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Kleine Ewigkeit: Verlust der Unschuld
Kleine Ewigkeit: Verlust der Unschuld
Kleine Ewigkeit: Verlust der Unschuld
eBook297 Seiten4 Stunden

Kleine Ewigkeit: Verlust der Unschuld

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Über dieses E-Book

Was passiert wenn es Menschen gibt, die nicht mehr altern und der Großteil der Bevölkerung nicht diese Gabe hat?

Es gab mal eine glückliche Zeit. Eine Zeit in der es den Menschen richtig gut ging. Keiner musste mehr sterben, denn die Technik hatte das Altern besiegt. Keiner musste mehr hungern, denn durch die Verkleinerung der Menschen auf 1/5 seiner normalen Größe gab es für alle Menschen auf der Welt genug Nahrung.
Aber kein Zustand währt ewig und auch dieses Paradies wurde zerstört. Die Welt hat sich seitdem dramatisch verändert. Die Errungenschaften der Technik und das Wissen sind weitestgehend vernichtet. Auch die ewige Jugend ist nur noch wenigen beschieden. Der größte Teil des erbärmlichen Rests der Menschheit lebt in meist ärmlichen Verhältnissen und muss täglich, um die eigene Existenz fürchten.
In dieser düsteren Zeit, in einem kleinem namenlosen Ort, lebt ein junges Mädchen mit ihrem Vater zusammen ein normales, ereignisloses Leben, bis zu jenem Tag, an dem sie mit einem Fremden ihr Dorf verlassen muss. Plötzlich findet sie sich in einer grausamen, aber auch faszinierenden Welt wieder, die vorwiegend von einer Glaubensgemeinschaft geprägt ist, die den Hass auf die "Jungmenschen" schürt.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum7. Sept. 2014
ISBN9783847619086
Kleine Ewigkeit: Verlust der Unschuld

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    Buchvorschau

    Kleine Ewigkeit - null H.Loof

    Prolog

    In seinem schwarzen Umhang gehüllt stand Daniel in dem kärglich eingerichteten Zimmer und blickte auf den leblosen Körper zu seinen Füßen. Verkrümmt lag er da, in einem See voll roten Blutes. In seiner ausgestreckten rechten Hand hatte er ein kleines, in Leder eingefasstes Buch.

    „Schickt Eure Leute weg. Ihr aber bleibt noch hier. Ich möchte noch mit Euch reden.", sprach er den neben ihm stehenden Soldaten der Stadtwache an.

    Vorsichtig löste Daniel das Buch aus der toten Hand, wischte das halbangetrocknete Blut so gut er konnte ab und schlug es auf. Es war ein Tagebuch, dessen erste Eintragung etwa 1 Jahr alt war.

    „Wie kann ich Ihnen zu Diensten sein?", die Frage unterbrach Daniel in seinen Überlegungen und er schaute auf.

    Der Soldat stand vor ihm und blickte ihn fragend an.

    „Wie lautet Euer Name Gardist?"

    „Achaz, ehrwürdiger Priester."

    „Nun gut Achaz, dann erzählt mir mal, was hier vorgefallen ist."

    Nervös fuhr sich der Gardist mit der Zunge über seine Lippen und sein Blick fiel wie zufällig auf das Buch, bevor er anfing zu reden: „Der Mann hatte sich verdächtig gemacht. Deshalb wollte ich ihn zu einer Befragung abholen. Als ich aber eintrat, hat er mich gleich angegriffen und es kam zu einem Kampf. Dabei habe ich ihn dann getötet."

    Nachdenklich starrte Daniel dem Soldaten ins Gesicht. Achaz verschwieg ihm etwas, das konnte er deutlich spüren.

    „So einfach ist das also und was dachtet Ihr, dass der Tote gemacht hat?", bohrte der Priester weiter.

    „Ich glaube, dass er ein Jungmensch ist.", kam die zögerliche Antwort.

    „Aha, ein Jungmensch also. Und wie kommt Ihr zu dem Verdacht?"

