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Aetheris Band 1-3: Das Erbe der Urdrachen
Aetheris Band 1-3: Das Erbe der Urdrachen
Aetheris Band 1-3: Das Erbe der Urdrachen
eBook1.273 Seiten15 Stunden

Aetheris Band 1-3: Das Erbe der Urdrachen

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Über dieses E-Book

Die Welt hat sich kaum vom Krieg gegen die Seelenvampire der Sholo'Sa erholt.
Eine Kauffrau mit Herz und Weitblick, Meren Fuchspelz, kümmert sich aus der Ferne um die mittlerweile 17-jährige Chan. Die Schwertmeisterin Toshira fungiert seit 14 Jahren als Ziehmutter des fast erwachsenen Mädchens.
Die Kauffrau vermutet aufgrund der mystischen Umstände bei ihrer Geburt, dass Chan die Prophezeite sein könnte, von deren Erfolg das Überleben des Städtebundes abhängen soll. Dieser Tag rückt schlagartig näher, als jegliche Nachrichten aus dem Norden Elestrias ausbleiben. Genau aus der Region, in der Chan in einer kleinen Garnison aufwächst.
Meren Fuchspelz entsendet einen kleinen Trupp - angeführt von ihrem Liebsten, dem Strategen Araneon und der katzenartigen Schwertmeisterin Luritri, um Chan dort herauszuholen.
Kaum erreicht der Trupp die Garnison, fallen bislang unbekannte Eroberer ins Land ein: Dämonen.
Während des Rückzuges vor der größer werdenden Invasion der Gehörnten entwickelt Chan ihre Fähigkeiten im Umgang mit den bislang unergründeten Æther-Energien und stellt ihr Können als Schwertkämpferin unter Beweis.
Unterstützt von den brillanten Einfällen des jungen Gelehrten Ladhar und den Künsten der Schwertmeister arbeitet die kleine Gruppe verzweifelt an einem Plan, damit die Völker Elestrias überleben können.
Wie sich herausstellt, tragen die Urmächte der Welt ihre Machtkämpfe aus, vertreten durch die Herren der Elemente, die Urdrachen.
Als ihre Ziehmutter zu den Dämonen überläuft, zerreißt es Chan innerlich. Wem kann sie noch trauen? Sie muss über sich selbst hinauswachsen, wenn Elestria nicht fallen soll.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum13. Sept. 2014
ISBN9783847678908
Aetheris Band 1-3: Das Erbe der Urdrachen

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    Buchvorschau

    Aetheris Band 1-3 - Alec J. Archer

    Widmung

    Dieses Buch ist besonders meiner Frau Andrea gewidmet.

    Ich liebe Dich!

    Landkarten

    Danksagung

    Besonderer Dank geht an meine Frau Andrea, die mich mit viel Geduld Woche um Woche, Monat um Monat schreiben ließ.

    Ebenso meinen Kindern, besonders Lukas. Danke fürs Testlesen.

    Weiterhin gilt mein Dank dem Team von Literature & Latte, die das hervorragende Programm Scrivener betreuen und herausgeben.

    Und den vielen Lesern, die das Buch bereits erworben haben

    Schreibweisen und Aussprache

    Liebe Leserin, lieber Leser,

    Du bist frei, die Dinge zu lesen und (auch in Gedanken) auszusprechen, wie Du möchtest.

    Wenn Du gern denselben Klang verwenden möchtest, den der Autor dafür vorgesehen hat, findest Du hier eine kurze Übersicht zur Aussprache.

    Die gebundenen Buchstaben (Ligaturen) wie inÆther und Dæmon werden als Ä gesprochen.

    Dasth in Æther wird als t gesprochen, wie in dem deutschsprachigen Wort Äther.

    Th in Eigennamen von Landschaften und Persönlichkeiten (z. B. Thororn) wird wie im Englischen oder Griechischen als scharfer Laut gesprochen, wie in Bathroom.

    Dh wird wie das weiche englische Th ausgesprochen, wie im Wort The (z. B. Ladhar)

    Dj oder dj wird wie Dsch ausgesprochen, wie Dschungel. Beispielsweise bei Sei-Dje oder Sei-Djar.

    Einë wie in Adriël wird als e ausgesprochen.

    Den Blog zur Aetheris-Reihe findest du auf:

    http://archer.neyfisch.de/

    (kein „www"!)

    Und nun viel Spaß mit Ætheris!

    Alec J. Archer

    Teil 1: Pherans Vermächtnis - Prolog

    Vendira: Auf Leben und Tod

    Die nahe Zukunft

    Acht Wochen nach den Ereignissen am Drachenspeer:

    Vendira stand auf dem staubigen Versammlungsplatz des Orcclans. Sie band sich das rote, mit goldenen Zeichen bestickte Abzeichen der Schwertmeister um ihren Kopf. Das breite Band hielt ihre Haare im Nacken zusammen. Ihre spitzen Ohren stachen deutlich sichtbar hervor.

    Die Orcs des Windreiterclans saßen auf ihren skorpionartigen Reittieren und bildeten einen Kreis.

    Vendira nahm ihre Kampfhaltung ein. Sie stand seitlich. Einen Dolch hielt sie kurz vor der Brust, um kein Ziel für Angriffe zu bieten. Der andere lag in ihrer hinteren Hand. Der Arm war an den Körper angelegt, so dass ihr Gegner nicht sah, was sie damit vorhatte. Die Klinge lag verborgen am Unterarm an.

    Ein Schatten fiel auf die Halbelfe, als Sharukhan vor sie trat. Ein grüner Muskelberg. Der Orc überragte sie um mindestens zwei Köpfe und wog mindestens dreimal so viel. Alles an ihm strotzte vor Kraft. Doch er war gierig. Das machte ihn berechenbar. Diesen Vorteil gedachte Vendira zu nutzen.

    *Was hast du vor? Du darfst deine Tochter nicht derart gefährden.*

    Ausgerechnet jetzt meldete sich der Felidragon über den Ceonskontakt zu Wort, das geistige Band zwischen Katze und Reiter. Barbula war weit mehr als ein Reittier. Er war ihr jahrelanger Gefährte und mindestens so intelligent, wie ein Mensch.

    Bei allen Urdrachen, Barbula. Würdest du bitte nicht meine Konzentration stören. Ich muss das hier allein tun. Weder die Orcs noch ich würden es dir jemals verzeihen, wenn du eingreifst.

    Sie sandte dem Felidragon ihre Gefühle. Die Geschehnisse, die in diese Situation mündeten.

    *Ich verstehe. Ich werde mich nicht einmischen und hoffen, dass ihr beide überlebt.*

    Das will ich dir auch geraten haben. Und jetzt verzieh dich aus meinen Kopf. Ich brauche ihn für mich.

    Vendira spürte, wie Barbula sich schmollend zurückzog. Sie würde sich später um ihn kümmern. Wenn es ein Später gab.

    Sie wusste, dass der Kampf ihr alles abverlangen würde. Noch nie hatte sie einem derart starken Gegner gegenübergestanden - abgesehen von Quadrotauren. Stieren mit einem menschlichen Torso. Sie besaßen vier Hände und schwangen drei Schritt lange Breitschwerter.

    Im Unterschied zu den Gehörnten war Sharukhan der brutalste Krieger des mächtigsten Orcclans. Nicht nur ein Soldat, der in einer Armee diente.

    Er war ein eine todbringende bluthungrige Bestie — getrieben von Niedertracht und Rachsucht.

    Ich werde dich besiegen!, schleuderte der Nalrogh ihr entgegen - der stärkste Krieger des Clans.

    Du wirst um dein Leben betteln. Ich werde es dir gewähren, wenn du mich bittest, zu dir ins Bett zu steigen.

    Sharukhan grinste anzüglich.

    Vendira lächelte kühl. Sie ging nicht auf seine Bemerkung ein. Sie wollte nicht zeigen, wie sehr seine Bemerkung sie traf.

    Bilder traten vor ihr geistiges Auge.

    Sie erwachte in der Nacht, gerade einmal sechzehn Jahre alt. Der Hüne war über ihr. Nackt. Er hatte ihr Schlafhemd hochgeschoben.

    Es gelang ihr im letzten Moment, ein Knie anzuwinkeln, um sein Vorhaben zu verhindern.

    Er packte das Bein. Warf sie mit brutaler Gewalt herum. Auf den Bauch. Er zwang ihre Schenkel auseinander. Griff ihr brutal in die Haare und zwang ihren Kopf nach hinten. Leckte mit seiner Froschzunge über ihre Lippen. Ihren Hals.

    Dann stieß er ihren Kopf zu Boden und packte ihre Hüften. Sie biss die Zähne in Erwartung der Schande zusammen.

    Stimmen im Zelt. Handgemenge. Lormun war da. Und Gorran, sein Freund. Sie rangen mit Sharukhan. Dem Nalrogh.

    Der Krieger verpasste Lormun einen Hieb, dass dieser durch die Zeltwand flog.

    Dann zog er seinen Dolch und rammte ihn Gorran in den Bauch.

    Gorrans Schrei rief die Orcwachen auf den Plan. Sharukhan trat Vendira verächtlich in die Rippen. Ein Wort. Elfenhure.

    Dann war er fort.

    Vendira weinte. Die ganze Nacht. Sie hatte trotz ihrer Ausbildung nicht die geringste Chance gehabt. Nur der Tod des jungen Orcs und das Eingreifen der Wachen hatten das Schlimmste verhindert.

    Seither hatte sie immer am längsten geübt. Sich nie geschont.

    Rogh, der Clanführer, Lormuns Vater, hatte erlaubt, dass sie sich in den Waffenkünsten der Orcs übte.

    Als sie mit Lormun zum Orden der Schwertmeister zurückkehrte, war sie eine andere. Härter. Wortkarger. Unnahbar. Unbesiegbar.

    Sie würde sich eher das Leben nehmen, als in Schande zu leben.

    Zweimal war ihr Leben an den Rand des Abgrundes gelangt. Einmal war es Krelynn, ihr Vater, der ihre Mutter tötete. Einmal war es Sharukhan mit seiner abartigen Gier.

    Zweimal war es Lormun gewesen, der sie davon abhielt, sich selbst zu töten.

    Zwei Männer hatten ihr Leben beinahe zerstört.

    Einer davon würde heute sterben.

    Hat es dir die Sprache verschlagen, Elflein? Oder freust du dich schon darauf aufzugeben und mein Lager zu teilen?

    Er lachte hämisch.

