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Scherben der Ahnen: Erwachen des dunklen Königs
Scherben der Ahnen: Erwachen des dunklen Königs
Scherben der Ahnen: Erwachen des dunklen Königs
eBook562 Seiten7 Stunden

Scherben der Ahnen: Erwachen des dunklen Königs

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Über dieses E-Book

"Dieser Kristall muss zum Propheten der Elfen gebracht werden. Schick unseren schnellsten Boten! Wir Kaldaraner werden uns den Feinden entgegenstemmen, so lange wir können." Ein tiefes Grollen ließ den Boden erzittern und Staub von den Wänden rieseln. "Es hat begonnen!"

Jahrhundertelang lebten die Völker Alandrias in Frieden. Doch ein alter Feind ist erwacht und stürzt die Welt in einen erbarmungslosen Krieg. Teldran und sein Bruder fliehen aus ihrer Heimat. Was sie nicht wissen: Sie führen ein Artefakt bei sich, das ihr Widersacher unbedingt in seinen Besitz bringen will. Städte gehen in Flammen auf, Bündnisse zerbrechen. Während die Helden von den unerbittlichen Kreaturen des dunklen Königs gejagt werden,
entbrennt ein Kampf in ganz Alandria um das Überleben aller Völker.

Ein spannendes und mitreißendes Fantasy-Epos mit unerwarteten
Wendungen.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum2. Dez. 2020
ISBN9783752655995
Scherben der Ahnen: Erwachen des dunklen Königs
Autor

Stephan Linnenbank

Geboren im September 1985 wuchs Stephan Linnenbank im Münsterland auf. Heute verheiratet, Vater und begleitet von einem Hund (Thor). Schon sehr früh entdeckte er seine Affinität zu Fantasy in jeglicher Hinsicht. Jahrelang feilte er an diesem, ersten Werk. Wenn er seine Abende und Freizeit nicht seinem Buch und dem Schreiben widmet, genießt er die Natur, Sport, Reisen und auch gerne mit der Frau auf der Couch Binge Watching. Wer mehr erfahren möchte, kann ihm gerne auf den Sozialen Netzwerken folgen.

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    Buchvorschau

    Scherben der Ahnen - Stephan Linnenbank

    Kapitel 1 - Der Ansturm

    Teldran tat alles weh. Der Aufprall war sehr hart gewesen und hatte ihm alle Luft aus den Lungen gepresst. Er hatte sich aber bereits wieder aufgerappelt und schaute zur Mauer hoch.

    Von hier unten konnte er kaum etwas erkennen. Dafür hörte er aber mehr, als ihm lieb war. Dort oben musste ein erbitterter Kampf toben. Das Klirren von Metall auf Metall war zu hören, welches nur noch von den wütenden, klagenden und verzweifelten Schreien übertönt wurde.

    Er konnte nicht sagen, wie lang die Verteidiger noch standhalten mochten. Nicht von hier aus. Teldran setzte zum Sprint an, um schnellstmöglich zum Tor und damit wieder auf den Wehrgang zu gelangen. Doch nach nur drei Schritten übermannte ihn der Schmerz und er sackte fast zusammen. Nur mit aller Kraft konnte er sich abfangen. Neben ihm krachte ein Soldat zu Boden. Die goldene Rüstung war übersät mit Einstichen. Als er nach oben schaute, konnte er immer wieder die aufblitzenden Rüstungen der Kongrahadianer erkennen. Sie wurden zurückgedrängt. Er biss die Zähne zusammen und nahm den Weg wieder auf. Diesmal jedoch behutsamer, um nicht gleich wieder zu stürzen.

    In diesem Moment flog das Ungetüm, welches ihn mit vielen anderen von der Mauer gefegt hatte, über ihn hinweg und machte sich daran, so vermutete er, die Katapulte zu zerstören. Das konnte für ihn nur eins bedeuten: Die Mauer war so gut wie verloren, sonst würde dieses Monster noch dort weiter wüten.

    Teldran war noch nicht ganz am Tor angekommen, da konnte er bereits das Hämmern und das bedrohliche Ächzen hören. Sie versuchten, das Tor zu durchbrechen. Er hatte gesehen, wie viele Urluka sich näherten. Auch wenn sie die Mauer einnehmen konnten, um dieser Stadt ein schnelles Ende zu bereiten, mussten sie durch das Tor. Nur so konnten sie ihre Überzahl bestmöglich nutzen. Er wog ab. Auf die Mauer könnte er es noch schaffen.

    Während er noch überlegte, kam die Chimäre erneut in sein Sichtfeld und startete einen weiteren Angriff. Dieses Mal war das Tor ihr Ziel. Sie spuckte ihren ätzenden Schleim auf das massive Holz, stieg hoch in die Luft auf und raste auf das Tor zu, die Barriere, die die Stadt noch am Leben hielt. Teldran brauchte nur den Bruchteil einer Sekunde, um zu begreifen, dass das Tor diesen Angriff nicht überstehen konnte.

    Fieberhaft überlegte er, was er tun könnte. Doch das Flugtier konnte nicht von Menschenhand aufgehalten werden.

    Gerade als Teldran die Kollision erwartete, krachte ein ebenso wuchtiger und schuppiger Körper gegen das Untier und riss es mit sich vor die Mauern von Kongrahad. Er konnte zwar nicht sehen, was sich dort abspielte, aber dafür hören. Dabei malte er sich aus, wie viele Leiber diesem Aufprall wohl zum Opfer gefallen sein mochten. Er hoffte, es wären hunderte. Die gutturalen Schreie und das Beben des Bodens verrieten Teldran, dass ein monströser Kampf toben musste.

    Ein Drache war ihnen zu Hilfe gekommen.

    Teldran traute seinen Augen nicht. Die alten Geschöpfe waren kaum noch gesehen, galten aber als die Wächter der Urzeit. Er hörte den unbändigen Jubel der Verteidiger und wusste, dass damit Hoffnung und Kampfkraft zurückkehrten.

    Es hatte zwar lange gedauert, aber endlich konnte Teldran auch die Katapulte hören. Zwar waren sie in der Verteidigung nicht besonders effektiv, jedoch dürften sie auf die Moral der Angreifer eine erhebliche Wirkung haben, da war er sich sicher.

    Eine schwere Explosion erschütterte plötzlich das Tor. Die beiden Echsen konnten es nicht gewesen sein, dafür war deren Kampfgetöse zu weit weg. Teldran versuchte, die Schmerzen so gut es ging auszublenden und begann den Aufstieg der Treppe am Torbogen.

