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Der geheime Pfad von Cholula: Die weisse Werwölfin
Der geheime Pfad von Cholula: Die weisse Werwölfin
Der geheime Pfad von Cholula: Die weisse Werwölfin
eBook632 Seiten9 Stunden

Der geheime Pfad von Cholula: Die weisse Werwölfin

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Über dieses E-Book

Layla Méndez eine Journalistin mexikanischer Abstammung bekommt von einer rätselhaften Frau eine haarsträubende Geschichte erzählt. Die Frau behauptet, sie sei von einem Priester in ein Dorf in Mexiko entführt worden, das von Werwölfen bewohnt wurde. Layla reißt, obwohl sie die Geschichte zuerst nicht glaubt trotzdem nach Mexiko und findet tatsächlich dieses Dorf. Dort steht sie plötzlich Sergio Alcazar gegenüber, dem Oberwerwolf. Dieser wurde selbst als aztekischer Elitekrieger bei der entscheidenden Schlacht um Tenochtitlán (dem heutigen Mexiko City) mit den spanischen Konquistadoren um Hernan Cortés zum Werwolf. Layla kann zwar fliehen, wird aber dabei von einem Werwolf gebissen und das Virus geht auf sie über.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum3. März 2014
ISBN9783847663614
Der geheime Pfad von Cholula: Die weisse Werwölfin

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    Buchvorschau

    Der geheime Pfad von Cholula - Michael Hamberger

    Prolog

    Es kam ganz plötzlich. Es war ein leichtes Kribbeln zu spüren, dass sich schnell zu einem unerträglichen Brennen ausweitete. Es schien, als ob ihr kompletter Körper in hochkonzentrierte Säure schwamm und sich in seine Bestandteile auflöste. Jede einzelne Sehne, jeder Muskel, jeder einzelne Knochen und Knorpel schien in Bewegung zu sein. Sie schrie vor Schmerzen. Es war, als ob eine gewaltige Kraft ihren Körper auseinander riss. Plötzlich ein stechender Schmerz in ihren Augen. Sie fiel zu Boden und rieb sich die Augen, versuchte den Schmerz einfach herausreißen. Aber war dies überhaupt noch ihre Hand. Es sah eher aus, wie eine Klaue. Ihr Körper bäumte sich auf und sie fiel hart auf den Rücken. Sie hyperventiliere. Da traf sie die nächste Welle. All die Muskeln in ihrem Körper verkrampften sich schmerzhaft. Sie wurde regelrecht hin und her geworfen. Ihre Welt bestand nur noch aus unerträglichen Schmerzen, die durch ihren kompletten Körper schossen, wie geschmolzenes Lava, das vor einer gewaltigen Eruption zum Krater hochstieg. Sie schrie vor Qual, aber der Schrei hörte sich eher an, wie ein Heulen. Ein Rest Bewusstsein nahm dies noch war, bevor die dritte Welle auch noch diesen letzten Rest auslöschte. Jetzt war die Eruption nicht mehr aufzuhalten. Es war, als ob ihr ganzer Körper in eine Welle aus Schmerz und Lava explodierte, als ob diese Detonation einen Krater erzeugte, in welchem ihr Körper bis tief ins Erdinnere hineingezogen und dann wieder herausgeschleudert wurde. Dann war plötzlich alles vorbei. Die Schmerzen flossen langsam aber beständig aus ihrem Körper, die Wellenberge wurden immer kleiner. Die Lava erlosch. Stöhnend um Luft ringend versuchte sie aufzustehen, aber ihr Körper war ihr total unbekannt und fremd. Es schien, als hätte die Lava sämtliche Nervenbahnen zu neuen Verbindungen zusammenschmolzen. Kein Befehl ihres Gehirns kam dort an, wo er eigentlich sollte. Dennoch: Nur langsam, das hieß Teil für Teil, oder besser Körperteil für Körperteil, bekam sie die Kontrolle zurück. Sie öffnete die Augen und schloss sie gleich wieder. Das helle Licht blendete sie. Aber was für ein Licht war dies? Sie war doch in einem total verdunkelten Raum, als alles begann. War sie doch gestorben und dieses Licht war das berühmte Licht, dass man beim Übergang in die neue Welt spürte? Nein, sie konnte ihren Körper, auch wenn er fremd war, deutlich spüren. Sie konnte sich sogar teilweise wieder gezielt bewegen. Nochmals versuchte sie die Augen zu öffnen und was sie dann sah, ließ sie wieder aufschreien. Nein, das alles konnte nicht sein, es war mit Sicherheit nicht ihre Welt…..

    Aus den Aufzeichnungen von Ocelotl, oberster Jaguarkrieger der Mexica

    Aufzeichnung aus dem Jahre des Herrn 1521, wobei dieses Datum später aus dem Aztekischen Kalender umgerechnet wurde.

    Ich bin Ocelotl, oberster Jaguarkrieger der Mexica und nicht der „Azteken", wie unser Volk später fälschlicherweise immer genannt wurde. Ich bin nicht nur der oberste, sondern auch der beste Jaguarkrieger, den es je gab. In keiner der vielen Schlachten, die ich kämpfen durfte, habe ich jemals einen anderen Krieger gesehen, der es hätte mit mir aufnehmen können. Das werden auch die weißen, bärtigen Männer zu spüren bekommen, die mit ihren riesigen Häusern über das große Meer geschwommen gekommen waren.

    Der „Huey Tlatoani, also unser großer Sprecher und Herrscher des Volks der Mexica, Moctezuma II hatte kläglich versagt. Er war zum Schluss nur noch ein Sklave der bärtigen, bleichgesichtigen Männer gewesen. Deshalb hatte ich selbst ihn mit einem Stein töten müssen, als er versuchte uns von einem gerechten Kampf gegen die bärtigen Männer abzuhalten. Sein Bruder Cuitláhuac, unser neuer Huey Tlatoani ist durch die Krankheit die die bärtigen Männer in unser Land gebracht haben, und die, wie ich später erfuhr „Pocken heißt, sehr geschwächt und er wird wohl, wie viele andere Personen meines Volkes, in Kürze sterben.

    Die bärtigen Männer haben ihre schwimmenden Häuser vom fernen Meer in den Texcoco See, also direkt vor unsere geliebte Heimatstadt Tenochtitlán, das später Mexiko City genannt werden wird, bringen lassen und werden uns wohl in absehbarer Zeit angreifen.

    Diesmal werden sie jedoch verlieren, denn im Moment bin ich der militärische Führer der Mexica, solange die Macht des Huey Tlatoani noch nicht vom todkranken Cuitláhuac auf seinen Nachfolger Cuauhetémoc übergeben worden ist. Und ich verspreche hiermit bei allen Göttern: Das wird das Verderben der bärtigen Bleichgesichter sein. Ich persönlich werde sie opfern. Ich werde ihnen bei lebendigem Leib das Herz herausschneiden.

    *

    Zwei Wochen sind seit dem letzten Eintrag vergangen. Diese folgenden Worte zu schreiben fällt mir unheimlich schwer. Dies ist das erste Mal, seit ich die Symbole unserer Schriftsprache gelernt habe, um meine Heldentaten unabhängig von irgendwelchen unfähigen Schreibern selbst aufzuschreiben, dass ich die passenden Worte nicht finde, oder das mir die Symbole zu den nötigen Worten nicht einfallen.

    Die Schlacht hatte früh am nächsten Morgen begonnen und anfänglich lief auch alles gut. Speziell für mich, der seinem Namen als der beste Kämpfer wieder einmal alle Ehren machen konnte. Mein Tepoztopilli, eine Lanzen mit einer Spitze aus Obsidian und mein Maquahuitl einem kurzen Obsidianschwert schnitten schwere Schneisen in die Reihen der bärtigen Männer. Ich war sicher, den Sieg noch am selben Tag davontragen zu können.

