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Ich bin jetzt Soldat: 1942 - 1946, das Leben einer Familie aus Hamburg in 280 Briefen
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eBook445 Seiten6 Stunden

Ich bin jetzt Soldat: 1942 - 1946, das Leben einer Familie aus Hamburg in 280 Briefen

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Über dieses E-Book

Ich bin jetzt Soldat,...

schreibt der neunzehnjährige Werner am 19. April 1942 aus Rendsburg an seine Mutter.

Nicht reißerisch, wenig politisch, eher bemüht, das 'Schreckliche' mit den eigenen Worten zu verklären und abzumildern, sind diese 280 Briefe ein Zeitfenster in das Leben einer ganz normalen Hamburger Familie in den Jahren 1942 bis 1946. Nationalsozialismus, Krieg, Fronteinsatz, Feuersturm in Hamburg, Verlust der Heimat, Verwundung, Lazarett, Gefangenschaft, Tod der nächsten Angehörigen…

Aus den Texten erschließt sich ein nahezu lückenloses Zeitdokument des alltäglichen Lebens der durch den schrecklichen Krieg in alle Richtungen versprengten Familienmitglieder. Beim Lesen wird man zum Zeitzeugen dieser tragischen Geschichte und nimmt hautnah Teil an dem persönlichen Schicksal der schreibenden Personen. Die Briefe der Familienmitglieder vermitteln einen bewegenden, unmittelbaren und puren Einblick in den ganz normalen Wahnsinn der Kriegsjahre...
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum19. Mai 2013
ISBN9783847638322
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    Buchvorschau

    Ich bin jetzt Soldat - Achim Hammelmann

    Vorwort

    1942 – 1946 

    Krieg, Fronteinsatz, Gefangenschaft. 

    Tragische Jahre einer ganz normalen Hamburger Familie 

    in 280 Briefen. 

    Nicht reißerisch, wenig politisch, eher bemüht, das 'Schreckliche' mit den eigenen Worten zu verklären und abzumildern, sind diese 280 Briefe ein Zeitfenster in das Leben einer ganz normalen Hamburger Familie in den Jahren 1942 bis 1946. Nationalsozialismus, Krieg, Fronteinsatz, Feuersturm in Hamburg, Verlust der Heimat, Verwundung, Lazarett, Gefangenschaft, Tod der nächsten Angehörigen…

    Aus den Texten erschließt sich ein nahezu lückenloses Zeitdokument des alltäglichen Lebens der durch den schrecklichen Krieg in alle Richtungen versprengten Familienmitglieder. Beim Lesen wird man zum Zeitzeugen dieser tragischen Geschichte und nimmt hautnah Teil an dem persönlichen Schicksal der schreibenden Personen. Die Briefe der Familienmitglieder vermitteln einen bewegenden, unmittelbaren und puren Einblick in den ganz normalen Wahnsinn der Kriegsjahre.

    Alle Texte sind korrigiert. Der persönliche Ausdruck und Sprachstil wurde dabei erhalten. Die Schreibweise entspricht der damals gültigen Rechtschreibung.

    Die Namen der in den Texten genannten Personen, die nicht zur Familie gehörten, wurden bei der Bearbeitung der Texte geändert. Ähnlichkeiten der gewählten Namen mit anderen Personen sind nicht beabsichtigt.

    Achim Hammelmann 

    2013 

    http://ichbinjetztsoldat.jimdo.com

    Ich bin jetzt Soldat

    Liebe Mutti, 

    ich bin jetzt Soldat,...

    schreibt der neunzehnjährige Werner im April 1942 aus Rendsburg an seine Mutter.

    ...(mit einer alten Uniform) aber ich fühle mich noch nicht so. 

    Meine Adresse ist: 

    Schütze W. H., Rendsburg 

    2.J.E.B.469 

    Schreiben hat keinen Zweck, denn ich komme diese Woche noch weg von hier. 

    Herzliche Grüße von 

    Deinem Werner 

    Die Familie lebt in Hamburg im schönen Stadtteil Uhlenhorst. Mutter Gertrud, Vater Adam, die Söhne Werner, geb. 1923 - und der jüngere Bruder Walter, geb. 1926. Der Großvater Max, der Vater von Gertrud - auch er lebte bei der Familie. Der Vater Adam fährt zur See; ist Obersteward auf dem Hamburg-Süd-Dampfer ’Cap Arcona‘. Das Schiff fährt bis Kriegsbeginn im Liniendienst von Hamburg nach Südamerika. Wie alle zivilen Schiffe wird auch die 'Cap Arcona' mit Beginn des Krieges der Kriegsmarine unterstellt und muss als Kasernenschiff dienen. Das Schiff ist in Gotenhafen, heute polnisch Gdansk, stationiert. Der Vater Adam ist so gut wie nie zu Hause in Hamburg bei seiner Frau und den beiden Söhnen.

    Noch im April schreiben Werner und Walter dem Vater zu Ostern je einen Brief:

    Hamburg, d. 3.IV.42

    Mein lieber Papi. 

    Eigentlich habe ich mich noch gar nicht genug für Dein großes Geschenk zum Abitur bedankt, und ich glaube auch, daß ich es nicht verdient habe. Das Abitur habe ich zwar bestanden, aber die einzelnen Zeugnisse sind bestimmt nicht so ausgefallen, wie ich es mir ursprünglich gedacht hatte. Bei der Prüfung hat man mir nicht einmal eine Chance gegeben, sie zu verbessern, aber es wird ja später niemand nach den einzelnen Zeugnissen sehen, die Hauptsache ist, daß ich das Abitur habe. Jetzt kann ich mit ruhigem Gewissen zum Militär kommen, eine Einberufung habe ich zwar noch nicht, aber ich kann jeden Tag damit rechnen. 