    Vendira klärte ihren Geist, wie sie es gelernt hatte. Sie sandte alle Gedanken fort, bis sie eins mit ihren Klingen wurde.

    Sie öffnete die Augen. Sie war Vendira. Die Kriegerin. Die beste Schülerin Luritris. Eine Schwertmeisterin aus Dantyr. Ungeschlagen seit ihren Prüfungen.

    Die Götter haben dich reich gesegnet, Sharukhan. Sie gaben dir Stärke. Mut. Den Körper eines Kämpfers.

    Was man von dir leider nicht sagen kann, Spitzohr. Dein Körper taugt nur für zartes Handwerk. Im Bett eines Kriegers.

    Er grinste anzüglich.

    Vendira seufzte übertrieben.

    Ich wünschte nur, die Götter hätten dich auch mit ein klein wenig mehr Hirn gesegnet. Zumindest mit dem Teil deines Hirns oberhalb deines Gürtels.

    Sie lächelte abschätzig.

    Auch beim unteren Teil deines Gehirns hätten sie nicht so kleinlich sein dürfen.

    Vendira löste Daumen und Zeigefinger von ihrem Führungsdolch um zu ihre Aussage zu unterstreichen. Ihr Zeigefinger entfernte sich dabei nicht allzu weit von ihrem Daumen.

    Gelächter ging durch die Reihen der Scargoylereiter.

    Sharukhan knurrte. Die Krieger verstummten.

    Du bist im Nachteil, Froschgesicht.

    Sie trat unauffällig einen Schritt an den Hünen heran.

    Spotte nur, Elflein. Ich werde dich zum Verstummen bringen.

    Er spuckte aus.

    Indem ich deine Zunge herausschneide.

    Während er ausspuckte, verlagerte Vendira abermals ihr Gewicht und schob sich näher an ihr Gegenüber heran.

    Vendira drückte den Rücken durch, wandte ihren Körper ein wenig ab und sah ihn aus den Augenwinkeln an.

    "Erstens heißt es, ‘weil ich versuchen will, deine Zunge herauszuschneiden’, und zweitens bist du immer noch im Nachteil."

    Ha. Du kämpfst mit Worten nicht halb so gut, wie ich mit Waffen. Wo soll ich denn im Nachteil sein, Spitzohr?

    Wieder hatte sie ein kleines Stück Distanz gutgemacht. Zuletzt hatte sie dieses Manöver bei Lintang beobachtet. Es war Bestandteil von Luritris Ausbildung.

    Vendira ließ ihre makellosen Zähne aufblitzen. Sie hatte ihn da, wo sie wollte.

    Du bist allein.

    Vendira stürzte sich auf den Orc.

    Sharukhan war noch damit beschäftigt, ihre Antwort zu verarbeiten. Seine Reaktion kam zu langsam. Vendira schnitt über die beiden Unterarme des muskulösen Orcs.

    Einen Arm zog der Krieger rechtzeitig weg. Seine Waffenhand.

    Der Dolch seiner zweiten Hand fiel aus seinen kraftlosen Fingern. Die Sehnen der Handbeugemuskeln waren gekappt.

    Na, machst du schon schlapp?

    Vendiras Worte troffen vor Hohn. Sie wollte ihn bis zur Raserei treiben.

    Blitzschnell schoss der Waffenarm des Orcs vor und attackierte ihren Hals.

    Vendira wich aus.

    Sie versetzte ihm zwei schmerzhafte Schnitte. Einen in die Wade, einen an der Außenseite des Oberschenkels. Er würde bald jeden Schritt schmerzhaft spüren.

    "Du hast gedacht, ich bin abgelenkt? Das war ich auch. Ich musste daran denken, wie du mich verspottet hast. Wie du versuchtest, mich in den Tod zu treiben. Mich in dein Bett zu zwingen, nur damit Lormun keine andere Wahl blieb, als dich zum Sholakh herausfordern. "

    Sie spuckte aus. Der Sholakh. Ein Zweikampf auf Leben und Tod. Es galt als unehrenhaft, einen Schwächeren herauszufordern. Deshalb hatte Sharukhan den jungen Lormun dazu bringen wollen, dass er die Herausforderung aussprach. Es wäre ihm beinahe geglückt.

    "Damals warst du bereits der Nalrogh. Wir waren keine Gegner für einen Kampf auf Leben und Tod."

    Sie hob ihre Stimme. Du wusstest, wir waren niedergeschlagen. Du warst Kampflustig, blutgierig. Du warst dir nicht dafür zu schade, die Schwächsten zu fordern.

    Sie spuckte auf den Boden.

    "Du warst ein Schlappschwanz. Im Bett hast du versagt. Und du warst ein Feigling."

    Mit einem Kampfschrei stürzte er sich auf sie. Täuschte einen Streich zum Hals an und ließ ihn in einen Stich in den Bauch übergehen. Die Spitze ritzte ihre Haut oberhalb des Bauchnabels, ehe sie es schaffte, die Klinge abzulenken. Blut quoll aus der Wunde.

    Vendira verfluchte ihre Unachtsamkeit. Sie hatte ihren Gegner unterschätzt.

    Ich habe mich geirrt, rief sie ihrem mittlerweile schweigsamen Gegenüber zu.

    "Du warst nicht nur ein Feigling und Schlappschwanz."

    Vendira wechselte ihre Kampfhaltung. Sie hielt den hinteren Dolch über den Kopf, den anderen in Hüfthöhe.

    Du wirst es immer sein.

    Sein Dolch schoss vor. Auf ihren Bauch zu. Vendira war vorbereitet.

    Sie schnitt mit beiden Klingen kreuzweise über seinen Unterarm, um die Sehnen zu kappen.

    Er zog seine Hand zurück.

    Sie traf ihn nicht wie beabsichtigt. Sie schnitt nur in die Haut seines Unterarms. Er verlor dennoch den Dolch. Die Hand hatte sich im Reflex geöffnet.

    Etwas traf sie an der Stirn.

    Sterne explodierten, als die blutende Hand seines anderen Arms sie mit voller Wucht am Kopf erwischte.

    Vendira ging zu Boden. Gefällt von der monströsen Wucht des Hiebes.

    Mit eisernem Willen kämpfte sie gegen die Bewusstlosigkeit an. Es wurde schwarz.

    Sie erwachte. Lag auf dem Rücken. Die Dolche hatte sie fallen lassen. Einen hatte ihr Gegner aufgelesen.

    Sie hatte für wenige Augenblicke das Bewusstsein verloren.

    Sharukhan warf sich auf sie. Den Dolch in der Faust. Die Spitze zielte auf ihren Hals.

    Vendira blieb keine Zeit. Die Kraft ihres Gegners war brachial. Sie hatte ihm in dieser Hinsicht nichts entgegenzusetzen. Für technische Finessen war es zu spät.

    Die schlimmste Situation für einen Kämpfer war die, ohne Waffe am Boden zu liegen.

    Entweder sie bekam den Dolch ihres Gegners sofort unter Kontrolle oder sie starb.

    Vendira riss ihren Unterarm in die Bahn der Klinge. Besser schwer verletzt als tot. Die letzte Regel des Schwertkampfes im Buch der sieben Ringe.

    Ein reißendes Geräusch. Schmerz.

    Der Dolch drang zwischen Elle und Speiche in die Rückhandseite ihres Unterarms.

    Die Spitze des Dolches trat auf der Innenseite wieder aus.

    Sie biss die Zähne zusammen. Drehte den Arm nach außen. Sengender Schmerz schoss durch ihr Bewusstsein.

    Ihr Gegner konnte den Griff der Waffe nicht länger festhalten. Sein Handgelenk war überstreckt. Auch seine Kraft hatte Grenzen.

    Die starken Muskeln eines schwachen Kämpfers sind um ein Vielfaches stärker, als die schwächsten Muskeln des stärksten Gegners.

    Zum Beispiel die Muskeln, die die Finger bewegten.

    Sharukhan gab den Dolch frei. Prallte mit seinem ganzen Gewicht auf Vendira.

    Sein fauliger Atem drang ihr in die Nase.

    Im letzten Moment rollte sie sich auf die Seite. Der Orckrieger krachte mit seinem vollen Gewicht auf ihren Oberkörper. Sämtliche Luft wurde aus ihren Lungen gepresst.

    Das Gesicht des Monstrums stieß gegen ihre Schulter.

    Ein hässliches Geräusch erklang, als seine Nase brach.

    Irgendwo in ihrem Brustkorb ertönte ein scharfes Knacken.

    Weitere Schmerzen. Atemnot.

    Vendira wand sich unter ihm hervor.

    Sharukhan war durch den Aufprall leicht benommen.

    Sie war im Begriff, sich aufzurichten, als seine Hand vorschoss.

    Unbarmherzig zog er sie mit einem brachialen Ruck an den Haaren zu sich heran.

    Vendira schrie vor Schmerz auf. Während des Sturzes musste sie das Schwertmeisterband, das ihre Haare zusammenhielt, verloren haben.

    Sie ging zu Boden. Ihre Kopfhaut fühlte sich an, als würde sie skalpiert.

    Ihr Körper wurde gewaltsam auf ihn zu geschleift. Kleine spitze Steine bohrten sich ihren Rücken.

    Ein muskelbepackter Orcarm schlang sich zum tödlichen Würgegriff um ihren Hals.

    Mit einem Aufschrei zog sie den Dolch aus ihrem Arm.

    Sie rammte den Dolch in den Bizeps der Grünhaut.

    Unbarmherzig drückte Sharukhan weiter zu, als hätte ihn lediglich eine Biene gestochen. Sie wusste, dass ihr Genick ohne die Verletzung durch die Klinge längst gebrochen wäre.

    Vendiras Ohren klingelten. Sie rang nach Luft. Ihr wurde schwarz vor Augen, als ihre Blutgefäße am Hals abgedrückt wurden. Sie spürte die schlaffe Hand des Orcs in ihrem Genick. Er übte Druck mit dem Handballen aus. Nutzte die intakten Muskeln seines Arms.

    Sie lag auf dem Bauch. Steine zerschrammten ihr Gesicht. Staub drang in ihre Lungen.

    Er lag über ihr. Drückte zu.

    Sharukhan brüllte etwas. Lachte. Stieß mehrfach von hinten mit seiner Hüfte gegen ihre. Sie konnte nichts hören. Das Rauschen in ihren Ohren schwoll immer stärker an.

    Die Geste war ohnehin missverständlich. Er wollte sie demütigen, bevor er ihr den Rest gab.

