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Liebe ist kein Honigbrot
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eBook702 Seiten9 Stunden

Liebe ist kein Honigbrot

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Über dieses E-Book

Es ist für Steffi Beck Liebe auf den ersten Blick, als sie den attraktiven Henno Berber kennen lernt. Doch sein Interesse gilt ihrer besten Freundin Birgit, weshalb sie ihre Beziehung zu dem zuverlässigen Volker aufrechterhält.
Als Birgit aus beruflicher Notwendigkeit längere Zeit verreist ist, lässt sie sich trotz aller Skrupel auf eine Affäre mit ihrem Traummann ein, die nicht ohne Folgen bleibt und zu einer überstürzt geschlossenen Ehe führt. Aber bald muss sie erkennen, dass Henno nur seine eigenen Interessen verfolgt...
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum19. Sept. 2016
ISBN9783738084771
Liebe ist kein Honigbrot

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    Buchvorschau

    Liebe ist kein Honigbrot - Iris Bulling

    Kapitel 1

    - November 1996 -

    Henno Berber warf einen raschen Blick auf seine Rolex: sechs Uhr.       

    Eilig fuhr er sich noch einmal durch die blonden, immer noch fülligen Haare und verließ nach einem zufriedenen Blick auf die elegante und attraktive Erscheinung im Spiegel das Badezimmer. Bemüht, möglichst wenig Geräusche zu machen schlich er die Treppe hinunter. Auf gar keinen Fall wollte er an diesem Morgen mit seiner Frau zusammentreffen. Der Streit vom Abend davor reichte ihm erst mal!                                       Die Tasche mit den Unterlagen stand noch neben der Haustür, wo er sie gestern abgestellt hatte. Er schnappte sie und öffnete leise die Tür. Kälte und feuchte Nebelluft strömten herein. Tatsächlich konnte man draußen kaum fünf Meter weit sehen. Vorsichtig zog er die Tür hinter sich ins Schloss und betätigte die Fernbedienung seines Mercedes.

    Das Auto stand vor der Garage, er hatte gestern keine Lust mehr gehabt, es noch hineinzufahren. Nun war es rundum beschlagen. Aber er wollte jetzt keine Zeit mehr verlieren. Mit Scheibenwischer und Klimaanlage würden die Scheiben bald frei sein, und den Weg aus dem Lerchenweg fand der Wagen fast von allein.

    Berber ließ sich berieseln von der Musik und dem Geplapper der Radiomoderatoren. Aber in Gedanken war er schon bei der wichtigen Besprechung, die auf ihn wartete. Bei der Ausschreibung des geplanten Kindergarten-Objekts des Ortes Rotesheim war sein Architekturbüro, das er zusammen mit einem ehemaligen Studienkollegen betrieb, in die engere Auswahl gekommen. Nun galt es die Jury zu überzeugen. Für das Büro stand eine Menge auf dem Spiel, doch war er überzeugt, die wirklich guten Entwürfe, die vorwiegend auf den Ideen seines Partners Olaf Mellers basierten, mit seiner außergewöhnlichen Redegewandtheit an den Mann bzw. an die Stadt zu bringen.

    Inzwischen waren die Scheiben frei, die Sicht aber kaum besser. Angestrengt hielt Berber nach der Auffahrt zur Schnellstraße Ausschau. Schließlich konnte er links einbiegen und sich problemlos einfädeln. Noch war das Verkehrsaufkommen gering. Er trat auf das Gaspedal und scherte gleich auf die linke Spur. Trotz der schlechten Sicht riskierte er eine ziemliche Geschwindigkeit und rauschte an mehreren Lkws und Pkws vorbei.

    Plötzlich begann das Lenkrad zu vibrieren.

    „Verdammt! fluchte Berber. „Was ist denn jetzt los?

    Er nahm die Geschwindigkeit etwas herunter und wechselte auf die rechte Fahrbahn. Dabei glaubte er zu spüren, wie der rechte Vorderreifen eierte. Durch Gegenlenken versuchte er auszugleichen, doch plötzlich geriet er so ins Schlingern, dass er die Kontrolle über das Fahrzeug verlor und gegen die Absperrung prallte, dann aber noch einige Meter daran weiterschrammte, ehe es zum Stehen kam.

    Fast unverletzt, aber total benommen löste Berber den Sicherheitsgurt. Er stieß die Wagentür auf, kletterte aus seinem Sitz und taumelte aus dem Auto. Doch durch den Nebel näherte sich ein Pkw. Berber verspürte einen heftigen Schlag und fühlte sich durch die Luft geschleudert. Dann war alles dunkel…

    Gegen 8.30 Uhr bog langsam ein Streifenwagen in den Lerchenweg ein. Vor der Doppelhaushälfte Nr. 33 hielt er an. Zwei Beamten stiegen aus, wobei sie sich die Dienstmützen aufsetzten und dann zur Haustür gingen. Auf ihr Klingeln öffnete nach geraumer Zeit eine schmale blasse Frau, die etwas übernächtigt wirkte. Beim Anblick der Polizei zuckte sie etwas zusammen, fasste sich aber schnell wieder und fragte:

    „Ja, bitte?"

    Der Ältere der beiden tippte an seine Mütze: „Guten Morgen. Sind Sie Frau Berber?"

    „Ja. Kann ich Ihnen helfen?"

    „Leider müssen wir Ihnen eine traurige Nachricht überbringen. Können wir kurz hereinkommen?"

    Zögernd öffnete sie die Tür etwas weiter.

    „Was ist los? Ist etwas passiert?"

    Die Polizisten traten ein und folgten ihr ins Wohnzimmer, in dem ein ziemliches Durcheinander herrschte. Sie registrierten, dass auf dem Sofa offensichtlich jemand genächtigt hatte. Auf dem Fußboden waren Papiere, Zeitungen und Spielzeug verstreut. Der ältere Polizist wandte sich erneut an die Frau.

    „Ihr Mann hatte heute Morgen einen Unfall. Es tut uns sehr leid, Ihnen die Nachricht von seinem Tod überbringen zu müssen."

    Steffi Berber schaute ihn entsetzt an.

    „Das…das kann nicht sein!"

    „Wir bedauern das Geschehene sehr. Er hat die Kontrolle über das Fahrzeug verloren und die Absperrung gestreift. Danach wollte er wohl aussteigen. Dabei ist er von einem Auto erfasst worden. Der Notarzt konnte nichts mehr tun."

    „Und – und der Fahrer des Autos?"

    „Der hat die Polizei verständigt. Doch wie es aussieht konnte er beim besten Willen nicht mehr ausweichen. Er steht total unter Schock."

    Steffi schlug die Hände vors Gesicht und ließ sich in einen Sessel sinken. Da ertönte von oben ein dünnes Stimmchen:

    „Mami! Mami!"

    Gehetzt sprang sie wieder auf.

    „Mein Kind ist krank. Entschuldigung, ich muss mich um das Kind kümmern!"

    „Wir benötigen Ihre Hilfe, um den Leichnam zu identifizieren", schaltete sich jetzt der jüngere der beiden ein.

    Sie starrte ihn an.

    „Bitte gehen Sie! Ich muss mich um das Kind kümmern."

    Der Beamte reichte ihr eine Karte.

    „Es tut uns wirklich sehr leid. Bitte melden Sie sich sobald als möglich unter dieser Nummer wegen der Identifizierung. Können wir noch irgendetwas für Sie tun?"

    „Bitte gehen Sie", wiederholte sie tonlos.

    Die beiden warfen sich einen raschen Blick zu und wandten sich der Tür zu.