    Dann hört natürlich das schöne Leben auf und der Ernst beginnt, doch ich werde mich auch daran gewöhnen können. Einige aus meiner Klasse sind schon zum Arbeitsdienst gekommen oder haben eine Einberufung, so daß es also mit mir auch nicht mehr lange dauern kann. Andere meiner Mitschüler, die ein Jahr jünger sind als ich, haben für ein halbes Jahr eine praktische Lehrstelle angenommen, kommen dann zum Arbeitsdienst und dann dürfen sie studieren, ohne vorher bei der Wehrmacht gewesen zu sein. Ich dagegen muß, falls der Krieg noch sehr lange dauern sollte, eine 4jährige Fronttauglichkeit ablegen, um studieren zu können. 

    Vielleicht aber werden noch andere Bestimmungen erlassen, um das Studium zu erleichtern. Sonst werden wir noch alte Leute, ehe wir einen Beruf ergreifen können. 

    Was macht eigentlich Edgar, hat er Dich schon einmal besucht, oder Du ihn? Ihr seid ja jetzt nicht mehr so weit von einander entfernt und Edgar hat wenigstens jemanden, der zur Familie gehört und den er besuchen kann. Für ihn aber ist jetzt nur die Hauptsache, daß er bald fliegen darf und zum Einsatz kommt. Vielleicht habe ich ja Glück und komme mit ihm zusammen oder vielleicht sogar zu Dir in die Nähe, dann hätte ich es während der Rekrutenzeit bestimmt nicht schlecht und es würde auch wenigstens alle Tage jemand kommen, um seinen armen Sohn zu besuchen und ihn weinend fragen, wann er doch endlich wieder nach Hause käme. So wird es doch sein, nicht wahr? Aber auf keinen Fall anders, Ihr werdet Euch noch freuen, wenn ich mal auf Urlaub komme, die Wände werde ich nicht küssen, sondern ihr werdet mir um den Hals fliegen!! 

    Doch Scherz bei Seite, die Hauptsache ist ja, daß wir uns recht bald bei guter Gesundheit wiedersehen dürfen. Für heute wünsch’ ich Dir ein frohes Osterfest und grüße Dich herzlich, 

    Dein Werner 

    Mein lieber Papi! 

    An erster Stelle möchte ich Dir einmal ein fröhliches Osterfest wünschen. Ferner möchte ich Dir nochmals danken für die Mühe, die Du Dir bei meiner Konfirmation gemacht hast. Ich kann es nicht vergessen, wie schön die war. Alle Gäste waren begeistert. Besser hätte es im Frieden auch nicht sein können. Auch für die 100 Mark noch herzlichen Dank. Ich habe schon alles auf die Sparkasse gebracht. Nun habe ich zu alle dem vor ein paar Tagen von Mutti noch ein schönes Konfirmationsgeschenk bekommen. Und zwar einen Sommermantel. Ganz prima Qualität. Ein italienischer, ganz heller Baumwollmantel. Mutti hat es sich allerhand kosten lassen. Dafür kann ich ihn aber noch viele Jahre tragen. Da er ja nun von Dir ist, will ich mich noch mal besonders bei Dir bedanken, was hiermit getan sein soll. 

    Ich kann Dir noch zu Deiner Beruhigung mitteilen, daß wir bis jetzt keinen Alarm mehr hatten. Das würde auch für die Tommys ein Wagnis sein, bei der jetzigen Abwehr. So ist es in Lübeck oder gar Münster fast unmöglich. 

    So, mein lieber Papi. Nun will ich Schluss machen, denn ich muß mich noch verschiedentlich bedanken für die Aufmerksamkeiten, die man mir zu meiner Konfirmation geschenkt hat. 

    Sei nun vielmals gegrüßt und geküsst von 

    Deinem Walter 

    Wenige Wochen später ist Werner bereits Soldat. Am 25. Mai 1942 schreibt er einen ersten Brief aus Rendsburg.

    1942

    25. Mai 1942

    Liebe Mutti, lieber Walter u. lb. Opa. 

    Nach zwei „wunderbaren" Pfingsttagen komme ich endlich dazu, den Sonnabend abgeschickten und leider nur sehr flüchtigen Brief fortzusetzen. Jetzt alles der Reihe nach: Am Sonnabend nachmittag war ich sehr angenehm enttäuscht worden, sage und schreibe bekam ich 6 Päckchen, sowie 2 Briefe: 5 von Dir mit Zigaretten, Kuchen, Wurst, von Papi ein Päckchen mit Zig. und von Dir und Edgar je einen Brief. Ich kann Dir sagen, ich war wie aus dem Häuschen, und ich bin Dir so sehr dankbar für alles und daß Du so an Deinen alten Sohn denkst. Den Kuchen habe ich gleich aufgegessen, nachdem ich den ersten auf hatte, auch die Wurst habe ich mir gut schmecken lassen, denn, was aus der Heimat kommt, überhaupt das von Muttern, schmeckt doch noch am besten. Doch, Mutti, Du weißt, hier gibt es noch alles in rauen Mengen, und ich möchte nicht gern, daß Ihr von Eurer Ration noch etwas abgebt. Ich will Euch doch etwas schicken, damit Ihr etwas habt, kaufen kann ich mir genug hier. Natürlich freu’ ich mich wahnsinnig, wenn ich von Dir Kuchen bekomme, das ist klar, aber Wurst schicke lieber nicht. Zigaretten kann ich nicht genug bekommen, dafür kriege ich Kronen, und die kann ich Euch schicken. Also vergesst nicht, alles an Zig. zu kaufen, was Ihr kriegen könnt. 

