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Die Seelenräuberin: das zweite Abenteuer von Layla Mendes, dem weissen Werwolf
Die Seelenräuberin: das zweite Abenteuer von Layla Mendes, dem weissen Werwolf
Die Seelenräuberin: das zweite Abenteuer von Layla Mendes, dem weissen Werwolf
eBook434 Seiten6 Stunden

Die Seelenräuberin: das zweite Abenteuer von Layla Mendes, dem weissen Werwolf

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Über dieses E-Book

Layla Mendes der weisse Werwolf bekommt eine Schocknachricht. Mark Bishop, ihr Verlobter wurde bei einem Einsatz für das Convento entführt. Übereilt reist Layla nach Brasilien und bekommt es mit einer übermächtigen Gegnerin zu tun. Der Seelenräuberin, einer Magierin, die den Geist praktisch jedes Lebenswesens kontrollieren kann. So hat Layla keine ruhige Minute, muss sie doch jede Sekunde mit einem Angriff eines dieser von der Seelenräuberin kontrollierten Wesen erwarten. Sie geht trotzdem zusammen mit Ana Maria ihrer Schwester und einigen neunen Verbündeten in die Höhle des Löwen. Den Urwald am Amazonas, das angestammte Gebiet der Seelenräuberin.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum27. Nov. 2013
ISBN9783847662044
Die Seelenräuberin: das zweite Abenteuer von Layla Mendes, dem weissen Werwolf

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    Buchvorschau

    Die Seelenräuberin - Michael Hamberger

    Prolog

    Es waren die seltsamsten, aber auch faszinierendsten Augen, die sie je gesehen hatte. Sie waren von einer undefinierbaren Farbe, irgendwo zwischen kaffeebraun und gold, wobei die Pupille fast nicht zu erkennen war, obwohl es eigentlich nicht gerade hell war und die Pupillen doch etwas mehr geweidet hätten sein mussten. Des Weiteren waren es wohl die größten Augen, die sie je gesehen hatte. Erst war es ihr gar nicht aufgefallen, aber eigentlich bestand das ganze schöne Gesicht nur aus diesen Augen.

    Nachdem der erste Blickkontakt mit diesen unheimlichen Augen hergestellt war, erschienen sie ihr fast wie riesige Magneten. Sie konnte den Blick einfach nicht mehr abwenden. Beinahe, als würde sie in diesen Augen und diesem Blick ertrinken. Ihr wurde schwindelig, gerade so, als ob ein riesiger, sich schnell um die eigene Achse drehender Tunnel, der seinen Ursprung in diesem Blick hatte, ihr Bewusstsein einziehen würde. Sie merkte, wie sie schnell schwächer wurde und diesem Blick nichts entgegenzusetzen hatte. Der Tunnel schien sich immer schneller zu drehen und ihr Bewusstsein wurde immer schneller eingesaugt. Dabei erschien es ihr fast so, als konnte sie Ereignisse aus ihre Vergangenheit sehen, die zusammen mit in diesen Strudel eingesaugt wurden und damit auf immer und ewig für sie verloren waren.

    Ihr Überlebenswille meldete sich. Trotz ihrer Schwäche nahm sie all ihre Kraft zusammen, um sich gegen diese Vergewaltigung ihres Geistes entgegenzustemmen. Erst wirkte es so, als könne sie tatsächlich Boden gut machen, dann kehrte diese allumfassende Kraft mit unfassbarer Härte zurück. Es wirkte für sie, als ob diese Kraft einfach in einen höheren Gang geschaltet hätte. Rasch verschwand ihr restliches Bewusstsein. Plötzlich konnte sie am Ende des Tunnels tatsächlich ein weißes Licht erkennen. War dies das Ende? War sie nun unwiderrufbar verloren? Hatte sie diesen Kampf verloren?

    Kapitel 1

    Die Seelenräuberin

    Tas war auf der Jagd. Nicht, dass er Hunger hätte. Erst gestern hatte er einen großen Tapir erlegen können, den er ganz aufgefressen hatte. Aber diesmal war er nicht auf der Jagd nach einem Tier, sondern nach einem Menschen.

    Tas war ein Jaguar, ein sehr großer und sehr mächtiger Jaguar. War bei einem normalen Jaguar die Kopf – Rumpf – Länge 1,50 bis höchstens 1,80 Meter, so war sie bei Tas gut über zwei Meter. Auch sein Gewicht war mit gut 150 Kg sehr viel höher, als bei allen anderen Tieren dieser Gattung. Deshalb wagte es sich auch kein anderer männlicher Jaguar auch nur in die Nähe seines ausgedehnten Reviers. Und natürlich hatte er das beste Revier. Viele Schlafplätze in denen man dösen konnte, Wasser und ein Überfluss an Beutetieren. Deshalb konnte sich Tas auch den Luxus erlauben, einfach so, ohne auf der Jagd zu sein durch sein Revier zu streifen.

    Vor circa zwei Monden hatte er dabei die Witterung dieser Frau, die er gerade verfolgte das erst mal aufgenommen. Es hatte ihn zuerst etwas verunsichert, denn diese Spur roch so gar nicht nach Mensch. Menschen waren normalerweise die am leichtesten zu erlegende Beute. Fast gar nicht wert, überhaupt gejagt zu werden. Das einzig interessante an Menschen war, diese so lange zu jagen, bis es sie regelrecht in den Wahnsinn trieb. Dadurch bekam ihr Blut eine ganz besondere Würze, die Tas sehr mochte.