    Ein Ruck. Es knackte in ihrem Hals.

    Sie wusste, dass ihr nur noch eine einzige Aktion blieb, bevor ihr Genick endgültig brach.

    Luritri hatte Vendira in der letzten Stunde ihrer Schwertmeisterausbildung eine geheime Schlagtechnik gezeigt.

    Nur Luritri und sie selbst beherrschten die Kunst des Lua-Mak - die alte Kunst der Zayao, der Katzenmenschen.

    Vendira stieß ihre offene, entspannte Handfläche in einem fast unmöglichen Winkel dorthin, wo sie den Kopf ihres Gegners vermutete.

    Sie traf die Stirn des Orcs. Die Kraft ihres Arms drang bis ins Zentrum des Orcschädels.

    Augenblicklich entspannte sich sein Griff.

    Vendira wand sich aus der Armbeuge ihres massigen Gegners. Der Orc fiel zur Seite.

    Sie hustete. Blut rann pulsierend aus ihrem Unterarm. Sie konnte ihren Hals nicht bewegen. Musste ihren ganzen Körper über den Rücken auf die Seite drehen, um sich ihrem Gegner zuzuwenden.

    Es dauerte eine halbe Ewigkeit. Langsam und unter glühenden Schmerzen in Hals und Rippen schaffte sie es, sich herumzudrehen. Der Dolch steckte noch in seinem Arm. Sie zog ihn heraus.

    Der Orc lag kopfschüttelnd am Boden, als versuchte er, wieder einen klaren Blick zu bekommen. Immer noch hielt er rotbraune Strähnen ihres Haares in seiner Faust.

    Meine Tochter wird leben.

    Ihr Blick war wild.

    Ergib dich oder stirb.

    Sharukhan griff nach dem zweiten Dolch, der neben ihm am Boden lag.

    Gleichzeitig schnellte sein Fuß vor, um Vendira einen Tritt in den Bauch zu verpassen.

    Eine Klinge ragte aus seiner Stiefelspitze.

    Der mächtige Krieger röchelte, als ihre Klinge in seinen Hals drang und ihr Stampftritt sein Knie zertrümmerte.

    Der mächtigste Krieger der Windreiter, der Nalrogh, starb, als das Leben in einem pulsierenden grünen Strom aus seinem Hals rann.

    Das war für Gorran. Sie spuckte auf den Orc.

    Einer der Wenigen, die es wagten, sich gegen dich zu stellen.

    Tränen rannen, als sie das Bild des sterbenden jungen Orcs vor sich sah. Er hatte sein Leben gegeben, um ihre Ehre zu retten.

    Endlich konnte sie loslassen.

    Der Nalrogh der Windreiter war besiegt. Sharukhan war tot.

    Unter Schmerzen kämpfte sich Vendira auf die Beine. Der Dolch in ihrer Hand war ihr eigener. Blutverschmiert, wie er war, steckte sie ihn in den Gürtel.

    Ihre Beine zitterten. Sie blickte auf ihren Unterarm herab. Ströme von Blut flossen aus der Wunde. Sie wusste, dass ihr Blutverlust sich einer kritischen Grenze näherte.

    In der Ferne sah sie Barbula gegen einen Scargoyle kämpfen. Es war das Reittier Sharukhans.

    Geschickt wich ihr Gefährte den Zangen des Scorpiden aus.

    Der Giftstachel zuckte vor.

    Barbula durchtrennte ihn mit einem kurzen Krallenhieb. Er warf sich auf den Leib des Scorpiden. Versenkte seine Halsstacheln im Leib des Tieres zwischen Kopf und Rumpf.

    Der Scorpid zuckte.

    Barbula löste sich von seinem toten Gegner.

    Vendira rief ihren leopardenartigen Gefährten über ihr geistiges Band. Für eine andere Aktion hätte sie ohnehin keine Kraft gehabt.

    Barbula. Hol die Heiler. Schnell. Ich habe viel Blut verloren.

    *Ich suche sie*

    Barbula?

    *Ja?*

    Gut gekämpft.

    *Dito — Vendira?*

    Ja?

    *Nicht sterben.*

    Nie im Leben.

    Vendira verlor das Bewusstsein.

    Die Handelsfürstin

    Die nahe Vergangenheit

    Wenige Wochen vor den Ereignissen am Drachenspeer:

    Meren Fuchspelz stand in ihrem Pavillon am Rand des Familienanwesens. Sie fasste an die Brüstung. Vor ihr fiel die Steilküste von Lyrin-Mar dreißig Schritt tief ab. Vom Anwesen führte eine steinerne Treppe zum schmalen Streifen Strand am Fuß der Klippen hinab.

    Sehnsüchtig folgte ihr Blick einem Dreimaster, der in Richtung Dantyr auslief, der Stadt der Xelvan. Ein Schiff ihrer eigenen Handelsflotte.

    Sie atmete durch. Sie hatte Araneon fortgeschickt. Die Erzlieferungen aus dem Norden waren überfällig. Meren fürchtete um das Mädchen. Das Erbe der Urdrachen. Sie war sich sicher, dass das Mädchen die Prophezeite war. Wenn nicht sie, wer dann?

    Dies bedeutete auch, dass die Zeit der Umwälzungen bevorstand. Großes Leid würde über die Völker Elestrias hereinbrechen. Nicht einmal Nosturamus hatte mit Sicherheit vorhersagen können, ob die Prophezeite ihrer Aufgabe gerecht wird oder scheitert. Er beschrieb nur, dass sie die einzige Hoffnung des Städtebundes darstellte.

    Sie hatte die Besten losgeschickt. Bereits vor drei Jahren hatte sie Vendira, die Halbelfe aus Dantyr, strategisch postiert. Sie war in der Nähe des Mädchens, falls Gefahr drohte. Zuletzt wollte sie sich nach Fort Fox begeben. Zu ihr. Das war das Letzte, was Meren aus dem Norden gehört hatte.

    Ihre Gedanken wanderten wieder zu Araneon. Ihrem Geliebten. Sie hatten sich gestritten. Wieder einmal. Er wollte, dass sie zu ihrer Liebe stand. Sie konnte nicht. Die Räte, die Kaufleute, alle würden sich das Maul zerreißen. Spekulieren.

    Die Handelsherrin ist ihrem Leibwächter verfallen. Besitzt sie noch die Fähigkeit, ein Handelsimperium zu leiten?

    Die Liste ihrer Konkurrenten und Neider war lang. Sie alle warteten nur darauf, dem Haus Fuchspelz zu schaden, dessen Namen in den Schmutz zu ziehen und die Handelsrechte für sich einzustreichen.

    Deshalb konnte sie Araneon nicht offiziell anerkennen. Weder als Geliebten, noch als Ehemann.

    Sie wünschte, es wäre anders. Sie liebte ihn. Erst jetzt wurde ihr klar, was zählte. Die Geschäfte würden laufen, egal wie viel Umsatz das Haus Fuchspelz erzielte. Die Liebe zu Araneon gab es nur einmal.

    Sie hoffte, dass er heil zu ihr zurückkehrte.

    Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Sie würde vor ihm auf die Knie fallen, wenn er zurückkehrte.

    Sie hatte vor ihn zu überraschen, indem sie um seine Hand anhielt.

    Meren Fuchspelz seufzte. Bis ihr Vater vor sechs Jahren gestorben war, hatte sie ein bequemes Leben geführt. Die beliebte, verwöhnte Tochter eines Handelsfürsten mit einem verwegenen Geliebten an ihrer Seite.

    Es war nicht immer so einfach und glücklich gewesen.

    In den Sholo’Sa-Kriegen, als sie selbst noch ein Kind war, hätte sie beinahe ihr Leben gelassen. Sie sah die Szene vor ihrem inneren Auge.

    26 Jahre zuvor

    Meren kreischte.

    Du blöde Kuh. Du hast mir die Haare ausgerissen.

    Aëlan stand vor ihr. Das Gesicht vor Wut verzerrt. Braune Haare in der Faust.

    Selber blöd. Das ist meins. Du hast es kaputt gemacht.

    Chan stürzte ins Zimmer. Aëlans Mutter. Sie zog ihr Schwert.

    Ein böses Wort, egal von wem, meine jungen Damen, und ihr werdet die breite Seite meiner Waffe zu spüren bekommen.

    Sowohl Aëlan als auch Meren grinsten. Sie wussten beide, dass dies nicht mehr, als eine leere Drohung war. Niemals erhob Chan ihre Hand gegen ihre Tochter. Noch weniger würde sie es wagen, die Tochter des Handelsfürsten Cant Fuchspelz zu züchtigen.

    Schlag mich doch, wenn du dich traust. Machst du ja doch nicht.

    Chan und Aëlan saßen wenig später nebeneinander an einem kleinen Bach, der neben dem Haus der Kriegerin vorbeiführte.

    Besser gesagt im Bach. Sie kühlten ihre roten Hinterteile, die unangenehme Bekanntschaft mit der flachen Seite eines gewissen Breitschwerts gemacht hatten.

    Meren lächelte bei der Erinnerung. Nie wieder hatte Meren ein freches Wort gegenüber der Kriegerin geäußert. Zumindest nicht, nachdem sie ernsthafte Konsequenzen angedroht bekam.

    Ihr Gesicht wurde ernst. Es hatte nicht mehr viele Gelegenheiten gegeben, die Mutter ihrer Freundin herauszufordern. Ein halbes Jahr später breitete sich Krieg über den Städtebund aus. Thororn und seine Sholo’Sa tyrannisierten das Land.

    Meren und Aëlan saßen am Bach. Lachend erzählten sie sich die Geschichte, wie sie mit nacktem Hintern im Bach gesessen hatten. Sie kehrten nach Hause zurück. In das Haus der Schwertmeisterin. Chan hatte sie begrüßt. Ihr Körper glänzte schweißnass. Sie trug ein knappes schwarzes Oberteil und eine kurze orange Hose, die sich eng an ihre Hüften schmiegte. Das war ihre Kleidung für den Lamast, den Tanz der Klingen.

    Viele Schwertmeister waren der Ansicht, das sei unsinniger, ja unzüchtiger Zeitvertreib. Aëlans Mutter war anderer Ansicht. Sie übte täglich die sinnlichen Bewegungen des Tanzes, die sowohl die Geschmeidigkeit und Eleganz des Körpers betonen als auch Gefährlichkeit ausstrahlen sollten. Zu Ehren des Urdrachen Lamasti, dessen Elemente sich aus Kampf, Energie und Sinnlichkeit zusammensetzten.