    So und nun zu Deinem Brief, zu welchem ich mich richtig gefreut habe. Auch der Brief von Opa war sehr schön, ich habe ihn extra beantwortet. Was Du geschickt haben möchtest, werde ich Dir auf jeden Fall besorgen, Du must nur das Geld bald für Juni abschicken, denn ohne Geld ist hier nichts zu kaufen. 

    Leider bin ich bis jetzt noch nicht wieder aus der Kaserne gekommen. Das kam so: wie ich im letzten Brief schon schrieb, haben wir hier jetzt allerhand Zauber. Alarm setzte in der Nacht zum Pfingsten wieder ein. In einer halben Stunde musste alles antreten mit gepacktem Sturmgepäck, 60 Schuss Munition, M-G usw. usw. Auch der Affe musste mit allen Sachen gepackt werden, und dann warteten wir auf den Einsatz. Was los ist, weiß ich nicht, die Lage ist jedenfalls hier gespannt. Wenn der Tommy hier landet, können wir vielleicht noch eine Auszeichnung abbekommen. Wir können also jeden Tag hier abhauen. Daß wir aber hier wegkommen ist schon bestimmt, und zwar noch in dieser Woche. Wir ziehen nach Hadersleben um und werden da hoffentlich bleiben. Leider bekommen wir da eine umgebaute Schule zur Verfügung. Hier war es in dieser Beziehung besser. Ich habe hier so ein prima einzelnes Bett mit Matratze und auch sonst ist die Anlage wunderbar, überhaupt die Kantine. Hoffentlich brauche ich das da nicht zu entbehren. Das Schlimme ist, daß wir marschieren und zwar 60 km mit Gepäck und Gewehr mit Munition. Große Scheiße. Hoffentlich lauf ich mir nicht so viel Blasen wie letztes mal. Da haben wir einen 25 km Nachtmarsch gemacht, ich kann Dir sagen, wie die Ratten kamen wir hier angekrochen. Wir mussten die MG-Kästen mitschleppen, die wiegen zusammen an 60 Pfd. Wenn man die 1 km getragen hat, dann fängt man aber an zu schielen. 

    Der Erfolg der Sache war: ich hatte 12 Blasen, die zum Glück jetzt wieder weg sind. Meine Füße sind auch dadurch hart geworden, und danach habe ich mir ein Paar neue Stiefel geholt, in denen ich wie ein junger Gott laufe. 

    Peter Holdt hat sich mit seinen neuen Stiefeln Blasen gelaufen, die sich entzündet haben. Er liegt jetzt wieder mit geschwollenem Fuß im Revier und wird nach Hause gefahren. Der Dienst ist sonst auch schwerer geworden, jeden Tag 5 Std. ins Gelände voll bepackt. Das Schlimmste ist das Laufen mit der Gasmaske, da kann man bei fertig werden. Der Chef hat sich über die Ordnung beklagt, so daß wir die Feiertage über Revierdienst hatten, sowie Appelle. Also von fröhlichen Pfingsten kann nicht die Rede sein. 

    Ich habe ein bisschen Glück gehabt. Beim gestrigen Appell war mein Drillichzeug sehr sauber gewaschen, so daß ich heute von jeglichem Dienst entbunden wurde. Dafür habe ich aber auch ein MG vollkommen appellfähig machen müssen. 

    So, es ist bereits wieder 10 Uhr geworden, ich muß jetzt schließen. 

    Seid alle recht herzlich gegrüßt von 

    Eurem Werner 

    Von Edgar höre ich, daß er nicht nach Afrika kommt, sondern wieder für einige Monate bei Linz auf die Fliegerschule kommt.

    O.U., den 31.V.42 

    Meine liebe Mutti, lb. Walti u.Opa! 

    Also, erst einmal muß ich darüber nachdenken, was ich in letzter Zeit alles von Euch erhalten habe. Den Brief vom 9.3. habe ich wohl schon in Tondern beantwortet; jedenfalls habe ich, als ich hier im neuen Standort eintraf, gleich ein Päckchen mit Schokolade, eins mit Zigaretten, sowie von Papi einen Brief, 1 Päckchen mit Zigaretten und eins mit Pralinen bekommen. 

    Heute nun erhielt ich den „Uhlenhorster" sowie einen Brief von Carli, dem es anscheinend beim Arbeitsdienst ganz gut gefällt, da er auf der Schreibstube sitzt. 

    Also, liebe Mutti, ich danke Dir von ganzem Herzen, daß Du und auch Papi, immer so nett an mich denken, ich freu’ mich zu jedem, was von zu Haus kommt. Die Zigaretten kommen mir gerade gelegen: Wir haben heute am Sonntag Ausgang gehabt, der erste übrigens, ich hatte natürlich keine Kronen mehr und habe hier in der Stadt 2 Schachteln Z. für 10 Kronen verkauft, - an einen nicht mehr ganz nüchternen, der uns obendrein noch zu einigen Glas Bier eingeladen hat. Leider bin ich, da ich sehr starke Halsschmerzen habe, früher nach Hause gegangen und schreibe jetzt. Vielleicht melde ich mich morgen ins Revier. Du siehst also, ich kann Zig. gebrauchen, schicke mir bitte auch immer laufend und vergiß nicht, alle auf die Karten zu kaufen. Morgen bekommen wir unsere Löhnung, so daß ich dann über 130,- Kronen habe, da ich noch 50,- Kr. Außenstände habe. 