    Meistens vermied es Tas jedoch, Menschen zu jagen. Sie lebten in einer größeren Gruppe in künstlich erbauten Höhlen, die sie Hütten nannten, am Rande seines Reviers, auf einer steinigen Lichtung aus unfruchtbarer Erde. Hinter dem Dorf wuchsen riesige Felsen gut 100 Meter in die Höhe: Nicht einmal Tas konnte dort hinaufklettern. Oberhalb dieser Felsen ging dann offensichtlich der Urwald weiter, wie aus den gigantischen Bäumen unschwer erkannt werden konnte. Da es jedoch außerhalb seines Revier war, war Tas niemals dort oben gewesen. Es interessierte ihn aber auch nicht sehr. Es wäre viel zu anstrengend und er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass es dort schöner sein sollte, als in seinem Revier. Das einzig schöne an den Felsen, war der Wasserfall, der sich circa 200 große Sprünge links vom Dorf befand. Tas liebte diesen Wasserfall, unter dem es sogar an den heißesten Tagen noch angenehm kühl war.

    Auf der steinigen Lichtung, wo sich das Dorf befand, war es sogar für Tas gefährlich, den Menschen zu nahe zu kommen, da sie innerhalb ihrer Gruppe schon recht wehrhaft waren und ihm gefährlich werden konnten. In den Urwald selbst trauten die Menschen sich nur selten und wenn, dann jagten sie ein oder zwei Tiere, was Tas aufgrund des fast unerschöpflichen Nahrungsangebots in seinem Revier nicht weiter störte.

    Sie hatten auch einige Bäume des Urwalds gefällt, um die Lichtung etwas zu vergrößern. Dort bauten sie für das Dorf nahrhafte Pflanzen an, wobei sich Tas nicht vorstellen konnte, wie man davon leben konnte.

    Er hatte überhaupt für diese Menschen nur Verachtung übrig. Für Tas waren sie nur wie lästige, kleine Mosquitos, die man am Besten zerquetschte und wieder vergaß.

    Das änderte sich aber mit der Spur dieser Frau, die er anfänglich gar nicht hatte einschätzen konnte. Es war ganz klar ein Mensch, aber es schien von dieser Spur auch eine Kraft und eine Macht auszugehen, die es bei einem Menschen einfach nicht geben konnte. Also war er der Spur gefolgt, die tief in den Regenwald hineinführte, so tief, wie sich keiner dieser Menschen jemals getraut hatte. Dann sah er sie plötzlich vor sich. Es war tatsächlich eine menschliche Frau. Noch sehr jung, im ersten Drittel des Lebens. Sie war sehr schlank, fast schon dürr und sehr groß, sogar noch größer, als viele männliche Menschen, die Tas gesehen hatte. Dabei war sie aber nicht schlaksig, sondern sie bewegte sich mit einer erstaunlichen Eleganz und Würde. Die Frau war mit edlen Naturfellen bekleidet, die eigentlich viel zu warm für die feuchtheiße Witterung hier im Urwald sein mussten. An den Füssen trug sie die traditionellen Sandalen, die alle Bewohner des Dorfes zu tragen schienen und deren Hauptzweck neben dem bequemeren Gehen auch der Schutz vor den Bissen der giftigen Schlangen zu sein schien.

    Die Frau sammelte Kräuter an einer sumpfigen Lichtung ganz in der Nähe des großen Flusses. Diese Kräuter gab es nur hier an dieser einen Stelle. Neugierig beobachtete Tas die Frau. Diese schien total unbesorgt zu sein. Tas stieß ein wütendes Brüllen aus, das in seinem ganzen Revier zu hören sein musste. Die Frau sollte merken, dass er ganz in ihrer Nähe war. Doch die Frau schien selbst dies überhaupt nicht zu kümmern. Unbeeindruckt fuhr sie fort, ihre Kräuter aus der Erde zu ziehen. Dabei summte sie sogar eine heitere Melodie, fast so, als ob sie in ihrem eigenen Garten im Schutz ihrer Dorfes sei und nicht inmitten von Tas Revier. Jetzt wurde Tas wirklich wütend. Innerhalb seines Reviers hatten alle Lebewesen ihm Respekt entgegen zu bringen! Erst recht eine, dieser schwachen, unzulänglichen Menschen. Mit einem gewaltigen Satz sprang Tas auf die Lichtung. Doch nicht einmal diese Aktion schien die Frau zu erschrecken. Sie drehte sich zwar um, begann dann aber zu lächeln, ohne dabei jedoch ihr Lied zu unterbrechen. Tas hatte seine Wut in diesem Moment, als er die Frau lächeln sah, nicht mehr beherrschen können und hatte all seine Empörung herausgebrüllt. Doch die Frau zuckte nicht einmal zusammen. Sie kam ihm sogar mit ausgestrecktem Arm entgegen. Tas bückte sich und machte sich zum Angriff bereit. Die Frau blieb tatsächlich stehen. Hatte sie nun endlich, verstanden, dass die letzten Sekunden ihres jämmerlichen Lebens in diesem Moment begannen? Bekam sie endlich die Panik, die ihrem Blut dann diese besondere Würze verlieh? Nein, sie lächelte wieder und begann wieder ihr Lied zu pfeifen. Dabei beobachte sie Tas. Sie hatte jedoch überhaupt keine Panik im Blick. Viel eher schien es sie fast zu freuen, dass sie hier auf Tas getroffen war. Das war nun zu viel für Tas. Er griff an. Mit schnellen Sprüngen näherte er sich der Frau. Doch die war auch weiterhin unbeeindruckt geblieben. Ganz langsam hatte sie ein Pulver aus einem Beutel, den sie an ihrem Gürtel trug, herausgenommen und blies dieses dem heranstürmenden Tas mitten ins Gesicht. Fast augenblicklich hatte Tas die Wirkung des Pulvers gespürt. Ein starkes Brennen in seinen Augen zwang ihn, diese sofort zu schließen, womit er praktisch blind wurde. Auch in seiner Nase und seiner Schnauze spürte Tas nur noch diesen allumfassenden brennenden Schmerz. Es fiel ihm schwer zu atmen. An einen Angriff war natürlich nicht mehr zu denken. Fast panisch hatte er begonnen, mit seiner Pfote die Augen und die Schnauze zu reiben. Er hörte noch, wie die Frau leise „Verzeih mir, König der Jaguare" flüsterte, dann hatte sie sich umgedreht und war einfach davongegangen.