    Doch dann verließen mich auf einmal die Götter. Plötzlich kam einer meiner unteren Krieger zu mir und berichtete, dass Mazatl, mein bester Freund, ein Adlerkrieger gefallen sei. Er sei von einem winzigen Mann getötet worden. Das konnte ich mir nicht vorstellen. Nach mir war Mazatl, der tapferste Krieger, denn ich je kannte. Wie sollte einer dieser langsamen, schwachen und taktisch untalentierten, bärtigen Männer einen solch großen Krieger besiegen können? Das konnte nur mit einer großen Übermacht geschehen sein und sicher nicht durch einen einzigen Mann, der auch, wie mir berichtet wurde, sehr klein sein musste. Außer er hatte Mazatl feige von hinten überrascht. Oder was hätte sonst geschehen sein sollen? In einem offenen Kampf kann nur ich Mazatl besiegen.

    Da der untere Krieger mir nicht genau antworten konnte, was geschehen war, schlug ich ihm mit einem einzigen Streich meines Maquahuitl den Kopf ab, und opferte ihn Huitzilopochtli, unserem Kriegsgott.

    Dann machte ich mich auf die Suche nach Mazatl. Jeder der meinen Weg kreuzte, büßte dies auch sofort mit seinem Leben. Mein Maquahuitl und mein Tepoztopilli bekamen reichlich Beute. Selbst Huitzilopochtli war stolz auf mich. Die Sonne begann zu scheinen und hüllte nur mich in ihre goldenen Strahlen ein. Niemals war auf dem Schlachtfeld etwas Prachtvolleres zu sehen gewesen.

    Kurze Zeit später fand ich Mazatl. Er war wirklich tot. Genauer gesagt: Was ich fand war sein kopfloser Torso. Ihm war offensichtlich mit einem schweren Schwerthieb der Kopf abgeschlagen worden. Das war sicherlich bei solch einem tapferen Krieger nicht von vorne passiert. Also doch ein feiger Angriff von hinten! Trauer konnte ich mir natürlich auf dem Schlachtfeld keine erlauben, aber meine Rache würde furchtbar werden. Ich würde den feigen Mörder finden und dann würde ich ihn eigenhändig Mictlantecuhtli den Herrscher von Mictlan, der Unterwelt des Todes, opfern.

    Also machte ich mich auf die Suche. Dies kostete natürlich vielen weiteren bärtigen Männern das Leben. Doch dann kam er. Er war noch kleiner, als ich es mir vorgestellt hatte. Zuerst lachte ich nur über ihn. Er war so winzig und schmal, dass selbst ein Kind der Mexica ihn würde besiegen können. Niemals würde solch ein kleiner Wurm Mazatl im offenen Kampf besiegen können! Von mir ganz zu schweigen.

    Der kleine Mann war sogar noch mehr behaart, als die anderen Bleichgesichter und er stank, dass mir von seinem Geruch fast der Magen in die Kehle stieg. Er roch jedoch nicht, wie ein Krieger in der Schlacht, also nach Blut und Schweiß, beides eher angenehme Gerüche, sondern wie ein krankes Tier, dessen eiternde Wunden aufgeplatzt waren und der kurz davor stand, in Mictlan einzuziehen.

    Was jedoch für eine Kraft jedoch in seinem winzigen Körper innewohnte, dass spürte ich, als er mich angriff. Was bisher noch niemals einem feindlichen Krieger auf dem Schlachtfeld gelungen war, gelang diesem Winzling auf Anhieb. Er warf mich auf dem Boden. Natürlich kam ich sofort wieder auf die Beine und schlug mit meinem mächtigen Maquahuitl nach ihm. Ich traf ihn voll, die Klinge drang jedoch nicht in sein Fleisch ein, sondern brach einfach wirkungslos ab. Das konnte einfach nicht sein! Bisher hatte jeder dieser Schläge immer sofort den Tod des Gegners nach sich gezogen. Nie in meinem bisherigen Leben hatte ich einen Fehlschlag getan.

    Der kleine Mann lachte mich jedoch lediglich aus, was mich noch rasender machte, als ich ohnehin schon war. So stach ich mit all meiner gewaltigen Kraft mit meinem Tepoztopilli zu. Doch auch dieser Angriff ging zu meiner totalen Überraschung ins Leere. Der Feind schlug mir den Speer aus der Hand, als wäre nicht er, sondern ich der schwache Winzling. Dann schlug er mich mit der bloßen Faust mitten ins Gesicht. Es war ein gewaltiger Schlag, der mich wieder von den Beinen riss und in der blutdurchdrängten Sand schleuderte. Ich verlor dabei fast das Bewusstsein. Ich merkte nur noch, wie er mir nach sprang und auf meiner Brust landete. Ich versuchte nochmals nach ihm zu schlagen, aber auch diese Schläge zeigten keinerlei Wirkung. Ich konnte ihn einfach nicht abschütteln. Was für eine Magie war dies? Kämpfte ich gegen einen mächtigen Gott der bärtigen Männer, der sich, um mich zu verhöhnen, in diesen winzigen Soldaten verwandelt hatte?

    Der Feind öffnete den Mund, zeigte mir seine Zähne und blies mir seinen verdorbenen Pesthauch direkt ins Gesicht. Jetzt wusste ich, wo sein tödlicher Gestank herrührte. Die Zähne in seinem Mund, oder sollte ich eher sagen Maul, waren keine normalen Zähne, ja ich war in diesem Moment sogar sicher, es waren überhaupt keine menschliche Zähne, sondern die Fangzähne eines wilden, tödlichen Raubtiers.

    Ich sah in seine Augen und stellte wie paralysiert alle Gegenwehr ein. Niemals hatte ich solche Augen gesehen. Es waren tote Augen ohne Leben. Dabei waren sie ockergelb und zeigten eine eher elliptische Pupille. Wie bei einem Berglöwen. Gleichzeitig zeigten sie aber solch einen Hass, solch eine tödliche Begierde nach meinem Blut, dass es mir schien, als ob sie direkte Fenster nach Mictlan seien. Das erste Mal in meinem Leben spürte ich Angst in mir aufsteigen. Trotzdem wollte ich nicht aufgeben, denn ich war immer noch Ocelotl, oberster Jaguarkrieger der Mexica. Ich versuchte ihn erneut abzuschütteln, aber mit einem puren Zusammenpressen seiner dünnen Oberschenkel trieb er mir alle Luft aus den Lungen. Ich konnte mich nicht mehr bewegen. Er sah mich mit seinen grausamen Augen an und lächelte. Dieses Lächeln war das Versprechen meines Todes.

    Er biss mich in den Hals, wobei es mir durch meine ungeheure Kraft gelang, den Kopf etwas zur Seite zu drehen, wodurch die Wucht des Bisses etwas abschwächt wurde. Mit einem Mal wurde mir klar, wie er Mazatl getötet hatte. Es war gar kein Schwerthieb gewesen, sondern eben dieser tödliche Biss. Hätte ich mehr Zeit gehabt, Mazatl zu untersuchen, wäre mir dies sicherlich aufgefallen.

    Eine Schmerzwelle, wie ich sie noch niemals vorher gespürt hatte, jagte durch meinen Körper. Das war das Ende. Wehrlos erwartete ich meinen Tod. Dann wurde der Winzling aber offensichtlich gestört und ließ von mir ab. Dies war aber zu diesem Zeitpunkt schon eher belanglos, da das Blut in großen Schüben aus meiner Kehle spritzte, ich also so oder so am Verbluten war. Ich sah meinen Tod auf mich zukommen.