    So, und nun wieder die Ereignisse der Reihe nach. Erst mal must Du entschuldigen, daß ich ein bisschen durcheinander schreibe, ich fühle mich wirklich nicht gut, und außerdem bin ich noch völlig kaputt von einem furchtbaren Marsch: Wie ich Dir schon im letzten Brief schrieb, sind wir wieder umgezogen (die Adresse ist dieselbe) und zwar nach Hadersleben, wo es landschaftlich und auch, was die Stadt anbetrifft, bedeutend besser ist, jedoch sind wir in eine ehemalige Schule gekommen, die natürlich viel, viel primitiver als die moderne Kaserne in Tondern ist. Man wird sich aber auch daran gewöhnen. Das allerschlimmste an der ganzen Umzieherei war ein furchtbarer Marsch von 70 km, den wir in 2 Etappen gemacht haben. Ich kann Dir sagen, es war das Schlimmste, was ich in meinem Leben mitgemacht habe. Meine Füße sind jetzt noch kaputt. Ich hoffe aber, daß man sich mit der Zeit an das marschieren gewöhnt. Wie waren wir froh, als wir hier in der Kaserne ankamen. Nie wieder Krieg!!! 

    Aber das schluckt ein Landser natürlich in sich hinein, ohne ein Wort zu sagen, denn in 100 Jahren ist bestimmt alles vorbei!! 

    Man macht mit uns wirklich alles, was man will. Wahrscheinlich bleiben wir gar nicht lange hier, drück den Daumen, daß wir nach Hamburg versetzt werden, was gar nicht so ausgeschlossen ist. Das wäre prima, nicht wahr? Erst mal muß die Rekrutenzeit beendet sein. Und sonst geht es mir gut, und ich bin froh, daß wir den Marsch hinter uns haben; morgen geht der Scheißdienst wieder los. 

    Und was macht Ihr, wie habt Ihr Pfingsten verlebt? Hoffentlich bist Du, lb. Mutti endlich mit Deiner Wohnung fertig und kannst Dich ein wenig ausruhen. Schade, daß ich immer so wenig Zeit habe, Euch zu schreiben. Es ist jetzt wieder 10 Uhr und ich müßte schon im Bett liegen. 

    Vielleicht hört Ihr morgen mehr von mir. Seid alle recht herzlich gegrüßt 

    von 

    Eurem Werner

    O.U., den 1.VI.42 

    Meine liebe Mutti, lieber Opa (Walti kriegt extra etwas von mir zu hören) 

    Wie ich im gestrigen Brief schon berichtete, fühlte ich mich nicht sehr besonders, so daß ich mich heute morgen krank meldete. Der Arzt stellte eine leichte Angina fest und ordnete eine Schwitzkur an. Bin natürlich gleich ins Bett gestiegen, habe geschwitzt und jetzt habe ich genug Zeit, an alle zu schreiben. Mit diesem Brief wollte ich aber noch ein wenig warten, denn ich wußte genau, ich würde heute noch von Dir Post erhalten. Tatsächlich, kaum gedacht, schon hatte ich einen Brief von Dir in Händen, zu dem ich mich sehr freute. 

    Da wir nun jeden Tag in die Stadt dürfen, können wir wie im Frieden leben. Hadersleben ist auch sehr hübsch, und ich glaube, es lässt sich hier aushalten, wenn nur nicht die Kaserne so primitiv wäre. Doch wir bleiben auch hier nicht lange. Was meinst Du, wenn wir nach Hamburg kommen? Das wäre prima; unsere Ausbildung ist sowieso bald zu Ende und dann kommen wir auf einen Truppenübungsplatz. Doch an die Front zu kommen, habe ich ehrlich gesagt noch keine Lust, ’ne Buddel Beer is mi lever.' Aber das würde sich dann auch nicht ändern lassen. Willi ist ja auch schon weg, das ging verdammt schnell mit ihm. Nur Edgar hat mal wieder Schwein gehabt. Du wirst sicher auch schon von ihm gehört haben. Für mich ist jedenfalls die Hauptsache, daß der Dienst von jetzt ab wieder etwas besser wird, dann macht es auch mehr Spaß. Wenn jetzt nochmals ein längerer Marsch kommen sollte, ich bin gerüstet, meine Füße sind hart wie Eisen geworden; man wird überhaupt hart beim Kommiss. 

    So, also wieder zu Deinem Brief. Ich glaub Du machst Dir zuviel Gedanken, wo Du allein bist. Du hast ja jetzt hoffentlich ein bisschen mehr Zeit und, wie Du schreibst, so schöne Garderobe bekommen, gehe doch öfter mit den Damen aus und mach’ Dir das Leben schön, wer weiß, was alles kommt. Daß Walter sich nicht um Dich kümmert, ist sehr schlecht von ihm. Der hat es viel, viel zu gut. 

    Sag mal, in Hamburg ist gewiß auch schon alles so schön grün wie hier, und auch hoffentlich so herrliches Wetter, da sieht das Leben gleich viel schöner aus, nicht wahr? Es freut mich für Euch, daß Ihr im Sommer Papi besuchen wollt. Vielleicht bin dann schon mal auf Urlaub gewesen, das wäre fein, was meinst Du? Dann werden wir beiden ganz allein mal eisch ausgehen, Geld genug habe ich ja, so daß ich Dich einladen kann. Hoffentlich wirst Du dann, wenn Du das feine Zeug hast, Deinem alten Landser die Einladung nicht abschlagen. 