    Es dauerte fast einen halben Tag, bis Tas wieder hatte klar sehen und vor allen Dingen riechen können. Die Wut und die Scham aber waren geblieben. Es konnte einfach nicht sein, dass ihn ein schwacher Mensch so überlistete und auf diese Art demütigte. Wie sollte er nach dieser Niederlage seine Autorität behalten? Bald würde ihm jedes Lebewesen im Regenwald nur noch auf der Nase herumtanzen. Also war Tas auf Rache aus. Diese Schieflage musste er wieder gerade rücken. Die Frau musste sterben. Und Tas würde dafür sorgen, dass sie vorher noch einige Aufregung bekam, sodass ihr Blut besonders gut schmeckte.

    Trotzdem hatte es fast zwei Monde gedauert, bis er die Witterung der Frau wieder aufnahm. Plötzlich war sie wieder da. Tief im Urwald. Tief in seinem Revier! Jetzt endlich würde sie sterben müssen!

    Tas nahm sofort die Verfolgung auf. Schnell war er der Frau auch näher gekommen, wie er an der Spur unschwer erkennen konnte. Sie musste nur wenige Meter vor ihm sein. Überrascht stellte Tas jedoch fest, dass er die Frau trotz der offensichtlichen Nähe nicht hören konnte. Normalerweise entgeht nichts seinem scharfen Gehör. Erst recht nicht ein schwacher, unbeholfener Mensch. Diese machten, wenn sie sich einmal in den Regenwald getrauten, so viel Lärm, wie ein mittelschweres Gewitter. Nur diese Frau offenbar nicht. Tas blieb unsicher stehen. Wer war diese seltsame Frau?

    Langsam und sehr viel vorsichtiger, als bei ihrer ersten Begegnung, näherte sich Tas der Stelle, wo die Frau sein musste. Er konnte sie jetzt so klar und deutlich riechen, dass sie direkt vor ihm stehen musste. Trotzdem konnte er sie noch immer weder hören, noch sehen. Tas ging vorsichtig, jeden Muskel angespannt noch einige wenige Schritte, dann stand die Frau plötzlich vor ihm und hob die Hand. Offensichtlich wollte sie ihm wieder ihr vernichtendes Pulver ins Gesicht blasen. Doch diesmal war Tas schneller und sprang. Er sah die Gestalt der Frau, die sich nicht rührte und immer noch ihre Hand vorstreckte, auf sich zufliegen. Jedoch als er auf die Frau auftraf, sprang er voll durch sie hindurch, wie durch einen Nebel. Was war das schon wieder für ein Zauber? Tas fauchte und drehte sich um. Dort, wo die Frau gerade noch gestanden hatte, konnte er nur noch leichte Farbwirbel sehen, fast so, als ob sich die Frau einfach in Dampf verwandelt und dann aufgelöst hatte. Verunsichert blieb Tas stehen und lauscht. Er konnte die Nähe der Frau immer noch spüren. Aber er konnte sie immer noch nicht hören oder sehen. Tas schloss die Augen und konzentrierte sich voll und ganz auf sein Gehör. Und tatsächlich konnte er sie dann endlich hören. Sie murmelte leise etwas in ihrer Sprache. Offenbar ein weiterer Zauberspruch. Sie musste sich halblinks von ihm befinden, nur etwa fünf Meter von ihm entfernt. Wie hatte sie nur so nahe sein können, ohne dass Tas dies spürte? Aus dem Stand sprang Tas in die Richtung, wo er die Frau vermutete. Und diesmal war sie tatsächlich dort, wo er sie vermutet hat. Der Aufprall riss die Frau von den Füssen und Bruchteilen von einer Sekunde später war Tas über ihr. Er brüllte triumphierend und wollte ihr in Jaguarart in den Kopf beißen, um sie zu töten. Aber er konnte es nicht! Er konnte die Frau nicht beißen. Ja, er konnte ihr nicht einmal die langen Krallen in den Bauch schlagen, um ihr die verfluchten Gedärme herauszureißen. Sowohl seine mächtigen Fangzähne, als auch seine langen, tödlichen Krallen waren wie blockiert. Es war fast so, als ob es tabu wäre, ein Frevel, diese Frau zu töten. Tas verstand die Welt nicht mehr. Der Frau erging es offensichtlich ähnlich. Als Tas sie angesprungen hatte, da hatte er ganz klar die Panik über den nahenden Tod in ihren Augen gesehen und jetzt, da der finale Schlag ausblieb, da sah sie Tas genau so überrascht an, wie dieser sie ansah. Offensichtlich spürte auch sie, dass etwas Besonderes zwischen ihnen beiden vorging. Tas ließ die Frau los. Die stand langsam auf und sah ihn mit großen Augen an. Die Furcht war ganz aus ihrem Blick verschwunden. Vielmehr begann sie wieder zu lächeln. Dieses Mal machte dieses Lächeln Tas jedoch nicht wütend. Vielmehr schien auch er plötzlich selbst zu lächeln. Er spürte auf einmal eine tiefe, unergründlich Verbundenheit mit dieser Frau. Auch die Frau schien dies zu spüren, denn sie hob ihre Hand und streichelte Tas über den mächtigen Kopf. Und der, anstatt wütend nach der Hand zu schnappen, begann wohlwollende Geräusche von sich zu geben, fast, wie eine schnurrende Hauskatze. Es folgte ein wortloses, verblüfftes Schweigen. Offenbar verstand die Frau genauso wenig, wie Tas, was eigentlich vorging. Dann begann die Frau zu reden.