    Lächelnd nahm sie die Blumen entgegen, die sie ihr mitgebracht hatten.

    Das sind Hyazinthen. Die wachsen nur am Bach neben dem Haus, hatte sie grinsend kommentiert. Dort, wo zwei gewisse Mädchen einst ihr Mütchen kühlten — weniger ihr Mütchen, als vielmehr...

    Dürfen wir ein Stück Johannisbeerkuchen, unterbrach Aëlan ihre Mutter, um das Thema zu wechseln.

    Wenig später saßen die Mädchen am Tisch. Drei Teller mit großen Kuchenstücken warteten einladend.

    Chan trat in das Esszimmer, eine dampfende Kanne mit Pfefferminztee in der Hand.

    Ihre Augen weiteten sich.

    Ein Knall. Die Porzellankanne zerplatzte am Boden. Heißer Tee verbrühte die nackten Füße der Kriegerin.

    Jobat, ihr Mann trat ein. Er war ein Schwertmeister, wie seine Frau. Er war selten zu Hause. Meist ritt er mit anderen Sei-Djin weiträumige Patrouillen um die Stadt.

    Sein Wams war blutverschmiert. Er taumelte auf seine Frau zu. Chan. Nahm sie in die Arme. Seine Arme zitterten. Blut quoll aus vielen kleinen Wunden. Sie küssten sich.

    Meren würde nie den entsetzten Ausdruck auf dem Gesicht der Mutter ihrer besten Freundin vergessen. Kreidebleich, mit zitternden Lippen, hielt sie ihren Mann, Aëlans Vater, der zu Boden sank. Unter seinen Füßen hatte sich eine große rote Lache gebildet. Das Blut floss aus seinem Unterbauch. Das Bein herab. Vermischte sich mit Pfefferminztee. Es duftete. Nach Metall und Minze.

    Aëlan war erstarrt. Tränen. Bäche von Tränen. Meren hatte Angst. Was sollte jetzt werden?

    Vampire, flüsterte der sterbende Kämpfer. Vater. Ehemann. Die alten Geschichten sind wahr. Sie nehmen die Seele ihrer Opfer. Pass auf...

    Mit einem Seufzer hauchte Jobat sein Leben aus. Inmitten von Porzellanscherben in den Armen seiner Frau. Vor den Augen seiner Tochter.

    Stimmen, wie verwelkendes Laub. Weiße Leiber strömten durch den Hauseingang.

    Meren versteckte sich unter dem Tisch. Dicht an Aëlan gedrängt. Zitternd vor Angst.

    Chan, die Kriegerin, zog das Breitschwert ihres Mannes aus der Gürtelscheide. Sie trug immer noch die knappe Kleidung der Astirim - der Tänzer des Lamast.

    Sie ließ die Klinge in einem tödlichen Tanz wirbeln. Vier der unheimlichen blassen Gestalten, die später als Sholo’Sa bekannt wurden, bildeten einen Kreis um die Kriegerin.

    Chan hackte, stieß, wirbelte.

    Blasse Gliedmaßen flogen. Ein Unterarm samt Hand flog vor Merens Füße. Sie musste sich den Mund zu halten, um nicht aufzuschreien.

    Aëlan riss entsetzt die Augen auf. Ein spitzer Schrei entrang sich ihrer Kehle.

    Einer der Sholo’Sa fuhr herum. Chan hieb ihm den Kopf von den Schultern. Er sackte in sich zusammen.

    Nun schrie auch Meren.

    Chan kämpfte verbissen. Einer der Sholo’Sa wandte sich ab, um sich die Mädchen zu holen. Meren konnte sich nicht regen. Sie war starr vor Angst. Aëlan ging es nicht anders.

    Chan stürzte sich mit einem Schrei auf den Sholo’Sa und spießte ihn auf. Die Schwertspitze drang aus seinem Hals. Die breite Klinge trennte schließlich das Haupt vom Rumpf.

    Meren schrie abermals.

    Einer der Sholo’Sa rammte der Kriegerin seinen Dolch in die Seite. Sie keuchte auf.

    Fuhr herum und köpfte ihn mit einem Hieb.

    Der letzte der Seelenvampire versetzte ihr einen Stoß in den Bauch. Er zog ein Kasanschwert heraus. Blutig. Triefend.

    Chan fiel auf die Knie.

    Aëlan schrie.

    Schrie, bis sie keine Luft mehr in den Lungen hatte. Der bösartig grinsende Sholo’Sa ließ sich auf alle Viere herab und kroch auf Meren und Aëlan zu. Die Augen gierig. Eine gespaltene Zunge fuhr aus seinem Maul. Er zischte.

    Jetzt sind eure Seelen mein.

    Meren kroch fort. Weg von dem Scheusal. Aëlan saß reglos da. Große Augen. Sie zitterte.

    Die sterbende Chan drückte Meren, die an ihr vorbeikriechen wollte, etwas in die Hand. Es war ein Dolch. Der Dolch den einer der Sholo’Sa geführt hatte.

    Sie sah in Merens Augen. Flehend.

    Meren nahm sich zusammen. Sie nickte. Sie durfte ihre Freundin nicht im Stich lassen. Sie war es Chan schuldig. Obwohl sie ihr übel den Hintern versohlt hatte. Das war in einem anderen Leben. Es zählte nicht.

    Mit einem Aufschrei warf sich Meren, die nie zuvor eine Klinge angerührt hatte, auf das blassgesichtige Scheusal, das die linke Hand erhoben hatte, als wollte es Aëlan eine Backpfeife verpassen. Ein Stachel ragte aus der Handfläche. Zielte auf den Hals des Mädchens.

    Sein Kopf ruckte herum. Er hielt Meren nicht für eine ernstzunehmende Bedrohung. Diese Fehleinschätzung beendete sein untotes Leben.

    Meren stieß mit aller Kraft zu. Der Dolch drang in seinen Nacken.

    Der Sholo'Sa brach zusammen. Er regte sich nicht mehr.

    Meren zog die zitternde Aëlan unter dem Tisch hervor.

    Beide Mädchen krochen zu Chan, die sterbend auf dem Rücken lag. Neben ihrem toten Mann. Inmitten weißer Scherben. Es roch nach Pfefferminz und Blut. Die Füße der Kriegerin blutige Fetzen. Die Sohlen zerschnitten von den Scherben der Teekanne.

    Ohne die Sholo'Sa würde Chan jetzt lächelnd neben ihnen sitzen. Die Teller wären rot verschmiert vom Johannisbeerkuchen, der ihre Bäuche füllte. Nicht der Bauch Chans wäre es, der rot verschmiert war. Leer. Ohne Johannisbeerkuchen.

    Chan schloss die Arme um ihre Tochter, die quer über ihrer Brust lag.

    Das Gesicht der Kriegerin war weiß. Blutleer. Fast wie die Fratzen der Sholo'Sa.

    Du musst tapfer sein, Aëlan. Geh mit Meren. Ihr Vater wird für dich sorgen. Schau nicht zurück.

    Chan nahm noch einmal alle Kraft zusammen.

    Denke an die guten Stunden. Und jetzt geht. Rasch.

    Aëlan warf einen Blick auf ihren toten Vater. Dann sah sie in das Gesicht ihrer Mutter. Ihr tränennasses Gesicht war trotzig.

    Ich bleibe bei dir.

    Chan seufzte.

    Ich bin dir so dankbar.

    Die sterbende Kriegerin weinte.

    Ich bin so stolz auf dich.

    Aëlan wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.

    Diesen Moment würde Meren nie wieder vergessen. Die kleine zarte Aëlan hielt ihre Mutter in den Armen, dicht über sie gebeugt und tröstete sie.

    Ich werde dich immer lieben.

    Die Kriegerin begann zu zucken. Krämpfe schüttelten ihren Körper. Ihr Atem ging stoßweise. Alle wussten, was dies bedeutete.

    Aëlan sah ihrer Mutter fest in die Augen. Meren war stumme Zeugin.

    Ich schwöre dir, Mutter, die erste Tochter, der ich das Leben schenke, wirst du sein. Deine Seele wird zu mir zurückkehren. Meine Erstgeborene wird Chan heißen.

    Mit einem tiefen Seufzer ging Aëlans Mutter zu Borin. Sie konnte voller Stolz vor den Urdrachen des Lebens treten und auf ihre Wiedergeburt warten.

    Gemeinsam machten sich die Mädchen auf den Weg zu Merens Vater, nachdem Aëlan die Augen ihrer Eltern geschlossen hatte.

    Seit diesem Tag war ihre Freundin nicht mehr dieselbe. Sie war stolzer. Zielstrebiger. Viel erwachsener als Meren.

    Von diesem Tag an, hatte Meren immer zu Aëlan aufgeschaut.

    Ihre Freundschaft war mehr als das. Aëlan und Meren waren unzertrennlich. Meren hatte Aëlan das Leben gerettet. Chan hatte beiden Mädchen das Leben gerettet. Meren wollte Aëlan helfen, ihren Schwur zu erfüllen. Ihre Freundin sollte eine Tochter bekommen. Chan.

    Meren löste sich von der Brüstung. Sie überquerte den Rasen des Anwesens und öffnete das kleine Tor, das den Weg zur Steintreppe freigab. Sie schritt die Stufen zum Strand hinab. Dort unten fühlte sie sich Aëlan nahe. Unzählige Male hatten sie als Kinder und in ihrer Jugend dort unten gesessen und aufs Meer geschaut. Aëlan mit traurigem Blick. Schulter an Schulter mit ihrer besten Freundin. Meren.

    14 Jahre zuvor

    Eine vierundzwanzig Jahre alte Meren ritt in Begleitung zweier Schwertkämpfer. Padhoro und Araneon. Meren und Araneon waren im gleichen Alter. Padhoro war ein Schwerenöter, der alles mit einer anzüglichen Bemerkung quittierte. Meren wusste nicht genau, wie alt er war, sie schätzte ihn auf Mitte dreißig. Sein streichholzkurzes Haar stand ab, wie die Stacheln eines Igels.

    Der gutaussehende Araneon hatte sein Haar mit dem Kopftuch der Schwertgesellen zurückgebunden. Das schwarze Band passte gut zu seinem dunklen Haar, das ihm bis auf die Schultern fiel.