    Was macht Hamburg sonst, wie sieht es aus? Ich bin froh, daß keine Angriffe mehr waren. Frag mal die Verwandten u. Bekannten, ob sie mich vergessen haben, es sieht beinah so aus. 

    Es grüßt Euch alle recht herzlich, 

    Werner

    O.U., den 28.VI.42 

    Meine liebe Mutti, lieber Walti und Opa. 

    Für Deinen lieben Brief sei herzlich bedankt. Inzwischen habe ich auch schon wieder ein Päckchen mit Zigaretten erhalten. Also Ihr beklagt Euch, daß ich sehr selten schreibe. Ich glaube Ihr habt, wie ich Euch schon im letzten Brief klar zu machen versuchte, herzlich wenig Ahnung vom Kommiss. 

    Wenn ich auch schrieb, daß der Dienst etwas weniger streng geworden ist, so heißt das nicht, daß ich nun jeden Tag Zeit habe, um in die Stadt gehen und bummeln zu können. Der Dienst ist jeden Tag bis 7 Uhr, dann müssen wir unsere Sachen putzen, waschen, Stube reinigen und bekommen dann noch extra Beschäftigung von den Herren Gefreiten, so daß wir abends noch gerade 10 Min. Zeit haben um uns waschen zu können; sogar das Essen fällt auch gerade morgens, oft flach. Zum Briefeschreiben kommen wir da bestimmt nicht und man freut sich dann immer sehr auf den Sonntag, wo man die ganze Post erledigen kann. Und das kann ich Dir sagen, einen Sonntag machen wir uns so schön wie wir können, denn wir wissen ja nie, wie die Zukunft aussieht. Ein paar olle Landser wollen doch auch etwas vom Leben haben. 

    Eben kommt Ulrich zurück von der Kaserne mit Post von Dir. Ich danke Dir recht herzlich u. freue mich auch, daß Du für mein Schweigen Verständnis hast. Natürlich schäme ich mich, wenn ich die Briefe nicht gleich beantworten kann, ich freu’ mich aber über jede Post und danke Dir auch, daß Du immer so nett an mich denkst. 

    Nun zu Euch. Es würde mir sehr leid tun, wenn aus Eurer Reise nichts werden würde, setzt alle Hebel in Bewegung, und Ihr könnt bestimmt reisen. Walti soll sich möglichst vor allem drücken, er weiß nicht, wie lange er es noch so schön haben kann. Wenn er erst beim Kommiss ist, würde er bereuen, wenn er sein bisschen Leben nicht ausgekostet hat. Das habe ich hier erst eingesehen. Und Du sollst Dir erst recht das Leben so schön machen, wie es geht, mach' Dir einen schönen Sommer und nimm, wenn Walti zur Erntehilfe muß auch den Vorschlag von Tante Else an, damit Du Abwechslung hast. 

    Und nun wieder zu mir. Unsere Versetzung hat sich inzwischen wieder verzögert. Vorläufig bleiben wir hier und da wir inzwischen schon wieder Alarm hatten, der mit einem 25 km Marsch endete ( ich habe mich vorher noch schnell zur Küche abkommandieren lassen) findet die Besichtigung erst später statt. Dann werden wir wohl erst an Versetzung denken können und auf einen Truppenübungsplatz kommen. Wenn wir dann noch Zeit haben, dürfen wir vielleicht auf Urlaub fahren. Aber bis dahin werde ich Dir alles noch mitteilen. Letzten Sonntag waren wir drei an der Ostsee mit einem Bus am Strand. Es war sehr schön und wir haben einen schönen Nachmittag verlebt, er erinnerte mich lebhaft an Grömitz. Wir hatten nur keinen Urlaubsschein und durften uns daher nicht so sehen lassen. (Man darf alles, man darf sich nur nicht schnappen lassen.) 

    Dann folgte wieder eine Woche Dienst von morgens 5 bis abends 7 und heute ist wieder mal Sonntag: Ulrichs Geburtstag!! Natürlich werden wir diesen Tag feiern; wir haben bis 11 Uhr Urlaub eingereicht. Leider haben nun die beiden kein Geld mehr, und es ist selbstverständlich, daß ich Ihnen etwas leihe. Ich habe ja die 13,- M von Dir mit bestem Dank erhalten. Wir sind also erstmal fein Kaffeetrinken gegangen, haben auch umsonst gerudert und gehen heute Abend zum Luftwaffenkonzert mit Geselligkeit. Wir wollen uns das Leben auch noch so schön machen, wie es geht, denn in Rußland bekommen wir keine Sahnetörtchen. 

    Nun genug. Für den Brief von Tante Else danke ich Dir. Von Papi u. Edgar habe ich kürzlich auch Post erhalten. Edgar gefällt es prima dort. Was machen die anderen? 

    Es grüßt Euch alle herzlich, 

    Euer Werner

    O.U. den 5.VII.42 

    Meine liebe Mutti, Walter u.Opa. 

    Also Ihr Ärmsten wartet auf Post von Eurem alten Soldaten. Das tut mir natürlich ganz furchtbar schrecklich leid, aber Ihr kennt ja jetzt den Sachverhalt und seid mir auch nicht bös’. So wie ich Zeit habe, denke ich an Euch und auf Post vom Sonntag könnt Ihr bestimmt rechnen. 

