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Schattenkristalle
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eBook246 Seiten3 Stunden

Schattenkristalle

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Über dieses E-Book

In einer anderen Welt, in der Magie längst nicht mehr alltäglich und doch allgegenwärtig ist, lebt Aleríà. Zusammen mit ihrem Bruder erfährt sie die Wunder, die diese mit sich bringt, doch ihr Glück ist nicht von Dauer.
Aleríà lernt auf schmerzhafte Weise, dass Magie nicht nur Glück und Freude bringt und ist gezwungen sich nicht nur ihrer Angst zu stellen, sondern auch einer Bedrohung, die die ganze Welt bedroht.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum1. Okt. 2014
ISBN9783847613824
Schattenkristalle

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    Buchvorschau

    Schattenkristalle - Farfalla Gris

    Prolog

    Lange Zeit bevor die Welt Erandôla geboren wurde, herrschte das Chaos mit dunkler, feindseliger Macht über das Universum.

    Doch bald darauf erschien, zuerst winzig klein und kaum wahrnehmbar, ein Funken in der Finsternis, der sich rasch ausbreitete und mit seinem Licht alles in seiner Umgebung erhellte. Die Dunkelheit, zuerst in ihren Ausläufern erschüttert, wurde schließlich gänzlich verdrängt.

    Es waren die Götter der Alten Zeit, die das Universum betraten und mit großen Augen das Chaos um sich herum musterten. Sie verstanden nicht, was vor sich ging, denn in ihrer Welt herrschte seit jeher Ordnung und Harmonie, die überall Anklang fand und ein jeder schätzte.

    So begannen schließlich die Alterwürdigen ihr Werk und schufen eine Welt ganz nach dem Vorbild ihrer eigenen.

    Flüsse und Seen entsprangen in tiefen Tälern, während sich zugleich die Erde an vielen Stellen erhob und zu gigantischen Felsengebilden formte. Allerdings erschien ihnen ihre neu geschaffene Welt, bestehend lediglich aus Blau und Braun, zu eintönig. Sie wollten Farben in jeder erdenklichen Nuance verbreiten und entschieden sich, diese mithilfe der Pflanzen und Tiere zu verbreiten.

    Unendlich weite Blütenfelder erstreckten sich über die Lande und verbreiteten mit ihrer Vielfalt an Formen und Farben nicht nur ein Gefühl des Friedens und der Ruhe, sondern lieferten mit ihren reichhaltigen Duftnoten die Saat, aus der Träume entstehen würden.

    Auch die Tiere, einzigartig in ihrem Wesen und ihrem Aussehen, begannen, die Welt zu bevölkern und sich darin einzuleben, wie es für sie einen Sinn ergab.

    Zufrieden betrachteten die Götter ihr Werk, mit dem sie allerdings noch immer nicht ganz fertig waren.

    Etwas fehlte in dieser nahezu perfekt harmonisch ausgelegten Welt.

    Sie wirkte, trotz der Vielfalt an lebenden Wesen, unbewohnt und leer …

    Als den Göttern dies bewusst wurde, erschufen sie in ihrer unendlichen Weisheit und Macht Wesen, welche die Natur, die sie geschaffen hatten, würdigen und schätzen sollten.

    Doch diese Wesen mussten zuerst lernen, wie sie das Geschenk, was ihnen zuteilwurde, pflegen und erhalten sollten, weshalb die Schöpfer ihnen Herz und Verstand einpflanzten, auf dass sie die Wunder um sich herum begreifen konnten.

    Die Völker, bestehend aus Menschen und Elfen, entwickelten sich rasch und begannen alsbald, die ihnen gegebenen Gaben zu ihren Zwecken zu nutzen, sodass für niemanden ein Nachteil entstehen konnte.

    Liebe und Geborgenheit waren Tugenden, die jedes Wesen fühlte und genauso gern weitergab – sei es Mensch, Tier oder eine andere Kreatur.

    Die Götter betrachteten mit Stolz ihr Werk und begannen fortan, darüber zu wachen. Aber was keiner von ihnen erahnte, war die Finsternis, die sich in den Ausläufern des Universums fortwährend regte und auf Rache wegen des Verlusts ihrer Welt sann.