    „Ich weiß, wer Du bist."

    Tas wunderte sich sehr über diese Worte. Nicht, dass er die Frau verstand. Er konnte eigentlich schon immer verstehen, was die Menschen redeten, wenn er sich einmal herabließ und sie belauschte. Woher er diese Gabe besaß, dass wusste Tas nicht, aber es war schon so gewesen, seit er das erste Male einen Menschen gesehen hatte. Nein, dies wunderte Tas nicht, was ihn vielmehr wunderte war, dass er spürte, dass diese Frau auch ihn verstand. Und das war das erste Mal, dass er bei einem anderen Wesen dieses Gefühl hatte. Es schien eine Art magische Verbindung zwischen ihnen beiden zu geben. Eine Verbindung, die die beiden nicht verstanden und von der beide offensichtlich nichts geahnt hatten. Tas sah die Frau an. Der Blick bohrte sich tief in seine Gedanken. Tas hatte das Gefühl, als würden in diesem Moment ihre beiden Bewusstseins miteinander verschmelzen. Er wusste plötzlich, dass die Frau Wayrunku hieß und eine „Aklla", eine auserwählte Frau war. Auch Wayrunkus schien plötzlich alles über Tas zu wissen. Sie lächelte und streichelte noch einmal liebevoll über Tas riesigen Kopf. Dann nickte sie und sagte:

    „Ich wusste, dass es Dich gibt und dass ich dich eines Tages treffen würde. Schon seit meiner Kindheit träume ich von Dir. Fast jede Nacht. Dass ich Dir jedoch schon so nahe stehe, dass ahnte auch ich nicht."

    Tas hatte das Gefühl, dass seine Welt auf den Kopf gestellt wurde. Auch er spürte diese tiefe Verbundenheit, die offenbar durch die körperliche Berührung ausgelöst worden war. Das konnte nicht sein. Es war immer noch nur ein schwacher Mensch, eine Beute, die er gerade hatte töten und bis auf die Knochen abnagen wollen. Tas zog tief die Luft ein. Die Frau roch auch so ganz anders, wie die Menschen, die immer nur nach Schmutz und Angst rochen. Diese Frau roch nach Freundschaft und Kameradschaft.

    Wayrunku streichelte ihm nochmals über seinen mächtigen Kopf und Tas gab wieder diese wohlwollenden Geräusche von sich, dann drehte sich die Frau um und ging zurück in ihr Dorf. Tas sah ihr noch lange nachdenklich hinterher, dann drehte auch er sich um und rannte in großen Sprüngen zurück in den Regenwald. Dabei gab er brummende Geräusche von sich, die entfern so klangen, wie die Melodie, die Wayrunku gesummt hatte.

    Kapitel 2

    Layla vermisste Mark. Es schien ihr fast körperliche Schmerzen zu bereiten, ihn so weit von sich entfernt zu wissen. Es schien sich regelrecht in ihr Gehirn eingebrannt zu haben, dass sie ihn wohl auch die nächsten Tage, oder sogar Wochen nicht würde sehen können. Dabei waren sie mitten in den Vorbereitungen für ihre bevorstehende Hochzeit. Diese hatten sie jedoch verschieben müssen.

    Mark hatte einen Einsatz. Er war von Igor Dorojewski seinem Chef nach Floreanapolis in Brasilen gerufen worden. Mein Gott, wie sie es hasste, wenn Mark für das Convento Santo José unterwegs war. Das Convento war eine geheime Organisation, die immer dann zum Einsatz kam, wenn der Verdacht aufkam, dass irgendwo auf der Welt übernatürliche Kräfte am Werk sein konnten. Oftmals waren dies natürlich falsche Alarme, aber wenn es dann wirklich zu einer Konfrontation mit diesen mächtigen Kräften kam, dann wurde es sehr schnell sehr gefährlich. Gut, Mark war ein erfahrener Kämpfer, aber leider eben nicht sehr vorsichtig, wenn er in vorderster Front im Einsatz war.