    Nun danke ich Dir recht herzlich für Deinen Brief vom 28.6. Ich drück' für Euch die Daumen, daß Eure Reise etwas wird, hoffentlich habt Ihr dann besseres Wetter, wie bisher. Wir haben hier seit 3 Tagen eine erdrückende Hitze, was natürlich für die Landwirtschaft im Osten von großer Wichtigkeit ist. Da geht es ja schon mit Schwung weiter, die Aussichten sind jedenfalls bestimmt nicht ungünstig für uns, und Du sollst mal sehen, der Krieg geht dieses Jahr zu Ende, wir werden den Laden schon schmeißen!! 

    Von mir wäre zu berichten, daß ich immer noch in Dänemark bin, jedoch gar nicht weiß, wie lange noch. Der Dienst geht seinen üblichen Gang, immer sehr lange, aber nicht mehr so schwer, wie zuvor. Heute ist Sonntag und wir haben uns einen schönen Tag gemacht. Wir haben schon so einige Portionen Erdbeeren mit Schlagsahne verdrückt. Da können wir natürlich nicht sehr auf das Geld sehen. In Rußland gibt es so etwas nicht, und wer weiß, wann ich mal wieder solche Gelegenheiten habe. (Hast Du übrigens das Geld für Juli abgeschickt?) Auch Päckchen würde ich weiter dankend annehmen; die Post wird mir überall hin nachgeschickt. So und nun für Walter ein ernstes Wort. Kannst Du mir nicht mal schreiben, was die Schule, der Klipper und meine Freunde machen? Grüße noch meine Lehrer von mir, und schreib mir bitte sofort die Adresse von Wolf; frag seinen Bruder. Schreib über den Krenzerbau. Auch von Opa möchte ich ganz gern mal wieder etwas hören. 

    Seid alle 3 recht herzlich gegrüßt von Eurem alten 

    Werner

    Graudenz, den 12.VII.42 

    Mein lieber Papi! 

    Also wie Du sicher schon erfahren hast von Mutti, ist es nun doch schon so weit, und wir kommen zum Einsatz. Das ist verdammt schnell gegangen. Nach ein paar wunderschönen Wochen in Dänemark, wo wir uns den Magen noch einmal mit den schönsten Sachen vollgehauen haben, kam am 8. der Marschbefehl, am 9. ging es schon los nach Hamburg. Wir hatten natürlich mit Urlaub gerechnet und daß wir 14 Tage dort bleiben würden, doch zu unserem Ärger erfuhren wir, daß wir am nächsten Tag schon fahren sollten. Ich hatte mir das schon so schön vorgestellt, daß ich nachmittags nach Haus kann, doch da wurde an dem einen Nachmittag nichts mehr draus. Ich hab' jedenfalls sofort nach Haus telefoniert und Mutti war wie aus allen Wolken gefallen. Am nächsten Tage haben Mutti, Walti und Opa mich besucht und wir haben zusammen noch einen schönen Tag verlebt; als wir abmarschierten, haben sie mich alle 3 bis zum Bahnhof begleitet. Der Abschied ist doch ein bisschen schwer gefallen, aber es mußte ja sein, und wir wollen hoffen, daß auch weiterhin alles klappt. 

    Die schönen Wochen sind ja nun vorbei und wir werden alle gern daran zurückdenken. Erdbeertorte gibt es in Rußland nicht. Heute nun sind wir nach 2 Tagen Fahrt schon in Graudenz (übrigens sehr nahe bei Dir) und haben hier einen Tag Aufenthalt. Es ist hier sehr trostlos, recht polnisch noch und es wimmelt von Polizei, wir waren hier in einem furchtbaren Kino und essen jetzt einen noch furchtbareren Fraß. Heute Abend geht es weiter, und in 6 Tagen sind wir am Ziel. Wir wollen das beste hoffen, daß alles gut geht. Ich werde es schon schaffen. Mir fällt gerade ein, daß, wenn der Brief ankommt, auch Mutti und Walti bei Dir sein werden. Ich wünsche Euch dreien eine recht gute Erholung und gutes Wetter. 

    Und jetzt danke ich Dir noch recht herzlich für Deine liebe Post nach Dänemark, zu der ich mich sehr gefreut habe. Seid alle recht herzlich gegrüßt von 

    Eurem Werner

    Bleskau, den 15.VII.42 

    Ihr Lieben! 

    Soeben haben wir die russische Grenze überfahren, und man merkt sofort, daß man im Paradies der Arbeit ist. Einfach trostlos sieht es hier aus. Auch die litauische und lettische Landschaft ist völlig öde, sumpfig und waldig, jedoch kann man nicht sehen, daß über diese Länder der Krieg hinweggezogen ist. Das Volk ist furchtbar stur. Morgen werden wir wohl am Ziel sein: wir kommen wahrscheinlich nach Leningrad. Mir geht es sonst gut und wir bekommen reichlich zu essen und zu rauchen, ich hab jetzt über 300 Zigaretten. 

    Und wie geht es Euch? Ich hoffe, daß Mutti mit Walti gut in Gotenhafen angekommen sind und hoffe auch, daß die Engländer die Ostseestädte nicht noch einmal angreifen werden. Ich wäre auch ganz gern mitgefahren, doch das geht ja nicht. Vielleicht haben wir das Glück, in einigen Jahren im Frieden wieder gemeinsam verreisen zu können. 

    Sowie ich meine Feldpostnummer weiß, teile ich sie Euch mit. Für heute grüßt Euch recht herzlich, 

    Euer Werner

    Am Montag, d. 3.VIII.42 

    Meine liebe Mutti, lieber Walti und Opa. 