    „Wenn wir Ihnen behilflich sein können…", versuchte der Ältere noch einmal.

    Steffi schüttelte heftig den Kopf und blickte zur Treppe hoch, wo wieder die weinerliche Stimme zu hören war.

    „Dann – auf Wiedersehen, Frau Berber. Wir hoffen bald von Ihnen zu hören."

    Sie verließen das Haus und schauten sich müde an.

    „Scheiß-Job!" brummte der ältere Mann, als sie zurück zum Streifenwagen gingen.

    Steffi lief mechanisch die Treppe hoch in das Kinderzimmer, wo die dreijährige Tina fiebernd im Bettchen lag. Sie strich ihr über die heiße Stirn und gab ihr etwas zu trinken. Erschöpft

    schloss die Kleine wieder die Augen. Steffi wartete noch eine Weile, bis sie sicher war, dass Tina sich beruhigt hatte. Dann holte sie das Telefon.

    Mit zitternden Fingern tippte sie eine Nummer, die sie zwar schon eine ganze Weile im Kopf hatte, aber bisher nie gewagt hatte zu wählen.

    °

    Birgit Werstner wollte gerade die Wohnung verlassen, als das Telefon läutete. Kurz spielte sie mit dem Gedanken einfach zu gehen, doch ein innerer Impuls ließ sie noch einmal umkehren.

    Mit einem unguten Gefühl nahm sie ab.

    „Ja?" meldete sie sich unwirsch.

    „Birgit?"

    Die Stimme war zögerlich, unsicher. Birgit erkannte sie trotzdem.

    „Steffi?" fragte sie vorsichtig.

    Die nächsten Worte ließen sie erstarren.

    „Henno ist tot."

    „Was ist passiert?" presste sie schließlich heiser heraus.

    Ein trockenes Schluchzen war die Antwort. Endlich kamen undeutlich die Worte:

    „Birgit, es tut mir alles so leid. Das wollte ich dir schon so lange sagen. Aber jetzt ist es zu spät!"

    Birgit schluckte einmal kurz, dann sagte sie barsch:

    „Es ist nie zu spät. Du wohnst noch im Lerchenweg?"

    Nach dem zaghaften „Ja" vom anderen Ende der Leitung atmete sie tief durch.

    „Okay. Ich habe jetzt noch einiges zu regeln, aber in etwa zwei Stunden kann ich bei dir sein. Dann können wir uns unterhalten."

    Rasch legte sie den Hörer auf und setzte sich erst einmal hin. So viele Gedanken gingen ihr durch den Kopf, doch entschlossen stand sie wieder auf.

    Es war Zeit, die Vergangenheit ruhen zu lassen und sich an eine alte Freundschaft zu erinnern!

    Kapitel 2

    - Oktober 1978 –

    Die Koffer waren schwer – aber selten vorher hatten Steffi Beck und Birgit Werstner eine Last so gerne getragen. In drei Tagen sollte das Studium an der Pädagogischen Hochschule beginnen. Nun waren sie dabei, ihre Studentenbuden zu beziehen. Sie hatten bei der Zimmersuche unglaubliches Glück gehabt und ihre Zimmer im gleichen Haus und auch noch nebeneinander ergattert. Sozusagen das große Los für zwei Freundinnen, die seit der fünften Klasse unzertrennlich waren!

    Birgit war die größere der beiden, schlank mit langen blonden Haaren und großen braunen Augen ein echter Blickfang. Sie war kontaktfreudig, strahlte ein ungeheures Selbstvertrauen aus und kam oft auf die verrücktesten Ideen, die sie durchaus auch auszuführen bereit war. Steffi war deutlich kleiner und etwas pummelig. Da sie sehr feines braunes Haar hatte, trug sie dieses kurz geschnitten, obwohl sie immer von einer langen Mähne geträumt hatte.

    Aufgewachsen als sehr behütetes Einzelkind hielt sie sich meist zurück, bis sie in einer Gesellschaft auftaute. Doch wurden ihre einfühlsame Art und ihre Fähigkeit zum Zuhören von vielen sehr geschätzt.

    Es war wohl auch genau diese Gegensätzlichkeit, die die beiden verband. Steffi war der ruhende Pol, und Birgit mit ihrer spontanen Art sorgte dafür, dass sie sich nicht zu sehr hinter Büchern vergrub.

    Für beide war es der erste Schritt weg von zu Hause in die Freiheit – und sie waren entschlossen, diese voll zu nutzen und zu genießen!

    Die ersten zwei Semester vergingen wie im Flug. Die beiden hatten einen großen Bekanntenkreis und wohl auch zuweilen einige heiße Flirts, doch ein „Traummann" war für beide bisher nicht dabei gewesen. Ihre Freundschaft vertiefte sich noch, es gab kein Thema, das sie nicht gemeinsam erörtern konnten, keine Probleme, die sie nicht gemeinsam lösten und keine Geheimnisse.

    In den Semesterferien fuhren sie gewöhnlich nach Hause. Birgit jobbte regelmäßig, da sie von zu Hause aus nur wenig Unterstützung erhielt, während Steffi sich mit Lesestoff aller Art eindeckte und auch noch mit ihren Eltern verreiste. Für letzteres fand sie wenig Verständnis bei Birgit.

    Aber eine Woche verreisten sie auch gemeinsam, einmal zum Skifahren in die Alpen und einmal zum Baden nach Rhodos.

    Zu Beginn des nächsten Semesters packten sie Steffis kleinen Polo, den ihre Eltern ihr zum 21. Geburtstag geschenkt hatten, und fuhren gemeinsam zu „ihrer" Universitätsstadt. Birgit räkelte sich auf dem Beifahrersitz.

    „Das ist schon sehr viel feudaler als mit dem Zug zu fahren und die ganzen Sachen zu schleppen, meinte sie lachend. „Mir scheint, jetzt wird das Studentenleben richtig luxuriös.

    „Zumindest sind wir nicht mehr auf die Straßenbahn angewiesen, wenn wir nachts unterwegs sind", fügte Steffi gutgelaunt hinzu.

    „Ach ja, Nachtleben … Ich fürchte, ich muss auch ein bisschen mehr fürs Studium tun. Die haben mir einen Teil meines BAföGs gekürzt. Vielleicht jobbe ich samstags noch zusätzlich im Supermarkt. Die Arbeit an der Kasse wird ganz gut bezahlt."

    „Puh, das wird ja ganz schön hart für dich. Ich muss wohl echt dankbar sein, dass meine Eltern so großzügig sind."

    Birgit zuckte gleichmütig die Schultern.

    „Dafür wollen sie dich auch regelmäßig im Kreise der Familie sehen. Ich bin schon ganz zufrieden damit, wie es bei mir läuft. Wir werden in jedem Fall viel Spaß haben."

    Steffi schwieg, denn da hatte Birgit einen wunden Punkt getroffen. Tatsächlich erwarteten ihre Eltern mindestens 14-tägig einen Besuch am Wochenende und bisher hatte sie noch nicht gewagt dagegen aufzumucken.

    Birgit tat ihre Bemerkung schon wieder leid. Sie tätschelte den Arm der Freundin.

    „Aber mach dir nichts draus. Wenn wir etwas Schönes unternehmen wollen, werden wir deine Eltern in diesem Semester entsprechend bearbeiten. Sie müssen irgendwann ja schon kapieren, dass du volljährig bist und eigene Interessen hast. Und die Semesterarbeiten fordern ja auch einen gewaltigen Arbeitsaufwand, den du zu Hause nicht leisten kannst."