    Oben angekommen, traute er seinen Augen kaum. Zwar war die Mauer wieder zurückgewonnen, doch etwas anderes faszinierte und erschütterte ihn zugleich: Es waren nicht nur ein Drache und eine Chimäre. Auf die Schnelle zählte er über ein Dutzend Chimären und demgegenüber nur vier Drachen. Immer wieder konnte er beobachten, wie die zweiköpfigen Gestalten die Drachen von allen Seiten attackierten. Sie flogen mit ihrer Spucke oder mit den messerscharfen Krallen ihrer Klauen immer wieder wütende Angriffe oder warfen einfach ihre massigen Körper gegen ihre Kontrahenten. Auch wenn es fast elegant aussah, wie die Drachen auswichen und ihrerseits die Reißzähne in die Hälse der Angreifer schlugen und sie schon fast beiläufig mit Feuerwalzen überhäuften, deren Wärme Teldran selbst auf der Mauer noch spürte, so gelang es den Chimären immer wieder, Treffer zu landen. Zwar hatte er noch nie zuvor eine der beiden Arten gesehen, doch es war offensichtlich, dass dieser Kampf nicht ewig so weitergehen konnte.

    Ein erneuter massiver Schlag gegen das Tor riss ihn aus dem Schauspiel. Er suchte das Schlachtfeld vor dem Tor nach der Ursache ab. Während er erschrocken die schiere Masse an Urluka überflog, erspähte er einen Menschen unter den Angreifern.

    Zwar hatten die Magier und Elfen stets von ihnen erzählt, aber es war ihm immer wie eine Geschichte vorgekommen, um kleinen Kindern Angst einzujagen. Und er musste sich eingestehen, er hatte Angst: Ein Hexenmeister, gekleidet in einen schwarzen Umhang, machte sich mit dunklen Zaubern am Tor zu schaffen.

    Er wusste weder, wozu dieser Mensch in der Lage war, noch, wie er die Magie für sich nutzte. Nur eines wusste er genau: Sollte er diesem Hexenmeister nicht bald Einhalt gebieten, würde dieser das Tor einreißen. Wie zur Bestätigung entlud sich in diesem Moment vor dem dunklen Magier eine schwarze Wolke, die Teldran an Dampf erinnerte, und prallte gegen das Tor. Er konnte hören, wie das Holz des Tores, geschwächt von der Galle der Chimäre, anfing zu ächzen.

    Er winkte einen Bogenschützen zu sich und zeigte auf den Hexenmeister.

    „Der darf keinen Zauber mehr wirken!", brüllte er über das Kampfgetöse hinweg.

    Der Bogenschütze schoss einen Pfeil ab, der eigentlich für einen Urluka bestimmt gewesen war, verfehlte den Hexer um Haaresbreite und spannte den nächsten Pfeil ein. Doch er kam nicht mehr dazu, diesen abzuschießen. Ein lila wabernder Pfeil aus Energie durchstieß Rüstung und Oberkörper ohne Widerstand. Der Schütze erschlaffte mit weit aufgerissenen Augen. Teldran glaubte, ein finsteres Grinsen auf den Gesichtszügen des Hexenmeisters zu erkennen , während dieser seinen nächsten Zauber vorbereitete.

    Teldran reagierte blitzschnell, machte einen großen Satz zu dem toten Bogenschützen und verstaute sein eigenes Schild und Schwert. Hastig nahm er Pfeil und Bogen auf. Kaum wieder auf den Beinen, drehte er sich zu dem Hexenmeister und schoss. Er hatte die Sehne dabei so weit gespannt, dass der Pfeil mit einem dumpfen Surren davonflog und er kurz das Gefühlt hatte, die Sehne des Bogens könnte reißen. Der Hexer wurde von der schieren Wucht des Pfeils nach hinten geschmettert und auf dem Boden festgenagelt. Schmerz und Wut waren ihm ins Gesicht geschrieben.

    Doch es war zu spät. Er richtete die Hand Richtung Tor und der vorbereitete Zauber entlud sich. Teldran sah die Blase aus wirbelnder schwarzer Magie auf das Tor zurasen. Dort, wo Urluka das Pech hatten, im Weg zu stehen, blieb nur Asche übrig. Teldran sprang im letzten Moment hinüber zur Mauer, weg vom Torbogen, und kauerte sich auf das kalte Gestein. Das Tor zerbarst in einem wahren Inferno. Wer zu nah hinter dem Tor stand, wurde von den herumfliegenden Trümmerteilen erschlagen. Teldran sah, wie Feuer am Torbogen hochzüngelte, und schaute verbittert auf die dahinter gelegene Garnison, welche sich auf den Angriff vorbereitete.

    Sie mussten nicht lange warten.

    Ihr Kommandant stellte sich nach vorn. „Haltet sie zurück!"

    Die Gegner waren fast heran, da brannte eine Feuerwalze alles nieder, bis zum klaffenden Eingang der Festungsanlage. Teldran schaute irritiert nach hinten und erkannte den Erzmagier Drurgon. Aber er war nicht der einzige.

    Auf den Hausdächern waren vier Magier verteilt und begannen, den Tod über die Angreifer zu bringen. Teldran selbst hatte zwar nicht die Begabung der Magie erhalten, jedoch wusste er, dass, wenn diese über längere Zeit Zauber wirken mussten, auch eine längere Vorbereitung brauchten. Er konnte nur hoffen, dass diese Vorbereitung genügte. Viel später hätten sie auch nicht eingreifen dürfen.

    Die kurze Verschnaufpause war aber so schnell vorüber, wie sie gekommen war. Die nächsten Urluka rannten schon wieder heran und prallten ungebremst auf die Verteidiger am Boden.

    Kladion, der Heerführer der Zwerge des eisernen Schilds, sortierte seine Männer. Er stand auf einem großen Vorplatz, der rechts und links von Felsen begrenzt und vollständig von Felsen überdacht wurde. Er schaute in Richtung des Eingangs des großen Berges, den die Zwerge von Gerfatje als Heimat auserkoren hatten. An diesem Eingang gab es ein kleines, aber massives Eisentor. An beiden Seiten des Durchgangs waren Türme mit Schießscharten. Hinter Kladion ragte eine riesige Mauer empor. Sie besaß viele Aufgänge und ein runenverziertes Tor. Die Zwerge verspürten zwar eine Abneigung gegen Magie, aber Runen, die ihre Kraft daraus speisten, waren etwas anderes.