    Auch Layla kam oft zum Einsatz. Sie war, wie es Igor Dorojewski oft betonte, seine wirkungsvollste Waffe. Layla war ein Werwolf. Ein weißer Werwolf. Dies bedeutet, dass sie sich nicht, wie die normalen Werwölfe spätestens jede dritte Nacht in eine mordende Bestie verwandelte, sondern sie kämpfte auf der Seite der Guten eben gegen diese unheimlichen Kräfte, die das Convento bekämpfte und war dabei sehr viel wirkungsvoller, als jeder menschliche Kämpfer, inklusive Mark. Deshalb war Layla auch anfangs sehr ungehalten gewesen, als Mark alleine zu diesem Einsatz geschickt wurde, aber Igor hatte ihr erklärt, dass es sich hier noch nicht um einen offiziellen Einsatz handelte, sondern vielmehr um eine Recherche, die Mark durchzuführen hatte. Noch war keine übernatürliche Kraft erkennbar geworden. Es war ein Mann unter dubiosen Umständen verschwunden, der später zwar wieder auftaucht war, dabei aber eine allumfassende Änderung seiner Persönlichkeit zeigte. Fast wie nach einer Gehirnwäsche. Und da kannte sich Mark als ehemaliger Elitesoldat einfach besser aus. Das musste auch Layla letztendlich akzeptieren.

    Sie hatte sich auch fast schon damit abgefunden, wenn da nur nicht dieser furchtbare Alptraum gewesen wäre, der sie letzte Nacht fast in den Wahnsinn getrieben hatte.

    *

    Layla versucht Mark zu finden. Sie rennt in ihrer Werwolf Gestalt über eine Steinwüste, die aussah, wie eine riesige Mondlandschaft. Dabei hatte sie keinen Anhaltspunkt, in welche Richtung sie denn laufen sollte. Nicht einmal ihre feinen Sinne wittern die kleinste Spur. Panik kommt in Layla auf. Sie weiß, dass Mark in Gefahr ist. In tödlicher Gefahr. Plötzlich sieht sie einen Berg. Es ist ein Vulkan. Ein aktiver Vulkan, wie die Rauchsäule über dem Gipfel eindrucksvoll beweist. Der Vulkan steht offenbar kurz vor dem Ausbruch. In diesem Moment sieht Layla Mark. Er ist direkt auf dem Gipfel des Vulkans mit dicken Schnüren an einen großen Felsen gefesselt, ohne irgendeine Chance, diese Fesseln zu lösen und der tödlichen Gefahr zu entkommen. Layla knurrt und rennt los. Die Mondlandschaft fliegt nur so an ihr vorbei. Dennoch hat sie das Gefühl, dass sie dem Vulkan nicht näher kommt. Es scheint ihr sogar fast so, als würde sich der Berg weiter von ihr entfernen. Mark versucht verzweifelt, die Fesseln zu lösen. Die Eruption steht wohl unmittelbar bevor, denn die Raumwolken werden größer und bewegen sich mit unvorstellbarer Gewalt auf Mark zu. Plötzlich sieht Layla am Himmel zwei große Augen, die das Geschehen zu beobachten scheinen. Es sind große, eindrucksvolle Augen. Die Augen strahlen jedoch keine Wärme aus. Ganz im Gegenteil scheinen sie alle Wärme der Umgebung zu entziehen. Die Augen fixieren Layla. Im selben Moment hat Layla das Gefühl, dass sie alle Kraft verlässt. Sie kam nicht weiterlaufen. Ihr Herz schlägt wie wild. Trotzdem stemmt sich Layla dagegen an und läuft weiter. Aber sie ist zu spät. Der Vulkan bricht aus und die heiße Wolke des pyroklastischen Stroms umschließt Mark. Das letzte, das Layla sieht ist die rechte Hand von Mark, die dieser wohl im letzten Moment hatte befreien können. Dann sieht sie nichts mehr. Ein starker Erdstoß reißt Layla von den Beinen. Schnell kommt die Rauchwolke auch auf sie zu. Layla versucht wieder auf die Beine zu kommen, um nun selbst zu fliehen, aber gegen die Wolke, die mit unvorstellbarer Geschwindigkeit auf sie zufliegt, hat auch sie keine Chance.

    *

    Jetzt kam also auch noch die Angst dazu. Aus eigener, bitterer Erfahrungen wusste Layla, dass Träume nicht immer nur Schäume waren. Auf ihrer Reise nach Mexiko, kurz bevor sie in einen Werwolf verwandelt worden war, da hatte sie ebenfalls ein Alptraum gequält, der sich dann als sehr real herausgestellt hatte.

    Layla spürte eine Hand auf ihrer Schulter und drehte sich um. Ana Maria, ihre Halbschwester stand vor ihr und sah sie mit ihren Blick an, mit dem sie Laylas Seele auslesen konnte. Ihre Halbschwester und sie waren durch ein besonders Band miteinander verbunden. Nicht nur, dass die eine immer genau wusste, was die andere fühlte, konnten sie darüber hinaus auch über weite Distanzen telepathisch miteinander kommunizieren.