    Inzwischen näherten sie sich ihrer Ausfahrt. Steffi konzentrierte sich verbissen aufs Ausfädeln und war froh, dass sie jetzt nicht antworten konnte. Auch Birgit äußerte sich nicht weiter zu dem Thema, da sie wusste, dass Steffi sich beim Fahren in der Großstadt noch nicht so sicher fühlte.

    Zwanzig Minuten später hatten sie ihr Wohnhaus erreicht. In dem dreistöckigen Gebäude wohnten unten die Vermieter, die übrigen Räumlichkeiten, sechs Zimmer mit zwei Duschen,

    waren an Studenten unterschiedlicher Fakultäten vermietet. Vor dem Haus war der Parkraum ziemlich begrenzt, aber Steffi hatte Glück und fand einen Platz, der nicht weit vom Eingang entfernt war.

    Nachdem sie ihr Gepäck versorgt hatten, machten sie sich erst einmal auf den Weg zum beliebtesten Treffpunkt der Studenten, einer netten Kneipe mit dem treffenden Namen „Studiosusklause". Hier hatten sich schon einige ihrer Kommilitonen versammelt. Nach einer herzlichen Begrüßung setzten sie sich zu den anderen und bestellten sich etwas zum Trinken.

    „Habt ihr das mitgekriegt, dass einige nach der zweiten Dienstprüfung wieder nicht in den Schuldienst übernommen wurden?" fragte Petra Müller, die mit Birgit im Sportseminar war. Das war ein Thema, das für die PH-Studenten ein ziemlicher Schock war. Während bisher für jeden Abgänger die Übernahme nach bestandener Prüfung eine sichere Sache gewesen war, gab es zwischenzeitlich Probleme, weil es nach jahrelangem Lehrermangel plötzlich zu viele Lehramtswärter gab.

    „Das trifft aber nur bei Grund- und Hauptschullehrern zu, versetzte Konrad Gock. „Bei den Realschulen gibt es noch genug Bedarf.

    „Na toll, mischte Birgit sich ein. „Dann hast du ja genau das Richtige getan – wie immer natürlich! Und du übrigens auch, wandte sie sich an Steffi.

    Diese zuckte die Schultern. Das Thema war für sie noch zu abstrakt. Klar, sie hatte sich für ein Realschulstudium entschieden – aber im dritten Semester war der Abschluss doch noch so weit weg! Trotzdem entfachte das Thema eine heiße Diskussion über das Für und Wider eines PH-Studiums und die Überlegungen, was man im Falle eines Scheiterns mit der Ausbildung anfangen könne. Für viele war es eine Einbahnstraße ohne andere Perspektiven.

    Einzig Birgit betrachtete die Angelegenheit gelassen.

    „Wenn es mit dem Lehrerjob nichts wird, meinte sie lässig, „dann werde ich die Herausforderung annehmen und ganz etwas anderes machen!

    Alle mussten lachen. Das war typisch Birgit. Und es war auch das Signal für einen Themenwechsel.

    In diesem Moment öffnete sich erneut die Tür und Babs Mitsch, eine wegen ihrer hilfsbereiten Art sehr beliebte Kommilitonin, kam herein. Babs stammte aus sehr reichem Elternhaus, war aber nicht besonders attraktiv und kompensierte dies durch ein betont burschikoses Auftreten.

    Ihr folgte lässig ein junger Mann, der allen unbekannt war. Aber was für ein Mann! Er war elegant gekleidet, was nicht so sehr in diese Kneipe passen wollte, großgewachsen und breitschultrig, hatte volles blondgewelltes Haar und leuchtend blaue Augen.

    Steffi musste schlucken, als sie ihn sah. Aber offensichtlich verfehlte er seine Wirkung auch bei den anderen nicht, denn kurz stockte das Gespräch.

    Babs schaute sich suchend um, dann kam sie strahlend an den Tisch der Clique, gefolgt von dem Fremden.

    „Hallo, Leute. Schön euch wieder zu sehen! Das ist übrigens Henno. Er studiert ab diesem Semester hier Architektur, und da er noch niemanden kennt, dachte ich mir, ich bringe ihn einfach mit."

    Alle rutschten ein bisschen näher zusammen, um den beiden Platz zu machen, und Henno bedachte jeden mit einem ganz besonderen Lächeln und fand auch gleich Zugang zu der Unterhaltung. Seine Stimme war angenehm tief und sympathisch. Steffi konnte die Augen nicht von ihm abwenden und lauschte verzückt, wenn er sich zu diesem und jenem völlig unbefangen äußerte.

    Birgit beteiligte sich lebhaft an den Gesprächen, während Steffi wie meist intensiv zuhörte und sich nur selten einklinkte. Doch dann hatte sie das Gefühl, dass sie von Henno jedes Mal besonders beachtet wurde, sei es durch einen anerkennenden Blick oder ein gewinnendes Lächeln. Allerdings reagierte er auch auf die anderen sehr aufmerksam.

    Viel zu schnell war dieser Abend zu Ende und die beiden Freundinnen gingen vergnügt nach Hause, wo sie sich in Steffis Zimmer noch zu einem „Absacker" zusammensetzen wollten.

    Kapitel 3

    Steffi holte zwei Gläser und eine Flasche Wein heraus, die sie von zu Hause mitgebracht hatte. Birgit war schon nach zwei Minuten da und ließ sich in einen der der kleinen Sessel sinken, die Steffis Zimmer gemütlicher machten als ihr eigenes, das deutlich kleiner und deshalb auch um einiges billiger war.

    „Schön, wieder hier zu sein, meinte sie. „Ich glaube fast, mir haben die Kommilitonen zu Hause gefehlt.

    Steffi stimmte ihr zu.

    „Babs hat mich überrascht. Wo hat sie nur diesen Typen aufgegabelt?"

    „Ja, der war schon recht beeindruckend. Hoffentlich macht sie sich mit dem nicht unglücklich."

    „Wie meinst du das?"

    „Es ist nicht gut, sich in so jemanden zu verlieben."

    Steffi schaute Birgit ungläubig an.

    „Du meinst, Babs …?"

    „Natürlich, sie ist über beide Ohren in diesen Henno verliebt. Hast du das etwa nicht bemerkt?"

    Nein, Steffi hatte es nicht bemerkt, dazu war sie viel zu sehr mit diesem „Typen" beschäftigt gewesen!

    „Irgendwie kann ich mir gar nicht vorstellen, dass Babs sich verlieben könnte", wandte sie ein.

    Birgit schaute sie verwundert an, dann fing sie an zu lachen.

    „Du meinst, weil sie immer so burschikos daherkommt? Also das ist in erster Linie ihr Schutzschild. Aber du kannst mir glauben, dass sie für männliche Reize genauso empfänglich ist wie du und ich."

    Nachdenklich nippte Steffi an ihrem Wein.

    „Er war doch zu allen gleich freundlich."

    „Natürlich. Der will sich nicht auf jemanden festlegen. Aber das muss ja nicht unser Problem sein."

    Damit war das Thema Henno für sie erledigt und Steffi hatte plötzlich Hemmungen, es weiter zu verfolgen. Sie plauderten noch eine Weile über alles Mögliche, dann gähnte Birgit und meinte, sie wolle sich nicht zu spät zurückziehen, morgen sei auch noch ein Tag.

    Auch Steffi legte sich schlafen, aber sie fand keine Ruhe. Immer wieder ließ sie sich die Gespräche in der Kneipe durch den Kopf gehen und sah Blicke, die nur ihr gegolten hatten. Aber es stimmte schon, die anderen waren mit ebensolchen Blicken bedacht worden – dieser Mann hatte niemanden bevorzugt. Trotzdem verfolgten seine blauen Augen sie bis in den unruhigen Schlaf.