    Diese Mauer war ausschließlich gebaut worden, um Feinde abzuhalten, denn einmal in den Berg eingedrungen, hatte man Zugang zu allen anderen Zwergenreichen und ganz Alandria. Zwar müsste man sich dann noch durch die engen Gassen von Gerfatje quälen und sähe sich danach einem Irrgarten aus Tunneln gegenüber. Aber ohne diesen Zugang musste man einen beschwerlichen und oft tödlichen Weg über steile Hänge und enge Gebirgspässe an Gerfatje vorbei nehmen.

    „Kongrahad hat uns durch ihren Magier einen Hilferuf zukommen lassen." Die Stimme des stämmigen Zwergs war ruhig, fest und eindeutig das Kommandieren gewohnt. Sein volles braunes Haar und der Vollbart, den er am Kinn zu zwei kräftigen Zöpfen gebunden hatte, sowie seine schon fast grünen Augen verrieten, dass er noch seine besten Jahre vor sich hatte. Er schulterte einen mächtigen Hammer, der den Zwerg an Größe beinahe überragte. Das Gewicht der Waffe merkte man ihm nicht an. Auch die massive Rüstung aus Eisen und Ketten behinderte ihn nicht wesentlich.

    „Wir werden diesem Ruf nachkommen. Wenn die Angreifer nur halb so zahlreich sind, wie die Nachricht es sagt, dann bleiben genug Köpfe für jeden von uns."

    Die Zwerge lachten und stimmten ihm bei. Kladion lächelte. Die Stimmung war angespannt, aber nicht ängstlich. Das war gut so. Denn das würde sich schnell ändern können, wenn sie erst einmal die wirkliche Übermacht sahen, die sich gegen Kongrahad warf.

    „Die Magier bereiten Portale vor, damit wir schnell …"

    Gewaltiger Flügelschlag unterbrach ihn jäh. Er schaute zur Mauer hoch. Dort sah er nur Wachposten, die ungläubig in den Himmel über den Berg starrten. Aufgrund des vorstehenden Felsens, der hervorragend Schutz vor Geschossen aus der Luft bot, konnte er nicht sehen, was dort war.

    Im nächsten Moment landeten vier riesige, mit Schuppen besetzte Geschöpfe auf der Mauer. Die Wachen, die hier postiert waren, wichen zurück, unsicher, ob sie die Echsen als Bedrohung wahrnehmen sollten oder nicht. Es wurde dunkel auf dem Platz, da die Drachen das einzige Licht abschirmten, das zwischen Fels und Mauer auf den Platz dringen konnte. Ihr Anblick war majestätisch! Sie schauten alle in Richtung jenseits der Mauer. Die Zwerge, die oben Wache standen, folgten dem Blick und hatten es plötzlich sehr eilig, ihre Helme aufzusetzen und nach den Waffen zu greifen.

    Eine der Echsen drehte den langen Hals und schaute Kladion direkt an.

    „Kongrahad wird warten müssen. Bietet alles auf, was ihr habt. Mit etwas Glück wird es reichen. Wenn nicht, dann werden dieser Berg und all seine Lebewesen schon bald brennen. Wir werden so viele von ihnen vernichten, wie wir nur können. Mehr können wir nicht für euch tun. Es tut uns leid. Die Völker müssen sich nun beweisen, Kladion von den Zwergen des Eisenschilds, Beschützer von Gerfatje und deines Volkes."

    Kladion wusste nicht, wie ihm geschah, doch er nickte. Es war lange her, dass er einen Drachen gesehen hatte. Gesehen! Nicht mit ihm geredet oder gar mit einem getrunken. Unweigerlich fragte Kladion sich, ob Drachen eigentlich tranken und ob er gegen einen solchen Gegner bestehen könnte. Er schalt sich selbst einen Narren und schüttelte den Gedanken wieder ab.

    Der Drache kannte ihn? Er hatte ihn direkt mit seinem Namen angesprochen. Wenn er von königlichem Blut abstammen würde, könnte er es ja vielleicht noch verstehen. Er hatte keine Zeit, sich weiter zu wundern. Die Wachen auf der Mauer bliesen die Hörner. Als sei es der Marschbefehl für die Drachen gewesen, erhoben sie sich mit schweren Flügelschlägen und flogen Richtung Westen, wo das Gebirge Zhurgurad und Landaria trennte und nur ein großer Pfad eine Verbindung zwischen den beiden Welten bot.

    Kladion rannte die Treppe der Mauer hinauf. Sein Herz raste, als er oben ankam. Er trat an die Brüstung und sah hinunter auf das Gelände vor der Mauer. Eigentlich hätte er Angst verspüren müssen, aber in ihm kam nur Wut auf, die sich immer mehr steigerte. Es war die unbändige Kraft, die den meisten Zwergen vor und während einer Schlacht zur Verfügung stand. Was er dort sah, war wie ein Spiegelbild dessen, was ihm zuvor ein Magier in einer Kristallkugel gezeigt hatte. Genau dagegen musste sich Kongrahad gerade wehren. Aber anstatt ihnen helfen zu können, mussten sie nun selbst um ihr Reich bangen.

    Zwei Drachen flogen über die aus der Ferne sich nähernden Feinde und pflügten Schneisen in deren Reihen. Die anderen beiden hielten ihnen die Chimären vom Leib, wobei Kladion selbst aus dieser großen Entfernung erkennen konnte, dass es nicht gut um die Verteidiger Landarias stand.

    Ohne dass er einen Befehl dazu gegeben hätte, besetzten die Zwerge sämtliche Posten der Mauer. Eine starke, gepanzerte Hand legte sich auf seine Schulter.

    „Nun wissen wir immerhin, wofür unsere Vorfahren diesen Wall erschaffen haben. Gwollnir lächelte. „Heute wird uns wohl nicht langweilig werden.

    Kladion schmunzelte seinem langjährigen Freund zu: „Nein, mein Freund. Nein, das wird es nicht."

    Sie sind bereit, sich für uns zu Opfern. Drachen! Und wir wissen noch nicht einmal, warum, dachte Kladion bei sich.

    „Lasst sie nur herankommen. Und dann: Kämpft! Kämpft, wie ihr noch nie gekämpft habt! Wir zeigen diesen Kreaturen, was es heißt, sich mit Zwergen anzulegen. Wir werden nicht weichen!"

    Diese Kreaturen. Ja, gegen wen oder was kämpften sie eigentlich? Die Schlacht würde bald beginnen.

