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Mord und andere Scherereien
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eBook163 Seiten2 Stunden

Mord und andere Scherereien

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Über dieses E-Book

Erfahrungen (und damit verbundenes Wunschdenken), unschöne Realitäten und eine große Portion Fantasie haben zur Entstehung dieser sieben Krimi Kurzgeschichten beigetragen. Verbrechen geschehen jeden Tag. Bedauerlicherweise wird nicht jedem Täter eine gerechte Strafe zuteil. Da wäre es doch durchaus vorstellbar, dass ein Opfer zum Täter, und derselbige zum Opfer werden kann. Grundsätzlich verdient ein Opfer Mitleid und Bedauern, wohingegen ein Täter lediglich Unverständnis und Abscheu empfangen sollte. Ob in diesen Geschichten vielleicht auch der eine oder andere Täter Sympathien genießen darf, muss ein jeder für sich selbst entscheiden.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum21. Sept. 2013
ISBN9783847654186
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    Buchvorschau

    Mord und andere Scherereien - Sylvia Giesecke

    Der Leuchtturmwärter

    Valentin Fröhlich gehörte, trotz seines vielversprechenden Namens, zu der Sorte Menschen, die vom Leben mit einer kontinuierlichen Regelmäßigkeit gefickt wurden. Sein Vater war Pfarrer in einer ländlichen Gegend. Für ihn gehörte die körperliche und seelische Züchtigung seines Sohnes zum täglichen Brot. Im Hause Fröhlich herrschten strenge Regeln und jeder Verstoß wurde umgehend und hart bestraft. Wenn Valentin etwas ausgefressen hatte, schickte sein Vater ihn in den Garten, um eine dünne Weidenrute vom Baum zu schneiden. Diese schlug er ihm dann mehrfach auf sein entblößtes Hinterteil. Manchmal steckte er seinen Sohn in eine enge Holzkiste, in der Valentin zumeist viele Stunden verweilen musste. Seine Mutter hatte nicht die Kraft sich gegen ihren herrischen Mann zu wehren. Sie ließ die Dinge einfach nur weinend geschehen. Ein einziges Mal hatte Valentin tatsächlich versucht, sich zu wehren. Allerdings gewann sein Vater bei dem Gerangel recht schnell die Oberhand, schlug und trat ihn zusammen und ritzte ihm am Ende noch ein Kreuz in die Brust. Von da an versuchte Valentin, jegliche Fehler zu vermeiden.

    Kurz nach Beendigung seiner Lehre zum Bankkaufmann lernte er die wunderschöne Patrizia Kroll kennen und lieben. Die beiden bezogen eine sonnige Wohnung am Stadtrand und bereits ein Jahr später wurden ihre Zwillinge Flora und Lydia geboren. Valentin liebte Kinder über alles und dankte dem Herrgott für dieses wundervolle Geschenk. Seit jeher hatte er sich eine große Familie mit mindestens fünf Kindern gewünscht. Kinder, die Kinder sein durften, wirklich fröhlich waren und niemals irgendeine Form von Züchtigung erfahren sollten. Valentin selbst war der glücklichste Mensch auf Erden und hoffte, dass es auf ewig so bleiben würde. Doch das Schicksal hatte andere Pläne.

    Die Geburt seines ersten Sohnes kündigte sich an einem verregneten Novembermorgen an. Er schnallte die Zwillinge in ihren Kindersitzen fest, half seiner Frau beim Einsteigen und machte sich auf den Weg in die Innenstadt. Um Zeit zu sparen, fuhr er auf die Autobahn. Es goss in Strömen, die Scheibenwischer konnten die Wassermassen kaum bewältigen. Valentin war stets ein sehr besonnener Fahrer, ganz besonders dann, wenn er seine wertvollste Fracht an Bord hatte. Aber an diesem verhängnisvollen Tag trieb ihn das Wimmern seiner Frau zur Eile an. Er wechselte auf die Überholspur, um an einer Reihe Lastwagen vorbeizuziehen. Plötzlich scherte einer von ihnen aus. Valentin trat auf die Bremse. Der Kombi geriet ins Schlingern, überschlug sich und krachte mit ziemlicher Wucht in den Lkw. Valentin verspürte einen stechenden Schmerz, dann wurde es auf einen Schlag still.