    Aber ich starb nicht. Ich blieb sogar bei Bewusstsein, obwohl ich mich nicht mehr bewegen konnte. So lag ich paralysiert Stunde um Stunde, bis die Schlacht beendet war. Ich bekam nicht einmal mit, ob wir gewonnen oder verloren hatten. Der kleine Mann kam auch nicht zurück, um meinen Tod zu vollenden. Für ihn war es wohl schon erledigt. Für ihn war ich schon tot.

    *

    Später wurde ich dann von Kriegern meines Volkes gefunden und mitgenommen. Ich wollte ihnen ein Zeichen machen, dass es mir gut ginge, aber ich konnte mich immer noch nicht bewegen oder mich mit Worten verständlich machen. Ich muss wie tot gewirkt haben. Das glaubten offensichtlich auch meine Kameraden. Die Krieger betrauerten ganz offen meinen Tod.

    Auch als die Bestattungszeremonie für mich vorbereitet wurde und ich aufgebahrt wurde, konnte ich mich immer noch nicht bewegen, obwohl ich alles bis ins kleinste Detail hin mitbekam. Ich konnte sogar sehen, wie meine Frau und meine Tochter mir die Totenwache gaben. Sie waren wohl extra dazu aus Tenochtitlán geholt worden. Aber auch sie merkten nicht, dass ich noch lebte.

    So wurde es Abend. Ich lag immer noch bewegungsunfähig auf meiner Bahre gefesselt. Plötzlich hörte ich ein Heulen, wie bei einem wütendem Hund. Meine Frau und meine Tochter sahen sich besorgt um. Das Heulen kam näher. Ich versuchte verzweifelt, mich zu bewegen, was mir aber nicht gelingen wollte. Da sah ich ihn! Den Winzling. Meinen Mörder! Mit gefletschten Zähnen kam er auf uns zu. Meine Frau stellte sich ihm in den Weg, aber er schlug sie einfach zu Boden und beachtete sie nicht weiter. Er wollte offensichtlich nur meine Tochter. Er ergriff sie und warf sie sich über die Schulter. In mir stieg ein unbändiger Hass auf diesen winzigen Mann auf, der mir alles genommen hatte, und jetzt auch noch meine Tochter entführen wollte. Er war mir ganz offensichtlich gefolgt, um sein Werk zu vollenden und hatte dann meine Tochter gesehen. Die Hasswellen schossen jetzt wie mächtige Blitze durch meinen Körper.

    Dann weiß ich nichts mehr. Das nächste, an was ich mich danach erinnern konnte, war, dass ich mich plötzlich wieder bewegen konnte. Ich stand spliterfasernackt vor meiner Bahre. Ich war blutüberströmt, aber es war nicht mein Blut gewesen. Neben mir lag die Leiche meiner geliebten Frau. Sie war total zerfleischt, als ob sie ein wütender Jaguar erwischt hätte. Ich spürte ihr Blut auf meinem Körper. Und in meinem Mund! Es war wohl ganz offensichtlich ich gewesen, der sie getötet hatte. Ich hatte sie in dieser meiner Raserei nicht nur getötet sondern teilweise sogar von ihrem Fleisch gegessen.

    Für uns Mexica war Kannibalismus nichts Besonders. Speziell die armen Leute aßen oft vom Fleisch der geopferten Gefangenen der Blumenkriege, trotzdem war ich schockiert über die Gewalt, die ich meiner geliebten Frau angetan habe. Ich wollte dem Feind auch gleich folgen, wurde aber von zwei Adlerkriegern davon abgehalten.

    Es waren die Brüder Mazatl gewesen, die mich auch sofort gefangen nehmen wollten. Ich spürte wieder diese unkontrollierbare Wut und tötete die beiden, obwohl es meine Freunde, ja fast Brüder waren. Dann wurde ich von einem Tepoztopilli getroffen. Eigentlich hätte mich dieser Streich töten müssen, aber er verletzte mich nicht einmal. Ich drehte mich um. Vor mir standen vier Krieger. Ich wollte mich ihnen ergeben, aber in meiner unkontrollierbaren Wut tötete ich auch sie. Alle vier innerhalb von wenigen Sekunden und dies ohne Waffen, nur mit meinen Händen und meinen Zähnen. Dann verließ mich die Raserei und ich ergab mich einem weiteren Trupp von Jaguarkriegern, die durch den Tumult angelockt worden waren. Es waren alles meine Freunde gewesen, doch dieses Mal bedrohten sie mich mit ihren Tepoztopilli, bereit mich bei der kleinsten Bewegung sofort zu töten.

    *

    Mein Volk war geschockt. Zum einen natürlich, weil ich noch am Leben war, aber auch über mein geändertes Wesen nach diesem Zwischentod. Ich war aggressiv geworden und unberechenbar. Alles brachte mich in Rage und in diesen Wutanfällen war ich unberechenbar. Ich tötete in einer dieser Wutanfälle zwei weitere Krieger.

    Dank meiner Verdienste als oberster Jaguarkrieger wurde ich zwar für meine Gräueltaten nicht verurteilt, aber mir wurde klargemacht, dass von mir erwartet wurde, dass ich mich nach der Schlacht als Freiwilliger für eine zeremonielle Opferung zur Verfügung stand, um die Götter wieder freundlicher zu stimmen. Natürlich durfte ich unsere Armee nicht mehr führen und musste nach Tenochtitlán zurückkehren, wo ich das Ende der Schlacht abzuwarten hatte. Ich war dazu fest entschlossen. Ich hatte alles verloren. Meine Frau, meine Tochter, meine Ehre und meinen Status als Jaguarkrieger. Ich lag die nächsten Stunden also nur entehrt und kraftlos auf dem Nachtlager meines Hauses und wurde von all meinen Freunden gemieden, wahrscheinlich sogar verflucht. Doch dann passierte es! Nach drei Tagen verwandelte ich mich in etwas Monströses, etwas Tödliches, etwas, das ich bisher noch nicht kannte. Ich tötete die Frau eines Nachbarn auf bestialische Art.

    Jetzt verachteten mich meine ehemaligen Freunde nicht nur, jetzt hatten sie regelrecht Angst vor mir. Selbst Cuitláhuac, unser Huey Tlatoani wollte nichts mehr von mir wissen. Ich wurde verstoßen. Nicht einmal der ehrenhafte Blumentod als Opfer für die Götter wurde mir noch gewährt. Mir wurde Nahe gelegt, dass ich Tenochtitlán mit sofortiger Wirkung zu verlassen hätte und nie mehr zurückkehren dürfe. Ich, der größte Krieger aller Zeiten war plötzlich nicht mehr erwünscht. Also verließ ich tief gekränkt und entehrt und mit großer Schuld auf meinen Schultern das Volk der Mexica und musste fortan alleine versuchen, zu überleben.

    Neue Erfahrungen

    Der Sonnenuntergang erleuchtete den westlichen Himmel über dem Mexikanischen Hochland mit brillanten Rot- und Scharlachtönen. Diese Farben kombinierten perfekt mit der Braun- und Grautönen der Wüstenebene. Ein heißer Wind ließ kleine Staubwirbel tanzen. Normalerweise würde solch ein Anblick Layla Méndez in Erzückung bringen, aber dieses Mal hatte sie keinen Blick dafür übrig. Dafür hatte sie in den letzten drei Tagen einfach zu viel erlebt. Ganz knapp war sie nur dem Tode entronnen und das gleich mehrfach. Dabei verstand sie nicht einmal, was denn genau passiert war.