    Langsam schleichend streckte sie ihre Fühler aus und begann, sich einen Weg in die Herzen der gütigen Wesen zu schleichen und diese mit Neid und Hass zu vergiften. So geschah es, dass aus den einst friedvollen Völkern mit der Zeit Wesen wurden, die von Habgier und Zorn zerfressen wurden anstatt von Achtung füreinander erfüllt.

    Das Chaos erfreute sich ungemein an dem Leid, was es über die Welt brachte, und doch spürte es, dass, obwohl die Hilflosigkeit der Götter greifbar nah schien, es noch nicht weit genug gegangen war. Es wollte seinen ursprünglichen Platz wieder einnehmen und die Götter mithilfe seiner Diener endgültig vertreiben.

    Indem es alle negative Macht, die ihm zur Verfügung stand, in einem unscheinbaren Augenblick bündelte, erschuf es vier Kreaturen, die augenscheinlich den Völkern bis aufs Haar glichen und doch gänzlich verschieden waren.

    Mit der Geburtsstunde dieser vier Monster entfaltete das Chaos von Neuem seine unheilvolle Macht über die noch jung erschaffene Welt.

    Krieg entbrannte, zog endlose Schneisen der Verwüstung durch das Land und löschte beinahe alles zuvor entstandene und kostbare Leben aus. Zurück blieben seine Brüder Pest, Hunger und Tod, die nicht zu kontrollieren waren und die Völker in ihren Grundfesten erschütterten.

    Mit jedem Wesen, was die Götter an die Dunkelheit und das Chaos verloren, schwand ihre Macht, sodass schon bald nichts weiter als eine bloße Erinnerung von ihnen übrig bleiben würde. Die verzweifelten Schreie und Gebete ihrer Kinder, die unaufhörlich zu ihnen drangen, ließen sie ein letztes Mal ihre Kräfte zusammennehmen. Durch die Liebe, die sie mit ihren Schöpfungen verband, entstand eine neue konzentrierte Form ihrer Macht. In Form eines überwältigenden Flammensterns offenbarten sie sich vier Jungfrauen, die sie als würdig erachteten, um die Welt von ihrer Schmach zu befreien.

    Sie überließen den zunächst ängstlichen Geschöpfen machtvolle Kristalle, mit deren Hilfe sie die Natur um sich herum zu ihren Gunsten beeinflussen konnten. Instinktiv lernten die vier Frauen, wie sie die Magie, die ihnen zuteilwurde, einsetzen konnten, um das Land von den Seuchen, die sich als Reiter manifestiert hatten, zu befreien.

    Gemeinsam begannen sie, zu kämpfen und die Handlanger des Chaos zurück in die Finsternis zu drängen, aus der sie einst entsprangen. Doch eins hatten die Götter nicht bedacht, als sie den Frauen ihre Herzen überließen – Liebe.

    Die vier Jungfrauen konnten sich noch gut an die Zeit des ewigen Glücks erinnern, in der diese Tugend in jedem Wesen steckte. Sie konnten und wollten nicht glauben, dass es Wesen geben sollte, die von Grund auf böse waren. Deshalb beschlossen sie, die Monster nicht zu verurteilen, sondern in den entlegensten Winkel des Universums zu verbannen, auf dass sie niemandem mehr ein Leid beibringen konnten.

    Sie glaubten, dass der Bann die Monster bis in alle Ewigkeit aus ihren Landen fernhalten und das Leben wie früher werden würde – doch sie irrten.

    Die Nachwirkungen, die die Kreaturen hinterließen, waren weiterhin im Land spürbar und plagten es weiterhin, wenn auch mit weitaus weniger Intensität.

    Frustriert über ihren scheinbaren Misserfolg, nutzten sie ein letztes Mal die Kräfte der Magie und versiegelten das Böse in ihrem Inneren.

    Doch was keine von ihnen wusste, war die Verbindung, die sie unwissentlich mit dem Bösen eingingen …

    Eine Tochter

    Zeit war ein Faktor, der fließend wie Wasser an den Wesen Erandôlas vorüberzog und sie langsam, aber sicher vergessen ließ. Alles, was sie erlebt hatten, was sie gepeinigt hatte, erschien ihnen wie ein schrecklicher Albtraum, aus dem man eines Nachts hochschreckt, um ihn in den nächsten Augenblicken wieder zu verdrängen und gänzlich zu vergessen – einzig das Gefühl, was ein solcher mit sich bringt, ließ die Herzen der Völker flattern wie die Flügel eines jungen Kolibris.