    Die Frage machte Achaz noch nervöser. Unstetig wanderte sein Blick im Raum umher und streifte dabei immer wieder das Tagebuch in den Händen des Priesters.

    „Er hat sich einfach nur seltsam benommen. Das ist alles.", kam endlich die Antwort.

    Mit einem Kopfnicken beendete der Priester das Thema.

    „Setzt Euch.", und gleichzeitig zeigte Daniel auf das harte Strohbett in der Ecke, während er sich auf den einzigen und schon etwas altersschwachen Stuhl in diesem Raum niederließ und das Buch aufschlug.

    Schon nach dem ersten Blick ins Tagebuch, wusste der Priester, dass der Gardist Recht hatte. Mit einem unguten Gefühl blätterte er an den Anfang des Buches und begann zu lesen.

    Sommer, Tag und Jahr unbekannt

    Es ist schon so lange her, dass ich mich kaum noch an den Anfang erinnern kann.

    Gestern habe ich erfahren, dass Arvin gestorben ist. Mit ganzen Namen hieß er Arvin Bertram Müller, aber wer verwendet schon noch Nachnamen?

    Wie mir erzählt wurde, haben ihn die Bürger eines gottverlassenen und namenlosen Ortes einfach zu Tode geprügelt. Was für ein unwürdiger Tod für einen Mann der... ich weiß nicht mal wie alt er war. Vielleicht bin ich nun der Letzte, der noch miterlebt hat, wie alles begonnen hatte. Nach all den Jahrzehnten oder nein, es sind wohl schon Jahrhunderte, werde ich müde. Ich habe einfach zu viel Leid gesehen. Nicht mal ein bisschen Betroffenheit habe ich empfunden, nicht eine Gefühlsregung.

    Heute habe ich mich entschlossen ein Tagebuch anzufangen. Vielleicht hilft mir das Schreiben, um mich aus der Lethargie zu befreien.

    Sommer, Tag?

    An diesem gottverdammten Tag habe ich miterlebt wie ein angeblicher Jungmensch hingerichtet wurde. Sie nennen es Reinigung. Dabei handelt es sich doch nur, um eine möglichst grausame Hinrichtung. Was für Idioten! Selbst einem Blinden hätte auffallen müssen, dass das kein Jungmensch war. Jedem normal denkenden Menschen müsste eigentlich klar sein, wie ein Jungmensch aussieht. Zumindest nicht alt und mit vielen Narben im Gesicht. Aber wer kann in dieser Welt noch klar denken. Selbst mir fällt es immer schwerer. Vielleicht sollte ich aufschreiben, wie wir Jungmenschen wirklich sind?

    Sommer, Tag?

    Ich frage mich, ob ich eine eigene Zeitrechnung anfangen sollte? Wie soll ich sonst später noch erkennen, wann ich etwas aufgeschrieben habe.

    Auf jeden Fall habe ich beschlossen von uns Jungmenschen zu schreiben, vielleicht kann ich damit einen kleinen Beitrag zu einer Aussöhnung der normalen mit uns Jungmenschen liefern. Und wenn nicht, könnte immer noch ein Historiker dafür Verwendung haben. Falls es jemals wieder so etwas Normales wie einen Historiker gibt.

    Aber wo soll ich anfangen? Wie könnte jemand, der den Umbruch nicht miterlebt hat, überhaupt meinen Gedankengängen folgen?

    Sommer, Tag1, Jahr1

    Ich habe beschlossen, die Zeitrechnung einfach ab heute beginnen zu lassen. Dieser Tag ist so gut wie jeder andere dafür geeignet.

    Die Menschheit ist in einem miserablen Zustand. Von Jahr zu Jahr ist der Verfall deutlicher zu beobachten. Was für ein Gegensatz zu früher. In der Vorkleinzeit und besonders kurz danach lebte die Menschheit im Luxus. Es fehlte eigentlich Keinem an wirklich wichtigen Dingen. Es gab keine Hungersnöte und die meiste schwere Arbeit wurde von Maschinen durchgeführt. Und heute? Heute kennt kein Mensch mehr Maschinen. Die Menschen vegetieren nur noch dahin. Wie konnte es nur so weit kommen?