    Am nächsten Tag war das übliche Semesterbeginngewusel an der Hochschule, bis sich alle informiert , sich in ihre Seminare eingeschrieben und das Vorlesungsangebot studiert hatten. Steffi machte sich schließlich auf den Weg zur Mensa, wo sie sich mit Birgit treffen wollte. Konrad saß bereits an einem der Tische und winkte ihr zu. Nachdem sie sich mit Kaffee eingedeckt hatte, setzte sie sich zu ihm.

    „Bist du auch in dem Literaturseminar von Lingmann?" wollte er wissen.

    Nachdem Steffi bejaht hatte, freute er sich.

    „Prima, dann können wir uns bald um ein Thema für die Seminararbeit bemühen. Wir arbeiten doch wieder zusammen?"

    „Klar, wir sind schließlich ein Superteam.

    „Klasse! Wenn wir Babs auch wieder ins Boot holen können, haben wir beste Voraussetzungen. Übrigens, was war das denn für `ne Nummer gestern? Was wollte sie nur mit diesem Kerl?"

    „Meinst du Henno?"

    „Ach ja, Henno nannte sich der Schmarotzer."

    „Wieso Schmarotzer? Der war doch ganz in Ordnung!"

    Konrad war nicht zu bremsen.

    „Also ich bitte dich! Kommt daher, tut so interessiert und schleimt sich überall ein."

    „Bist du da nicht ein bisschen voreingenommen? Man konnte sich doch sehr gut mit ihm unterhalten."

    Konrad blieb ihr die Antwort schuldig, denn Birgit und Petra kamen zu ihrem Tisch.

    „Seid ihr fertig oder fertig?" fragte Birgit doppeldeutig und legte lachend ihren Semesterplan auf den Tisch.

    „Ich werde mir die Vorlesungen heute Nachmittag noch vornehmen, meinte Steffi schulterzuckend. „Vorhin war so ein Andrang.

    Petra schaute sich suchend um. „Habt ihr Babs schon gesehen?"

    „Nur kurz im Gewimmel. Aber sie wollte über Mittag auch in die Mensa kommen. Oh, ist sie da nicht schon?"

    Tatsächlich kämpfte Babs sich gerade strahlend durch das Studentengedränge und steuerte auf die Freundesgruppe zu.

    „Hey! rief sie fröhlich. „Wisst ihr was? Ich habe mir überlegt, am Samstag gleich eine Einstimmungsparty zu geben. Na, was haltet ihr davon?

    Natürlich waren alle begeistert. Sie kannten bereits Babs` geräumige und vor allem sturmfreie „Bude" im Keller einer eleganten Villa, dessen Besitzer ein Freund ihres Vaters war. Nun machten sie Pläne, wer was mitbringen würde, angefangen mit den neuesten Schallplatten bis hin zu den Getränken und diversen Leckereien. Außerdem sollten einige Kommilitonen benachrichtigt werden, die bisher im Gedränge noch nicht aufgetaucht waren. Auch nette Bekannte von der Uni waren Babs herzlich willkommen.

    Als Steffi später loszog, um noch die nötigen Vorlesungen in ihren Stundenplan einzufügen, war sie nur halb bei der Sache. Immer wieder schlich sich ein hochgewachsener gutaussehender Mann mit strahlend blauen Augen in ihre Gedanken – Henno!

    Ob er wohl auch zu der Party kommen würde?

    Kapitel 4

    Am Samstag fuhren Steffi und Birgit schon rechtzeitig zu Babs, um ihr bei den Vorbereitungen zu helfen. Sie hatten verschiedene Käsesorten und Wurst dabei, denn Babs wollte diverse Schnittchen vorbereiten. Gemeinsam standen sie in der Miniküche und schnitten Baguettes und Gurken in Scheiben, Käse und Tomaten in Stücke, legten Weintrauben zur Dekoration bereit und waren bester Laune. Im Zimmer war der Tisch bereits bestückt mit Tellern, Gläsern und Servietten, Stühle und jede Menge Sitzkissen waren im Raum verteilt. „Ich schätze, wir sind zusammen achtzehn, meinte Babs. „Abgesagt hat bis jetzt noch keiner.

    „Wer kommt denn noch alles? wollte Birgit wissen, während sie Käsewürfel schnitt und mit Zahnstochern versah. Der feste Stamm war ja klar, aber bei dieser Anzahl würde es sicher die eine oder andere Überraschung geben. „Günther, Martin, Anita, Renate …., begann Babs aufzuzählen, als es das erste Mal läutete. Rasch legte sie die Schürze ab und eilte zur Tür.

    Steffi und Birgit beeilten sich, die Teller ins Zimmer zu bringen, während draußen schon ein großes Hallo zu vernehmen war.

    So nach und nach füllte sich der Raum. Jedes Mal, wenn es wieder läutete, merkte Steffi, wie ihr Herz anfing heftiger zu schlagen, doch der, den sie erwartete, kam nicht. Stattdessen stellte sie fest, dass Volker Renz eingeladen war, ein beharrlicher Verehrer aus dem letzten Semester. Eigentlich mochte sie ihn ganz gerne – doch er zeigte gar zu deutlich, wie viel ihm an ihr gelegen war und sie war sich bisher einfach nicht sicher, ob sie fester mit ihm befreundet sein wollte oder nicht. Auf jeden Fall suchte er auch dieses Mal sofort einen Sitzplatz in ihrer Nähe und Birgit konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

    Die Unterhaltung kam schnell in Gang. Babs thronte im Schneidersitz mitten auf ihrem Bett und beteiligte sich lebhaft am Gespräch, doch Steffi entging nicht, dass sie immer wieder auf die Uhr schaute. Erwartete sie doch noch jemanden?

    Die Stimmung war richtig gut, als es nach etwa einer Stunde noch einmal läutete. Babs sprang wie von der Tarantel gestochen auf und eilte hinaus zum Öffnen.

    „Ich dachte schon, du kommst nicht mehr!" hörte man sie sagen.

    Zwar verstand Steffi nicht, was der späte Besucher antwortete, doch die dunkle Stimme hätte sie unter Tausenden sofort wieder erkannt. Babs kam strahlend ins Zimmer zurück und zog Henno hinter sich her.

    „Die meisten von euch kennen Henno ja schon, meinte sie und zu ihm gewandt: „Such dir einen Platz – aber ich glaube, es ist nur noch hier auf dem Bett Platz.

    „Das dürfte kein Problem sein, lachte er. „Auf jeden Fall besser als auf dem Boden!

    Er ließ sich neben ihr nieder und hörte zu, als das Gespräch langsam wieder in Gang kam. Ruhig blickte er sich um und musterte jeden der Anwesenden genau. Birgit diskutierte mit Konrad gerade über die Möglichkeiten, die man als AStA-Mitglied hatte, was offensichtlich sein Interesse fand, denn hier klinkte er sich ein.

    Jemand räumte einige Möbel zur Seite, und die ersten fingen an zu tanzen. „Wollen wir auch? fragte Volker. Steffi war ganz Ohr für die Diskussion, an der sich auch Babs beteiligte. Jetzt stellte sie fest, dass sie Volkers Anwesenheit völlig vergessen hatte. „Ach, ich habe keine Lust zum Tanzen, versetzte sie rüde. In diesem Augenblick schaute Henno sie zum ersten Mal richtig an und lächelte. Steffi spürte, wie ihr das Blut in den Kopf schoss und sie ärgerte sich, einmal, weil ihr das peinlich war und zum anderen, weil ihr Volkers Nähe plötzlich unangenehm war. Was war denn mit ihr los? Sonst konnte sie es gar nicht erwarten zu tanzen!