    Merens körperliche Attribute waren ebenso Ziel von Padhoros Spott, wie ihre Beziehung zu Araneon, die sie offiziell nicht führen durfte. Er war ein Schwertbruder. Der Sohn Rethorns, des Leibwächters ihres Vaters. Gleichzeitig wurde er immer wieder von Meren zum persönlichen Schutz angefordert. Er sollte später in Rethorns Fußstapfen treten. Araneon verstieß gegen eine der Regeln des Schwertmeisterordens: Fange nie ein Verhältnis mit deinem Auftraggeber an.

    Immer wieder stritt Araneon mit Padhoro. Verteidigte die Ehre Merens.

    Siehst du, Araneon, hob der Schwertmeister an, Du bist in sie verliebt. Warum sonst sollte es dich stören, wenn ich auf ihren Hintern starre?

    Meren wandte sich um.

    Du alter Spanner. Kümmer dich um Frauen, die zu dir passen. Hafendirnen zum Beispiel.

    Wieso?, Padhoro zwinkerte anzüglich, du bist viel hübscher. Wenn wir angekommen sind, könntest du mir vielleicht...

    Weiter kam er nicht, weil Araneon ihn mit einem Tritt von seinem Reitluchs beförderte. Der Kämpe stürzte sich auf den ranghöheren Mann.

    Hört auf, schrie Meren. Gefahr!

    Augenblicklich stellten die Beiden ihre Kampfhandlungen ein. Sie zogen ihre Schwerter und standen Rücken an Rücken.

    Wo?, fragten beide unisono.

    Meren zeigte auf den Horizont. Ihr Magen zog sich zusammen. Rauchwolken. Dort, wo sich der Fuchshof befand. Eine düstere Ahnung beschlich sie. Sie sollte sich bestätigen.

    Meren hockte vor dem Bett ihrer besten Freundin. Sie war tot. Neben ihr lag ihr Mann. Merric. Seine Kehle war durchschnitten, ebenso wie die von Aëlan.

    Meren weinte hemmungslos, die Augen geschlossen. Sie hatte beide geliebt. Merric war ein aufrechter junger Mann. Ein gerechter Gutsverwalter an der Seite Aëlans.

    Sie hatten sich so sehr Kinder gewünscht. Doch es hatte nicht sein sollen.

    Manche hatten gemunkelt, die Ehe stünde nicht unter Borins Segen.

    Ein Medicus, der in den Diensten ihres Vaters stand, hatte Meren versichert, dass es Frauen gab, die unfruchtbar waren. Und auch Männer, die keine Kinder zeugen konnten.

    Es hatte ausgerechnet Aëlan getroffen. Die Frau, die ihrer Mutter geschworen hatte, dass sie in ihrem Schoß wiedergeboren würde.

    Aëlan war vierundzwanzig Jahre alt gewesen. Sie hätte sich einen anderen Mann nehmen können. Heimlich. Meren hatte es ihr geraten. Merric war einverstanden, als Meren ihm ihre Idee vorgestellt hatte. Er hätte alles getan, um seine Frau glücklich zu sehen. Auch wenn es schmerzhaft für ihn war.

    Doch Aëlan hatte abgelehnt. Hin- und hergerissen zwischen der Erfüllung ihres Schwurs und der Treue zu ihrem Mann. Letztlich hatte ihre Treue gesiegt.

    Meren, die Pragmatikerin, seufzte. Vermutlich waren die Ideale ihrer Freundin die weitaus bessere Lösung. Meren hatte sie immer beneidet. Sie wusste immer, was richtig war, und was falsch. Sie hatte Meren gedrängt, Araneon zu heiraten. Auch wenn dies bedeutete, dass ihr Vater sie vielleicht enterbte.

    Meren hatte einen anderen Weg gewählt. Den der Pflicht ihrem Vater und ihrer verstorbenen Mutter gegenüber. Dem Handelshaus treu ergeben. Sie wischte die Tränen weg und seufzte.

    Ach Aëlan. Wenn ich den Schwur nur für dich übernehmen könnte. Wenn du eine Tochter hättest. Ich würde sie großziehen. Ich würde für sie sorgen. Ich würde mein Leben für sie geben.

    Dann sah Meren etwas schimmern. Grün. Zuvor hatte Meren das Leuchten nicht wahrgenommen. Es gewann an Intensität. Ein pulsierendes Licht drang aus den Ritzen einer Kommode. Sie öffnete eine der großen Schubladen. Helles grünes Licht strömte in die Schlafkammer. Ein grünes rundes Gebilde lag in einem Korb, der mit Stroh ausgepolstert war. Träge zogen dunkelgrüne und helle Schlieren durch das Oval, das aussah, wie grünes klares Eis. Oder grünes Glas.

    Eine zusammengekrümmte Gestalt zeichnete sich dunkel im Inneren des kristallartigen Gebildes ab.

    Merens Sicht verschwamm. Sie stand auf einer Lichtung. Umgeben von hohen Bäumen. Sie drehte sich einmal im Kreis.

    Ein junger Mann trat auf sie zu. Merric.

    Eine Frau. Aëlan.

    Eine Gestalt mit Schwingen, die wie Äste anmuteten, an denen statt Federn Herbstlaub prangte. Pheran. Der Urdrache des Holzes, der belebten Natur.

    Chan muss wiedergeboren werden.

    Sie hörte die Stimme des Urdrachens in ihrem Kopf. Seine Stimme klang, wie das Rauschen von Blättern im Herbstwind.

    Sie könnte die Eine sein, die Elestria rettet.

    Dunkle Tage werden heraufziehen.

    Jemand muss für sie sorgen.

    Sollte sie sterben,

    Sollte sie verdorben werden,

    Sollte sie sich dunklen Mächten zuwenden,

    Dann ist alles verloren.

    Dann werden auch wir Urdrachen sterben.

    Und mit uns die Völker Elestrias.

    Meren schluckte. War dies wirklich Pheran? Träumte sie?

    Aëlan trat vor. Berührte Chan am Arm. Sie hielt eine Scherbe in der Hand. Die Scherbe einer weißen Porzellankanne. Pfefferminztee bedeckte den Boden. Vermischte sich mit Blut.

    Blut, das aus einer Wunde an Aëlans Hals strömte.

    Wieso bemerkte Meren die Verletzung erst jetzt? Sie musste tödlich sein.

    Aëlan lächelte.

    Pass gut auf sie auf. Du musst den Schwur für mich erfüllen. Für Chan. Für mich. Für Dich. Für Elestria.

    Aëlan stieß die Scherbe in Merens Oberarm.

    Die Worte ihrer Freundin hallten in Merens Kopf.

    Meren wurde geschüttelt. An der Schulter.

    Sie lag zusammengekrümmt am Boden. Auf der Seite. Eine Scherbe schnitt schmerzhaft in ihren Oberarm. Sie spürte etwas Warmes in ihren Armen, vor ihrer Brust.

    Meren öffnete die Augen.

    Sie lag am Boden der Schlafkammer. Die toten Leiber von Aëlan und Merric auf dem Bett.

    Grüne Scherben. Meren lag inmitten grüner Splitter. Hunderte kleiner Kristalle lagen um sie herum.

    In ihren Armen hielt sie einen kleinen Körper. Ein Säugling. Es war ein Mädchen.

    Padhoro und Araneon halfen ihr auf.

    Meren wickelte ihren Umhang um den Säugling.

    Araneon entfernte die Kristallscherbe, die in ihrem Arm steckte, mit einem Ruck. Sie hatte eine seltsame Form. Die Wunde die sie hinterließ, hatte die Form dreier Striche. Zwei senkrecht parallel zueinander. Beide Linien waren an den Enden nach außen gebogen.

    Ein Strich darüber, dessen Enden sich nach oben bogen. Das Zeichen Pherans.

    "Bei allen Höllenfeuern, entfuhr es dem Schwertmeister. Da ist man einmal nicht zur Stelle, und schon habt ihr ein Kind gezeugt und geboren. Wie soll ich das nur eurem Vater erklären?"

    Er zwinkerte und stieß Araneon einen Ellbogen in die Rippen.

    Nur gut, dass ich auf dich aufgepasst habe, mein Sohn. Du kannst es nicht gewesen sein.

    Araneon öffnete den Mund zum Protest.

    Hört auf mit dem Unsinn, ging Meren dazwischen. Wir müssen dieses Kind sofort nach Lyrin-Mar bringen. Sie muss leben.

    Wie sich herausstellte, hatte keiner der Bewohner des Fuchs-Hofes überlebt. Über dreißig Menschen hatten ihr Leben gelassen. Niedergemetzelt. Die meisten mit aufgeschnittenen Kehlen.

    Wahrscheinlich ist der Überfall in der Nacht erfolgt, hatte Araneon erklärt. Padhoro nickte.

    Eines ist seltsam. Es gibt keine Spuren. Die Erde vor dem Hof ist weich vom Regen der letzten Tage. Weder Pferde noch Reitkatzen noch Fußspuren.

    Padhoro rieb sich grübelnd das Kinn. Nie zuvor hatte Meren den Sei-Djin so erlebt.

    "Ich fürchte, wir haben es mit etwas zu tun, das so schlimm ist wie die Plage der Sholo'Sa. Oder etwas weitaus Gefährlicheres.

    Meren schauderte.

    Araneon lächelte beruhigend und hielt sie an den Armen.

    Wie es aussieht, hatte Aëlan ein Kind. Nur weiß niemand, wie es heißt. Nun ist es an dir. Welchen Namen soll die Kleine tragen?

    Trotz allem, was geschehen war, lächelte auch Meren. Sie hatte ihre Freundin gesehen. Ihren Mann. Und einer der sieben Urdrachen war ihr erschienen. Pheran.

    "Chan", antwortete Meren.

    Sie wusste, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. In einer Sache, die weit über Geld und Handel hinausging. Sie konnte ihrer toten Freundin helfen, den geleisteten Schwur zu erfüllen. Aëlan konnte Borin gegenübertreten und in ein neues Leben eingehen.

    "Chan", hauchte Meren. Sie streichelte dem Säugling zärtlich über den Kopf. Dem Mädchen, für das sie sorgen würde. Es musste im Geheimen aufwachsen. Keine dunkle Macht durfte von ihrer Existenz erfahren. So wollte es Pheran, der Urdrache.

    "Chan, wiederholte Padhoro mit seine Stimme, die einem Piratenkapitän zur Ehre gereichte. Ein guter Name. Der Name einer Kriegerin, die ehrenvoll gestorben ist."

    Er streichelte über den Kopf des Säuglings.