    Sommer, Tag 5, Jahr1

    In den letzten Tagen bin ich nur knapp dem Tode entkommen. Woher kommt nur der unermessliche Hass der normalen Menschen auf uns Jungmenschen? Jetzt bin ich wieder auf der Flucht, wie eigentlich die meiste Zeit meines Lebens. Aber fliehe ich nur vor den unverbesserlichen und hasserfüllten Menschen oder fliehe ich doch mehr vor meinen eigenen Erinnerungen, die mich jede Nacht wieder einholen?

    Die guten Erinnerungen aus der Vorkleinzeit sind schon fast vollständig verblasst. Geblieben sind nur die Albträume.

    Sommer, Tag 30, Jahr1

    Nach langem grübeln kann ich mich doch noch an den Anfang erinnern. Zumindest hoffe ich, dass es wirkliche Erinnerungen sind und nicht irgendwelche Halluzinationen. Ich sehe noch die Maschine, in die ich klettern musste und aus der ich dann mit meiner jetzigen Körpergröße von ca. 37cm und mit dem Versprechen des ewigen Lebens wieder verließ. Was für eine Errungenschaft der Technik! Die Probleme der Menschheit waren mit einem Schlag vorbei. Durch die Verkleinerung gab es genug Essen für alle auf dieser Welt und zudem war das Altern, der Verfall des Körpers besiegt. Warum konnten die Menschen nicht zufrieden damit sein? Aber nein es gab noch genauso viel Hass, Intrigen und Missgunst.

    Jedenfalls war dies wohl der glücklichste Tag in meinem langen Leben. Danach sollte es nur noch schlechter werden.

    Herbst, Tag103, Jahr1

    In letzter Zeit habe ich keine Gelegenheit gehabt auch nur ein paar Zeilen zu schreiben.

    Die Tage werden merklich kühler und langsam muss ich mich auf den Winter vorbereiten. Leider habe ich noch immer keine Unterkunft gefunden und außerdem ist dieses Jahr besonders mies gelaufen. Mein Geld ist fast aufgebraucht. Wie soll ich nur die kalte Jahreszeit überstehen?

    In den letzten Wochen habe ich darüber nachgedacht, warum sich das alte Leben so plötzlich in diesen barbarischen Horror verwandelte. Natürlich hat der große Krieg dazu geführt. Aber ich kann mich nicht mehr erinnern, weshalb er ausgebrochen ist. Auf jeden Fall war er wirklich verheerend. Nachdem ganze Länder durch den radioaktiven Fallout unbewohnbar geworden waren und die Menschen nur noch ums nackte Überleben kämpften, kam der Todesstoß für die kultivierte Menschheit. Die Kinder die geboren wurden, besaßen nur in seltenen Fällen die Gabe des nicht Alterns und das alte Wissen darüber war im Krieg verlorengegangen.

    Es dauerte dann nicht mehr lange und es gab mehr normale Menschen als uns Jungmenschen, wie wir dann genannt wurden. Und kurz darauf wurden wir Jungmenschen zu Gejagten.

    Ich glaube nicht, dass viele von uns Jungmenschen diese Zeit überlebt hatten.

    Entsetzt blickte Daniel auf. Er wollte den Rest dieser Aufzeichnung gar nicht mehr lesen. Das, was dort in diesem kleinen, schmuddeligen Buch stand, durfte auf keinen Fall Verbreitung finden. Die Grundfeste der Kirche würden erschüttert werden.

    Nachdenklich blickte er auf den eingeschlafenen Gardisten. Es war gut dass er diesen teuflischen Jungmenschen getötet hatte. Aber wie viel wusste er?

    Mit ehrlichem Bedauern erhob sich Daniel und ging leise zu dem Schlafenden. Aus seiner Kutte kramte er eine lange Nadel heraus und beträufelte sie mit einer klebrigen Flüssigkeit. Mit einem stummen Gebet stach er die Nadel Achaz mit Wucht mitten in die Brust. Ein schmerzhafter Aufschrei und der Gardist sackte in sich zusammen, als das Gift sein Leben auslöschte.