    Volker erhob sich wortlos und suchte nach einer anderen Tanzpartnerin. Es dauerte nicht lange, dann mischte er sich mit Petra unter die Tanzenden. Die Diskussion allerdings hatte inzwischen auch ein Ende gefunden. Babs zog Henno zur Tanzfläche, Birgit bewegte sich im Rhythmus der Musik und wurde von Konrad begleitet. Steffi stopfte sich ein Schnittchen in den Mund und ärgerte sich noch mehr über sich. Da sie ihre Tanzunlust so deutlich geäußert hatte, wurde sie von niemandem mehr aufgefordert und sich alleine unter die anderen mischen wollte sie auch nicht. Nur Anita und Peter, die schon seit einem Jahr zusammen waren, saßen noch da und Steffi beeilte sich, ein Gesprächsthema zu finden, damit sie nicht so bescheuert herumsaß.

    Es dauerte aber nicht lange, bis Birgit sich wieder neben ihr niederließ. „Den armen Volker hast du aber ganz schön vor den Kopf gestoßen!"

    „Er hängt sich aber auch immer an mich wie eine Klette!" beschwerte sie sich.

    „Na, übertreibst du da nicht ein bisschen? Manchmal genießt du seine Nähe doch durchaus."

    Steffi seufzte. „Ja, ich weiß. Es tut mir leid, wenn ich ihn verletzt habe."

    „Ach, so schlimm ist es wohl nicht. Er amüsiert sich ganz gut mit Petra."

    Steffi schaute zur Tanzfläche und sah, dass Birgit Recht hatte. Sie suchte mit den Augen Babs und Henno und stellte fest, dass sie inzwischen nicht mehr tanzten, sondern mit Renate und einer anderen Kommilitonin in einer Ecke standen und sich unterhielten. Birgit folgte ihrem Blick.

    „Ich befürchte, Babs wird auch bald enttäuscht sein. Dieser Henno ist auf jeden Fall nicht nur ihretwegen gekommen!"

    „Mhm", brummte Steffi unlustig.

    „Was ist denn mit dir los? wollte Birgit wissen. „Irgendeine Laus ist dir doch über die Leber gelaufen.

    „Ach was, ich habe nur Kopfschmerzen."

    „So plötzlich? Wollen wir ein bisschen raus an die frische Luft?"

    „Was habe ich doch für eine tolle Freundin, dachte Steffi dankbar und sagte laut: „Das ist eine gute Idee. Bestimmt wird es dann gleich besser.

    Gemeinsam gingen sie zur Tür, wurden aber gleich von Konrad aufgehalten. „Wollt ihr etwa schon gehen?"

    „Wir sind gleich wieder da, nur ein bisschen frische Luft schnappen!" Damit zog Birgit Steffi weiter und schlüpfte mit ihr zur Tür hinaus.

    Es war ein wunderbarer, milder Abend und Steffi atmete tief ein. Was war wirklich mit ihr los? Sie hatte sich nicht mehr richtig im Griff gehabt, aber eigentlich war ihr Verhalten nur kindisch gewesen und hatte ihr außerdem den Spaß an dem Abend verdorben. Dabei hatte Henno ihr mit keiner Miene, keiner Geste irgendetwas signalisiert, was ihr hätte Hoffnung machen können. Im Grunde spielte sie die gleiche Rolle wie Babs, aber das wollte sie bei Birgit nicht durchblicken lassen.

    Diese legte ihr jetzt den Arm um die Schulter und fragte mitfühlend: „Geht`s wieder?"

    Steffi schluckte und nickte. „Alles wieder okay. Komm, lass uns zurück und noch ein bisschen Spaß haben!"

    Innen war die Stimmung offensichtlich gut und Steffi und Birgit mischten sich wieder unter eine Gruppe, bei der gerade besonders viel gelacht wurde. Steffi bemühte sich sehr, nicht nach Henno zu schauen, was ihr auch tatsächlich gelang. Sie war sogar überrascht, als die ersten sich verabschiedeten. Babs begleitete einige hinaus, kam bald zurück und ließ sich in der munteren Gruppe nieder, in der auch Birgit und Steffi sich gerade amüsierten.

    „Babs, du bist unser Semesterversüßer, lobte Konrad. „Der Abend war einfach Spitze!

    Die anderen applaudierten und alle bedauerten, dass die nette Party zu Ende ging.

    „Wir helfen noch beim Aufräumen", bot Anita an.

    Es fanden sich noch so viele Freiwillige, dass Birgit lächelnd meinte: „Unter diesen Umständen würden wir dann aufbrechen. Was meinst du, Steffi?"

    „Wenn du uns wirklich nicht brauchst, Babs..?"

    „Das ist okay so. Immerhin habt ihr mich vorher schon unterstützt."

    In diesem Moment kam auch Henno wie zufällig zu der Gruppe. „Ein gelungener Abend, Babs. Nun sieht es nach allgemeinem Aufbruch aus?"

    Sie strahlte ihn an. „Das Semester hat gerade erst begonnen. Es wird noch mehr schöne Abende geben."

    „Für mich war der Start auf jeden Fall vielversprechend. Wir sehen uns bestimmt bald wieder. Ich sage jetzt einfach mal Tschüss."

    Fünf Leutchen verließen gemeinsam Babs` Bleibe. Steffi und Birgit gingen in die Richtung des kleinen Polos, Henno schlug die gleiche Richtung ein. Als Steffi aufschloss, sagte er plötzlich:

    „Oh, ihr seid mit dem Auto da? Wohin müsst ihr denn fahren?"

    „Wir wohnen in der Nähe der Studiosusklause."

    „Meine Bude ist in der Luisenstraße, das liegt doch fast am Weg. Könnt ihr mich mitnehmen?"

    „Ja, klar." Steffi setzte sich auf den Fahrersitz und öffnete von innen die Beifahrertür. Birgit wollte nach hinten klettern, als Henno ihr die Hand auf den Arm legte.

    „Ich wollte dich nicht vom Vordersitz verdrängen!"

    „Ach was, ich muss ja eh aussteigen, wenn du raus willst."

    Also setzte er sich neben Steffi. „Das nenne ich Glück! Mit der Straßenbahn wäre es jetzt schon unsicher gewesen. Ich weiß gar nicht, ob überhaupt noch eine fährt um diese Zeit."

    Steffi fuhr an und fragte: „Hast du dich schon eingelebt an der Technischen Uni?"

    „Ja, eigentlich ganz gut. Allerdings sind wir etwas männerlastig. Frauen zieht es da nicht so hin."

    „Bei uns an der PH ist es genau umgekehrt, lachte Birgit von hinten. „Die Arbeit mit Kindern und Teenies ist wohl nicht so beliebt bei euch Jungs!

    „Für mich könnte ich es mir nicht vorstellen", gab Henno zu.

    „Mein Vater hat auch an der TU studiert", mischte Steffi sich wieder ein.

    Damit weckte sie sein Interesse. „Architektur?"

    „Ja. Er hat damit eindeutig seinen Traumberuf gefunden."

    „Nun, das ist auch mein Ziel. Oh, da vorne geht`s schon ab zur Luisenstraße! Du kannst mich hier aussteigen lassen."

    Steffi fuhr an die Seite und bremste ab. Er stieg aus und klappte den Beifahrersitz nach vorn, damit Birgit wieder nach vorn umsteigen konnte.

    „Vielen Dank für diesen Mitfahr-Service. Ich hoffe, wir sehen uns bald mal wieder."

    „Das wird nicht so schwierig sein, versetzte Birgit. „Man trifft ständig aufeinander in der Studiosusklause.