    Niemand, außer den weisesten Magiekundigen unter ihnen, wusste genau, wer die Welt gerettet hatte, und so begannen sich Legenden und Mythen über tapfere Helden in glänzender Rüstung zu ranken, die sich mutig dem Bösen entgegenstellten und es schließlich besiegten.

    Die vier Heldinnen störte dieser Umstand wenig, sie und ein paar wenige kannten schließlich die Wahrheit und würden sie an ihre Kinder weitergeben, damit diese nicht mit der Unwissenheit aufwachsen mussten, die andere fortwährend predigten.

    In dem Glauben, dass ihre Aufgabe erfüllt sei und das Böse niemals wieder einen Weg zurück nach Erandôla finden würde, vertrauten sie ihre Kristalle dem Zirkel des Mondes an und nahmen Abschied voneinander, um fortan ein normales Leben zu führen.

    Mit gemischten Gefühlen entließ der Großmeister die vier Frauen und blickte ihnen lange nach, als sich ihre Wege trennten und jede ein anderes Leben begann …

    Schreie hallten durch das sonst so friedliche Herrenhaus, welches leicht versteckt zwischen den Bäumen eines mit Rosen bewachsenen Waldes lag und mit seinem imposanten Antlitz nahezu jeden Adligen, der es einmal besuchte, vor Neid erblassen ließ.

    Von einem großen, mit allerlei seltenen und teilweise auch exotischen Blumen bestückten Garten führten mehrere verwinkelte und von Kieseln gesäumte Wege um das Anwesen herum. Sie offenbarten mit jeder neuen Verwinkelung wunderschöne Bereiche, wie zum Beispiel einen kleinen, im Mondlicht grünlich schimmernden Teich, auf dem Glühwürmchen ihre kleinen, leuchtenden Hinterteile im Rhythmus des Windes tanzen ließen. Es waren kleine, auf den ersten Blick unbedeutende Orte, die hinter dichtem Blattwerk verborgen waren und doch voller Schönheit zu strahlen schienen.

    So konnte man sich, wenn man sich mit wachsamen Augen umsah, kaum an der Vielfalt, die sich einem bot, sattsehen. Besonders hiesige Künstler schätzten diesen atemberaubenden Anblick und baten häufig um Einlass, um das Gesamtbild als Inspiration und Muse auf sich wirken zu lassen. Viele Kunstwerke waren dort schon entstanden und wanderten von Hand zu Hand in der kunstliebenden Gesellschaft Erandôlas.

    Doch an dem heutigen Abend, an dem der Himmel mit dunklen, Unheil verkündenden und schnell dahinsausenden Wolken verhangen war und kein einziger Stern es wagte, sein Erscheinungsbild zu präsentieren, herrschte rege Betriebsamkeit in den oberen Stockwerken. Nach einer gefühlten Ewigkeit war es nun endlich so weit; die Herrin des Hauses war bereit, das Leben, was ihrem Leib schon viel zu lange innewohnte, der Welt zu schenken.

    Mit besorgten Mienen vernahmen die Dienerschaft und auch der Hausherr selbst, wie qualvoll die Geburt vonstattenging. Es war auch ein wirklich ungewöhnlicher Umstand, dass das Kind so lange auf sich warten ließ. Normalerweise glichen bereits neun Monate einer Tortur, aber mit dreizehn Monaten hatte wirklich niemand gerechnet.

    Man hatte wirklich alles versucht, um dem Kind auf die Welt zu verhelfen, doch alle Kräutermischungen, Wehen stimulierenden Salben und Massagen hatten nicht geholfen. Nun lag es einzig und allein an der werdenden Mutter, ob sie die Kraft besaß, dieses kleine Wesen gesund und munter auf die Welt zu bringen.

    Schreiend wälzte sich die Herrin mit schweißverklebtem Haar unruhig in einem riesigen, von einem dunklen Baldachin geschützten Bett umher und versuchte, die Schmerzen, die ihren Leib in Kaskaden überwältigten, zu ertragen.

    „Ihr schafft das, Herrin", rief eine ältere Frau mit lauter Stimme, die weder beruhigend noch ermutigend klang.