    Nach einem kurzen Gebet für den Verstorbenen legte Daniel das Tagebuch neben die Leiche auf das Strohbett, nahm sich einen glühenden Holzscheit aus dem Kamin und zündete damit das Stroh an. Ohne sich noch mal umzuschauen, verließ der Priester die kleine Hütte und trat in die Kälte hinaus. Mit schnellen Schritten machte er sich auf den Weg zu seiner Unterkunft, während hinter ihm die Flammen die letzten Beweise vernichteten.

    Begegnung

    Es war ein schöner, warmer Tag im April, der sich langsam seinem Ende zuneigte. Die hereinbrechende Dämmerung verlieh dem kleinen Ort einen romantischen Sonnenuntergang. Die wenigen Dorfbewohner gingen ihren letzten Beschäftigungen nach, bevor sie in ihre Häuser heimkehren würden.

    Wie jeden Abend, machte Amber sich noch zum Dorfbrunnen auf den Weg, um zwei Eimer Wasser zu holen. Sie war ein Mädchen von 17 Jahren mit braunem, langem Haar, hinten zu einem Zopf gebunden. Ihr schlanker Körper, der mit 33 cm eine durchschnittliche Größe besaß, wies keinen erkennbaren Makel auf.

    Schnellen Schrittes ging sie die staubige Straße entlang. Rechts und links standen die kleinen und heruntergekommenen Hütten der Dorfbewohner. Das einzige größere Gebäude war das Gemeindehaus und auch dieses Bauwerk gab ein Zeugnis dafür ab, dass das Dorf sehr arm war. Hauptsächlich lebten die wenigen Einwohner von der Landwirtschaft und dabei kam kaum mehr heraus, als zum kärglichen Überleben notwendig war.

    Für Amber indes, war es ein ganz normaler Anblick, den sie schon aus ihrer Kindheit kannte. In all den Jahren hatte es kaum Veränderungen gegeben, wenn man davon absah, dass die Häuser jedes Jahr etwas mehr verfielen und immer wieder notdürftig repariert wurden.

    Der Weg von ihrem Zuhause bis zum einzigen Dorfbrunnen war nicht weit, doch nach diesem anstrengenden Tag auf dem Feld wollte sie ihre letzte Pflicht möglichst schnell erledigen.

    Endlich erreichte sie die Ecke des Gemeindehauses und konnte ungehindert zum Brunnen schauen. Mit Freude erkannte sie Jasmin, ihre beste Freundin, die sich gerade abmühte ihre Eimer mit Wasser zu füllen. Schnell ging sie zu ihrer Freundin und klopfte ihr von hinten auf den Rücken. Erschrocken ließ Jasmin ihren vollen Eimer fallen und drehte sich um.

    „Man, hast Du mich aber erschreckt."

    „Tut mir leid. Du bist mir doch nicht böse?", fragte Amber besorgt.

    „Nein, natürlich nicht, erwiderte Jasmin und mit einem breiten Grinsen fügte sie hinzu: „Heute könnte ich glaube ich niemanden böse sein. Es ist nämlich etwas Großartiges geschehen!

    Und als Jasmin keine weiteren Anstalten machte ihr die Neuigkeiten zu erzählen, sondern nur mit diesem Grinsen im Gesicht da stand, fragte Amber endlich: „Nun sag schon, was ist denn so Tolles passiert?"

    „Ich werde vermählt!", platzte es triumphierend aus Jasmin heraus.

    „Heute haben mir meine Eltern mitgeteilt, dass sie mich einem reichen, einflussreichen Händler aus der Stadt versprochen haben. Und stell Dir vor: Er soll noch nicht einmal soo alt sein!"

    „Wirklich? Das ist ja großartig! Erzähl schon, wann wirst Du Deinen Bräutigam kennenlernen und wann soll die Hochzeit sein?", fragte Amber neugierig nach.