    Als er wieder zu sich kam, blickte er in die verweinten Augen seiner Schwiegermutter. „Magda, … was, … was ist passiert?"

    Sie schluchzte in ihr Taschentuch, „Sie sind tot, … alle sind tot."

    Valentin war zu keiner Regung fähig. Sein Leben hatte innerhalb einer Sekunde jeglichen Sinn verloren.

    Er wurde depressiv, schmiss seinen Job und verfiel dem Alkohol. Von da an wurde sein jämmerliches Dasein ausschließlich von Aggressionen, Wut und literweise Whisky bestimmt. Wenn ihm etwas nicht passte, dann schlug er eben einfach zu. In drei seiner Stammkneipen hatte er bereits Hausverbot, aber glücklicherweise gab es ja noch genügend andere Spelunken. In einem dieser verwahrlosten Etablissements lernte er Paula kennen. Sie war eine ziemliche Schlampe, die für einen doppelten Whisky auch gern mal die Beine breitmachte. Er nahm sie hart und heftig auf dem Männerklo, woraufhin sie ihm ewige Treue schwor. Schließlich war Valentin kein hässlicher Kerl. Groß, schlank, braune Augen, braunes lockiges Haar und ein, zu diesem Zeitpunkt, etwas ungepflegter Vollbart. Er empfand keine Liebe für Paula, aber als Saufkumpanin war sie ganz okay. Außerdem eignete sie sich hervorragend zur gelegentlichen Befriedigung seiner männlichen Bedürfnisse. Dann wurde Paula schwanger und sie versuchten, ihr Leben wieder halbwegs in den Griff zu bekommen. Auch wenn er sie nicht wirklich liebte, freute er sich dennoch auf das Kind, das sie unter dem Herzen trug. Während Paula dem Alkohol vollkommen entsagte, ließ Valentin es ab und zu doch noch mal richtig krachen. Mit dem Baby in ihrem Bauch wuchs auch Paulas Bedürfnis nach einem normalen Familienleben. Sie hasste es, wenn er betrunken aus der Kneipe kam, und stellte ihn schon bald vor die Wahl. Anstelle einer Antwort bekam sie eine schallende Ohrfeige. Als er drei Tage später von seiner Kneipentour nach Hause kam, hatte sie sich klammheimlich aus dem Staub gemacht. Valentin drohte durchzudrehen. Er zertrümmerte das gesamte Mobiliar, soff drei Tage und Nächte durch und fand sich schließlich in einer Ausnüchterungszelle wieder. So konnte es definitiv nicht weitergehen. Irgendwo da draußen gab es eine Frau, die ein Kind von ihm erwartete und er war nicht bereit, auf dieses Kind zu verzichten. Er beschloss sie zu suchen, um seine Rechte einzufordern. Nach einer geradezu mörderischen Entziehungskur und einem Jahr erfolgloser Suche gab er völlig frustriert auf. Er hatte keine Lust mehr einem Glück hinterher zu rennen, das augenscheinlich nicht für ihn bestimmt war. In ihm wuchs ein Bedürfnis nach Ruhe und Abgeschiedenheit. Er wollte ein Leben ohne Frauen, ohne Kinder, ohne Verlustängste und ohne den damit verbundenen Schmerz. Vielleicht würde er sich einen Hund anschaffen, um sich mit ihm ein Plätzchen irgendwo im Nirgendwo zu teilen.