    Elenór hätte ihr am liebsten den Kopf für ihre herzlosen Äußerungen abgerissen, doch leider war ausgerechnet diese Frau im Augenblick die einzige Hebamme, die ihr zur Verfügung stand.

    Man hatte sogleich nach ihr geschickt, als Elenór sich vor Schmerzen kaum auf den Beinen halten konnte und die Anzeichen der Geburt sich überdeutlich auf dem Brokatteppich abzeichneten.

    Die als Hexe verschriene Frau hatte auch nicht lange gezögert und war herbeigeeilt, um dem – hinter vorgehaltener Hand verfluchten – Dämonenbalg genannten Kind einen möglichst glimpflichen Start zu ermöglichen.

    Und nun war sie hier und bereitete mit der werdenden Mutter seit Stunden alles vor. Selbst der gestandenen Frau merkte man die Strapazen an, unter denen sie beide zu leiden hatten.

    „Herrin, hört mich an", rief sie alsbald aus und blickte die bleiche Frau über ihren gewölbten Bauch hinweg an.

    „Das Kind ist zu groß, um es natürlich auf die Welt zu bringen. Ich denke, wir sollten …"

    „NEIN, brüllte Elenór dazwischen, denn sie ahnte mit bangem Herzen, was die Hexe ihr vorschlagen wollte. „Ich werde mein Kind nicht gefährden, indem Ihr mir den Leib aufschneidet … Ich schaffe das auch so, japste sie und krümmte sich zugleich vor Schmerz, als eine neue Wehe sie erschütterte.

    Die Hexe schwieg und betrachtete mitleidig die Frau, ehe sie sich seufzend wieder ihrer Aufgabe zuwandte und dem Geheiß Folge leistete.

    „Dann bleibt mir nichts anderes übrig, als das Kind aus Eurem Leib zu pressen …"

    Ohne Elenór zu erklären, was genau sie damit meinte, stemmte die Alte ihre langen, knochigen Finger auf den Bauch und begann mit aller Macht, das Kind aus dem Leib zu schieben.

    Immer lauter und verzweifelter wurden die Schreie Elenórs, während sie die schlimmste Tortur ihres Lebens über sich ergehen ließ.

    „Es kommt", rief die Alte keuchend, während sie weiterhin den Bauch unbarmherzig knetete und bearbeitete.

    Beinahe besinnungslos nahm Elenór wahr, wie ein zartes Stimmchen an ihr Ohr drang und die Alte ihr zögernd ein in Tücher gewickeltes Bündel in die Arme legte.

    „Eure Tochter", flüsterte sie ebenfalls mit Tränen in den Augen und wandte sich ab, als die Herrin das Kind freudestrahlend betrachtete und an sich drückte. Vergangen waren sogleich Kummer und Schmerz.

    „Ich gehe und hole den Herrn", sagte die Alte und lief bereits Richtung Tür davon.

    „Wartet … Stimmt etwas nicht?", fragte Elenór und richtete sich etwas weiter in den blutgetränkten Laken auf.

    „Meine Herrin …, begann sie, doch sie schüttelte sogleich den Kopf. „Es ist nichts. Ich beglückwünsche Euch zu Eurem Nachwuchs, auf dass sie gesund und kräftig werde …

    Geschwind huschte sie aus dem Zimmer und gab den Weg für Elenórs Ehemann und die Bediensteten frei, die bedächtig das Zimmer betraten, um Mutter und Kind nicht zu erschrecken.

    Vorsichtig näherte sich ihr ihr Mann und ließ sich behutsam auf der Bettkante nieder.

    „Seht, mein Geliebter, flüsterte Elenór stolz. „Eure Tochter!

    Mit Tränen in den Augen bewunderte er seine kleine, nahezu perfekte Tochter, die friedlich schlafend in den Armen ihrer Mutter ruhte.

    „Wie ist ihr Name?"

    „Aleríà …" wisperte Elenór und blickte in die aufgerissenen großen, runden Babyaugen, die für einen winzigen Augenblick rot zu glühen schienen, ehe sie ein sattes Grün annahmen.

    Währenddessen eilte die Hexe die Stufen des Anwesens hinunter und riss sich enorm zusammen, um nicht in einen schnellen Sprint zu verfallen. Sie schwor sich, dass sie das Dorf so schnell wie möglich verlassen würde, denn in dem Kind, welches soeben die Welt erblickt hatte, wohnte ein Geist der Alten Zeit ...