    „Ich werde es mir merken. Also dann – bis bald!"

    Er winkte noch kurz zum Abschied und wandte sich dann um. Steffi blickte ihm nach, bis er in der Dunkelheit verschwunden war, dann fuhr sie weiter. Birgit gähnte plötzlich herzhaft.

    „Ich muss mal wieder richtig ausschlafen. Gut, dass erst mal Sonntag ist."

    Später, als sie in ihrem Bett lag, fand Steffi lange keinen Schlaf. Das unerwartete Ende des Abends belebte sie, allerdings hatte sie auch das Gefühl, die kurze Autofahrt mit Henno nicht optimal genutzt zu haben. Irgendwie gelang es Birgit immer besser als ihr, mit Leuten locker ins Gespräch zu kommen!

    Kapitel 5

    Seufzend schob Steffi die Bücher zur Seite und las noch einmal, was sie bisher von ihrer Hausarbeit fertiggestellt hatte. Irgendwie fiel es ihr heute schwer sich zu konzentrieren, aber eigentlich war ihr der Grund dafür klar. Morgen war Samstag, und ihre Mutter erwartete ganz selbstverständlich, dass sie nach zwei Wochen wieder zu Hause aufkreuzte und das Wochenende mit ihren Eltern verbrachte. Sie wollte unbedingt mehr Wochenenden hier verbringen wie Birgit, doch das Gespräch mit Mutter scheute sie, da diese es immer wieder schaffte, ihr ein schlechtes Gewissen zu suggerieren, indem sie sie vorwurfsvoll und gleichzeitig tief traurig anschaute mit der unausgesprochenen Frage, wie die einzige Tochter denn nur so undankbar und familienfeindlich sein konnte.

    Steffi beschloss in die Studiosusklause zu gehen, um sich abzulenken. Birgit war noch in einem Sportseminar und würde garantiert nachkommen, wenn sie fertig war. Samstag- vormittags saß sie jetzt regelmäßig bei Wertkauf an der Kasse und frischte so ihren Lebensunterhalt auf. Aus diesem Grunde fuhr sie gar nicht mehr mit nach Hause.

    Aber ihre familiäre Situation war auch ganz anders als die von Steffi. Birgits Mutter war gestorben, als sie gerade neun und ihr Bruder Thomas elf war. Drei Jahre später hatte ihr Vater wieder geheiratet, und bereits ein halbes Jahr danach war ein Stiefschwesterchen da. Mit der neuen Frau konnten weder Birgit noch Thomas eine Beziehung aufbauen, und so empfand ihr Vater es durchaus als Erleichterung, dass beide ihr Studium nutzten, um sich vom Elternhaus zu lösen.

    Steffis Mutter dagegen hatte in ihrer Tochter den ganzen Lebensinhalt gesehen, denn ihr Vater war als erfolgreicher Architekt immer beschäftigt. Die Familie schwamm im Geld, aber Zeit für ein gemeinsames Miteinander war Mangelware. So klammerte Frau Beck sich nach wie vor an Steffi und wollte nicht akzeptieren, dass diese inzwischen erwachsen war.

    „Dieses Mal muss ich es durchziehen", murmelte Steffi vor sich hin, während sie ihre Schreibarbeit auf die Seite packte.

    Das Wetter war unfreundlich geworden. Heute war es feucht und kalt, ein richtiger Novembertag. Steffi fröstelte und beeilte sich, wieder ins Warme zu kommen.

    Sobald sie den ersten Blick ins Kneipeninnere werfen konnte, entdeckte sie schon Babs, die missmutig vor einer Cola saß. Steffi ließ sich ihr gegenüber nieder.

    „Was ist los? wollte sie wissen. „Hast du Ärger gehabt?

    Babs warf ihr einen raschen Blick zu und vertiefte sich dann wieder in ihr Getränk.

    „Ist alles in Ordnung", brummte sie.

    „Das ist nicht zu übersehen, konterte Steffi. „Komm, mir brauchst du doch nichts vorzumachen!

    „Also gut. Ich habe das Gefühl, mich ganz schön zum Affen gemacht zu haben."

    „Wie meinst du das?"

    „Wegen Henno. Ich hatte doch tatsächlich angenommen, der Kerl macht sich etwas aus mir."

    Steffi schluckte. „Und jetzt glaubst du das nicht mehr?"

    „Was heißt glauben? Ich weiß es! Nach meiner Party vor vier Wochen habe ich ja keinen Ton mehr von ihm vernommen. Habe mir eingeredet, er hat keine Zeit wegen seines Studiums und so. Aber heute bin ich mal zur Luisenstraße geradelt. Und während ich noch überlege, ob ich einfach klingeln soll kommt er doch tatsächlich aus dem Haus. Aber nicht allein! Eng umschlungen mit einer Blondine, die aus irgendeinem Starmagazin entsprungen sein könnte. Und als er mich sieht, ist er kein bisschen verlegen, sondern stellt mich vor als die liebe Babs, die ihn anfänglich ins Studentenleben eingeführt hat. Leider habe er grad gar keine Zeit, weil er, wie ich ja sehen könnte, sehr beschäftigt sei. Wir würden sicher mal wieder voneinander hören!"

    „Hatte er dir denn irgendwelche Hoffnungen gemacht vorher?"

    „Was weiß ich? Er war so nett und so zuvorkommend und hat mir das Gefühl vermittelt, er sei total gern mit mir zusammen. Aber wahrscheinlich habe ich mir alles nur eingebildet."

    Steffi seufzte. „Ich denke nicht. Eher scheint mir, dass er allen dieses Gefühl gibt."

    „Wie soll ich das denn verstehen?"

    „Na ja, er ist einfach zu allen unheimlich nett und zuvorkommend. Birgit drückte sich in etwa so aus, dass er jedem das Gefühl vermittelt, die Hauptperson zu sein, aber sich nicht festlegen will."

    „Wie, ihr habt über uns gesprochen?"

    „Nicht über euch, aber über ihn! Schließlich wird uns nicht jeden Tag so ein Typ vorgestellt."

    „Wohl wahr", brummte Babs.

    Als die Eingangstür aufging, blickten sie beide hoch und sahen Konrad hereinkommen.

    „Kein Wort mehr davon", zischte sie und setzte wieder ihr burschikoses Babs-Grinsen auf.

    Er kam fröhlich an ihren Tisch und setzte sich. „Gut, dass ich euch treffe. Wir sollten uns am Wochenende mal zusammensetzen wegen unserer Arbeit. Ich habe einen Teil soweit fertig, jetzt müssen wir die Sache mal koordinieren."

    Das brachte Steffi wieder zu ihrem eigenen Problem zurück.

    „Ich muss morgen nach Hause fahren."

    „Was, schon wieder? Du warst doch erst vor zwei Wochen."

    „Na ja, meine Mutter…"

    „Mama klammert, feixte Konrad, „Kannst du ihr nicht klar machen, dass unsere Arbeit wichtiger ist?

    „Ich komme Sonntag nicht so spät zurück. Vielleicht können wir dann an der Sache weitermachen."

    „Sonntagabend? Nicht optimal, aber wenn`s nicht anders geht. Wie sieht es bei dir aus, Babs?"

    „Ist okay. Wir können uns ab 17.00 Uhr bei mir treffen."

    Wenige Minuten später kam auch Birgit mit einigen weiteren Kommilitonen herein. Das Gespräch driftete ab ins Allgemeine, worüber Steffi ziemlich froh war. Irgendwie hatte sie auch etwas zu verdauen….

    Als sie mit Birgit nach Hause ging, hielt sie es nicht mehr aus.

