sich in einer exponierten geografischen Lage. Es ist auf Amrum oder den Halligen – und nun auf Föhr auch nicht mehr - nicht möglich, schnell mit dem Auto zum Krankenhaus zu fahren, wenn es die Notwendigkeit gebietet. Ein Krankenhaus mit einer Geburtshilfe, wie sie in Wyk bis zum 1.10.2015 Bestand hatte, sollte, nein: muss von einer Gesellschaft getragen werden, in der das Geld, um das es hier ja letztlich geht, häufig in Projekte fließt, deren Sinnhaftigkeit sich dem Betrachter nicht immer erschließt.
Als Grund für die Schließung hieß es in einer Pressemitteilung vom 15.11.2015, deren Text hier vollständig wiedergegeben wird:
Pressemitteilung vom 15. September 2015
Geburtshilfe auf der Insel Föhr schließt Ende November 2015
Die werdenden Eltern der Inseln Föhr und Amrum müssen sich zukünftig umstellen: Ab Dezember 2015 stellt die Inselklinik Föhr-Amrum in Wyk auf Föhr die geburtshilfliche Versorgung ein. Nach Bad Oldesloe, Oldenburg in Holstein und Westerland auf Sylt wird dann auch auf Föhr die Geburtshilfe geschlossen. Sie ist die Klinik mit der geringsten Geburtenzahl in Deutschland und derzeit das letzte geburtshilfliche Krankenhaus auf einer Insel ohne Landanbindung.
„Diese Entscheidung ist uns nicht leicht gefallen, betonen Landrat Dieter Harrsen als Aufsichtsratsvorsitzender des Klinikums Nordfriesland sowie dessen Geschäftsführer, Frank Pietrowski. „Um die Schwangeren mit dieser neuen Situation nicht allein zu lassen, hoffen wir bis Ende November eine geburtshilfliche Notfallkonzeption für die Inseln vorlegen zu können
, stellt Harrsen in Aussicht. Dazu laufen bereits Gespräche mit den Rettungsdiensten zu Land, Wasser und Luft. Ebenso werden die Hebammen der Inseln Föhr und Amrum eingebunden – in jedem Fall wird das Klinikum übergangsweise bis zum 31. März 2016 die Rufdienste der Hebammen finanzieren.
In den kommenden Wochen wird zudem mit den Krankenkassen eine Finanzierung von Unterbringungsmöglichkeiten für die Schwangeren von den Inseln (ein so genanntes „Boarding-Konzept) verhandelt. Ziel ist es, dass den betroffenen Familien von den Inseln Föhr und Amrum ab Anfang Dezember 2015 eine solche Option auch in der Klinik Husum angeboten wird. Offen stehen diesen natürlich weiterhin auch die Boarding-Möglichkeiten in der Klinik Niebüll oder in der DIAKO Flensburg. Dort werden schon seit Anfang 2014 schwangere Frauen von der Insel Sylt geraume Zeit vor der Geburt untergebracht und vom geburtshilflichen Team der jeweiligen Kliniken betreut. „Unser Ziel ist es, ein ähnliches Versorgungskonzept abzustimmen, wie es jüngst für die Insel Sylt vereinbart worden ist
, erläutert Pietrowski.
Der Entschluss, die Geburtshilfe aufzugeben, ist auf mehrere Entwicklungen zurückzuführen. Strengere Vorgaben – sogenannte Leitlinien – der gynäkologisch-geburtshilflichen Fachverbände und die vermehrte politische Diskussion über die Zukunft kleinerer geburtshilflicher Einrichtungen in Schleswig-Holstein hatten das Klinikum veranlasst, sowohl eine qualitative als auch rechtliche Bewertung der geburtshilflichen Situation in Nordfriesland vornehmen zu lassen.
Die Gutachter kommen für die Geburtshilfe auf der Insel Föhr zu dem Ergebnis, dass diese nur ansatzweise den in den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe geforderten strukturellen und prozessualen Mindeststandards für den Betrieb einer geburtshilflichen Abteilung einer Klinik der Grund- und Regelversorgung standhält und legen daher eine Schließung nahe.
„Diese Bewertungen haben nichts mit den auf der Insel handelnden Personen zu tun. Diese leisten alle eine hervorragende Arbeit. Das Problem sind die durch die Insellage erschwerten medizinischen Versorgungsbedingungen und das hiermit verbundene deutlich erhöhte Haftungsrisiko für den Klinikträger", erläutert Frank Pietrowski. Insbesondere lebensbedrohliche und unkalkulierbare Notfälle, wie zum Beispiel durch starke Blutungen während der Schwangerschaft oder der Geburt, erfordern eine schnelle und jederzeitige Verfügbarkeit eines Geburtshelfers, Anästhesisten sowie vor allem einer ausreichenden Anzahl von Blutkonserven oder einer sehr kurzfristigen Beschaffung dieser Blutprodukte vom Festland – was aufgrund möglicher schwieriger Wetterlagen nicht immer möglich ist.
Auf der Basis der gutachterlichen Stellungnahmen hat das Klinikum in den vergangenen Monaten verschiedene Überlegungen angestellt, die Versorgung auf der Insel Föhr mehr an diese Vorgaben anzupassen. „Wir müssen aber feststellen, dass dies mit einem vertretbaren Aufwand nicht so gelingen wird, dass auch nur annähernd die erforderliche Sicherheit für Mutter und Kind geschaffen werden kann", macht der Aufsichtsratsvorsitzende klar. Insbesondere die regelhafte Vorhaltung von erheblichen Mengen von Blutkonserven auf der Insel für Notfälle, die gerade in der Geburtshilfe unvorhergesehen vorkommen können, ist nicht realistisch umsetzbar. Ebenso fehlt es in dieser Situation an der erforderlichen kinderärztlichen Versorgung.
Diese an sich schon schwierige Situation verschärft sich dadurch, dass durch einen erheblichen Mangel an medizinisch-technischen Laborassistenten die Laborversorgung auf der Insel umgestellt werden muss. Erforderliche Blutgruppenbestimmungen können dann nur noch über das Labor der Klinik Niebüll erfolgen. Dies bedeutet insbesondere in geburtshilflichen Notfallsituationen eine zusätzliche zeitliche Verzögerung in der Blutversorgung.
„Nachdem wir zu diesen ernüchternden Erkenntnissen gelangt sind, musste der Aufsichtsrat und die Geschäftsführung handeln", erläutert Dieter Harrsen. „Alle Faktoren zusammen genommen, können wir die Geburtshilfe ab Ende November nicht