    „Er wird nächste Woche hier erwartet. Dann sollen auch alle weiteren Dinge besprochen werden. Der Hochzeitstermin ist noch nicht festgelegt, wird aber wohl irgendwann im Juni stattfinden. Vielleicht kommt ja auch gleich ein klerikaler Inspektor mit. Ich bin jetzt schon total nervös. Wir müssen uns unbedingt morgen treffen, damit ich Dir alles genau erzählen kann., und mit einem Bedauern in der Stimme fügte sie hinzu: „Jetzt muss ich mich aber beeilen, meine Eltern warten schon auf mich. Bis morgen!

    Jasmin packte ihre Sachen zusammen und entfernte sich schnellen Schrittes vom Brunnen.

    Nachdenklich schaute Amber ihrer Freundin hinterher. Sie freute sich für sie, doch war sie auch etwas traurig. Bald würde Jasmin wegziehen und wahrscheinlich werden sie sich dann nie mehr wieder sehen. Und auch der Gedanke an ihre eigene Situation beschäftigte sie. Wieso war sie noch nicht verheiratet? Schließlich war sie viel älter als alle anderen Mädchen hier im Dorf. Jasmin gehörte schon zu den älteren mit ihren 15 Jahren und sie war noch 2 Jahre älter! Amber wusste, dass ihr Vater schon einige Angebote für sie abgelehnt hatte. Er sagte zu ihr dann immer, dass es nicht der Richtige wäre. Aber langsam hatte sie das Gefühl, dass es niemals das richtige Angebot geben wird. Hätte sie doch eine Mutter, die hätte schon dafür gesorgt, dass sie bald vermählt würde. Aber leider hatte sie keine Mutter mehr. Sie ist kurz nach ihrer Geburt gestorben.

    Amber nahm die beiden Eimer wieder auf und ging zum Brunnen. Nachdem sie das Wasser eingefüllt hatte, machte sie sich mit den schweren Eimern auf den Heimweg. Dabei dachte sie an ihre Freundin und den Besuch ihres Bräutigams in der folgenden Woche.

    Ihr Vater würde nicht begeistert sein, wenn ein klerikaler Inspektor ins Dorf käme. Sie hatte nie die Abneigung ihres Vaters gegenüber den Vertretern der Kirche verstanden. Dabei machten sie doch nur ihre Arbeit. Vor jeder Hochzeit musste schließlich das Hochzeitspaar überprüft werden. Das Böse konnte sich überall verbergen. Und die Vergangenheit hatte bewiesen, dass eine Überprüfung der Säuglinge nicht ausreichte. Erst letztes Jahr ist dadurch erkannt worden, dass Marie zu den Jungmenschen gehörte. Sie hatte Marie immer gemocht und hätte nicht im Traum daran gedacht, dass Marie vom Bösen besessen sei.

    Die Reinigung oder wie ihr Vater sagen würde die Exekution, hatte sie nicht miterleben können, weil er sie an diesem Tag nicht aus dem Haus gelassen hatte. Aber nach den Erzählungen von Jasmin dauerte sie sehr lange und war unbeschreiblich grausam gewesen. Immer wenn sie darüber nachdachte, fragte sie sich, wozu diese Grausamkeit gut ist.

    Zu Hause angekommen öffnete sie die Pforte zum Grundstück und stellte die Eimer erst mal vor der Tür ab. Sie rieb sich die Hände, um die verkrampften Finger wieder beweglich zu machen. Es war doch ziemlich beschwerlich die vollen Eimer vom Dorfbrunnen bis zu ihrem kleinen Haus zu bringen. Deshalb hatte Amber auch diesen Dienst vor ein paar Monaten freiwillig übernommen. Ihrem Vater ging es seit dem letzten Herbst nicht gut und er sollte sich schonen.

    Sie öffnete die Haustür und wollte die Wassereimer in die Kochnische bringen, als sie bemerkte, dass ihr Vater nicht allein war. Amber blieb mitten im Raum stehen und schaute zu dem Fremden. Dieser blickte zu ihr rüber und musterte sie. Er hatte einen unangenehmen, durchdringenden Blick, der sie frösteln ließ. Die Kleidung aus schwarzem Leder sorgte für einen noch unheimlicheren Eindruck.