    "Möge dein Arm Treffsicher und dein Leben ruhmreich sein."

    Meren zog ihre Stola enger um die Schultern. Sie fröstelte. Der Wind brachte die kühle Luft des Meeres mit sich. Hoffentlich fand die Gruppe um Araneon und Luritri das Mädchen rechtzeitig.

    Meren hatte weder Kosten noch Aufwand gescheut, damit das Mädchen ein gutes Leben führte und eine solide Ausbildung erhielt. Mit Toshira, der Schwertmeisterin, hatte Luritri eine exzellente Wahl getroffen. Die Zayao hatte keine Geringere als ihre eigene Ziehtochter für dieses Unterfangen ausgewählt.

    Meren war fest davon überzeugt: Chan war die wiedergeborene Kriegerin. Die Tochter und zugleich die Seele der Mutter ihrer gestorbenen Freundin.

    Meren machte sich daran, die Treppe zum Anwesen emporzusteigen. Die Sonne war bereits hinter dem Horizont im Meer versunken.

    Kapitel 1

    Vorbereitungen

    Nun müssen wir überlegen, was das Beste für unsere Völker ist. Vermutlich müssen wir uns eingestehen, dass die Gehörnten ebenso ein Recht haben, uns zu hassen, wie wir sie.

    Ich frage mich, ob wir je in der Lage sein werden, eine Brücke zu schlagen, um Friedensverhandlungen aufzunehmen.

    Ein Tischgespräch

    Das aktuelle Geschehen

    Kurz vor den Ereignissen am Drachenspeer:

    Chan löffelte ihren Eintopf in der großen Küche des Forts. Es roch nach Blumenkohl und frisch geriebener Muskatnuss. Sie liebte diesen Geruch. Sie ahnte nicht, dass die letzte unbeschwerte Stunde ihres Lebens bereits angebrochen war.

    Toshira trat ein. Sie trug ihre schmucklose Reituniform aus rotbraunem Leder. Die mit goldenen Zeichen bestickte rote Schwertmeisterbinde hatte sie sich um den Kopf geschlungen, wie üblich.

    Die Kriegerin schnappte sich einen Stuhl, drehte ihn mit der Lehne nach vorn und setzte sich Chan gegenüber an den kleinen Holztisch. Sie riss sich ein Stück frisch gebackenen Brotes ab, das zwischen ihnen lag.

    He, daf if meinf!, beschwerte sich Chan.

    Toshira grinste. Der Rest schon. Dein Benehmen macht Fortschritte, es entspricht dem der Stallburschen.

    Chan bedachte die Schwertmeisterin mit einem Blick. Leider war sie keine der legendären Medusen von Lordria. Sonst wäre Toshira in diesem Augenblick zu einer eisigen Skulptur ihrer Selbst erstarrt.

    Wir müssen gleich ausrücken. Es scheint Ärger zu geben. Mit einem Mal war Toshira ernst geworden, eine steile Falte bildete sich auf ihrer Stirn.

    Du nimmst mich mit?, rief Chan dennoch begeistert, nachdem sie eilig den Rest des Eintopfes in ihren Magen befördert hatte.

    Sie sprang auf. Soll ich meine Schwerter mitnehmen?

    Toshira nickte. „Wenn du meine mitbringst."

    Danke, Toshi! Es war das erste Mal, dass sie ihre Ziehmutter bei einem Einsatz begleiten durfte.

    Schwerter

    Kurz darauf stürzte Chan in ihr gemeinsames Zimmer im Gesindehaus. Schnell zog sie ihre Reithose an und tauschte ihr Hemd gegen ein schweres Lederwams, das an der Brust ziemlich spannte. Sie würde Toshira darum bitten, dass sie ein neues in Auftrag gab.

    Dann griff sie unter ihr Bett und zog den Kasten mit ihren beiden Kasanschwertern hervor. Sie schlüpfte in das Kreuzgehänge mit den Schwertscheiden, wie sie es hunderte von Malen geübt hatte. Die Brustgurte waren perfekt angepasst. Sie zog sich die Reitstiefel an und rannte aus dem Zimmer.

    Verdammt.

    Sie drehte nochmals um und holte Toshiras Schwerter unter dem Bett ihrer Ziehmutter hervor. Kurz darauf eilte sie die Treppe ins Erdgeschoss hinab, öffnete die Tür zum Hof und begab sich im Laufschritt zu den Stallungen der Reitkatzen.

    Aufsitzen

    Toshira saß bereits auf ihrem Reitgepard. Sie hob eine Braue. Aus dir wird vielleicht doch noch eine verlässliche Schwertschwester. Sie zwinkerte Chan zu.

    Chan übergab ihr das Gehänge mit den beiden gebogenen Kasans und nahm die Zügel ihrer eigenen Reitkatze — einem Nachtjäger — von einem der Stallburschen entgegen. Sie schwang sich auf den Rücken des Panthers und nickte Toshira zu. Sie war bereit.

    Die Schwertmeisterin schien noch auf etwas zu warten.

    Fünf Soldaten des Forts ließen sich die Zügel ihrer Reitkatzen von den Stalljungen übergeben. Einen der Jungen kannte Chan. Garm. Ein kleiner Zayao. Sein rötliches Fell war unverkennbar. Chan winkte ihm zu. Er winkte zurück. Er kümmerte sie gut um Navar, ihren Reitpanther.

    Er machte ihr den Hof. Dass er ein paar Jahre jünger war, als sie, hielt ihn nicht davon ab. Stolz hatte er ihr vor einer Woche verkündet, dass er sie später heiraten wollte. Sie wäre seine Traumfrau.

    Als sie gelacht hatte, war er schmollend abgezogen. Erst als sie ihn erneut aufgesucht und ihm erklärt hatte, dass sie sein Angebot in Erwägung zog, hatte er wieder mit ihr gesprochen. Er hatte ihr versichert, dass es ihm nichts ausmachte, dass sie ein Mensch war. Sie sei so schön, wie zehn Zayaomädchen zusammen.

    Chan musste zugeben, dass sie sich geschmeichelt fühlte. Er hatte eine Charmante Art.

    Einen Tag später hatte er ihr einen Ring an den Finger gesteckt.

    Jetzt sind wir verlobt, hatte er stolz verkündet.

    Lächelnd blickte Chan auf ihre Hand. Der Holzring schmiegte sich immer noch an ihren Finger. Garm hatte ihn selbst geschnitzt und poliert.

    Als Chan aufsah, ritt der Trupp auf sie und Toshira zu. Ihr Anführer war ebenfalls ein junger Zayao. Eine Katze auf einer Katze. Chan lächelte. Eine Reiterin des Trupps schien neu zu sein. Ein spitzes Ohr schimmerte kurz durch ihre rotbraunen Haare.

    Eure Eskorte meldet sich zum Geleit. Im Auftrag von Kommandant Mercos, verkündete der Zayao. Sein rötliches Fell wies nahezu die gleiche Farbe auf, wie sein Reitpuma. Er hatte die Mähne so kurz geschoren, dass sein Nackenfell wirkte, als wären seine Haare ständig gesträubt.

    Vielen Dank, Truppführer Amaru!

    Erwartungsvoll bleckte der Zayao die Zähne, so dass sich seine Schnurrhaare aufspreizten.

    Wir folgen Euch, Schwertmeisterin!

    Eine Patrouille wird vermisst, verkündete Toshira, drei Soldaten. Suchen wir sie.

    Wartet, ich komme mit Euch! Der junge Schreiber näherte sich der Gruppe auf einem Pferd.

    Chan rollte mit den Augen. Man sollte den Stallburschen verbieten, Reittiere für Gelehrte zu satteln. Damit war Chans Hoffnung dahin, ihrem Lehrer wenigstens einen Ausritt lang entkommen zu sein.

    Soweit sie wusste, war er nur fünf Jahre älter als sie selbst. Sie würde es ihm gegenüber nie zugeben, dass es sie beeindruckte, wie weit sein Wissen reichte. Das Problem mit ihm war, dass er diesen Umstand jedem unter die Nase rieb. Besonders Chan. Der Unterricht bei ihm war nicht langweilig. Er wurde nur durch die selbstgefälligen Ausführungen Ladhars zu einer Angelegenheit, die ätzend war, wie Chlorsäure. Zudem ließ er sie jedesmal spüren, dass er über ihr stand. Er bestand auf Ihr und Euch als Anrede. Er benahm sich derart gestelzt, dass Chan sich einmal zu der Aussage hinreißen ließ, er habe einen Stock im Arsch. Daraufhin war Chans Lieblingskleid ruiniert worden. Toshira hatte gerade den Mund voll mit Rotwein gehabt. Beide hatten sich vor Lachen ausgeschüttet.

    Als Toshira sich von ihrem Lachanfall erholte, kommandierte sie Chan für ihre unflätige Bemerkung zum Küchendienst ab. Lächelnd hatte Chan der Köchin beim Abspülen der Töpfe und Pfannen geholfen.

    Chan löste sich aus ihren Gedanken.

    Ladhar. entgegnete Toshira trocken. Ich wäre besorgt um Eure Sicherheit, falls wir in ein Gefecht geraten.

    Vielen Dank für Eure Besorgnis, Schwertmeisterin. Ich denke, wenn der Ausflug für Chan ungefährlich genug ist, werden eine Schwertmeisterin und ein berittener Trupp ebenso für meinen Schutz ausreichen. Außerdem bietet sich sicherlich die eine oder andere Gelegenheit für die eine oder andere naturwissenschaftliche Lektion.

    Dann gebt Acht, dass Euer Pferd nicht scheut, indem ihr es zu nah an die Reitkatzen führt.

    Toshira ließ ihm keine Zeit für eine weitere Antwort. Ihr Reitgepard trabte hinter dem Pferd des Schreibers entlang, so dass es einmal nervös im Kreis tänzelte.

    Die Soldaten verhielten sich ein wenig rücksichtsvoller. Sie hielten etwas mehr Abstand, als sie das Pferd passierten.

    Chan rieb die schwarzen Haare am Hals ihres Panthers gegen den Strich, was ihm ein Fauchen entlockte.

    Ladhars Pferd stieg auf die Hinterhand.

    Chan grinste und ließ Navar loslaufen.

    Der Drachenspeer

    Zunächst gilt es, unsere Verteidigungsfähigkeit zu sichern und einen Gegenschlag vorzubereiten. Denn noch wichtiger, als nach einer Übereinkunft zu suchen ist es, das Leben der Völker Elestrias zu gewährleisten.