    Ich nehme an, daß Ihr inzwischen schon wieder im Hause seid, wenn Euch dieser Brief erreicht. Wie war es denn in Gotenhafen? Habt Ihr ein paar nette Tage verlebt, bei denen es hoffentlich nicht am Wetter haperte. Meine Post werdet Ihr doch wohl alle erhalten haben, ebenfalls die Paket-und Luftpostmarke. Jetzt kann ja wieder ein reger Briefwechsel starten, da Ihr nun meine Feldpostnummer wißt. Ihr glaubt gar nicht, wie ich mich auf das erste Lebenszeichen von Euch freue, zumal während der letzten Zeit starke Luftangriffe auf Hamburg stattgefunden haben. Wenn nur nichts passiert ist, man macht sich doch seine Gedanken, wo man hier völlig von jeden Nachrichten aus der Heimat abgeschnitten ist, außer dem Wehrmachts-Bericht. Ein Radio wie in Dänemark haben wir hier nicht. 

    Sag mal, kann Papi mir nicht ab und zu ein paar Süßigkeiten schicken? Ich habe einen unheimlichen Appetit darauf, etwas zu naschen, sonst hätte ich wirklich alles. Das Essen ist hier wirklich gut jetzt, so daß wir nicht klagen können. Z.B. gestern am Sonntag haben wir Bier, Schnaps, Bohnenkaffee, Bonbons und abends noch Milchsuppe bekommen, so daß wir nach einem ganz amüsanten Abend nicht mehr allzu nüchtern ins Zelt krabbelten. Im übrigen gibt es morgen Marketenderware um uns die Gelegenheit zu geben, für den Einsatz noch die fehlenden Sachen kaufen zu können. 

    Auch sonst geht es uns hier gut, die Ausbildung wird verlängert und ich habe mich inzwischen für einen 14 täg. Kursus als Funker gemeldet, dessen Ausbildung nicht nur ruhig, sondern auch sehr interessant ist. Ab und zu werden hier auch mal ein paar Flugzeuge abgeschossen, wie gestern Abend, als plötzlich ein Russenbomber und zwei Jäger über uns erschienen. Ein paar kurze Feuerstöße, der Bomber fing Feuer, trudelte ab, und schlug hier in der Nähe auf, während wir auf die durch Fallschirmabsprung sich zu retten suchende Mannschaft Jagd machten. Einer wurde gefaßt, der andere entwischte. Ihr seht also, man kann hier auch interessante Dinge erleben, wenn nur nicht das Wetter so launisch wäre. Sonntags allerdings ist es immer schön, während es Tage hindurch vom Himmel nur so strömt. Wenn nur das Wetter während Eurer Reise nicht so schlecht war. Sonst wird es bestimmt keinen Spaß gebracht haben, schreib bitte mal ein bißchen ausführlicher darüber, liebe Mutti. 

    So, noch einige allgemeine Sachen. Was habt Ihr von Edgar und Kochs gehört, und wie geht es den anderen Bekannten? Weißt Du etwas über meine Kameraden? Wie sieht Hamburg sonst aus, ist durch den Angriff viel zerstört? Übrigens würde ich mich auch sehr zu Zeitungen u. Zeitschriften freuen, das einzige Mittel, um mit der zivilisierten Welt wieder Verbindung aufnehmen zu können. Man verliert hier doch ein bißchen und ich glaube sogar, daß ich für ein gutes Buch oder Theaterstück weder Ruhe noch Interesse finde. Man sehnt sich aber doch sehr danach. 

    Für heute genug. Laßt Euch alle recht herzlich grüssen 

    von Eurem Werner 

    Feldp. Nr. 03225

    Rußland, den 11.VIII.42 

    Meine liebe Mutti, lieber Großvater u. Walti! 

    Im allgemeinen schreit man ja aus voller Kehle „Hurra" wenn man sein Ziel erreicht hat. Leider ist es doch ein bißchen anders gewesen, als wir am Sonntag nach einem glänzenden Manöver von unserem alten Standort an die Front marschierten. Man geht da doch mit etwas gemischteren Gefühlen hin als auf Urlaub. Vorher erlebte ich aber noch eine große Freude: Als wir schon zum Abmarsch angetreten waren, wurde die Post verteilt. Du kannst Dir denken, wie ich mich freute, als von Euch ein Brief dabei war. Ich danke Euch recht herzlich dafür, zumal ich mir schon wegen der Angriffe über Euch Sorgen gemacht habe. Es ist doch ein Glück, daß nicht all zu viel passiert ist, nur für den Opa war die Sache ja nicht so ganz ohne. Ist viel verbrannt und wie sieht der Weinschrank aus? Schreib mal, ob sehr viel in Hamburg kaputt ist. Ich wünsche Euch jedenfalls nicht noch einmal einen solchen Angriff. 

    Daß es Euch so gut bei unserem Papi gefallen hat, freut mich sehr. Er wird wohl wieder alles herangeschleppt haben, was irgend aufzutreiben war. Es ist nur schade, daß das Wetter nicht so schön war, da werdet Ihr wohl gar nicht braun geworden sein. Also Zoppot gefällt Euch besser als Grömitz? Vielleicht haben wir ja das Glück, später einmal gemeinsam wieder dort hinzufahren, das wäre schön, was? Die Zeiten werden wohl hoffentlich bald wiederkommen. 