    Sie zitterte immer noch, wie Espenlaub und konnte sich fast nicht auf den Weg vor ihr konzentrieren. Eigentlich war es ja gar kein Weg, sondern sie raste mit viel zu hoher Geschwindigkeit querfeldein über die Steinwüste des Mexikanischen Hochlandes. Dementsprechend wurde sie durchgeschüttelt. Es war wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis sie mit einem Felsen zusammenstieß, oder in eines der größeren Löcher, die es hier wie Sand am Meer gab, stürzte. Trotzdem fuhr sie nicht langsamer. Sie konnte und wollte es sich einfach nicht leisten, den Fuß vom Gaspedal zu nehmen. Jede Verzögerung und war es nur die Allerkleinste konnte ihren definitiven Tod zu Folge haben.

    Tränen liefen ihr heiß über die Wangen. Wie konnte dies alles nur passieren? Wie war sie in diesen tödlichen Sumpf überhaupt hineingeraten?

    Angefangen hatte alles mit einem rätselhaften Anruf einer jungen Frau an ihrem Arbeitsplatz in Basel.

    *

    „Redaktion der Basler Woche, Abteilung Nachrichten aus aller Welt, Layla Méndez am Apparat. Was kann ich für Sie tun?"

    „Sind Sie an der Story Ihres Lebens interessiert"

    „Welcher Journalist ist dies nicht? Aber wissen Sie, wie oft mir dies schon angeboten wurde? Da müssen Sie mit schon wesentlich mehr Informationen kommen, um mein Interesse zu wecken."

    Die Frau zögerte, fast so, als ob sie sich die Wörter noch zurechtlegen musste. Es konnte mit Sicherheit nicht daran liegen, dass sie Layla nicht richtig verstand. Sie hatte zwar einen südländischen, wahrscheinlich Spanischen Akzent, aber sie schien perfekt Deutsch zu sprechen. Layla wollte gerade auflegen, da begann die Frau:

    „Kennen Sie die Stadt Cholula, im Mexikanischen Hochland, in der Nähe vom Vulkan Popocatépetl?"

    „Muss ich wohl, mein Vater war Mexikaner. Und was ist so besonders an Cholula"

    „Kennen Sie auch den geheimen Pfad von Cholula, einen Pfad, vor dem jeder Angst hat, den aber niemand kennt?"

    Das klang jetzt schon interessanter. Layla, die bisher eher gelangweilt auf ihrem Stuhl saß, setzte sich auf und nahm einen Stift in die Hand.

    „Nein, den kenne ich nicht. Was hat es damit auf sich!"

    „Das kann ich Ihnen hier am Telefon nicht erzählen!"

    „Jetzt hören Sie mir einmal zu, gute Frau. Ich muss schon so in etwa wissen, um was es geht. Ich kann es mir nicht erlauben, meine Zeit mit sinnlosen Aktionen zu verplempern!"

    „Ich weiß, wo dieser Weg liegt, ich bin sogar auf ihm gegangen!"

    „Und?"

    „Er hat mit den verschwundenen Frauen zu tun!"

    „Welchen verschwundenen Frauen!"

    „Das kann ich Ihnen erst bei einem Treffen erzählen!"

    „O.K. Ich sehe, das führt nicht weiter. Ich muss zugeben, Sie haben ganz leicht meine Neugierde geweckt, aber wirklich nur ganz leicht. Ich habe heute Mittag etwas Zeit. Wo können wir uns treffen?"

    „Um 15:00 Uhr in der Hotelbar des ‚St.Gotthard’"

    Damals war Layla noch nicht ganz davon überzeugt, dass sich daraus eine Story entwickeln könnte. Aber es wäre eine Sünde, es sich nicht zumindest einmal anzuhören, was diese rätselhafte Frau ihr zu erzählen hatte. Vielleicht ließ sich ja doch etwas daraus machen. Layla war gewohnt, dass die Leute oft mit den irrwitzigsten Geschichten zu ihr kamen. Im überwiegenden Teil konnte man glatt vergessen, was einem die Leute erzählen. Nur circa eine von hundert solchen Geschichten brachte es dann überhaupt dazu, dass darüber berichtet wurde. Und die wirklich große Story, die war noch seltener, als ein Sechser im Lotto. Aber nichtsdestotrotz musste sie sich durch diesen Urwald von Geschichten durchhören, in der Hoffung, dass sie am Ende immer noch den Wald vor lauter Bäumen sah.

    Deshalb war Layla zu diesem Zeitpunkt noch eher gelangweilt, als sie sich auf den Weg zum Hotel St.Gotthard machte. Die Wahrscheinlichkeit war nach Laylas Einschätzung jedoch noch ziemlich hoch, dass sie der Frau nach circa 10 Minuten den Kaffee bezahlte und sich auf den Rückweg zur Redaktion machte. Zum Glück war das besagte Hotel St.Gotthard ganz in der Nähe der Redaktion.

    Deshalb rief sie auch weder bei ihrem Boss an, noch meldete sie sich bei der Sekretärin ab. Es war wohl eher, wie ein verspätetes Mittagessen.

    *

    Angekommen im Hotel St.Gotthard sah sich Layla erst einmal um. Es waren sehr viele Leute in der Eingangshalle, aber diese schienen alle Geschäftsleute zu sein, die gestresst ihren Beschäftigungen nachgehen. Aus allen Ecken hörte man überlaut geführte Handygespräche. Es hörte sich fast an, wie bei den Marktschreiern auf dem Kartoffelmarkt. Es war eine richtige Volkskrankheit geworden. Genervt suchte Layla weiter. Da entdeckte sie die Bar und durchschritt mit großen, eiligen Schritten die Hotellobby. Um diese Uhrzeit war die Bar natürlich, wie ausgestorben. Layla genoss kurz die wohltuende Stille, dann sah sie sich um.

    Ihre Augen mussten sich erst einmal an das schummrige Licht der Bar gewöhnen, weshalb Layla die Frau, die an einem Tisch ganz in der Ecke, möglichst weit von der Tür entfernt saß, erst gar nicht sah. Sie wollte schon enttäuscht abdrehen, als sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung sah. Da war also tatsächlich jemand gekommen! Layla näherte sich dem Tisch und betrachtete die junge Frau, die dort saß. Im schummrigen Licht konnte Layla noch keine Einzelheiten erkennen, doch musste die Frau eine rassige Schönheit sein. Layla erinnerte sich an den spanischen Akzent in der Aussprache der Anruferin. Das musste also ihre Verabredung sein. Vor dem Tisch blieb Layla stehen und fragte:

    „Guten Tag, kann es sein, dass wir verabredet sind?"