    Auf den ersten Blick sah man den beiden gar nicht an, dass sie Schwestern waren. Während Layla mit blonden Haaren und tiefblauen Augen einen eher mitteleuropäischen Einschlag hatte, war Ana Maria die typisch südländische Schönheit. Sie hatte mittelbraunes Haar in einem herrlich gelbbraunen Farbton. Ihre Hautfarbe war etwas heller, als bei einem Südländer, jedoch nicht so hell, wie bei Layla. Was Ana Maria aber unverwechselbar machte waren ihre Augen. Layla hatte noch nie jemanden gesehen, der solche Augen hatte. Es waren große ausdrucksstarke Augen, die eine Güte ausstrahlte, die Layla noch niemals bei einem Menschen gesehen hatte. Einzigartig war auch der Farbton. Es war ein tiefes Smaragdgrün. Ana Maria wurde deshalb auch oft gefragt, ob sie Kontaktlinsen trug.

    Beide Frauen waren sehr klein. Layla war nur 1,60 Meter groß, überragte aber trotzdem Ana Maria um fast 10 Zentimeter.

    „Layla, es geht ihm gut. Wäre es nicht so, hätte sich Igor schon sicher gemeldet!"

    „Ja, sage dies aber einmal meinem Unterbewusstsein. Das wird das nie akzeptieren!"

    Das Problem war, dass Layla nicht einmal so einfach bei Mark anrufen konnte. Im Einsatz hatte er niemals ein Handy dabei, das ihn verraten konnte. Und Igor Dorojewski war als Leiter des Convento ein viel beschäftigter Mann. Was, wenn er einfach noch keine Zeit gefunden hatte, Layla anzurufen? Trotzig stampfte Layla mit dem Fuß auf und sagte mit kratziger, sorgenvoller Stimme:

    „Ich rufe Igor an!"

    Layla drehte sich um und ging in Richtung Telefon, das genau in diesem Moment zu klingeln begann. Das erste Klingeln war noch nicht verklungen, als Layla auch schon abhob. Sie konnte auf dem Display erkennen, dass sie in diesem Moment tatsächlich Igor Dorojewski anrief. Das Herz wollte ihr stehen bleiben. Ihr Unterbewusstsein zeigte ihr, wie die schlimmsten Befürchtungen wahr wurden. Deshalb sagte sie mit kratziger, sorgenvoller Stimme:

    „Igor, was gibt’s!"

    „Mann, Layla, an Deine Schnelligkeit gewöhne ich mich wohl nie. Es gibt schlechte Nachrichten. Mark ist verschwunden. Wir konnten ihn schon seit Stunden nicht mehr orten!"

    Also doch! Sie hatte es gewusst. Ihr Traum hatte sich schon wieder als wahr herausgestellt. Layla spürte mit jeder Faser ihres Körpers, dass Mark in großen Problemen war und dass er ihre Hilfe benötigte. Sie atmete tief durch um sich zu beruhigen, dann sagte sie:

    „Ich fliege nach Brasilien!"

    „Genau darum wollte ich Dich bitten. Weißt Du in welcher Angelegenheit Mark in Brasilien war?"

    „Ja, so in etwa. Es geht um Entführung, Gehirnwäsche und Persönlichkeitswechsel bei einem Mann! Hast Du genauere Informationen!"

    „Leider nein. Mark konnte bei seinem letzten Telefonat nicht genauer ins Detail gehen. Ich weiß nur, dass er in Floreanapolis an irgendetwas dran war!"

    „Dann fliege ich nach Floreanapolis!"

    „Layla, ich würde vorschlagen, Du siehst Dich erst in Sao Paulo um. Mark hat dort drei Tage lang recherchiert, bevor er nach Floreanapolis geflogen ist. Wir haben dort einen Kontaktmann, der Dir helfen kann! Er hat auch Mark unterstützt und weiß sicher mehr"

    „Gut, mach ich. Ich informiere nur kurz Peter!"

    „Das brauchst Du nicht. Mit Peter ist schon alles ausgemacht. Als offiziellen Auftrag schreibst Du die Geschichte über diesen Mann mit dem Persönlichkeitswechsel für die Basler Woche!"

    „Wann geht mein Flug!"

    „Schaffst Du es, in drei Stunden am Flughafen in Zürich zu sein!"

    „Ich bin schon dort!"

    „Am SWISS Schalter ist ein Ticket für Dich hinterlegt. Du fliegst direkt von Zürich nach Sao Paulo. Ein Anschlussflug mit offenem Datum nach Floreanapolis liegt auch dabei!"

    „Business Klasse?"

    „Und von was träumst Du in der Nacht? Ein abgebrochener Riese, wie Du hat in der Economie Klasse genug Platz!"