    Kaldaron lag weit im Süden an einer Bucht, die zum weiten Meer hinausführte. Palgarat konnte nicht fassen, was er gesehen hatte. Kongrahad und Gerfatje wurden von riesigen Streitmächten angegriffen. Er hatte die Bilder gesehen. Die Magier der Menschen hatten ihr Möglichstes getan, die Verbindung so lange wie möglich zu halten, damit die Kaldaraner vielleicht noch einen strategischen Nutzen daraus ziehen konnten. Doch jemand oder etwas hatte die Verbindung gestört. Alles, was er noch hatte sehen können, war, wie das Tor von Kongrahad zerschmettert wurde, obwohl ein tapferer Krieger kurz zuvor den Hexer niedergestreckt hatte. War es Teldran gewesen?

    Von Gerfatje hatte er nur mitbekommen, dass die Zwerge, die Kongrahad gerade hatten zu Hilfe eilen wollen, sich nun selbst einem übermächtigen Gegner gegenübersahen. Und er hatte gesehen, wie ân beiden Orten Drachen zur Unterstützung kamen. Drachen! Er kannte nur wenige Auserwählte, die jemals einen Drachen gesehen hatten, geschweige denn, mit einem gesprochen.

    Von seinem Vater wusste er, dass sie die alten Wächter der bekannten Welt waren. Sie waren es den Überlieferungen nach, die das Böse von der Welt getilgt hatten, um den Völkern, die das Leben und nicht den Tod ehrten, eine Zukunft zu ermöglichen.

    Außer diesen prachtvollen und magischen Wesen waren wohl nur die Ahnen oder die Ältesten der Elfen daran beteiligt gewesen. Und das, obwohl die Kaldaraner ein fast genauso altes Volk waren wie die Elfen.

    Sein Vater hatte ihm viele Geschichten erzählt, als er noch ein Kind gewesen war. Viele hielten es nur noch für Märchen, mit denen man die Kinder unterhielt oder in den Schlaf wiegte. Sie handelten von einem dunklen König, der vor langer Zeit die Völker Alandrias versklavte und eine Schreckensherrschaft ausübte, die beinahe alles Leben vernichtete.

    Palgarat war sofort klar, dass diese Geschichten weitaus mehr Wahrheit beinhalteten, als sie geglaubt hatten.

    Maneia schaute Palgarat prüfend an. „Euer Geist ist in Aufruhr", sagte sie sanft.

    Er war der Prinz der Kaldaraner und sein Vater, der König, seit Jahren tot. Auch wenn er selbst schon über 450 Jahre alt war, so musste er bis zur fünfzigsten Dekade warten, bis man ihm das Amt des Königs zugestehen würde. Solange dem nicht so war, hatte er zwar fast alle Befugnisse, konnte jedoch von dem ihm vorgesetzten Rat überstimmt werden.

    Palgarat war groß. Selbst für einen Kaldaraner ein Hüne. Gut über zwei Meter gewachsen, mit einem breiten Kreuz und muskulöser Statur kam er ganz nach seinem Vater. Seine Haut war blau, wie für einen Kaldaraner üblich. Ein tiefes Blau. Seine Augen waren weiß. Kaldaraner besaßen keine sichtbare Iris, diese verbarg sich hinter einer Haut, die sie vor dem Salzwasser schützte.

    Der Überlieferung nach kamen die Kaldaraner aus dem Meer. Dazu passten ihre Kiemen, die ihnen erlaubten, unter Wasser zu atmen. Waren sie außerhalb des Wassers, so waren diese kaum zu erkennen. Nicht dazu passen wollte die Tatsache, dass sie keine Schwimmflossen oder ähnliches besaßen.

    So gut sie auch unter Wasser überleben konnten, so schlecht konnten sie sich in diesem Element fortbewegen. Sicher, die anderen Völker waren nicht annähernd so beweglich oder schnell unter Wasser, aber verglichen mit den restlichen Meeresbewohnern waren sie wie Schildkröten an Land. Das lag sicherlich auch daran, dass sie, um den weitreichenden Handel mit den Elfen, Menschen und Zwergen zu verstärken, das nasse Element verlassen hatten, um ihre Siedlungen auf dem Festland zu errichten. Es gab Geschichten von alten Städten unter Wasser und auf kleinen Inseln, aber gesehen hatte diese lang schon keiner mehr. Neben den Menschen und Elfen waren sie das Volk, das der Seefahrt natürlich am meisten zugetan war, daher lagen ihre Städte ausschließlich im Süden an der See.

    „Palgarat?" Die zarte Stimme von Maneia wurde fordernder, aber auch besorgter. Sie war deutlich kleiner als Palgarat, im Vergleich zu den anderen Völkern allerdings immer noch recht groß. Ihre Haut hatte die Farbe von Aquamarin und die Augen zeigten einen Hauch von Blau. Ihre spitzen Ohren, die zwar ähnlich denen der Elfen, jedoch nur halb so groß waren, zuckten leicht.

    Er lächelte. Weiße scharfe Zahnreihen wurden sichtbar, die einem Hai Konkurrenz hätten machen können. Dennoch lag nichts Bedrohliches in diesem Lächeln.

    „Versucht Ihr wieder, meinen Geist zu erforschen?, fragte er ruhig. „Ich dachte, wir wären uns einig gewesen, dass man das bei seinem Prinzen unterlässt.

    Maneia zuckte zurück, doch ihre selbstsichere Haltung war schnell wieder da. „Nun, mein Prinz, erzählt uns doch einfach, warum Ihr geistesabwesend dasteht und den hier anwesenden Rat warten lasst, dann brauche ich das nicht zu übernehmen." Sie grinste neckisch.

    Der Rat der Kaldaraner war vollständig versammelt. Erfahrene Handelsleute, Gelehrte, aber auch die Kommandanten gehörten diesem Rat an. Wie gewöhnlich befand sich ein Magier der Menschen ebenfalls unter ihnen, da die Kaldaraner zwar das Schamanentum beherrschten, die reine Magie jedoch nicht erlernen konnten. Jedoch schätzten sie deren Meinung sehr. Palgarat stand in der Mitte eines runden, mit Säulen aus Marmor versehenen großen Raumes. Er drehte sich langsam im Kreis und schaute dabei allen in die Augen.

    „Wir können weder Kongrahad noch Gerfatje zur Hilfe kommen." Gemurmel machte sich breit.

    „Dies ist nicht die Art der Kaldaraner", warf ein Ratsmitglied ein und erhob sich.