    „Wenn Sie Layla sind, dann ja, wenn nicht, dann gehen Sie zum Teufel"

    Layla lachte herzhaft. Die Frau war ihr gleich sympathisch, auch wenn sie einen mindestens doppelten, wenn nicht dreifachen Whiskey vor sich stehen hatte. Und ihren Blick nach zu schließen, war dies sicher nicht der erste. Layla beobachtete die Frau. Ihr erster Eindruck hatte sie nicht getäuscht. Die Frau war eine wahre Schönheit. Groß, schlank, grazil, tiefschwarze Locken und mit einem Gesicht, wie eine Göttin. Ganz entfernt erinnerte die Frau sie an Kate Beckinsale, eine sehr talentierte englische Schauspielerin. „Warum sind alle Mexikanerinnen nur immer so bezaubernd, und das einzige, was ich von meinem Vater habe, ist die Erinnerung. Von wegen, dass die Töchter immer ihren Vätern ähnlich sehen dachte Layla. Gut, sie war wohl auch recht hübsch, wenn man den Männern glauben konnte. Aber Männer sagten bekanntlich fast alles, wenn sie ihr Ziel erreichen wollten. Das war ihr jedoch egal. Layla wusste ganz genau, was sie darstellte. Sie hatte ein angeborenes, unerschütterliches Selbstbewusstsein. Außerdem brachte ihr blondes, naturgelocktes Haar und die tiefblauen Augen, die so schön naiv gucken konnten, viele Leute dazu, sie einfach zu unterschätzen. Dies unterstützte auch die Tatsache, dass sie mit 1,60 m Körpergröße (ihr Vater sagte immer „Körperkleine) und 45 kg Lebendgewicht noch immer, wie ein 16 jähriges Mädchen und nicht, wie eine 25 jährige, selbstbewusste junge Frau aussah, die mit beiden Beinen fest im Leben stand. Speziell in ihrem Beruf, oder vielmehr ihrer Berufung als Journalistin, hatte ihr dies schon viele Türen geöffnet, die Anderen für immer verschlossen geblieben wären. Auch in ihrer Kleidung war Layla wenig damenhaft. Sie war eher der sportliche Typ. Kleidung musste bequem sein, nicht modisch, was sich leider nur all zu oft gegenseitig ausschloss. Das war Layla aber eigentlich auch ziemlich egal, denn auf Feste ging sie eh nur, wenn sie dies beruflich musste. Wenn sie Freizeit hatte, was leider nur zu selten geschah, dann gab es nur eines. Sport. Und dabei war Layla ein richtiger Adrenalinjunkie. Ausgefallene Sportarten wie Mountainbike fahren, Paragliding oder Fallschirmspringen, die zogen sie regelrecht magisch an. Deshalb war sie an den seltenen freien Abenden unter der Woche eher im Fitnessstudio, als zu Hause zu finden.

    Ganz besonders stolz war Layla auf ihren braunen Gürtel in Karate. Den hatte sie in nur drei Jahren erreicht. Selbst ihr Trainer war von ihrer Leistung beeindruckt gewesen. Er meinte immer zu ihr: „Klein, wie eine Maus, aber mit dem Kämpferherz eines ausgewachsenen Tigers". Trotz, dass dieser Machospruch schon mächtig abgedroschen war, musste Layla immer noch darüber lachen.

    Die freien Wochenenden gehörten aber in den meisten Fällen ihrem Bike oder ihrem Gleitschirm. Und das alles bei einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 60 Stunden. Layla brauchte jedoch ihren Sport als Ausgleich für die berufliche Anspannung.

    Deshalb hatte Layla auch niemals Zeit für einen Liebhaber gehabt, wobei sich Layla da selbst einzureden versuchte, dass es eben nur ein Mangel an Gelegenheit war. Dass es aber auch daran liegen konnte, dass sie die Anforderungen an ihren Traumprinzen einfach zu hoch ansiedelte, dass wollte sie nicht gelten lassen. Es musste irgendwo diesen Traumprinzen geben und eines Tages würde sie den auch finden. Bis dahin musste sie wohl oder über warten, denn Layla war der Ansicht, dass sie eher alleine blieb, als hierbei Kompromisse einzugehen.

    Auch der Blick der jungen Frau zeigte, dass sie sich Layla wohl ganz anders vorgestellt hatte und sie vielleicht sogar enttäuscht war. Trotzdem setzte sich Layla ihr gegenüber auf einen Stuhl und blickte ihr fest in die Augen.

    „So, ich bin ganz Ohr. Was haben Sie mir zu erzählen?"

    „Zuerst möchte ich mich einmal vorstellen. Ich bin Mercedes Ramírez und bin eigentlich aus Puebla. Kennen Sie die Stadt!"

    „Natürlich, mein Vater war ein Poblano, also ein Einwohner von Puebla. Es ist eine Großstadt, circa 120 km südlich von Mexiko City!"

    „Ich wurde dort selbst entführt. Von einem Priester!"

    Bumm, da war es nun doch, dieses Kribbeln, das Layla immer dann überfiel, wenn sie eine Story witterte. Es begann immer hinter den Ohren und zog sich dann über ihren kompletten Schädel bis hin zur Stirn. Dieses Kribbeln war manchmal so stark, dass Layla dann in den Spiegel schauen musste, um zu sehen, ob ihre Haare zu Berge standen. Meistens hatte dieses Kribbeln Recht behalten und war der maßgebliche Erfolgsfaktor in ihrer Karriere.

    „Warum haben Sie dies nicht gleich gesagt, dann hätte ich mir mehr Zeit genommen!"

    „Ich wollte erst wissen, ob ich Ihnen vertrauen kann!"

    „Aha, und das wissen sie nach zwei Sätzen, die wir getauscht haben?"

    „Das wusste ich beim ersten Blick in Ihre Augen!"

    Layla sah Mercedes lange in die Augen, um abzuschätzen, was sie von dieser Aussage zu halten hatte. Sie konnte jedoch keine List oder Tücke darin erkennen. Auch ein irrsinnigen Flimmern, wie bei einer mental labilen Person war dort nicht zu sehen.

    Sie öffnete ihre Tasche, um einen Stift und einen Block herauszuholen. Mercedes schreckte zusammen und stieß dabei fast den ganzen Tisch um. Panik, fast Todesangst war in ihren Augen zu sehen. Layla sah die junge Frau überrascht an und sagte:

    „Ganz Ruhig, ich wollte nur etwas zu Schreiben aus der Tasche holen"

    Mercedes riss ihr die Tasche aus der Hand, schüttete den Inhalt auf den Tisch und begann darin zu wühlen. Die Dinge flogen dabei nur so durcheinander. Manche fielen sogar vom Tisch. Zum Glück war nichts Wertvolles dabei. Als Mercedes Laylas Diktiergerät fand, schmiss sie es auf den Boden und zertrat es. Layla wollte erst sehr scharf reagieren, sah aber die Panik im Blick von Mercedes. Daher hob sie beschwichtigend die Hände und sagte beruhigend:

    „Ganz Ruhig, Mercedes, niemand tut Dir was. Kannst Du mir jetzt bitte erklären, was denn eigentlich los ist?"

    Mercedes setzte sich wieder, während der Barmann mit Schaufel und Besen herangeeilt kam. Layla gab ihm mit einem Zeichen zu verstehen, dass er nicht näher kommen sollte. Noch solch ein Anfall wäre wohl nicht sehr hilfreich. Instinktiv spürte Layla, dass dieser Anfall nicht gespielt, sondern tödlicher Ernst war. Dieser Frau war ganz übel mitgespielt worden. Mittlerweile war auch ihr Kribbeln so stark, dass sich Layla sicher war, dass ihr jetzt die Haare zu Berge standen.

    Nach dem Anfall fiel Mercedes regelrecht in sich zusammen. Sie saß jetzt auf ihrem Platz, wie ein Häufchen Elend. Layla setzte sich ebenfalls wieder und nahm Mercedes Hand in die ihre. Sie sah ihr dabei ganz fest in die Augen und sprach beruhigend auf die junge Frau ein. Langsam beruhigte sich Mercedes wieder. Sie atmete tief durch, dann fuhr sie fort:

    „Der Priester, der mich entführt hat, heißt Sergio Alcazar. Ich weiß aber nicht, ob es sein richtiger Name ist und er ist auch kein richtiger, christlicher Priester. Er ist praktisch der Imperator des Dorfes Aguas Verdes. König, Priester, Polizeichef, höchster Richter und Gott in einem. Und in diesem Dorf geschehen seltsame Dinge. Irgendwie verschwinden dort immer wieder junge Frauen und werden nie mehr gefunden. Und als Ersatz für diese verschwundenen jungen Frauen, werden andere junge Frauen speziell in größeren Städten, wie Mexiko City, Puebla, Tlaxcala oder Cholula entführt, die dann den Platz der verschwundenen jungen Frauen übernehmen müssen. Ich bin sicher, Sergio Alcazar hat bei diesen Entführungen seine Finger mit im Spiel. Wahrscheinlich ist er sogar der Initiator all dieser Dinge"

    „Was hat dies mit dem geheimen Pfad von Cholula zu tun, den Du beim Telefonat erwähnt hast?"