    Ausritt

    Chan genoss den Wind, als sie die hohen Palisaden des Forts hinter sich ließ und ins Freie galoppierte. Ihr Nachtjäger fauchte.

    Toshira zeigte auf eine Erhebung in der Nähe. Sie schwenkten darauf ein. Schließlich hielt die Schwertmeisterin mitten auf dem Hügel an.

    Zu ihrer Linken ragte ein schroffer Grat etwa zehn Schritt hoch auf, der im Fort als Drachenspeer bekannt war. Nach den anderen Seiten fiel die Anhöhe sanft ab.

    Nachdem Toshira auf einen Busch mit einigen abgeknickten Zweigen gewiesen hatte, zeigte sie auf eine Stelle am Boden davor. Der Sand ist aufgewirbelt worden. Hier hat ein Kampf stattgefunden.

    Chan saß ab und registrierte ein paar kleine Flecken in der Nähe der Felswand. Blut, raunte sie. Es war noch frisch.

    Toshira saß ebenfalls ab und betrachtete die Spuren. Sie bedeutete Chan, sich wieder zu ihrem Nachtjäger zu begeben. Ein weiterer Tropfen hinterließ einen dunklen Fleck im Staub.

    Blitzartig zog die Schwertmeisterin ihre Klingen.

    Eine Gestalt stürzte von dem zerklüfteten Felsen herab. Noch im Sprung versuchte der Angreifer, Toshiras Schädel durch einen Hieb zu spalten.

    Sie ließ die Klinge an einem ihrer Schwerter diagonal abgleiten, während sie mit der anderen Waffe in Richtung Hals hieb.

    Die Soldaten sprangen von den Rücken ihrer Reitkatzen und zogen ebenfalls blank.

    Wartet, rief Chan.

    Amaru, der Zayao, nickte und hob die Hand als Signal für die anderen vier Reiter.

    Chan hatte im Fort schon einige sonderbare Durchreisende erlebt, aber diese Kreatur war ihr völlig unbekannt. Neben der ledrigen Haut, die einen ungesunden grünlichen Ton aufwies, zogen drei nach oben gebogene Hörner an der Stirn ihre Aufmerksamkeit auf sich, jedes etwa eine halbe Handspanne lang. Heller brauner Dunst umgab den fremdartigen Krieger.

    Chan betete zu Lamasti, dass die Schwertmeisterin mit diesem Kämpfer ebenso spielend fertig wurde, wie mit Menschen und Zayao.

    Die Schwertmeisterin

    Toshiras waagerechter Hieb hätte den Angreifer enthaupten sollen. Die Rüstung der fremdartigen Kreatur war anscheinend genau dafür geschaffen, dies zu verhindern.

    Kurz analysierte die Schwertmeisterin den metallenen Rüstungsbeschlag, der auf den Schultern begann, in einen trichterförmigen Kragen überging und sich bis auf Höhe der Kiefergelenke fortsetzte. Der Kopf wurde durch einen Halbhelm mit Ohrenklappen geschützt, der auf der Stirn über den Hörnern endete. Das Wesen war einem Menschen im Wesentlichen ähnlich.

    Mit dem Schwert, das sie zur Parade verwendet hatte, griff Toshira in einer kreisförmigen Bewegung aus dem Handgelenk an. Sie schnitt in den Unterarm ihres Kontrahenten, so dass dieser seinen gezackten Säbel fallen ließ. Weiteres Blut sprenkelte auf den Boden.

    Die Kreatur schrie auf. Das Biest beugte sich herunter, um seine Waffe mit der anderen Klaue wieder aufzunehmen.

    Genau in diesem Moment schleuderte Toshira ihrem Gegenüber mit dem Fuß Sand und Staub ins Gesicht.

    Sie sprang in die Luft, griff nach den Reserven ihres Luft-Æthers und zog sich höher, als es ihr mit Muskelkraft allein möglich gewesen wäre. Sie vollführte einen halben Salto. Kopfüber stürzte die Schwertmeisterin aus vier Schritt Höhe auf die Kreatur zu, die Schwertspitzen voran.

    Ihr Gegner erhob sich, das Schwert zum Schutz vor sich schwingend. Geblendet schüttelte er den gehörnten Kopf.

    Toshira griff abermals nach ihrer Reserve an Luft-Æther und kreiselte wie von einer Spindel getrieben um ihre Hochachse, als die Schwertspitzen sich wirbelnd in den Hals des Wesens senkten. Stahl kreischte. Funken flogen, als die Schwerter an dem metallenen Kragen entlang schrammten und den Kopf vom Hals trennten.

    Der Schädel fiel nach vorn in den Staub. Die Stirnhörner bohrten sich zur Hälfte in die Erde, wo sie stecken blieben.

    Toshira stieß sich von dem seitlich wegsackenden Körper wieder ab. Sie setzte zwei Schritt hinter dem Leichnam am Boden auf. Ein Knie am Boden, ein Schwert senkrecht über dem Kopf, eines seitlich.

    Als sie die Klingen an der Kleidung des Angreifers abwischte, bemerkte Toshira den braunen, immer dichter werdenden Nebel.

    Erd-Æther. Nehmt euch in Acht!

    Bei Lamasti.

    Hier waren größere Kräfte am Werk.

    Aus den bräunlichen Nebelschlieren, die immer dichter wallten, schälten sich sechs weitere gehörnte Kreaturen.

    Toshira griff den Neuankömmling an, der ihr am nächsten stand. Mit wenigen Schritten war sie bei ihm. Die Schnittwunden, die sie ihm in schneller Folge zufügte, verlangsamten ihn nicht weiter. Kurzzeitig beeinträchtigte ihn ein gezielter Stich in die Nieren. Die Wunden schlossen sich kurz nach der Verletzung wieder.

    Toshira fluchte. Als sie seine beiden Fersensehnen kappte und wirbelnd außer Reichweite sprang, hatte sie einen Moment Ruhe vor ihrem Gegner. Zwei weitere Gehörnte beendeten ihre Atempause.

    Sie ließ ihre Kasanschwerter kreisen und kappte weitere Sehnen.

    Hinter ihr bildete sich dichter brauner Nebel.

    Chan und vier Arme

    Chan stand wie angewurzelt da. Sie beobachtete Toshira, wie sie gegen die schier unbezwingbaren Gegner kämpfte. Als ein paar weitere Gehörnte wie aus dem Nichts in den braunen Ætherschlieren erschienen, Gab Amaru seinen vier Kämpfern den Befehl zum Angriff.

    Entsetzt beobachtete Chan, wie ein vogelartiges Wesen, etwa von der Größe eines Adlers, heranflog. Es warf eine Kugel ab, die lautlos hinter der Schwertmeisterin zerplatzte. Undurchdringlicher brauner Æther wurde freigesetzt. Für die Soldaten war der Nebel nicht wahrnehmbar. Auch Toshira schien das Ereignis hinter ihr nicht zu bemerken.

    Chan riss sich aus ihrer Erstarrung.

    Chan rannte.

    Sie erreichte die Abwurfstelle, als eine Gestalt aus dem wallenden Dunkel hervortrat. Sie überragte Chan um mindestens drei Köpfe. Lange Spitzen stachen aus schwarz gepanzerten Schultern, Ellenbogen und Kniegelenken hervor.

    Die schmalen Klingen der Kreatur ähnelten stark gekürzten Rapieren. Der Unbekannte hielt vier dieser Waffen in seinen Klauen. Kein Wesen sollte mehr als zwei Arme besitzen.

    Heiliger Lamasti!

    Der gehörnte Alptraum hieb mit allen Klingen zugleich auf den ungeschützten Rücken der Schwertmeisterin ein.

    Chan warf sich ohne nachzudenken dazwischen, während sie endlich ihre beiden Kasans blank zog. Sie bog ihre Arme in nahezu unmögliche Winkel, um mit jedem ihrer Schwerter zwei der Klingen abzufangen.

    Es wäre ihr gelungen, hätte nicht einer der vier Arme den angetäuschten Hieb in einen Stich abgeändert.

    Überdeutlich wurde sie gewahr, wie kalter Stahl links unterhalb ihrer Rippen die Lederrüstung durchdrang.

    Reflexartig senkte sie ihren Ellbogen, um zu verhindern dass die Klinge tiefer in ihren Körper drang. Ihr Unterarm blockierte die Aufwärtsbewegung des gepanzerten Arms.

    Ihr Gegner setzte brachiale Kraft dagegen. Sie spürte, dass sie nicht länger standhalten konnte.

    Die anderen Klingen drohten ebenfalls abzugleiten. Eine davon näherte sich ihrem Hals.

    Entsetzt sah sie sich um. Keiner der anderen Soldaten stand nahe genug, um ihr zu helfen.

    Verwundet

    Toshira hörte hinter sich Stahl auf Stahl treffen. Zwei Schneiden waren auf eine getroffen. Zwei weitere Klingen: Eine pariert. Eine auf Leder getroffen. Ein Treffer - ein Stich. Ein metallisches Schaben von aneinander entlanggleitenden Klingen.

    Noch bevor sie die Szene sah, hatte sie eine Entscheidung getroffen. Sie würde den Arm angreifen, der den Treffer gelandet hatte. Mit dem zweiten Schwert führte einen Stich in Kopfhöhe. Dorthin, wo sie den zweiten Gegner vermutete.

    Der Stich ging ins Leere. Kurz vor dem Auftreffen ihrer anderen Klinge erkannte sie, dass ihr Schwert die metallene Panzerung niemals durchdringen würde.

    Der hünenhafte Körper des Angreifers machte sich für eine gewaltige Kraftanstrengung bereit, mit der seine Klinge Chans Herz durchbohren sollte. Ihr blieb keine Zeit für einen weiteren Angriff.

    Toshira nahm alle Reserven ihres Luft-Æthers zusammen. Sie versetzte in einer gewaltigen letzten Kraftanstrengung ihren Körper und ihr Schwert in den Zustand des Elements Luft.

    Ihr zweites Schwert fiel zu Boden, da sie alle Reserven ihres Luft-Æthers brauchte, um die eine Waffe mitzunehmen.

    Ihr Schwert durchdrang wie ein Geist die Armpanzerung am Ellbogengelenk der Bestie. In dem Bruchteil des Augenblicks, in dem die Schneide ganz im Arm versenkt war, ließ sie den Luft-Æther gehen. Die Bestandteile der Waffe suchten sich wieder ihre ursprüngliche Form, ebenso wie Toshiras Körper. Die Klinge nahm mitten im Arm des Dæmons feste Gestalt an. Der Schwung trieb die Klinge durch die Armpanzerung. Mit einem gequälten Kreischen riss das gehärtete Metall entzwei, als die Klinge die schwere Panzerung durchschnitt.