    „Wer wären wir, wenn wir in Anbetracht einer solchen Bedrohung tatenlos zusähen?"

    „Wir wären niemals schnell genug vor Ort." Seine Kommandanten nickten, die strategische Lage war eindeutig.

    „Maneia, wenn Ihr gen Westen nach Zhurgurad schaut, was seht Ihr dann? Konzentriert Euch auf den Pass."

    Es wurde still. Ein leichter Luftzug umspielte sie. Sie nutzte die Elemente, um zu erfahren, was in diesem Moment dort passierte. Sie zuckte zusammen.

    „Ich sehe … nichts!"

    „Das ist doch gut", rief jemand aus der Menge.

    Maneia wurde kreidebleich. „Nein!, keuchte sie. „Wenn ich nichts sehe, dann nur, weil mir jemand die Sicht versperrt. Und dieser Jemand muss äußerst stark sein.

    „Ich verspüre eine Art Verwirbelung der Magie", pflichtete ihr der menschliche Magier bei.

    Palgarat ergriff das Wort und legte die notwendige Härte und Dringlichkeit in seine Stimme. „Meine Freunde! Evakuiert die Stadt, besetzt die Posten. Der Feind marschiert auch gegen uns und es ist davon auszugehen, dass er mit mindestens einer ebenso großen Streitmacht bei uns aufkreuzen wird wie bei unseren Freunden."

    Die Kommandanten ließen ein knappes Zischen ertönen, welches nur mit den Kiemen zustande kommen konnte, verbeugten sich dabei knapp und waren noch kaum aus dem Raum, als sie schon die ersten Befehle riefen. Der Rest schaute Palgarat irritiert an. Nur Maneia stand noch immer wie gelähmt da und Palgarat verstand genau, warum: Noch nie hatte jemand es geschafft, ihre Kraft zu unterdrücken oder zu verzerren.

    „Drachen!" Der Ruf kam vom Wachturm.

    Palgarat sah zu dem unscheinbaren blauen Kristall, der in der Mitte des Raumes in den Boden eingelassen war.

    „Der Schlüssel. So unscheinbar im Lichte er ist anzusehen. Mit so viel Anmut kaum zu verstehen. So viel Macht er kann dir geben. Entscheide, dienst du dem Tod oder dem Leben", murmelte Palgarat.

    „Was habt Ihr, mein Prinz?", fragte Maneia.

    „Seht selbst.", antwortete Palgarat nur und forderte sie auf, seinem Blick zu folgen.

    Der Kristall im Boden fing an zu glühen und glühte immer heftiger, bis der Raum in sachtes blaues Licht gehüllt war. Palgarat nahm seinen riesigen Zweihänder vom Rücken und rammte den Knauf des Schwertes gegen die Umrandung des Kristalls, der mit einem lauten Krachen herausbrach.

    „Schickt den schnellsten Boten, den wir haben, mit diesem Kristall zum Propheten der Elfen. Er darf nicht in die Hände der Angreifer fallen. Danach trefft mich mit den anderen Schamanen am Tor."

    Ein tiefes Grollen ließ den Boden erzittern und Staub von den Wänden rieseln.

    „Es hat begonnen."

    Lutariel stand einfach nur da. Er und die anderen Elfen standen auf einem offenen und überaus schön gepflasterten Platz. Um sie herum waren Säulen, die von Wurzelwerk umklammert waren, und eine blühende Flora. In der Mitte war ein aus dunklem und sehr altem Holz geformter Sockel, auf dem eine Kristallkugel lag. Der Blick aller war fest auf das Zentrum gerichtet. Verschwommen war dort zu erkennen, wie dunkle Heerscharen über eine Stadt herfielen.

    „Wir müssen doch irgendetwas unternehmen! Wir können doch nicht zusehen, wie diese Kreaturen die anderen Völker überrennen!" In seiner Stimme lag Fassungslosigkeit. Er war der Kommandant der Elfen im alten Wald. Er wollte ausreiten und zumindest einem Ort zu Hilfe eilen, aber er wusste, dass er es nicht rechtzeitig schaffen würde.

    Seit er das Oberkommando übernommen hatte, drängte er darauf, Zhurgurad zu erkunden. Hätten sie doch nur auf ihn gehört! Man hätte die Bedrohung vielleicht kommen sehen. Er wusste zwar nicht, ob die anderen es bemerkten, jedoch musste er alles an Kraft aufbringen, nicht die Beherrschung zu verlieren, was für einen Elfen schon einiges bedeutete.

    „Ich schlage vor, wir verhalten uns still. Vielleicht gehen sie an uns vorbei. Wenn nicht, dann stellen wir sie in den Wäldern zum Kampf. Dort können sie nicht ihre volle Stärke entfalten." Notadiel schaute sich um. Seine Worte wurden abgewogen.

    „Ihr schlagt vor, unsere Freunde im Stich zu lassen?" Lutariel konnte nicht fassen, was er da hörte, doch er sprach ruhig und sachlich. Er wusste, dass das Wort von Notadiel viel Gewicht besaß, und es lag nun an ihm, die anderen davon zu überzeugen, einzugreifen.

    „Was sollen wir denn tun?, fragte Notadiel. „Selb wenn wir in kürzester Zeit eine Streitmacht entsenden würden, so wäre sie nicht rechtzeitig da. Sie würde wahrscheinlich auf offenem Felde auf diesen Feind treffen. Auch wenn ich davon überzeugt bin, dass einer von uns es problemlos mit einem Dutzend von denen aufnehmen kann, so wäre es doch ein hohes Risiko, das wir eingehen würden. Zustimmung der anderen war zu hören.

    Lutariels Gedanken rasten.

    „Notadiel, Ihr müsstet doch derjenige sein, der auf lange Sicht sieht. Seit ich zurückdenken kann, habt Ihr davor gewarnt, dass wir uns zu sehr zurückziehen. Dass wir nach und nach die Fähigkeit verlieren, neue Magier auszubilden und in die Bedeutungslosigkeit sinken. Und jetzt wollt Ihr, dass wir uns verstecken? Der Angriff ist zu gewaltig! Ja, wir können uns gut verstecken, doch sie werden uns finden. Wir wären stets auf der Flucht! Hinzu kommt, dass dieser Wald verloren wäre. Genau das gleiche Schicksal würde auch die anderen Wälder erwarten. Wir haben zudem eine Verantwortung für die Welt, in der wir leben."