    „Sie sieht hübsch aus, sagte er ohne die Augen von ihr zu wenden. „Und Du bist Dir sicher?

    Die Frage löste bei ihrem Vater nur ein Kopfnicken aus.

    Nach einer kurzen Weile des Schweigens bat sie ihr Vater: „Bitte stell doch die Eimer ab und mach uns und unserem Gast das Abendbrot."

    Erst da bemerkte Amber, dass sie immer noch mit ihrer Last mitten im Raum stand und den Fremden anstarrte. Sie beeilte sich der Aufforderung ihres Vaters zu folgen und stellte einen Eimer in die Ecke. Den Inhalt des anderen Eimers schüttete sie in einen Topf. Ihre Finger waren schon wieder verkrampft. Sie rieb Ihre Hände aneinander und begann das Feuer zu entzünden.

    Während sie das Wasser für den Tee erhitzte und das Abendbrot herrichtete, konnte sie ein paar Bruchstücke des Gesprächs mitbekommen. Die meiste Zeit schien sich die Unterhaltung um die Vergangenheit zu drehen. Zwischendurch entstanden oft Pausen, in denen keiner etwas sagte. Über dem Ganzen hing eine seltsame Aura.

    Amber versuchte unauffällig den Fremden zu mustern. Sie wusste nicht warum, aber es kam ihr so vor, als ob sich der Fremde und ihr Vater schon lange kannten. Dabei konnte es eigentlich nicht sein. Sie hatte ihn zuvor noch nie gesehen und der Fremde war wesentlich jünger als ihr Vater, er konnte kaum älter als 25 sein. Sein Haar war dunkelbraun, fast schwarz. Es hing ihm bis auf die Schulter. Das Gesicht wirkte streng und traurig zugleich, so als ob die dunkelbraunen Augen schon unendlich viel Leid erblickt hätten. Die Kleidung schien bis auf einen Umhang, der auf der Bank lag, ganz aus schwarzem Leder zu bestehen und man konnte deutlich die Abnutzungsspuren darauf erkennen.

    Als der Tee fertig war, füllte sie ihn in Tassen und stellte ihn zusammen mit einem Laib Brot und einer deftigen Rotwurst auf den kleinen fleckigen Holztisch. Auf einen Wink ihres Vaters setzte sie sich dazu.

    „Verzeih Amber, ich habe Dir noch nicht unseren Gast vorgestellt. begann ihr Vater: „Sein Name lautet Kerwin. Er ist ein Freund. Wir kennen uns schon eine ganze Weile. Aber jetzt lasst uns erst mal essen.

    Während des Essens wurde kein Wort gesprochen. Amber konnte ihre Nervosität kaum unterdrücken. Als sie zum Messer griff, um ein Stück Brot abzuschneiden, wäre es ihr beinahe aus der Hand gefallen. Sie wusste, irgendwie hatte die Begegnung etwas mit ihr zu tun. Vielleicht wollte ihr Vater sie ja mit diesem seltsamen Mann vermählen?

    Nachdem alle mit dem Essen fertig waren, entstand eine unangenehme Stille. Plötzlich bekam ihr Vater einen Hustenanfall. Er hielt sich schnell ein Tuch vor dem Mund. Als er es wieder wegnahm, konnte Amber erkennen das es sich rot gefärbt hatte.

    „Du hast es ihr nicht gesagt?", fragte Kerwin.

    „Nein", kam die knappe Antwort.

    „Owen, Du solltest es ihr sagen!", Kerwin sprach sehr eindringlich.

    Ihr Vater schaute sie lange an: „Ja."

    Langsam ging Ambers Nervosität in Panik über. Sie konnte kaum noch still sitzen. Schleppend fing ihr Vater an zu sprechen: „Amber mein Bernstein, Du weißt, dass ich Dich über alles Liebe und dass ich immer das Beste für Dich wollte. Du musst mir vertrauen und mir versprechen genau das zu tun, was ich Dir jetzt sage."