    Unerwarteter Besucher

    Die Nachricht über Aleríàs Geburt verbreitete sich wie ein Lauffeuer im Land Erandôla und lockte viele Würdenträger nach Thiônan. Alle wollten den Sprössling der Dulclarce-Familie willkommen heißen, denn es war schon viel zu lange her, dass man erfreuliche Kunde von ihr vernommen hatte. Und das lag nicht zuletzt an den Zwistigkeiten, die die beiden Brüder seit ihrer Kindheit verfolgte und entzweite. Der ältere der beiden und zudem frisch gebackener Vater war schon als Kind freundlich und herzensgut, wohingegen sein Bruder Lucius zu den größten Unruhestiftern der gesamten Umgebung zählte. Ihre Eltern hatten besonders mit ihm zu kämpfen, da er ein äußerst garstiges Kind war. Auf keinen Tadel hörte er, genauso wenig wie auf gute Ratschläge. Das Einzige, was er im Sinn hatte, war, anderen Leid zuzufügen und sich später darüber, zum Missfallen aller, zu amüsieren.

    Doch egal, wie sehr Lucius seinen Bruder für seine Umgänglichkeit auch verachten mochte, genauso sehr liebte er ihn. Im Grunde genommen hatte er es nie leicht gehabt. Schon seit seiner Geburt war er anders behandelt worden als andere Kinder – was nicht zuletzt an seiner Herkunft lag. Er war ein Bastard. Außerdem trug sein äußeres Erscheinungsbild maßgeblich zu den Hänseleien bei.

    Durch einen Unfall, der sich in Kindertagen ereignet hatte, war ein Teil seines Gesichts von Narben entstellt. Auch das linke Auge war stark in Mitleidenschaft gezogen worden und von einer langen Kerbe durchzogen. Die Kinder des Dorfes hatten ihm den Namen grässlicher Harlekin gegeben, was seinem Genie keineswegs gerecht wurde.

    Armand jedoch, der das Leid, was seinem Bruder widerfuhr, zumeist nicht wahrhaben wollte, wies jegliche Hilfegesuche von sich ab. Sie seien Hirngespinste, die nur in seiner Fantasie existierten, denn niemand konnte in Armands Augen so grausam sein – er war damals auch ein wirklich gutgläubiges Kind, das jegliches Böse für eine Erfindung der Erwachsenen hielt.

    Was allerdings keiner bemerkte, war die Veränderung, die sich allmählich in Lucius? Seele vollzog.

    Je mehr man ihn verspottete und verhöhnte, umso aggressiver wurde er. Lucius zögerte niemals, wenn es darum ging, ihnen eine Lektion zu erteilen. Doch je heftiger er sich wehrte, umso schlimmer wurden die Angriffe auf ihn, bis sich eines Tages ein Wandel in seinem Verhalten bemerkbar machte.

    Schlagartig wurde aus dem monströsen Jugendlichen, zu dem er herangewachsen war, ein beinahe liebenswürdiger junger Mann, der jeden höflich und zuvorkommend behandelte, ganz gleich, wie dieser ihn verlachte und verachtete.

    Für seine Eltern war es ein regelrechter Segen, dass ihr jüngster Sohn endlich zur Vernunft gekommen war und gesellschaftsfähig wurde.

    Auch Armand glaubte, dass von nun an alles gut werden würde, denn er hatte seinem kleinen Bruder lange genug vorgelebt, wie man sich zu benehmen hatte. Allerdings interessierte ihn auch, weshalb er sich so verändert hatte.

    Dass Gerüchte jedoch ihre Runden durch das Land zogen, ignorierten sie.

    Es war schließlich völlig undenkbar, dass ihr Sohn etwas mit Magie zu schaffen hatte, zumal er früher ein wirklicher Nichtsnutz gewesen war und der Familie mehr als einmal Schande bereitet hatte.

    Trotzdem blieb er ihr Sohn und sie konnten stolzer nicht sein, zumindest im Moment, denn eines Tages führte er ganz unverhofft eine junge Frau zur Tür herein, die schöner nicht hätte sein können.

    Smaragdgrüne Augen leuchteten

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