    „Und genau deshalb sage ich, konzentrieren wir uns hier auf diesen Wald. Beschützen wir ihn, und er wird uns beschützen, konterte Notadiel. „Wenn Ihr nun mit den Kriegern auszieht, wer bleibt, um uns zu schützen? Lasst uns bleiben und überleben.

    Lutariel erkannte Notadiel kaum wieder. Sonst war er doch der Verfechter des Fortbestandes der Elfen. Erkannte er denn nicht, dass es nur viel schlimmer werden würde, wenn die Urluka wirklich bis zum alten Wald vorrücken würden?

    „Wir müssen uns dem Feind nicht komplett entgegenwerfen, doch wir müssen alles versuchen, um sie so lange aufzuhalten, bis Verstärkung aus den Reichen im Osten kommt. Die Menschen, Zwerge, Kaldaraner und unsere elfischen Schwestern und Brüder werden so schnell wie möglich zu uns stoßen. Lasst uns morgen noch vor den ersten Sonnenstrahlen ausrücken. Wir reiten nach Landaria. Eine Garnison wird weiter im Norden die zwei Brücken halten. Der Rest wird unter meiner Führung die weiße Brücke in Landaria selbst halten, bis die Heere zum Gegenangriff eingetroffen sind. Wir müssen um jeden Preis verhindern, dass die Urluka den Amlug Duin erreichen. Von dort aus hätten sie freien Zugang zu unserem Wald!"

    Zustimmendes Gemurmel machte sich breit. Sanktia nickte ihm kaum merklich zu. Er bewunderte die Priesterin und folgte oft ihrem Rat. Er konnte nur hoffen, dass sie nicht die einzige war, die seiner Argumentation folgte.

    Lutariel schaute sich weiter um. Er hatte die meisten auf seiner Seite, das merkte er. Notadiel merkte es ebenfalls.

    „Freunde! Lasst uns das Leben unserer tapferen Krieger nicht überstürzt aufs Spiel setzen. Wir wollen eine Nacht darüber meditieren und schlafen. Morgen dann können wir mit geklärtem Geist und frischer Vernunft Entscheidungen treffen."

    Lutariel glaubte seinen Ohren nicht. Warum aufschieben? Das ergab keinen Sinn. Doch die ersten nickten bereits und verließen den Kreis. Eine Abstimmung war hinfällig. Zumindest für den heutigen Tag. Ein Tag, der ihnen verloren ging. Ein Tag, der entscheidend sein konnte, um Landaria noch rechtzeitig zu erreichen.

    Wie oft hatte Notadiel ihn schon überstimmt. Ja, er war einer der ältesten Magier. Aber warum hörten die anderen noch immer auf ihn? Seine Argumente waren schwach und kurzsichtig. Sahen die anderen das denn nicht? Dennoch musste er wieder einmal feststellen, dass die anderen, sobald der Magier das Wort an sie richtete, ihm mehr Vertrauen entgegenbrachten. Lutariel musste sich bemühen, um nicht die Fassung zu verlieren. Wäre doch der Prophet oder der König hier gewesen. Sie schenkten seinen Argumenten deutlich mehr Beachtung und konnten Entscheidungen auch ohne die Zustimmung der anderen treffen.

    Sanktia ließ sich nichts anmerken, doch Lutariel kannte sie lange genug, um zu wissen, wie es in ihr brodelte. Sie machte auf dem Absatz kehrt und verließ die Versammlung. Nach kurzer Zeit standen nur noch Lutariel und Notadiel bei der Kristallkugel. Das Bild war erloschen.

    Lutariel hatte das Gefühl, dass Notadiel ihm etwas mitteilen wollte. Doch er sagte nichts.

    Stattdessen erhob Lutariel selbst das Wort: „Warum? Ihr riskiert unsere Existenz in diesem Teil der Welt. Ihr wisst selbst sehr wohl, dass die Urluka nicht an uns vorbeiziehen werden und der Wald uns auch nicht ewig schützen kann. Und gerade Ihr wart es doch immer, der um unsere Rolle in der Welt fürchtete! Dies ist der Zeitpunkt, um uns wieder einzumischen. Um unser selbst willen."

    Viel stand in Notadiels Blick. Es war, als wollte er wortlos etwas mitteilen. Seine Augenlider flatterten, sein Blick wurde glasig. Aber statt Lutariel eine vernünftige Erklärung für sein sonderbares Verhalten zu geben, drehte sich Notadiel um und ging.

    „Ich mache das für uns, Lutariel. Es ist nur zu unserem Besten!"

    Kapitel 2 – Der Widerstand

    Die Wucht, mit der die Angreifer auf die Verteidiger prallten, nahm Teldran fast den Atem. Auf dem Platz hinter dem, was kurz zuvor noch ein Tor gewesen war, war ein wilder Kampf entbrannt.

    Ein Urluka rannte auf den Krieger zu. Teldran parierte den Schlag und rammte dem Angreifer dabei den Schild in die Seite. Während der Gegner noch unkontrolliert taumelte, schlitzte Teldran ihn von oben nach unten auf. Die Leiche war noch nicht ganz erschlafft, da blockte er bereits den nächsten Schlag. Vier Urluka droschen auf ihn ein, doch er konnte die mit roher Gewalt geführten Schläge ohne allzu großen Aufwand abwehren und schaffte es immer wieder, einen kurzen Stoß nach vorn zu machen. Damit verpasste er den Kreaturen allerdings nur leichte Wunden, die sie scheinbar noch wütender machten.

    Teldran wurde langsam zurückgedrängt und merkte, dass er diesen Kampf nicht mehr lange überstehen würde. Er bekam mit solcher Heftigkeit einen Schlag gegen den Schild, dass er anfing, zu taumeln. Damit war seine Verteidigung offen. Mit einem Sprung nach hinten entkam er nur knapp den zwei rostigen Klingen, die dort die Luft teilten, wo er zuvor noch gestanden hatte. Eine weitere Klinge raste auf ihn zu. Die Hand, die diese führte, gehörte zu einem besonders großen Urluka. Er würde nicht mehr rechtzeitig ausweichen können.

    In dem Moment surrte ein Pfeil an ihm vorbei und drang tief in den Schädel des Urluka ein. Weitere Pfeile bohrten sich in so kurzen Abständen in die anderen Angreifer, denen er gerade gegenübergestanden hatte, dass Teldran kaum wahrnahm, welcher zuerst abgefeuert wurde.

    Er kannte nur einen, der Pfeile in dieser Geschwindigkeit und zudem mit einer solchen Präzision verschießen konnte. Er drehte sich um und sah Coron auf dem Hausdach direkt hinter sich.