    „Dieser Pfad führt genau zu Aguas Verdes, Sergios Dorf! Es ist der einzige Weg, der dorthin führt. Die entführten Frauen werden über diesen geheimen Pfad nach Aguas Verdes gebracht. Dabei kennt außer Sergio Alcazar und seinen Gehilfen niemand den genauen Standort des geheimen Pfads. Die Leute in Cholula wissen aber, dass es ihn gibt und haben panische Angst davor."

    „Und diese junge Frauen, die entführt wurden. Warum fliehen die von Aguas Verdes nicht wieder?"

    „Weil dies unmöglich ist. Sergios Helfer sind überall!"

    „Aber die Behörden in Mexiko, speziell die von Cholula und Puebla, die müssen doch wissen, was da vor sich geht!"

    „Erst einmal sind Sergio und seine Helfer Meister im Verschleiern und Verdecken und sollte einmal doch was durchsickern, was so gut, wie niemals passiert, dann helfen Drohungen und auch mal ein Taschengeld an der richtigen Stelle, wenn Du verstehst, was ich meine!"

    Layla nickte. Auch sie wusste über die „Mordidas in Mexiko Bescheid. Eigentlich hieß dieses Wort einfach nur „Die Bisse, gemeint war aber ein kleines Bestechungsgeld, dass unauffällig den Besitzer wechselte und dann sehr viele Türen ganz weit öffnen konnte, die sonst nur schwer, oder sogar gar nicht geöffnet werden konnten.

    „Wie konntest Du fliehen?"

    „Ich hatte Helfer. Nicht alle Bewohner des Dorfes sind schlecht. Aber jetzt bin ich in großer Gefahr! Du musst mich beschützen! Nur Du kannst dies"

    Mercedes war wieder aufgesprungen und die Panik war in Ihren Blick zurückgekehrt. Auch Layla war aufgesprungen und umarmte Mercedes mit dem Ziel, diese wieder zu beruhigen. Plötzlich blieb Mercedes wie vom Donner gerührt stehen. Ihre Augen waren auf einen Punkt hinter Layla fixiert.

    Layla drehte sich um und traute ihren Augen nicht. Vor ihr stand ein Priester, aber solch einen Priester hatte sie noch nie gesehen. Der Mann war mindestens 2,10 groß und fast so breit wie hoch, wobei bestimmt kein Gramm Fett an seinem Körper zu finden war. Im ersten Moment hatte sie eine sehr starke Assoziation zum Undertaker, einem professionellen Wrestler aus den USA, den sie einmal interviewen durfte. Der hatte eine ähnlich kraftvolle aber auch dunkle Ausstrahlung. „Also wenn das ein Priester ist, dann bin ich eine Heilige" dachte Layla. Der Priester hob seine Hand zum Gruß. Hand? Nein, Pranke war wohl der richtigere Ausdruck. Mercedes sah ihn mit schockgeweiteten Augen an.

    „Wer sind Sie?" fragte Layla.

    „Entschuldigen Sie bitte, wo bleibt denn meine gute Kinderstube? Mein Name ist Sergio Alcazar. Ich bin Priester von Aguas Verdes!"

    Der Mann sprach ein akzentfreies Deutsch, als ob er in Deutschland geboren worden wäre. Das einzig auffällige an der Aussprache war die Art, wie er die Wörter regelrecht hervorstieß. Es klang fast so, als ob er nur mühsam seine Wut verbergen konnte. Dies stand aber im kompletten Widerspruch zu seinem Gesichtsausdruck, der die Güte in Person auszudrücken schien. Trotzdem hatte Layla das starke Gefühl, dass von dem Mann eine starke Bedrohung ausging. Sicher war auf jeden Fall, dass er seine imposante Erscheinung einzusetzen wusste. Jede Bewegung, sogar die kleinste zeigte, was für eine unglaubliche Kraft in diesem Körper stecken musste. Trotzdem war er nicht plump und steif. Nein, im Gegenteil. Jede seiner Bewegungen zeigte eine grazile Anmut, fast wie bei einem ausgewachsenem Tiger. Layla musste zugeben, dass sie beeindruckt, fast sogar eingeschüchtert war. Sie konnte dem Blick von Sergio nicht standhalten, der ihr bis in die tiefsten Regionen ihrer Seele zu sehen schien. Der Blick, beziehungsweise die pure Präsenz des Mannes drückte sie fast zu Boden. Sie ärgerte sich auch über sich selbst, als ihre Stimme ängstlich klang, ja fast total zusammenbrach, als sie sagte:

    „Und was wollen Sie?"

    „Mercedes wieder nach Hause holen. Sie fehlt uns sehr!"

    Layla fing sich wieder und baute sich trotzig vor Sergio auf, was wegen des enormen Größenunterschieds fast lächerlich wirkte. Trotzdem antwortete sie mit wieder fester werdender Stimme:

    „Mercedes geht erst mal nirgendwo hin. Sie steht unter meinem persönlichen Schutz und bevor das, was sie mir erzählt hat, nicht alles bis ins kleinste Detail abgeklärt ist, wird das auch so bleiben!"

    Sergios Augen begannen wild zu leuchten und seine Nase begann sich zu bewegen. Fast wie bei einem Hund, der eine Spur witterte. Man merkte, dass er Widerspruch nicht gewohnt war. Die Spannung in seinem Körper war deutlich zu spüren. Es war, als würde er sogar die Luft um ihn herum zum Vibrieren bringen. Layla hatte wieder das Gefühl, als ob dieser gewaltige Mann, große Mühe hatte, seine Wut zu beherrschen. Und sie spürte auch wieder den ungeheueren mentalen Druck, den der gigantische Mann auf sie ausübte. Sie merkte, wie sie fast wieder einbrach. Dann entspannte sich Sergio plötzlich und sagte:

    „Natürlich, selbstverständlich. Ich habe nichts zu verbergen!"

    Sergios mentaler Druck, war wie weggeblasen. Layla bemerkte auch wieder das Kribbeln in ihrem Kopf, das mittlerweile so stark war, dass es fast wehtat. Sie war sich mittlerweile sicher, dass da eine gigantische Story dahinter stecken musste und sie war brandheiß darauf, Licht in dieses Dunkel zu bringen.

    „Heißt das auch, dass ich mich in Aguas Verdes umsehen darf?"

    „Sie werden mein Gast sein!"

    „Ich bin sehr gespannt auf Ihre Story!"

    „Seien sie aber nicht zu sehr enttäuscht, wenn für Sie dabei nichts Positives herausspringt!"

    Mit diesen doppeldeutigen Worten drehte sich Sergio Alcazar um und ging von dannen, ohne sich noch einmal umzudrehen. Als Sergio die Bar verließ, atmete Layla erst mal tief durch. Was für eine unheimliche Ausstrahlung dieser Mann doch hatte. Layla musste zugeben, dass sie Sergio viel mehr beeindruckt hatte, als sie es lieb gehabt hätte. Das könnte wirklich eine heiße Geschichte werden und Layla war auch einem interessanten Abenteuer nicht abgeneigt. Sie war sich zu diesem Zeitpunkt schon sicher. Sie würde nach Mexiko gehen.