    Kommissar Zufall kam ihm zu Hilfe und ließ ihn einen vielversprechenden Artikel in einer renommierten Tageszeitung entdecken. Dort war die Rede von einer kleinen malerischen Insel vor der Atlantikküste, für die man händeringend einen neuen Leuchtturmwärter suchte. Geboten wurden ein kleines Gehalt sowie freie Kost und Logis. Mangelnde Sprachkenntnisse würden keinerlei Problem darstellen. Valentin machte sich sofort auf den Weg. Dieses Mal meinte das Schicksal es offensichtlich gut mit ihm, denn er bekam den Job tatsächlich. Als er die kleine Felseninsel betrat, durchfuhr ihn ein unbeschreibliches Glücksgefühl. Er war sich sicher, endlich angekommen zu sein.

    Direkt neben dem Leuchtturm stand ein kleines Häuschen mit angrenzendem Garten. Dort fand er alles, was sein bescheidenes Herz begehrte. Eine gut ausgestattete Wohnküche, ein Schlafzimmer und ein winziges Bad mit Dusche. Bis auf ein altes Fernseh- und ein noch älteres Funkgerät gab es keinerlei Luxus, aber alles wirkte sehr sauber und gepflegt. Einmal in der Woche kam das Postschiff vorbei, um ihn mit allem Notwendigen zu versorgen. Und wenn er doch mal das Bedürfnis nach Gesellschaft verspüren sollte, konnte er, mit der am Steg befestigten Nussschale, ans Festland tuckern. Da die Pflege und Instandhaltung des Leuchtturms nicht übermäßig viel Zeit in Anspruch nehmen würde, durfte er das süße Nichtstun also in vollen Zügen genießen.

    Nachdem er sich häuslich eingerichtet hatte, machte er sich daran die Insel zu erkunden. Aber bis auf ein Miniwäldchen, auf der gegenüberliegenden Seite, gab es nichts außer Felsen und Steine. Direkt neben dem Wäldchen entdeckte er einen Steinhaufen mit einem verwitterten Holzkreuz. Vermutlich hatte hier irgendein Vorgänger sein Haustier zur letzten Ruhe gebettet. Valentin setzte sich auf einen der größeren Felsen, blickte nachdenklich auf das im Sonnenlicht glitzernde Meer und fasste einen Entschluss. Ein Haustier kam für ihn nicht mehr infrage, er hatte keine Lust sich sein herrliches Paradies von irgendeinem Vieh vollscheißen zu lassen. Da blieb er doch lieber alleine. Kurz vor Sonnenuntergang machte er sich auf den Rückweg. Sein Magen verlangte lautstark nach etwas Essbarem und sein Kühlschrank war gut gefüllt. Er haute sich ein paar Eier in die Pfanne, schnitt etwas Weißbrot ab und genehmigte sich ein halbes Glas von dem roten Wein. Seit dem Entzug trank er keine harten Sachen mehr, nur hin und wieder mal ein Gläschen Wein. Erstaunlicherweise hatte er seinen Alkoholgenuss gut unter Kontrolle und so sollte es zukünftig auch bleiben. Er stellte das Fernsehgerät an und machte es sich auf dem Sofa bequem. Irgend so ein alter schwarz-weiß Schinken flimmerte über den Bildschirm. Er lag einfach so da und freute sich auf sein neues, unbeschwertes Leben. Und falls er doch mal einen Hauch von Langeweile verspüren sollte, konnte er sich ja auch spontan als Autor oder Maler versuchen. Einen Titel hatte er schon: Das Leben des Valentin F., Autobiografie eines großartigen Leuchtturmwärters. Er kicherte, „Das wird garantiert ein Bestseller." Da er das Gebrabbel im Fernsehen sowieso nicht verstand, beschloss er zu Bett zu gehen. Die Anreise hatte ihn schon ein wenig geschlaucht, außerdem wollte er seinem ersten offiziellen Arbeitstag fit und ausgeschlafen entgegentreten. Also tat er, was getan werden musste. Er schlug das Bett auf, legte sich hinein und fiel schon bald in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