    Dieser lächelte und rief herüber: „Du fängst eine Schlacht an und sagst mir nicht Bescheid? Dann aber bitte nicht meckern, wenn du später tot bist, weil ich dich nicht beschützen konnte." Das Grinsen wurde noch breiter.

    Teldran konnte nicht anders und musste auch grinsen. „Na, ist doch schön, wenn du mir ausnahmsweise auch mal das Leben rettest."

    Weiter kamen sie aber nicht. Coron sah sich plötzlich einem Pfeilhagel gegenüber und ließ sich auf den Bauch fallen. Er überbrückte einen Teil des schrägen Dachs im Rollen und kam kurz vor der Dachrinne wieder zum Halt, wo er noch vier weitere Pfeile ins Ziel brachte. Mit einem Satz nach vorn ließ Coron sich mit den Füßen voran vom Dach fallen und rollte sich dann geschickt ab, um den Fall zu bremsen.

    Teldran musste unwillkürlich an Lutariel denken, den Elfen, dem sein Bruder und er so viel zu verdanken hatten, unter anderem auch die Kampfeskunst.

    Er wusste, dass Lutariel schon lange Expeditionen nach Zhurgurad hatte unternehmen wollen, um mögliche Gefahren zu erkennen, doch nie hatte einer der Herrscher seine Männer, Frauen oder Ressourcen dafür opfern wollen. Ein tragischer Fehler, wie sich nun zeigte.

    Teldran fragte sich, wo Lutariel wohl gerade war. Die Elfen wären jetzt eine willkommene Unterstützung. Mit der war allerdings nicht zu rechnen - die Elfen hielten sich bekanntermaßen immer zurück und waren nur unter äußersten Umständen bereit, ihre Wälder zu verlassen.

    Er guckte sich um. Der Kampf tobte. Auch wenn deutlich mehr Urluka am Boden lagen, so waren es mittlerweile ebenfalls eindeutig zu viele Verteidiger. Kongrahad war eine Stadt mit vielen Völkern. So lagen Menschen, aber auch Zwerge und Kaldaraner am Boden. Sogar ein paar wenige Elfen. Die Zahl der Magier hatte stark abgenommen. Viele lagen dort, wo sie zuvor gestanden hatten, entweder von Pfeilen gespickt oder völlig verkohlt, weil sie dem unheiligen Zauber eines Hexenmeisters anheimgefallen waren.

    Die Mauer war komplett verloren, so drängte sich der Kampf weiter in die Stadt hinein. Teldran überschlug die Möglichkeiten. Es war aussichtslos.

    „Das wäre jetzt übrigens der richtige Zeitpunkt für eine fabelhafte Idee", sagte Coron nur knapp.

    Teldran sah in Richtung der Angreifer und der immer weiter zurückfallenden Verteidiger.

    „Rückzug!", war das einzige was er sagte.

    Corons Miene wurde ernst. „Wie soll das noch gehen?"

    „Ich weiß es nicht. Aber wir müssen zu Vater in den gesicherten Bereich. Vielleicht kann er noch etwas bewirken. Außerdem können wir noch so viele wie möglich in den inneren Kreis der Burg bringen. Dann kann uns nur noch ein Wunder helfen."

    Coron nickte kurz und rannte los.

    Teldran folgte ihm. Er ahnte, dass die Stadt mittlerweile von allen Seiten eingekreist sein musste. Während er noch auf der Mauer war und den Hexenmeister niedergestreckt hatte, hatte er beiläufig vernommen, wie die Heerscharen von Urluka sich nicht damit begnügten, auf das Haupttor im Westen anzurennen. Aber was sollten sie dann noch im inneren Kreis der Burg?

    Sollten sie diesen Ring halten, so hielten die Vorräte gerade mal für ein paar Tage, dachte Teldran konsterniert. Zu lange gab es schon Frieden und keinen wirklichen Grund, die Ressourcen für so etwas zu opfern. Dies würde nun den Untergang bedeuten. Aber was war die Alternative?

    Coron bog nach zwei Häusern links ab, um die etwas abgeschlagenen Truppen zum Rückzug zu rufen. Teldran brüllte die Befehle zur inneren Mauer. Die Verteidigung brach ein und alle versuchten, zur vermeintlich letzten Bastion zu kommen. Soldaten bemühten sich, die Urluka auf Abstand zu halten. Magier taten es ihnen mit Zaubern gleich. Das gequälte Geschrei wurde immer lauter. Ohne eine wirkliche Verteidigung wurden sie nun völlig überrannt.

    Auf dem Weg zur Burg kreuzte der ein oder andere Urluka seinen Weg. Er machte jeweils kurzen Prozess mit ihnen. Die Burgmauer war nicht mehr weit und bereits voll besetzt. Das Bild brannte sich Teldran ein. Man musste kein Prophet sein, um zu wissen, dass für diese Soldaten keine Hoffnung mehr bestand. Sie warteten tapfer auf das, was dort auf sie zukam. Er konnte einen seiner Hauptmänner sehen. Er brüllte etwas von Ehre, Tapferkeit und Mut. Davon, dass ihnen das Licht beistehen würde. Er schaffte es, ihnen Kampfgeist einzuhauchen. Das verschafft uns eine kurze Pause, mehr aber auch nicht, dachte Teldran bei sich. Mehr nicht!

    Kladion hatte nicht glauben können, was er gesehen hatte. Die Drachen waren unterlegen. Zwar war es ihnen gelungen, alle Chimären mit in den Tod zu reißen und riesige Schneisen in die Reihen der Urluka zu schlagen, doch die hatten die Reihen wieder geschlossen, als wäre nichts passiert.

    Genährt von der Wut hackten er und Gwollnir auf alles ein, was versuchte, sich über die Mauer zu schieben. Es war ein nicht enden wollender Strom hässlicher Kreaturen. Sie hatten Leitern angelegt.

    Da die Mauer so hoch war wie zwanzig Zwerge übereinander, waren diese jedoch äußerst wacklig. Die Urluka hatten ihre lieben Mühen damit, die Leitern schnell zu erklimmen. Somit war ausreichend Zeit, diese wieder von der Mauer zu lösen und die Kletterer, die bereits zu hoch waren, in den Tod zu schicken.

    Immer wieder, wenn ein Zwerg eine kurze Verschnaufpause hatte, wurden heißer Teer und Tonkrüge mit brennendem Öl nach unten gekippt. Die Wirkung war ungeheuerlich, aber dennoch wollten die Angreifer ihren Ansturm nicht abblasen.