    3

    Nachdem Sergio die Bar verlassen hatte, brach Mercedes total zusammen. Sie zitterte unkontrolliert und weinte hysterisch. Layla versuchte sie zu trösten, aber Mercedes begann wie rasend um sich zu schlagen. Layla bekam einen schmerzhaften Schlag aufs Ohr und einen direkt auf ihre linke Wange, was fast noch mehr wehtat. Dann konnte sie Mercedes mit einem Klammergriff einigermaßen fixieren, obwohl die junge Frau sich immer noch panisch hin- und her warf. Layla brüllte dem Barkeeper zu:

    „Mensch, nun glotzen Sie doch nicht so, holen Sie den Notarzt, aber schnell bitte!"

    Der Mann, der diese unfreiwillig komische Szene mit offenem Mund bestaunte, drehte sich um und griff zum Telefon.

    Layla taten mittlerweile ihre Arme und ihre Beine, mit denen sie den Klammergriff auf Mercedes ausübte, weh. Ihre Backe war taub von dem Schlag und auf ihrem Ohr hörte sie ein Pfeifen. Trotzdem hielt sie unnachgiebig fest, verstärkte sogar noch den Druck. Inzwischen hatte sie auch eine Position gefunden, bei der nicht mehr eine Tirade von Schlägen auf ihren Kopf prasselte. Wo nahm Mercedes nur diese Kraft her? Sie musste doch ermüden. Leider blieb Layla dieser Wusch versagt, ganz im Gegenteil. Mercedes schien sich nur noch weiter in ihre Panik hineinzusteigern. Dabei schrie sie die ganze Zeit etwas, dass sich anhörte wie „él me matará, spanisch für „er wird mich töten. Layla war von dem Ausmaß der Panik, die Mercedes fest im Griff hatte, erschüttert. Die junge Frau tat ihr leid. Sie musste Todesangst haben. Was hatte ihr Sergio Alcazar nur angetan, dass sie so komplett durchdrehte?

    Ein Tritt von Mercedes traf den Tisch, sodass dieser mit lautem Poltern umfiel. Die Gläser zersplitterten in tausend kleine Splitter. Der Barkeeper rief entrüstet

    „Können Sie die Bestie nicht bald mal bändigen. Die macht ja alles kaputt"

    Voller Wut über diese unverschämte Bemerkung, erwiderte Layla:

    „Wenn Sie nicht ihre Klappe halten, lasse ich sie los!"

    Beleidigt ging der Barmann hinter den Tresen und begann wieder zu gaffen. Er hatte wohl zu viel Angst um seine Gläser und seine Einrichtung, als dass ihm der Gedanken kommen könnte, er könne doch helfen. Doch das war Layla mittlerweile egal, denn sie hatte das unverwechselbare Heulen der Sirenen des Krankenwagens gehört. Lange würde der wohl nicht mehr brauchen, bis er hier angekommen wäre. Das war auch bitter nötig, denn Layla konnte Mercedes mit Sicherheit nicht mehr lange halten. Sie brüllte dem trübsinnigen Barfuzzi zu:

    „Nun gehen Sie schon dem Krankenwagen entgegen, dass die Leute nicht lange suchen müssen!"

    Auch diesmal reagierte der Barmann mit der Langsamkeit einer eingefrorenen Scholle. Es schien fast so, als ob er sich von dem ihm gebotenen Schauspiel überhaupt nicht losreisen könnte. Der Krankenwagen musste schon fast vor der Türe sein, als er sich endlich hinter seiner Bar hervor bequemte und in Richtung Haupteingang lief.

    Der Krankenwagen musste tatsächlich schon angekommen gewesen sein, denn nicht mal zwei Minuten später tauchten endlich zwei Sanitäter mit einer Trage und dem obligatorischen Notarztkoffer auf. Zum Glück waren die beiden ein bisschen schneller von Begriff, als der überforderte Barmann und begannen sofort mit der ersten Hilfe. Einer der Helfer half Layla dabei, Mercedes zu fixieren, während der Andere aus dem Koffer eine Spritze herausnahm und diese auch sofort mit einer Medizin, wohl ein Beruhigungsmittel, aufzog. Trotzdem dauerte es noch viel zu lange, bis die Spritze endlich gesetzt war, da es schien, als ob auch Mercedes zum Endspurt ansetzen würde. Sie trat wie wild um sich und das Schreien ging in ein fast irres Gekreische über. Einer dieser mit äußerster Kraft ausgeführten Tritte traf den Pfleger, der Layla beim Festhalten half, dann auch genau dort, wo es den Männern am meisten wehtat. Er klappte zusammen, wie ein Kegel, der von einer Bowling Kugel getroffen wurde. In Layla stieg der Gedanke auf, dass er jetzt wohl seine Eier im Mund hatte, bevor sie bemerkte, dass er nur die Restluft aus seinen dicken Backen blies.

    Dann war der zweite Helfer endlich zur Stelle und routiniert setzte er die erlösende Spritze. Mercedes brach auch sofort zusammen, als ob ihr jemand den Stecker heraus gezogen hätte.

    „Mann, ist das eine Furie!"

    sagte der arme getretene Pfleger, der sich immer noch auf dem Boden wälzte und seine Weichteile hob. Der Andere konnte sich offensichtlich ein Lachen nur mühsam unterdrücken. Layla hatte nicht übel Lust, ihm das gleiche Schicksal angedeihen zu lassen. Warum waren Männer nur immer so gefühlsarm?

    Auch der Barmann meldete sich wieder zu Wort und wollte wissen, wer denn nun seinen Schaden bezahlte. Layla ignorierte ihn zuerst, aber dann tat er ihr doch leid. Er konnte ja nichts dafür und machte eigentlich nur seinen Job. Also gab sie ihm ihre Businesskarte und erklärte, dass die Basler Woche für den Schaden aufkommen würde. Ihr Chef würde stinksauer sein. Aber Layla hatte Blut geleckt. Nicht nur ihr Kribbeln und ihr Instinkt, sondern auch ihr journalistisches Gespür, sagte ihr, nein, brüllte ihr zu, dass da eine Riesenstory dahinter steckte. Sie wusste eines ganz genau. In einem der nächsten Flüge nach Mexiko würde ihr Name auf der Passagierliste stehen.

    4

    Peter Baumann, ihr Chef war dann auch mächtig sauer, als er die Rechnung in den Händen hielt. Das konnte man ganz deutlich an der hochgezogenen Augenbraue, über seinem linken Auge sehen. Gut, eine Braue hieß nur halbsauer, wenn aber beide Brauen nach oben gingen, dann hieß es Vorsicht.

    „Meine liebste Layla, habt ihr in der Bar überhaupt noch etwas heil gelassen?"

    „Ein paar Stühle schon noch, Peter!"

    „Du, mir ist jetzt wirklich nicht zum Scherzen zu Mute. Die Frau liegt mit einem schweren Schock im Krankenhaus. In was hast Du Dich da wieder hineinziehen lassen?"