    ***

    Inzwischen kannte er jeden verfluchten Stein auf dieser Insel und die Einsamkeit setzte alles daran, ihn langsam aber sicher aufzufressen. Nach über sechs Jahren selbst auferlegter Verbannung beschloss er, seinem Martyrium ein Ende zu bereiten und sich endlich mal wieder unter Menschen zu begeben. Er ließ die frisch gestrichene Rosine zu Wasser und steuerte sehnsüchtig und erwartungsvoll das Festland an. Einen ganzen Tag lang genoss er das Treiben in der kleinen Hafenstadt. Er schaute sich ein paar Sehenswürdigkeiten an, besuchte den mit Touristen überschwemmten Wochenmarkt, aß in einer gemütlichen Taverne zu Mittag und kaufte ein paar nützliche Dinge ein. Auf dem Rückweg gab der Motor seinen Geist auf. Obwohl seine Arme vom anstrengenden Rudern furchtbar schmerzten, wollte er möglichst bald in das hübsche kleine Hafenstädtchen zurückkehren. Doch die ständig vorherrschende Lethargie machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Höchstens einmal im halben Jahr schaffte er es, seiner Unlust Paroli zu bieten und seinen Plan auch tatsächlich in die Tat umzusetzen.

    ***

    An diesem Donnerstag war es unangenehm schwül. Valentin schlenderte gelangweilt über den wie immer gut besuchten Marktplatz. Ihm fiel ein blondes Mädchen auf, welches sich suchend durch die Menschenmassen schob. Ihre verweinten Augen ließen vermuten, dass sie den Anschluss zu ihrer Familie verloren hatte. Als sich ihre Blicke trafen, lächelte er. Sie hielt kurz inne und Valentin verspürte ein großes Verlangen, sich ihrer anzunehmen. Möglicherweise verstand sie ihn ja gar nicht, aber das würde er schnell herausfinden. „Hey, hallo."

    Sie wischte sich mit dem Handrücken quer durchs Gesicht, „Hallo."

    „Warum weinst du, … was ist denn passiert?"

    „Ich habe meine Eltern und meine Geschwister verloren und kann sie nicht mehr wiederfinden."

    Er gab sich betont nachdenklich, „Moment mal, bist du nicht die kleine, … die kleine …"

    „Maja, mein Name ist Maja."

    Er wusste nicht genau, welcher Teufel ihn gerade ritt, ließ ihn aber dennoch gewähren, „Man, da bin ich aber froh, dass ich dich gefunden habe. Deine Eltern suchen dich bereits."

    In ihren großen braunen Augen spiegelte sich eine gewaltige Portion Hoffnung wieder, „Weißt du, wo sie sind?"

    „Aber sicher doch. Komm mit, ich bringe dich zu ihnen."

    Vertrauensvoll legte sie ihre kleine Hand in die Seine und die beiden machten sich auf den Weg zum Hafen. Dort angekommen wurde sie etwas stutzig und schaute sich suchend um, „Wo sind denn meine Eltern?"

    Er deutete aufs Meer, „Wir müssen rüber zur Leuchtturminsel. Deine Eltern haben befürchtet, dass du ins Wasser gefallen sein könntest, und suchen dich deshalb mit einem Boot. Wenn du lieber hier auf sie warten willst, ist das auch in Ordnung, aber …"

    „Nein, ich will nicht alleine bleiben, ich komme lieber mit."

    Frei von jeglichen Skrupeln nutzte Valentin ihre kindliche Naivität und ihre Verzweiflung für seine niederen Zwecke. Obwohl er eigentlich gar nicht wirklich wusste, was er mit ihr anfangen sollte, spielte er sein übles Spiel. Wenn sie erst mal auf der Insel waren, würde ihm schon irgendetwas einfallen. Zumindest musste er zukünftig nicht mehr unter dieser zerstörerischen Einsamkeit leiden und diese Tatsache rechtfertigte sein Handeln allemal.

    Die Kleine wurde unruhig, „Wo ist denn das andere Boot?"

    Valentin hob sie auf den Steg, „Das liegt auf der gegenüberliegenden Seite der Insel, aber deine Eltern warten oben im Leuchtturm auf dich." Er befestigte die Haken des kleinen Krans, um die Rosine aus

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