    Die abgetrennte Hand mit dem Rest des Arms umklammerte weiterhin die Waffe, die aus Chans Körper unterhalb des Rippenbogens ragte. Toshira nahm sich zusammen. Sie konnte sich keine Ablenkung leisten.

    Der Gehörnte starrte auf seinen nutzlosen Armstumpf. Er brüllte und trieb seine verbliebenen Klingen vorwärts. Die Waffen drohten, die Schwertmeisterin aus drei verschiedenen Richtungen aufzuspießen.

    Toshira verwandte die Schrittarbeit der Schwertmeister von Dantyr. So stand sie bereits hinter dem Dreiarmigen und stach in einen Spalt der Rüstung seiner oberen Schulter.

    Augenblicklich erschlaffte auch dieser Arm, so dass er seine beiden rechten Hände nicht mehr einsetzen konnte.

    Durch ein Abknicken in der Hüfte und zwei kurze schnelle Schritte wehrte sie mit ihrem Schwert die Klingen von zwei weiteren angreifenden Gegnern ab und brachte sich außer deren Reichweite. Toshira wusste, dass sie ihre gesamte Kraft verbraucht hatte. Ihre Arme begannen zu zittern.

    Die feindlichen Soldaten bildeten einen Ring um den Vierarmigen. Ohne Zweifel ihr Anführer.

    Amaru warf Toshiras Schwert mit großer Wucht auf sie zu. Es gelang ihr gerade noch, auszuweichen. Sie erwischte das Kasan nicht mehr, als sie danach griff. Diese Aktion hätte leicht mit einer Verletzung oder ihrem Tod enden können. Der Zayao war leichtsinnig.

    Sie spürte einen Luftzug im Nacken. Mit letzter Kraft warf sie sich zu Boden.

    Der Reitpuma des Zayao sprang über sie hinweg und prallte auf einen der Gehörnten. Er begrub einen der Angreifer unter sich, der Toshira bereits gefährlich nahe gekommen war. Raubtierzähne senkten sich in den Helm. Der Gehörnte verschwand unter Zähnen, Klauen und dem massigen Körper des Berglöwen.

    Eine weitere Leichtsinnigkeit? Toshira blieb keine Zeit, darüber nachzudenken. Sie hatte keine Kraft mehr, um aufzustehen. Ihr Blick wanderte zu Ladhar, dem jungen Gelehrten.

    Er hatte Chan aus dem Gefechtsbereich gezogen und hievte sie nun auf ihren Nachtjäger.

    Ein weiterer Angreifer näherte sich Ladhar und Chan. Toshira stieß einen heiseren Warnruf aus. Es wurde dunkel um sie. Tränen rannen über ihr Gesicht. Wut und Verzweiflung waren das letzte, das sie empfand, bevor ihr Bewusstsein den Kampf gegen die Ohnmacht verlor.

    Tinte ist stärker

    Ladhar zog die Klinge aus Chans Körper. Er warf sie von sich. Klappernd landete das Metall am Boden. Soviel Blut. Wieso musste immer er alles machen? Sollte es dafür nicht Heiler oder so was geben? Er wuchtete Chans Körper mit Mühe auf den Panther, der zum Glück keine Anstalten machte, ihn zu beißen. Er knurrte nicht einmal. War es nicht immer so? Er - der Schreiber - musste natürlich seine Schülerin retten, weil diese nutzlosen Kämpfer da vorne... ihr Leben retteten. Also schön. Nicht ganz nutzlos.

    Hatte da jemand gerufen? Als er sich umsah, nahm Ladhar links von sich eine Bewegung wahr.

    Oh nein. Einer von diesen gehörnten Burschen.

    Bei Ceon!

    Dafür waren die Kämpfer zuständig. Wieso war eigentlich nie einer da, wenn man ausnahmsweise mal einen von ihnen brauchte?

    Die Waffe, die er aus Chans Körper gezogen hatte, lag am Boden. Sie lag genau zwischen ihm und dem Gehörnten, der langsam näher kam. Ladhar griff panisch in seine Tasche. Das Einzige, das er darin fand, war ein kleines Tintenfass, das er bei seinem überhasteten Aufbruch hineingestopft hatte. Er fragte sich, wieso in aller Welt er sich dieser Unternehmung angeschlossen hatte. Er wusste es besser. Das Mädchen. Sie hatte seine Beschützerinstinkte geweckt. Mehr als das. Es durfte nicht sein. Sie war sein Schützling. Ein Mädchen und noch keine Frau. Er war zweiundzwanzig.

    Ein Schatten riss ihn in die Gegenwart zurück. Der Gehörnte holte zum Streich aus.

    Ladhar öffnete das Fässchen und schüttete es dem Angreifer ins Gesicht.

    Die Feder ist stärker, als das Schwert. So hatte es Encleus in seinem Werk Betrachtungen geschrieben. Der hatte gut reden. Sicher hatte er eine Straußenfeder und einen Kobold mit einem Zahnstocher als Waffe im Kopf, als er das niederschrieb. Ladhar schloss die Augen und wartete auf sein Ende.

    Nach einem Augenblick blinzelte er vorsichtig. Er lebte noch. Und Chan auch. Der Angreifer war dunkel im Gesicht vor Tinte. Ha! Die Tinte ist stärker als das Schwert. Ladhar trat gegen den reglosen Körper seines Angreifers. Ein Pfeilschaft, ragte aus dem Hals des Gehörnten. Die braunhaarige Kämpferin warf gerade ihren Kurzbogen von sich.

    Sie zog ihre Kurzschwerter vom Rücken und half, die Angreifer weiter zurückzutreiben.

    Also gut, die Tinte war nutzlos. Wäre ja auch zu schön gewesen.

    Chans Katze war mit ihrer Fracht bereits losgetrabt. He, warte! Miez, miez.

    Der Panther sah zurück und wartete. Zögerlich näherte er sich. Braves Kätzchen. Er nahm seinen Mut zusammen und schwang sich hinter Chan in den Sattel.

    Er würde es sich nie verzeihen, wenn sie seinetwegen starb. Meren würde es ihm nie verzeihen. Die Schwertmeisterin, Toshira, würde ihn in Stücke hacken. Er dachte lieber an das was vor ihm lag. Ein Lazarett. Ein Königreich für ein Lazarett!

    Vendira

    Toshira kam zu sich. Wie viel Zeit war vergangen? Sie war immer noch zu schwach, um sich zu bewegen. Sie wartete auf das Ende, als ein Schatten über sie fiel. Sie würde ihrem Gegner in die Augen sehen. Ein Gesicht erschien in ihrem Blickfeld. Es hatte keine Hörner an der Stirn. Vendira, hauchte sie und verlor erneut das Bewusstsein.

    Vendira blieb nicht länger, als ein Lidschlag Zeit. Die Schwertmeisterin lebte. Sie wandte sich dem nächsten Gegner zu.

    Sie hielt ihr rechtes Kurzschwert wie ein Meuchler seinen Dolch: Die Klinge wies schräg nach unten. Sie trat hinten am Hals ihres gehörnten Widersachers wieder aus. Er gab einen gurgelnden Laut von sich und sank nieder. Ihr Schwert steckte in einem Halswirbel fest. Sie ließ los.

    Ihr zweites Schwert durchtrennte einem weiteren Gegner eine Kniesehne. Ansatzlos ließ sie den Hieb in einen weiteren Stich übergehen, der einen dritten Gegner fällte. Gerade noch rechtzeitig. Ansonsten hätte diese Höllenkreatur Amaru erreicht und ihm mit einem Hieb von oben den Schädel gespalten. Jetzt fraß sich die Klinge lediglich in den Staub, da ihr Besitzer strauchelte und fiel.

    Amaru hatte genug mit zwei Gegnern zu tun, auch wenn diese sich langsam zurückzogen, während sie ihren vielarmigen Anführer schützten.

    Mit einer Hechtrolle entging Vendira einem beiläufig geführten Hieb, der auf ihre Fußgelenke gezielt hatte. Ein am Boden liegender Gehörnter hatte sie attackiert.

    Als sie mit den Händen voran aufkam, griff sie ihren Kurzbogen, der dort lag. Sie rollte sich ab und nutzte den Schwung, um ohne Hilfe der Arme wieder auf die Füße zu kommen. Währenddessen griff sie über die Schulter in ihren Köcher, legte einen Pfeil auf die Sehne und traf einen weiteren Gegner genau zwischen die Augen. Der Pfeil war für den Anführer bestimmt gewesen. Der Getroffene hatte sich in die Flugbahn geworfen.

    Sie zog einen weiteren Pfeil aus dem Köcher. Er verließ die Sehne und traf den Anführer ins Auge...

    ... Das Geschoss flog weiter, mitten hindurch. Die Angreifer verblassten. Wie war das möglich?

    Verluste

    Vendira wischte ihre Kurzschwerter an der Kleidung des Gehörnten ab, der mit ihrem Schwert in der Kehle gestorben war. Er hatte so lange im Todeskampf gezuckt, bis seine Kameraden verblasst waren. Dann hatte er aufgehört, sich zu bewegen — als wenn man einer Marionette die Fäden durchschnitt.

    Der zweite Gegner, der nicht entkommen war, lag mit einem ihrer Pfeile im Hals neben dem aufragenden Fels. Dort hatte der Schreiber das Mädchen auf ihren Reitpanther gehievt.

    Vendira fragte sich, weshalb diese beiden Angreifer gestorben waren. Vielleicht war auch derjenige mit dem Pfeil zwischen den Augen gestorben. Er war mit den anderen verschwunden.

    Vendira tätschelte Barbula, ihrem Reitleoparden, den Hals.

    Gut gemacht, alter Junge. Wenn du mir nicht den Rücken frei gehalten hättest, weiß ich nicht, wie dieser Kampf geendet hätte.

    Barbula sandte ihr ein Bild, wie sie ihn kraulte. Es ließ sie Gefühle des Behagens spüren. Dies war seine Version eines Gern geschehen.

    Die Schwertmeisterin lag reglos am Boden. Sie wurde von ihrem Geparden Cheob bewacht. Rasch fühlte Vendira ihren Puls. Die Schlagader am Hals pochte

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