    Layla kannte Peter Baumann ganz genau und wusste deshalb, dass auch er die Story hinter dem Abenteuer sehen konnte. Eigentlich war er ja ihr Chef, aber er ließ sie dies niemals spüren. Er war wirklich zu jeder Tages und Nachtzeit für sie erreichbar. Mehr als Freund, denn als Chef. Peter war 34 Jahre alt und die Eleganz in Person. Er hatte immer einen Anzug von Hugo Boss oder Armani an und jedes Mal hatte er dazu ein Hemd und Krawatte an, die perfekt mit dem Anzug, aber auch mit den Gürtel und den Schuhen harmonierte. Dabei sah er aber niemals spießig oder angeberisch, sondern halt einfach nur elegant und gepflegt aus. „Es gibt halt Leute, dachte Layla, „die haben einfach Stil. Und Peter hatte seinen ihm eigenen, unverwechselbaren Stil. Trotzdem hatte Peter Baumann noch nicht geheiratet. Das war eine Schande, denn die Frau, die ihn mal bekommen würde, die würde auf Händen durch das Leben getragen werden. Jetzt hatte sich seine Liebe halt platonisch auf Layla übertragen, die sich 100%ig auf ihn verlassen konnte. Das war auch wichtig, denn bei ihren Einsätzen war Peter immer ihre Heimbasis. Eine Stelle, wo sie anrufen konnte, wenn sie dringend Hilfe oder Informationen brauchte, oder einfach nur eine Schulter zum Ausweinen benötigte. Peter war im Internet ziemlich gut bewandert und es gab fast nichts, was er nicht ausgraben konnte. Wenn sie etwas brauchte, Peter war immer für sie da und unterstütze sie, wo er nur konnte. Mit einem Satz. Sie waren ein wirklich ausnehmend gut funktionierendes Team. Wie gut Peter sie verstand, zeigte er auch gleich wieder, indem er sie fragte:

    „Und jetzt willst Du nach Mexiko?"

    „Ich könnte morgen früh im Flugzeug sitzen!"

    „Gute Güte, Layla, wo soll ich das Budget für diesen Flug hernehmen?"

    „Du machst das schon!"

    „Also gut, Economy, nicht Business Class, keine Five Star Hotels und Layla keine zerstörten Hotelbars mehr. In spätestens einer Woche erwarte ich Dich zurück und jeden Abend erwarte ich einen ausführlichen Bericht!"

    Layla gab ihm einen dicken Kuss auf den Mund, dann drehte sie sich um und wollte das Büro verlassen, als ihr noch etwas einfiel.

    „Peter, kannst Du Dich bitte um Mercedes kümmern? Sie hat hier niemanden und ich weiß nur, dass sie aus Puebla ist. Kannst Du versuchen, ihre Familie ausfindig zu machen?"

    „Mach ich gleich morgen früh!"

    „Des Weiteren brauche ich Informationen über diesen Sergio Alcazar und Aguas Verdes. Ebenso alles was Du finden kannst über die verschwundenen Frauen von Cholula und Puebla!"

    „Geht klar, brauchst Du sonst noch was?"

    „Nein, Danke, die Reise buche sich selbst!"

    *

    An ihren Schreibtisch angekommen, machte sich Layla auch gleich an die Organisation ihrer Reise. Sie würde, wie immer mit der Lufthansa von Basel über Frankfurt nach Mexiko City fliegen. Am Flughafen würde sie dann einen Bus nach Puebla nehmen. Dort könnte sie dann erst einmal bei ihrer Großmutter wohnen.

    Der erste Anruf galt dann auch dem Reisebüro. Layla hatte Glück. Es war auf beiden Flügen jeweils noch ein Platz in der Economy Class für sie frei. Sie musste nicht einmal auf die Warteliste. Das Taxi für den Flughafen war in Sekunden organisiert. Die Leute dort kannten Layla schon. Als nächstes rief sie ihre Großmutter an, konnte dort aber nur ihren Vetter Daniel erreichen. Den traf beinahe der Schlag, als er hörte, wer am Apparat war, versprach aber dann, alles für ihre Ankunft zu arrangieren.

    Dann begann Layla etwas im Internet zu recherchieren. Gut, sie wusste, dass Peter da wohl wesentlich mehr herausholen würde als sie selbst, aber ein wenig wollte sie sich auch selbst vorbereiten. Leider fand sie gar nichts. Weder über Sergio Alcazar, noch über Mercedes Ramírez. Auch über Aguas Verdes gab es nichts, wirklich überhaupt nichts. Über den geheimen Pfad von Cholula gab es dagegen eine ganze Menge, aber dies las sich eher, wie ein Gruselroman, als wie reale, glaubwürdige Informationen. „Niemand, der diesen Weg betrat, kehrte je zurück…", und dieser ganze reißerische Unsinn. Layla wollte den Computer gerade abschalten, da fand sie doch noch etwas Interessantes. Es war ein Bericht über verschwundene Frauen in Cholula und Umgebung. Es schien tatsächlich so, als ob in Cholula und Puebla gehäuft junge Frauen verschwanden, die nie wieder auftauchten. Und dieses Verschwinden schien sich schon über Jahre hinweg zuziehen. Gut, in Mexiko verschwanden sehr oft Menschen ohne jede Spur, aber dass es so gehäuft junge Frauen zwischen 16 und 24 waren, die verschwanden und man wirklich nie mehr etwas von diesen Frauen gehört hatte, das war schon seltsam. Dann begann der Bericht wieder ins Lächerliche abzudriften. Eine alte Frau meinte, eine der verschwundenen jungen Frauen schreien gehört zu haben und dies direkt auf dem geheimen Pfad von Cholula. Mein Gott, dachte Layla. Das Internet war ja toll um Informationen zu beschaffen, doch oft wurde man auch von sinnlosen oder sogar falschen Information förmlich erschlagen und konnte dann die wichtigen und sinnvollen Infos nicht mehr finden. Layla beschloss deshalb, die Suche doch Peter zu überlassen, schaltete den Laptop ab und zog ihn aus der Docking Station. Sie wusste zwar nicht, ob sie ihn gebrauchen würde. In Aguas Verdes würde es sicher keinen Wireless Hotspot geben, aber sicher war nun mal sicher. Zusammen mit ihrer Kameraausrüstung würde sie das Gewicht zwar sicher erschlagen, aber Layla wollte einfach nicht ohne ihre elektronischen Helfer, an die sie sich so gewöhnt hatte, losziehen.

    Einen gepackten Koffer hatte Layla immer vor ihrem Schrank stehen. Oftmals musste es sehr schnell gehen. Ihr Flug nach Mexiko würde in aller Herrgottsfrühe losgehen. Sie öffnete den übergroßen Koffer und verstaute darin die Kameraausrüstung und in einem Spezialfach den Laptop.

    Dann merkte Layla, was für einen Hunger sie hatte. Sie hatte seit dem Mittagessen nichts mehr in den Magen bekommen. Sie öffnete den Kühlschrank und fand dort wie befürchtet nichts. Also musste es wieder einmal der Pizzaservice richten! Dies war natürlich total ungesund so kurz vor dem Schlafen, speziell weil sie ja früh wieder aufstehen musste, um ihren Flug zu erwischen.

    *

    Layla merkte, wie sie die Geschichte mit Mercedes geschafft hatte, als sie nach eine langen ausgiebigen Dusche ins Bett ging und verzweifelt versuchte, Schlaf zu finden. Ihr Körper sagte ihr, „Hey, ich brauche Ruhe", aber ihr überdrehtes Gehirn reagierte auf diesen Hilferuf einfach nicht. Die Stellen, wo Mercedes Schläge sie getroffen hatten, schmerzten schon lange nicht mehr, aber die Schläge auf ihre Psyche ließen sich nicht so leicht kurieren. Mercedes hatte Todesangst gehabt, das was sicher. Was hatte aber ihr solch eine allumfassende Angst eingejagt? Es musste was mit Sergio Alcazar, Aguas Verdes und dem geheimen Pfad von Cholula zu tun haben, das war klar. Es war

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