    Ein weiterer Hustenanfall ließ ihn innehalten. Nachdem er zu Ende war, hatte Amber das Gefühl, dass sich der rote Fleck auf dem Tuch vergrößert hatte. Die Angst schnürte ihr allmählich die Kehle zu. Sie brachte nur ein jämmerliches „Ja, Vater" heraus.

    „Du kannst es mir ansehen. Mein Zustand verschlechtert sich immer mehr., setzte ihr Vater wieder an und machte eine Pause. „Es lohnt sich nicht, sich etwas vorzumachen. Ich werde bald sterben.

    Amber merkte, wie Tränen ihre Wange herunterliefen. Die weiteren Worte ihres Vaters nahm sie nur noch wie in Trance auf.

    „Du brauchst jemanden der Dich beschützen kann. Allein bist Du hier nicht sicher. Deshalb habe ich Kerwin eine Nachricht geschickt. Für das rechtzeitige Eintreffen danke ich Gott. Kerwin wird Dich hier wegbringen, Dir alles nötige beibringen und immer für Dich da sein. Du musst ihm vertrauen, wie Du mir vertraust."

    In Ambers Kopf fing sich langsam an alles zu drehen. Sie fühlte sich, als müsste sie gleich umkippen. Ihr Vater war der einzige Mensch, den sie über alles liebte und für den sie alles tun würde. Sie versuchte Kerwin anzuschauen, aber durch ihren Tränenschleier konnte sie nichts mehr erkennen. Ihr Vater wollte noch etwas sagen, ließ es dann aber doch bleiben. Amber merkte wie ihr aufgeholfen wurde. Sie konnte nicht alleine stehen. Als sie ins Bett gelegt wurde, fing sie an hemmungslos zu weinen. Irgendwann hatte sie keine Tränen mehr und man hörte nur noch ein leises Schluchzen.

    Nachdem sie eingeschlafen war, stand ihr Vater, der neben ihr am Bett gesessen hatte, schwerfällig auf und ging zurück zum Tisch, an dem Kerwin noch saß.

    „Sie weiß noch immer nicht die ganze Wahrheit.", setzte Kerwin das Gespräch fort.

    „Du hast es gesehen. Meine Kleine kann im Moment nicht mehr ertragen. Du musst es ihr sagen, wenn sie soweit ist.", erwiderte er.

    Kerwin nickte nur. Es entstand ein lange Pause.

    „Willst Du Dich immer noch rächen?", fragte Kerwin schließlich.

    Owen nickte und blickte ihn fragend an.

    „Dann nimm dies", und mit diesen Worten überreichte Kerwin ihm ein Bündel.

    Als Owen es auspackte, lag darin ein Richtschwert der Kleriker. Owen schaute Kerwin fragend an.

    „Es ist das Schwert mit dem Dein Weib getötet wurde., und mit einem boshaften Lächeln fügte er hinzu: „Der ehemalige Besitzer kann in seinem jetzigen Zustand nichts mehr damit anfangen.

    Eine Pause entstand, in der sich die beiden Männer anschauten.

    „Ich habe noch ein weiteres Geschenk für Dich. Der Priester, der Deine Frau getötet hat, wird nächste Woche mit einem zukünftigen Bräutigam in dieses Dorf kommen, um die Braut zu prüfen."

    „Kerwin, wie hast Du das denn hinbekommen?"

    „Der Bräutigam ist sehr mächtig und reich. Deshalb kommt der Priester persönlich mit und übernimmt die Prüfung der Braut. Ich sage Dir, es war nicht ganz einfach zu organisieren. Denk daran, den Kleriker zu töten ist schwer. Er ist gut bewacht. Du musst dicht an ihn rankommen, bevor Du zuschlägst und es ist wohl unmöglich, danach die Wachen zu überleben!"

    Owen grinste „Aber ein Sterbenskranker, der nichts zu verlieren hat, kann es schaffen. Ich danke Dir. Aber jetzt lass uns noch ein letztes Mal feiern und von den guten alten Zeiten reden.", mit diesen Worten ging er zum Schrank, holte eine Flasche Schnaps und zwei Becher.

    Sie saßen noch lange zusammen, lachten

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