    „Wir müssen Babs in nächster Zeit ein bisschen aufmuntern."

    „Wieso? Ist etwas passiert?" In kurzen Worten gab sie das Gespräch wieder, verschwieg aber beharrlich, wie sehr es sie selbst getroffen hatte. Obwohl sie Henno auch die ganze Zeit nicht mehr gesehen hatte, spukte er doch immer wieder in ihrem Kopf herum. Was war sie doch für ein dummes Huhn!

    Birgit nahm es gelassen. „Wir schleppen sie öfter mit in eine Disco, schlug sie vor. „Wäre doch gelacht, wenn wir sie nicht auf andere Gedanken brächten. Aber du bist ja am Wochenende nicht da!

    „Ich will Sonntag nicht zu spät zurück sein. Babs, Konrad und ich müssen uns zusammensetzen wegen unserer Semesterarbeit in Geschichte."

    Birgit klopfte ihr auf die Schultern. „Nutze diese Gelegenheit, um mit deiner Mutter zu reden. Du brauchst an den Wochenenden mehr Zeit für deine Arbeit mit den Kommilitonen. Das sieht bestimmt auch sie ein! Hey, ist das nicht Volker, der uns da entgegenkommt?"

    Er war es tatsächlich. Als er sie sah, beschleunigte er seine Schritte.

    „Hallo, ihr zwei. Ich wollte euch einen Besuch abstatten, aber ihr wart nicht da. Schön, dass ich euch jetzt treffe!"

    „Du strahlst so. Gibt es etwas Besonderes?"

    Lachend hob er eine Tasche hoch, in der er eine Flasche Sekt trug.

    „Ich habe einen Studienplatz für Medizin. Das wollte ich mit euch feiern!"

    Birgit fiel ihm um den Hals und gab ihm einen freundschaftlichen Kuss auf die Backe.

    „Das ist ja toll!"

    Auch Steffi freute sich aufrichtig. Sie wusste, wie sehr er gehofft hatte, über das Nachrückverfahren sein Traumstudium starten zu können. Er hatte lange warten müssen und halbherzig ein Romanistikstudium begonnen. Aber sein Ziel war es immer gewesen, die Kinderarztpraxis seines Vaters zu übernehmen, die in einer kleinen Ortschaft in der Nähe von Steffis und Birgits Heimatstadt lag.

    Gemeinsam gingen sie zu dem großen Wohnhaus und dann gleich in Steffis Zimmer, wo sie als Gastgeberin drei Gläser auf den Tisch stellte. Volker ließ den Korken knallen und schenkte gleichmäßig ein.

    „Auf dein neues Studium", prostete Birgit ihm zu.

    Auch Steffi strahlte ihn an. Plötzlich war die ganze Enttäuschung über Babs`Eröffnung wie weggeblasen. Volker erschien ihr wie in einem anderen Licht und es tat ihr wirklich leid, dass sie ihn sich so auf Abstand gehalten hatte. Sie beobachtete ihn über ihr Glas hinweg und stellte fest, dass er eigentlich ganz gut aussah und eine sehr positive Atmosphäre verbreitete. Warum bloß war ihr das vorher nicht aufgefallen?

    Die Stimmung wurde immer besser, doch irgendwann schaute Birgit auf die Uhr und erhob sich. „Sorry, aber ich muss mich zurückziehen. Morgen geht`s früh los, und an der Kasse brauche ich meine ganze Konzentration."

    Nachdem sie das Zimmer verlassen hatte, räusperte Volker sich. „Macht es dir was aus, wenn ich noch ein bisschen bleibe?"

    „Nein, überhaupt nicht. Ich freue mich so für dich, dass es endlich geklappt hat."

    „Ich wollte aber eigentlich etwas anderes mit dir besprechen! Es geht um die Party bei Babs."

    Steffi blickte verlegen auf ihr Glas. Sie hatten sich seither nicht mehr gesehen und sie hatte schon das Gefühl gehabt, Volker habe das Gelände der PH und insbesondere die Studiosusklause gemieden. Jetzt wartete sie gespannt auf seine nächsten Worte.

    „Also …ich meine… also es geht um Babs` Party. Ich habe das Gefühl, dich irgendwie verletzt zu haben. Falls das der Fall sein sollte, möchte ich mich entschuldigen."

    „Nein, so war es nicht, sagte Steffi schnell. „Mir ging es bloß nicht so gut. Es tut mir leid, dass wir uns so missverstanden haben!

    Er griff nach ihrer Hand. „Steffi, du weißt, wie sehr ich dich schätze. Ich würde gerne mehr Zeit mit dir verbringen."

    „Ich mag dich auch sehr gerne. Aber irgendwie brauche ich noch ein bisschen Zeit. Birgit…"

    Er unterbrach sie lachend. „Ich weiß, ich weiß. Ihr zwei seid nur im Doppelpack zu haben."

    „Nein, so ist es nicht! Aber wir wollen schon … wie soll ich sagen… unsere Freundschaft ist mir sehr wichtig!"

    „Ich habe auch Freunde, die mir wichtig sind. Keineswegs will ich dich total vereinnahmen. Aber ich muss wissen, ob es überhaupt eine Chance für uns gibt."

    Sie atmete tief aus.

    „Ja, antwortete sie schließlich, „ich glaube schon. Aber morgen muss ich erst einmal nach Hause fahren und etwas regeln. Können wir uns nächste Woche einmal abends treffen?

    „Ich kann Montagabend vorbeikommen."

    „Okay, Montagabend passt mir auch. Gegen 19.00 Uhr?"

    Volker erhob sich und zog sie an sich heran. Zärtlich drückte er ihr einen Kuss auf die Stirn. „Ich werde pünktlich sein. Gute Fahrt dann erst mal."

    Nachdem er gegangen war, setzte Steffi sich erst einmal auf ihr Bett und grübelte. Vielleicht wartete sie auch auf die Schmetterlinge im Bauch, die sich nicht einstellen wollten.

    „Mal sehen, was Birgit zu der Situation sagt", dachte sie schließlich und beschloss, erst einmal über die Angelegenheit zu schlafen.

    Kapitel 6

    Es war gegen 14.00 Uhr am Sonntag, als Steffi die Rückfahrt antrat. Ihre Mutter hatte ihr noch den halben Sonntagskuchen eingepackt und stand nun zusammen mit ihrem Vater am Gartentor, um ihr noch nachzuwinken.

    Das gefürchtete Gespräch hatte stattgefunden, aber es war ganz anders verlaufen, als Steffi es sich vorgestellt hatte. Ihre Eltern hatten ausgesprochen verständnisvoll reagiert, ihre Mutter hatte ihr sogar zu verstehen gegeben, dass es sie überrascht hätte, weil sie brav alle zwei Wochen nach Hause gekommen wäre, wo sie doch so einen netten Bekanntenkreis unter ihren Kommilitonen gefunden habe. Im Nachhinein kam Steffi sich geradezu bescheuert vor. Wie war sie nur auf den Gedanken gekommen, dass es ein Problem mit ihrer Mutter geben könnte? Birgit hatte einmal gesagt, ihr Verhältnis zu ihren Eltern sei durch vorauseilenden Gehorsam geprägt. Das hatte sie damals ziemlich geärgert, doch jetzt überlegte sie sich, ob das nicht vielleicht wirklich ihr Problem war. Immer war sie bemüht, anderen alles recht zu machen, in erster Linie aber ihren Eltern.

    Birgit lag auf ihrem Bett und las einen englischen Roman, als sie in ihr Zimmer schaute.