    Ohne weitere Worte legte Igor auf. Er war schon ein Wunder der Effektivität und des Zeitmanagements. Dass er dabei auch oft sehr hart und unfreundlich wirkte, störte ihn nicht weiter. Der Satz „Zeit ist Geld hätte von ihm selbst stammen können. Aber letztendlich war er ein herzensguter Mensch, der voll und ganz hinter seine Agenten stand und ihnen half, wo er nur konnte. Unter seiner Führung war das Convento Santo José zu der effizienten internationalen Spezialeinheit geworden, die sie jetzt war. Eigentlich war das Convento direkt der katholischen Kirche angegliedert und somit der Papst der oberste Boss, aber eigentlich konnte Igor Schalten und Walten wie er wollte. Seit Jahre rekrutierte er Menschen wie Layla und Mark, die irgendwie in den Kampf mit den bösen Mächten hineingezogen worden waren und sich dabei bewährt hatten, wobei „bewähren oftmals einfach bedeutete: Sie hatten überlebt. In Laylas, Ana Marias und Marks Fall war dies der Kampf gegen eine Organisation von Werwölfen gewesen, die unter der Führung von Sergio Alcazar in Mexiko ihr Unwesen getrieben hatte. Dabei war Layla dann selbst in einen Werwolf verwandelt worden.

    Layla lächelte, aber dieses Lächeln geht nicht auf ihre Augen über. Sie wirkte wild entschlossen. Sie würde alles tun, um Mark dort zur Seite zu stehen. Sie drehte sich um und wollte zum Schlafzimmer gehen.

    Ana Maria wusste offensichtlich schon Bescheid, denn sie hatte den Koffer, der immer gepackt vor Laylas Schrank stand schon in der Hand. Auch Iztel und Balam ihre beiden Adoptivkinder und ebenfalls Opfer von Sergio Alcazar, der ihre Familie ausgelöscht hatte, sowie „Moctezuma", ihr Golden Retriever schienen etwas gespürt zu haben, denn sie kamen genau in diesem Moment neugierig aus ihren Zimmern. Die vier waren es gewohnt, dass sowohl Mark, als auch Layla öfters einmal überstürzt auf eine Reise gehen mussten. Iztel umarmte Layla und küsste sie auf die Stirn. Layla spürte die Liebe, die sie für dieses unglaubliche Mädchen empfand und umarmte sie stürmisch. Nur Balam tat wieder ganz cool. Nur seine Augen sprachen eine ganz andere Sprache. Layla hatte einen großen Kloß im Hals, obwohl sie wusste, dass sie die beiden Kinder bei Ana Maria und Peter in guten Händen hinterließ. Apropos Peter. Den musste sie natürlich noch anrufen. Immerhin war er ihr Chef. Offiziell arbeitete Layla bei der Basler Woche, einem wöchentlich erscheinendem lokalem Magazin. Im Moment hatte sie keine heiße Reportage, sodass sie es sich durchaus erlauben konnte, nach Brasilien zu gehen und da die Kosten für diese Reise eh vom Convento übernommen wurden, war es schon zweimal kein Problem, aber Peter wollte einfach darüber Bescheid wissen, wo Layla war, nicht nur als ihr Chef, sondern auch, als ihr väterlicher Freund. In wenigen Wochen würde er sogar ihr Schwager sein. Ja, Peter hatte es endgültig doch erwischt. Er, der ewige Junggeselle hatte sich Hals über Kopf in Ana Maria verliebt und hatte ihr letzter Woche einen Heiratsantrag gemacht, den diese natürlich freudestrahlend angenommen hatte.

    Nach dem zweiten Klingeln nahm Peter den Hörer ab. Er schien immer noch auf Wolke sieben zu schweben, denn er machte gar keine Anstalten, Layla ins Gewissen zu reden, sondern beließ es lediglich bei einem „Pass auf Dich auf" bevor er ihr eine gute Reise wünschte.

    *

    Nur Minuten später war Layla auf dem Gehweg vor dem Haus indem sie wohnte. Ana Maria und Iztel winkten ihr vom Fenster aus zu. Das tapfere Mädchen hatte Tränen in den Augen. Sie wusste natürlich, dass wenn Layla so überstürzt aufbrach, es sehr gefährlich werden könnte. Ana Maria sprach beruhigend auf sie ein.

    Das Taxi stand schon am Bordstein und wartete auf sie. Der Taxifahrer war ein junger Italiener, der sie erst eingängig von oben bis unten begutachtete, bevor er ihr mit einem breiten Grinsen, den Koffer abnehmen wollte.

    „Na, Du wirst Dich wundern", dachte Layla und übergab ihm den Koffer. Das dieser wesentlich schwerer war, als er aussah, das verschwieg sie ihm natürlich und amüsierte sich diebisch über sein verdutztes Gesicht, als er sich mit dem Koffer abmühen musste, den diese halbe Portion, die Layla bei knapp 45 kg Lebendgewicht nun einmal war, so mühelos hatte hochheben können. Der Taxifahrer sah in das belustigte Gesicht und gab augenblicklich alle Flirtversuche auf. Er fuhr sogar den kürzesten Weg zum Bahnhof SBB. Offensichtlich wollte er Layla so schnell, als möglich wieder loswerden. Als ihm Layla zum Abschied fast fünf Schweizerfranken Trinkgeld gab, hellte sich sein Gesicht dann jedoch auch schnell wieder auf, aber bevor er wieder mit dem Balztanz beginnen konnte, schnappte sich Layla ihren Koffer und entschwand.