    „Nutzt den restlichen Teer, aber wartet mit dem Öl. Wir dürfen nicht alles sofort verbrauchen!", rief Kladion seinen Mitstreitern auf der Mauer zu.

    Ein Urluka schaffte es über die Mauer und sprang brüllend auf Kladion zu, der gerade noch einen anderen Gegner mit der Längsseite seines Hammers am Überqueren der Mauer hinderte. Der Zwerg zog seinen Hammer wieder zurück, holte erneut aus und die Stirnseite der Waffe traf den Urluka voll auf die Brust. Das blecherne Geräusch von Metall und Knacken von Knochen waren zu hören. Der getroffene Gegner schrie auf und taumelte durch die schiere Wucht des Schlages zur niedrigen Brüstung zurück und stolperte über diese in die Tiefe. Dabei nahm er noch drei weitere Kreaturen mit, die gerade die Brüstung erreicht hatten.

    Er schaute sich um. Zu beiden Seiten wehrten sich die Zwerge auf der Mauer bis zum Äußersten. Immer wieder gelang es einem Angreifer, die Mauer zu überwinden, bereute das aber jedes Mal sehr schnell.

    Kladion sah, wie es wieder ein Urluka schaffte. Kaum herüber, traf den Urluka eine Axt in die Seite. Dieser wollte sich zu seinem Peiniger umdrehen, doch in dem Moment krachte Kladions Hammer in seinen Rücken, woraufhin der Urluka auf die Knie sackte. Den Rest bekam er durch zwei Einhandäxte, die sich in seine Schultern bohrten. Röchelnd erlosch das restliche Leben aus dem unheiligen Wesen.

    Gwollnir, der die beiden Äxte führte, drehte sich sogleich wieder der Front zu und warf sich dem nächsten Urluka entgegen.

    Kladion schaute auf den riesigen Innenhof. Dort türmten sich bereits die Leichen der Urluka, die es über die Mauer geschafft und ihren Wagemut mit dem Leben bezahlt hatten. Im hinteren Bereich hatte sich die gesamte Streitmacht der Zwerge formiert und bildete eine feste Formation aus Schilden, Rüstungen und Waffen. Das tiefe Schwarz ihrer Ausrüstung gehörte zu den Zwergen des eisernen Schilds. Ihre Flagge zeigte einen Schild vor einem Wall.

    Die Streitmacht war ein beeindruckender Anblick, doch konnte sie nicht in den Kampf eingreifen. Auf der Mauer verteidigten fast 200 Zwerge. An die 2.000 warteten unten und mussten mit ansehen, wie ihre Schwestern und Brüder um ihr Leben rangen. Wie gerne hätte Kladion diese Zwerge ebenfalls auf der Mauer gesehen, doch sie bot einfach nicht genug Platz. Er schaute wieder zu dem Heer, das sich ihnen entgegenstellte. Es war um ein Vielfaches größer.

    Ein Donnern riss ihn aus seinen Gedanken. Katapulte hatten begonnen, riesige Felsen auf den Wall zu feuern. Bei normalen Katapulten hätte Kladion nur gelächelt, doch die Katapulte in der Ferne waren riesig. Sie wurden von mehreren gigantischen, zweibeinigen Kreaturen gezogen, die er nicht zuordnen konnte.

    Kladion kniff die Augen zusammen. Waren das Oger? Er hatte noch nie welche gesehen, aber er kannte Geschichten über diese Wesen. Er ertappte sich bei dem Gedanken, sich einen Kampf gegen eine dieser Kreatur zu wünschen. Wer würde gewinnen? Gut, sie war um ein Vielfaches größer, aber das hatte Zwerge noch nie abgeschreckt und zumeist ihrem Gegner keinen wirklichen Vorteil gebracht.

    Die Geschosse, die die Katapulte gegen die Mauer schleuderten, waren monströs. Vier dieser riesigen Brocken krachten kurz hintereinander auf den Wall ein, sodass dieser heftig zitterte. Alle Verteidiger hatten größte Mühen, sich auf den Beinen zu halten. Dass der Feind damit seine eigenen Kräfte an der Mauer zerquetschte, war ihm offenbar gleichgültig. Das Leben der Eigenen schien keine Bedeutung für den Befehlshaber zu haben. Und der Beschuss ging weiter. Ein paar dieser Felsen schlugen auf den Vorsprung des Berges ein, der sich wie ein schützendes Dach bis zur Höhe der Mauer vorschob.

    Das Grollen war atemberaubend. Alle Zwerge lauschten dem Einschlag, und auch wenn sie die Felsen nicht sehen konnten, folgten ihre Blicke dem Poltern, während diese die Kuppe hinunterrollten und kurz vor der Mauer dann in die Tiefe stürzten. Unzählige Urluka vor der Mauer wurden unter dem Gestein begraben. Keiner der geschleuderten Felsen krachte nun mehr gegen den Wall. Der Feind hatte wohl erkannt, dass dieser selbst solchen Geschossen trotzen würde.

    Dafür wurde nun ein riesiger Brocken nach dem nächsten gegen die Kuppe geworfen. Kladion schaute Gwollnir an. Dieser machte ein ähnlich verdutztes Gesicht wie er selbst. Egal wie groß die Felsen waren, der Feind müsste schon einen ganzen Berg schleudern, damit das schützende Dach aus massivem Gestein nachgeben würde.

    Das Poltern hörte nicht auf. Die Urluka hatten aufgegeben, die Mauer anzustürmen, und scheinbar begriffen, dass dies nur ihren sicheren Untergang bedeuten würde. Die Zwerge schauten und hörten weiter verwirrt dem Schauspiel zu, wie die Felsen auf den Berg prallten, von dort nach unten rollten und vor der Mauer liegenblieben, ohne eine Wirkung zu erzielen.

    Und dann begriff er plötzlich: Die Felsen hatten ganz im Gegenteil eine riesige Wirkung, denn je mehr sich vor der Mauer anhäuften, umso mehr rollten sie zu einer Art Rampe, auf der sich der Feind dann, wenn auch beschwerlich, vorwärtsbewegen konnte. Die Mauer wäre kein Hindernis mehr und es gab nichts, was er dagegen tun konnte. Ein Ausfall, um die Katapulte zu zerstören, war bereits unmöglich. Zwar konnten sie die Runen aktivieren, um es zu öffnen, doch Kladion erkannte bei einem schnellen und riskanten Blick über die

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