    „Bist du schon zurück? fragte sie und setzte sich auf. „Ich habe erst viel später mit dir gerechnet.

    „Lust auf ein Stück Kuchen? fragte Steffi anstelle einer Antwort. „Wir können noch gemeinsam Kaffee trinken, ehe ich zu Babs fahre.

    „Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Ich kann gut eine Pause gebrauchen."

    Während Steffi in ihrem Zimmer den Tisch deckte, Schnellkaffee bereitstellte und den Kuchen aufschnitt, las Birgit ihr Kapitel zu Ende und kam dann gutgelaunt herüber.

    „Na, wie war dein Besuch? fragte sie und griff gierig nach einem Stück Kuchen. „Vor lauter Büffeln bin ich noch gar nicht zum Essen gekommen. Mmh, die Backkünste deiner Mutter sind einfach genial.

    „Tja, auf den Kuchen werden wir jetzt öfter verzichten müssen", lachte Steffi, dann erzählte sie kurz von dem, was sie zu Hause erlebt hatte.

    „Deine Mutter ist doch immer wieder für eine Überraschung gut, meinte Birgit. „Aber was ist der Kuchen gegen deine Freiheit?

    Steffi schluckte. „Ich habe noch etwas auf dem Herzen. Es geht um Volker."

    „Ja? Was ist mit ihm, außer dass er über beide Ohren in dich verliebt ist?"

    „Nun, er hat gefragt, ob aus uns was werden kann."

    „Und was hast du ihm geantwortet?"

    „Dass ich noch ein bisschen Zeit brauche. Weißt du, ich mag ihn wirklich gerne, aber ich …"

    „Du bist dir nicht sicher? Mensch, Steffi, wenn du das nicht ausprobierst, wirst du die Sicherheit nie kriegen! Volker ist so ein netter Kerl, ich glaube, er passt gut zu dir."

    „Meinst du wirklich?"

    „Natürlich, sonst würde ich es doch nicht sagen! Was hast du denn für Zweifel?"

    Steffi zuckte die Schultern. „Keine Ahnung. Vielleicht ist es die Angst, dass unsere Freundschaft darunter leidet."

    Birgit fing laut an zu lachen. „Was soll das denn? Hat unsere Freundschaft etwa unter meiner Beziehung zu Peter gelitten? Also eines kann ich dir sagen: Wenn ich einen tollen Typen kennen lerne, werde ich mich auf ihn einlassen, ohne um unsere Freundschaft zu bangen. Nur ist im Moment keiner in Sicht, der mich ernsthaft interessiert."

    „Du hast gut reden, dachte Steffi, „Dir laufen ja eh fast alle hinterher.

    Aber den Gedanken behielt sie für sich. Stattdessen schaute sie auf die Uhr.

    „Ich muss los. Konrad und Babs warten auf mich."

    Birgit erhob sich und nahm sie freundschaftlich in den Arm. „Also weg mit dir. Wir können heute Abend noch ein bisschen quatschen, wenn dir danach ist. Jetzt will ich auch noch die Zeit nutzen, um mich auf mein morgiges Englisch-Seminar vorzubereiten."

    Im Nachhinein empfand Steffi den Rest des dritten Semesters als die beste Zeit ihres Lebens. Nachdem sie dank der Gespräche mit Birgit in Bezug auf Volker eine Entscheidung getroffen hatte, verlief alles sehr harmonisch und sie fühlte sich geradezu geborgen. Sie unternahmen nach wie vor viel innerhalb der Clique, manchmal gingen sie auch nur in Begleitung von Birgit in eine Disco, aber da diese sich sehr gut als Single amüsieren konnte, hatte Steffi ihr gegenüber nie ein ungutes Gefühl. Der einzige Unterschied zu vorher war, dass Volker anschließend öfter bei ihr übernachtete.

    Ihre Eltern waren ebenfalls sehr angetan von ihm, als sie ihn vorstellte. Wochenendbesuche machte sie nur noch selten. Sie sprach sich immer mit Volker ab, wenn dieser auch nach Hause fuhr, und dann übernachteten sie jeweils bei der eigenen Familie, besuchten sich aber auch gegenseitig. Volker hatte noch drei jüngere Geschwister, was Steffi sehr genoss, war es doch ein ziemlicher Gegensatz zu ihrer Einkindfamilie.

    An dieses Semester schloss sich ein vierwöchiges Praktikum an.

    Birgit musste sich eine Schule in einem ländlichen Gebiet aussuchen, Steffi eine Realschule. Aus diesem Grunde war es klar, dass sie in unterschiedlichen Gebieten ihre ersten längeren Unterrichtserfahrungen machen würden.

    „Kommst du nach deinem Praktikum nach Hause? fragte Steffi. „Wenn du Lust hast, können wir eine gemeinsame Kurzreise unternehmen.

    Birgit schüttelte den Kopf.

    „Nach dem Zoff beim letzten Besuch habe ich wenig Lust, meinen Vater so bald wiederzusehen. Ich habe bei Wertkauf nachgefragt, ob ich einige Wochen in den Semesterferien einen Job an der Kasse kriegen kann und eine Zusage bekommen. Dann kann ich mir einiges dazuverdienen und mir eventuell noch einen Englandaufenthalt finanzieren."

    „Dann sehen wir uns ja ewig nicht mehr!"

    „Ewig ist ganz schön übertrieben! Wenn das Sommersemester beginnt, sind wir alle wieder hier. Außerdem kannst du die Zeit mit Volker so richtig genießen."

    Darauf erwiderte Steffi nichts. Natürlich hatte Birgit Recht, aber für sie war eigentlich die Kombination mit Volker und Birgit ideal. Waren ihre Vorstellungen doch etwas zu egoistisch? Ganz gewiss musste Birgit ihren Weg gehen und konnte nicht immer Rücksicht auf ihre Belange nehmen, und ein Englandaufenthalt war in ihrem Falle unerlässlich, weil sie Englisch neben Sport als Schwerpunktsfach hatte.

    An diesem Abend hatten sie sich mit einigen Kommilitonen in der Studiosusklause verabredet. Volker hatte einen Termin an seiner Fakultät, er würde nicht kommen. Da das Hauptthema das bevorstehende Praktikum sein würde, wäre es für ihn auch nicht sehr interessant gewesen.

    Als sie eintraten, waren schon eine Menge Bekannte da. Babs saß an der Stirnseite des Tisches und sprühte nur so vor Lebenslust. Als Steffi sie sah, fiel ihr plötzlich wieder der Abend ein, als sie ihr das Herz ausgeschüttet hatte. Offensichtlich hatte sie sich von dem Thema Henno vollständig erholt.

    „He! rief Petra plötzlich. „Am Samstag ist die Abschlussfete an der Technischen Uni. Hat jemand Lust dorthin zu gehen?

    „Warum nicht? meinte Birgit sofort. „Für mich ist das eine schöne Abwechslung nach einem Tag an der Kasse. Was meinst du, Steffi? Volker ist doch sicher auch mit dabei.

    Steffis Blick ruhte noch immer auf Babs, deren gute Laune plötzlich wie weggeblasen war.

    „Gehst du mit?" fragte sie statt einer Antwort.

    Wie erwartet schüttelte Babs den Kopf. „Ich bin an diesem Wochenende gar nicht da", antwortete sie nach einer kurzen Pause.

    Natürlich fanden sich eine ganze Menge, die beschlossen, gemeinsam dieses Event zu besuchen. Aber Steffi hielt sich zurück. Irgendwie fühlte sie sich mit Babs solidarisch und

    hätte es als Verrat empfunden zum Ball an Hennos Fakultät zu gehen und ihm dabei womöglich über

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