    Sie hatte Glück. Nicht einmal zehn Minuten später fuhr ein Schnellzug direkt zum Flughafen in Zürich. Layla kaufte eine Karte. Natürlich erster Klasse. So einfach wollte sie es Igor natürlich nicht machen. Dann ging sie an den Bahnsteig, wo der Zug schon wartete. Um diese Uhrzeit war der Zug natürlich sehr voll. Nur in der ersten Klasse waren noch genug Sitzplätze vorhanden.

    „Gut, dachte Layla, „dann habe ich schon einen Grund für das 1.Klasse Ticket!

    Layla stellte ihnen Koffer auf den dafür vorgesehenen Platz und setzte sich direkt ans Fenster. Der Zug müsste jeden Moment losfahren. Durch das Fenster konnte sie eine Frau mittleren Alters sehen. Die traditionelle Kleidung verriet ihr, dass es sich wohl um eine Zigeunerin handeln musste. Die Frau starrte Layla geradezu an. Aber bevor Layla den Blick erwidern konnte, drehte sich die Frau um und stieg ein. Layla schloss die Augen um etwas zu dösen, als sie eine wohltuende Stimme hörte, die sie mit starkem südländischen Akzent fragte, ob der Platz neben ihr noch frei sei. Es war die Zigeunerin! Layla machte eine einladende Handbewegung, woraufhin sich die Frau sofort hinsetzte. Eine dichte Wolke von einem angenehm riechenden Parfüm hüllte die Frau ein und das Lächeln machte die Frau auf Anhieb sympathisch. Pechschwarze, gelockte Haare fielen auf ein ebenmäßiges, schön geschnittenes Gesicht. An den Ohren hingen überlange Ohrringe, die bei jeder Bewegung einen klingenden Laut von sich gaben. Alles war perfekt aufeinander abgestimmt: Kleidung, Accessoires, Aufmachung, ja sogar die Bewegungen. Amüsiert lächelte Layla. Trotzdem hatte sie keine Lust auf eine Unterhaltung und möchte die Augen wieder schließen, als die Frau ihr vorschlug:

    „Soll ich Dir aus der Hand lesen, mein Kind?"

    Aha, da wehte der Wind also her! „Na, dann wollen wir doch mal sehen, was die Frau zu berichten hat" dachte sich Layla amüsiert. Trotz ihres eigenen zum Teil übernatürlichen Wesens, fiel es Layla immer noch schwer, Dinge, wie Wahrsagen oder Kartenlesen zu akzeptieren. Es gab da einfach zu viele schwarze Schafe, die sich nur mit dem Aberglauben der Leute eine goldene Nase verdienen wollten. Trotzdem hob sie der Zigeunerin die Hand entgegen, die diese auch gleich ergriff und konzentriert studierte. Was Layla auffiel war, dass überhaupt nichts Effekthaschendes an dieser Geste war. Es wirkte sehr natürlich. Die Frau sah Layla immer wieder in die Augen, fast so, als ob sie sich vergewissern wollte, ob dies, was sie in der Hand lass, tatsächlich wahr sein konnte.

    Nach ungefähr einer Minute ließ sie die Hand los und sagte:

    „Du bist sehr machtvoll. Ich habe noch niemals solch eine starke Aura, wie bei Dir gespürt!"

    Layla lächelte. Diese Aussage hatte sie nicht erwartet, obwohl sie auch dieser Bemerkung noch nicht viel abgewinnen konnte, doch mit dem nächsten Satz gewann die Zigeunerin dann doch ihre volle Konzentration, als sie sagte:

    „Der Kraft, der Du aber jetzt entgegen treten willst, die ist selbst für Dich zu stark!"

    „So, wem trete ich denn entgegen!"

    „Der Seelenräuberin, einer der mächtigsten Dämonen überhaupt!"

    „Und woher willst Du dies wissen?"

    „Letzte Nacht hatte ich einen Traum. Ich träumte von Dir und wusste, dass ich Dich warnen muss."

    „Was für ein Zufall, dass Du ausgerechnet von mir träumst"

    „Gerade Du solltest die Macht des Übernatürlichen nicht anzweifeln! Es gibt Kräfte und Gegenkräfte. Das Wirken der Seelenräuberin hat eine riesige Welle ausgelöst!"

    Skeptisch sah Layla die Zigeunerin an. Wusste sie wirklich etwas, oder ging sie gerade einer sehr geschickten Betrügerin auf den Leim? Layla beschloss, dass sie einen Versuch wagen würde, ohne dass sie sich aber zu viel Hoffnung darin sehen wollte. Deshalb sagte sie:

    „Dann weißt Du sicher, dass Mark Bishop, mein Verlobter verschwunden ist. Ich werde ihn suchen!"

    „Er ist verloren. Er ist in den Händen der Seelenräuberin!"

    „Dann werde ich ihn dort auch rausholen. Diese Seelenräuberin wird mich kennen lernen!"

    „Sei bitte nicht zu eingebildet und selbstverliebt, mein Kind. Der Seelenräuberin hast selbst Du nichts entgegenzusetzen!"

    „Und Du, unterschätze Du mich bitte auch nicht!"

    „Das würde ich niemals tun, mein Kind. Ich weiß, was Du geleistet hast und weiß auch, zu was Du fähig bist, aber die Seelenräuberin, die ist eine ganz andere Dimension von Kraft. Da kann Dir auch Dein wertvolles Amulett nicht helfen!"

    Layla sah die Frau konsterniert an.

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