    Also, wie gesagt, wir marschierten ab und waren schon auf das schlimmste gefaßt. Ich hatte aber mal wieder Glück. Wie Du weißt bin ich Funker geworden; als wir zum Regiment-Gef-Stand kamen wurde ich dem Batallions-Stab als Funker zugeteilt mit einem anderen der Komp. aus Dänemark. Die übrigen sind auch hier in der Nähe. Wir kamen am nächsten morgen nach und nun hatte ich wieder Glück. Beim Stab erwischten wir einen prima Bunker, wo es sich wirklich drin aushalten läßt. Glück muß man eben beim Kommiss haben. Hier wohnen noch viele andere, teils Hamburger, drinnen und außerdem ist es hier sehr ruhig: ab und zu schießt mal die Ari oder Granatwerfer, aber sonst ist hier nichts los und ich glaube, es wird wohl hier auch nicht mehr viel unternommen werden. Ihr könnt also ganz beruhigt sein. 

    Und nun noch einige andere Sachen: ich schick’ Dir heut wieder eine Paketmarke u. eine Luftpostmarke. Seid bitte so gut und schreibt immer so oft Ihr könnt, ich freu’ mich zu jedem Lebenszeichen und werde auch meinerseits nicht schreibfaul sein. Im übrigen ist auch das Essen bestimmt nicht schlecht und es lässt sich hier schon leben. 

    Leider habe ich den Brief vorgestern abbrechen müssen, weil ich zum Tross mußte, gestern hat der Russe ein bißchen herüber geplänkelt u. einen Einbruch versucht, so daß ich erst heute wieder dazu komme, den Brief fortzusetzen. Wir haben hier immer schönes Wetter, können bis 9 Uhr schlafen und liegen sonst auf der faulen Haut, sogar besser als in der Kaserne. Man nennt auch diese Stellung eine K.d.F.-Stellung wegen der Ruhe, die hier herrscht. 

    Ich werde Euch bald wieder schreiben, denkt auch Ihr oft an mich. 

    Meine Adresse: Soldat W.H. Feldpostnr. 01447 A 

    Es grüßt Euch für heute recht recht herzlich und wünscht Euch alles Gute, 

    Euer alter Sohn Werner

    Rußland, den 16.VIII.42 

    Meine liebe Mutti, lieber Walti und Opa! 

    Stellt Euch vor, heute bin ich schon eine ganze Woche Frontsoldat, und ich muß sagen, mit gefällt es hier von Tag zu Tag besser, obwohl mit dem Wort Front allgemein furchtbare Strapazen verbunden sind. Wir haben hier aber auch Schwein gehabt, das kann man wohl sagen. Hätten wir die Schlacht am Wolchow mitmachen müssen, dann hätten wir von der Front einen anderen Begriff bekommen. Von dort sind nur wenige zurückgekommen. Hier hat es den Anschein, als wolle überhaupt nichts mehr passieren, während im Süden die Truppen in ungeheurem Vormarsch sind. Dort unten wird wohl dieses Jahr noch die Entscheidung fallen, denn hier ist ja doch nichts mehr zu erben. Wenn wir an der Wolga sind, wird ein fester Wall gebaut, bis die Russen schließlich nachgeben müssen. Denn, was für sie lebenswichtig ist, haben wir bereits in unserer Hand. 

    Wir wollen nur wünschen, daß dieser Winter nicht so hart wird, wie der letzte, wenn der Führer auch alles für seine Soldaten getan haben wird, um Blut zu sparen. Ich glaube auch kaum, daß Moskau oder Leningrad noch angegriffen werden. Hier bereitet man sich mit allen Mitteln für den Winter vor, und wir wollen hoffen, daß die Stellungen gehalten werden. 

    Es freut mich auch, daß ich bei der Btl. Nachr.-Staffel bin, wir überarbeiten uns bestimmt nicht, und es herrscht hier im Bunker eine wirklich nette Kameradschaft. Wäre man hier nicht an der Front in Gefahr, einen verplättet zu kriegen, denn der Russe versucht doch manchmal ein paar Störangriffe und schießt immer mit seinen alten „Granatbumbsern" herüber, so wäre das Frontleben nicht schlimm, und vor allen Dingen hat es den Nachteil, daß man hier nach einem Jahr reichlich stur und stumpfsinnig geworden ist. Durch Alkohol, Zigaretten und Kinovorführungen im Soldatenheim des Regiments (wo es übrigens sehr nett ist) versucht man diese Lücke wieder zu schließen. Nur schade, daß wir kein Radio hier haben. Übrigens gab es gestern für jeden 1 Fl. Sekt und wir haben hier mit unserer Bunkergemeinschaft einen bestimmt nicht schlechten Abend steigen lassen. Und auch sonst kommen wir mit solchen Sachen nicht zu kurz (heute am Sonntag hat man uns Schokoladenpudding gemacht) Aber wenn Du dergleichen Sachen für mich mal über hast, so nehm' ich sie von Herzen gern an, doch ich möchte auch nicht unbescheiden sein. Es ist eben nur deshalb, weil man hier nichts kaufen kann, und wenn ich dann mal einige Wünsche hab’, so sei bitte nicht bös’. Z. B. brauchte ich nötig einige Paare Einlegesohlen. Wenn Du mal ein paar neue Zeitungen u. Illustrierten kaufen kannst, so würde ich mich sehr freuen. Das wären meine Wünsche, und wenn nun bald Eure liebe Post nachkommt, dann bin ich völlig zufrieden. 

    Und wie geht es Euch? Du liebe Mutti, wirst Dich wohl gleich wieder in Deinen Haushalt gestürzt haben, und von der Erholung wird nicht mehr viel übrig sein. Hat eigentlich unsere Wohnung beim Großen Angriff was abbekommen? Wie geht’s dem Opa? Will

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