Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Das Böse bleibt!: Der Lüge zweiter Teil
Das Böse bleibt!: Der Lüge zweiter Teil
Das Böse bleibt!: Der Lüge zweiter Teil
eBook340 Seiten5 Stunden

Das Böse bleibt!: Der Lüge zweiter Teil

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Seit Coline von Johanna dazu verdammt wurde, ewig zu leiden, suchte sie einen Weg diesen Bann schmerzfrei zu brechen.
Doch erst nach Jahrzehnten treten zwei Menschen in ihr Leben, die sie dermaßen in Rage versetzen, dass ihre ganze Wut herausbricht. Diese Beiden treiben Coline dazu, den Spieß umzudrehen und all ihre Peiniger so bestialisch zu foltern, dass der Tod eine Gnade wäre. Wer diesen Blutrausch überlebt entscheidet nur einer allein: COLINE!!!
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum30. Dez. 2015
ISBN9783738053012
Das Böse bleibt!: Der Lüge zweiter Teil

Ähnlich wie Das Böse bleibt!

Ähnliche E-Books

Thriller für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für Das Böse bleibt!

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Das Böse bleibt! - Patrice Parlon

    Auf ein Neues!

    Jeden Tag die gleiche Prozedur. Aufstehen, eine Runde durch das Haus wandeln, etwas Gartenarbeit und danach im Flurfenster des ersten Stockes, genau über der Haustür sitzen bleiben - bis zum Einbruch der Nacht. Anschließend wieder zum Schlafplatz gehen und die ganze Nacht ziellos in die Schwärze starren. So verbrachte Coline seit Jahren den Großteil ihrer Zeit. Sie aß nicht, schlief nicht und mied die Menschen. Nur alle Jubeljahre nahm sie Kontakt zur Außenwelt auf. Das machte sie jedoch nur unter Zwang. Sie fand es angenehmer allein zu sein und das nicht grundlos, denn sie war kein Mensch mehr – keiner aus Fleisch und Blut. Das verdankte sie einer grausamen Furie namens Johanna! Sie brauchte nur wenige Jahre, um Coline zu zerstören. Einzig und allein ihre Knochen durfte sie behalten und das im wahrsten Sinne. Dennoch starb sie nicht. Ihr blieb nur ein Weg in den Tod, den sie nicht gehen wollte. Das zwang sie, ihre Nachkommen vor dem gleichen Schicksal zu bewahren, bis der Fluch endgültig gebrochen war.

    Colines Martyrium begann mit einem einfachen Buch, das Johanna zutiefst beleidigte. Darin unterstellte sie ihr, willkürlich auf andere einzuschlagen, sie regelrecht zu foltern und gnadenlos zu jagen. Johanna zerrte sie vor Gericht und verlor den Prozess, worauf sie Coline die Umsetzung des Buches androhte, es sei denn sie gestand ihre Verleumdung. Coline genoss es zu provozieren. Da sie immer weiter stichelte, entschied Johanna, den Drohungen Taten folgen zu lassen. Sie nahm das Buch als Vorlage, um Coline zu brechen. Schnell zeigte sich, dass es nicht so einfach war. Es fing an wie es Coline niederschrieb und wurde letztendlich wesentlich schlimmer. Johanna dachte sich immer neue und grauenvollere Methoden aus, aber nicht eine brachte den gewünschten Effekt. Mit der Zeit erkannte Coline, dass sie nur dauerhaft widerstehen konnte, wenn sie sich auch auf das Buch einließ. Noch zweifelte sie an der Geschichte, da ihr eben nur ein Fluch das Leben rettete. Das änderte sich schlagartig als ihr Gevatter Tod erschien und den Fluch als Ausweg bot. Seitdem schützte sie ein Ring, graviert mit sieben Zeichen. Dieses kleine metallische Stück hielt sie am Leben, ganz gleich was ihr passierte, selbst nachdem ihr Körper bis auf die Knochen zerstört wurde! Durch den Ring hätte sie sich jederzeit einen anderen Leib beschaffen können. Da ihr aber immer noch ihr Skelett blieb, verzichtete sie vorerst auf einen Mord, denn der Vorbesitzer müsste sterben, wenn sie den Körper dauerhaft behalten wollte.

    Coline begnügte sich mit einem künstlichen Leib aus Silikon, in dem ihre Knochen steckten. Er war ein Geschenk ihrer Tochter Jessica. Nur leider wirkte sie damit wie eine Schaufensterpuppe. Starr und ausdruckslos. Für sie war das aber immer noch erträglicher, als einen Unschuldigen zu ermorden. Jessicas Geschenk war mehr als teuer, es ruinierte sie. Coline wollte ihr wieder auf die Beine helfen, so bediente sie sich der einzigen Geldquelle, die ihr blieb. Trotz heftigster Zweifel kehrte sie in ihr Gefängnis zurück. Dort erwarte sie mehr, als sie verkraften konnte. Ihr Erscheinen erweckte Johanna zu neuem Leben. Als sie sich trennten, lag sie im Sterben. Da ihr aber ein schmerzhaftes Ende bevorstand, schloss sie einen eigenen Pakt mit dem Tod, der einige Bedingungen daran knüpfte. Unter anderem konnte sie nur dann schmerzfrei sterben, wenn Coline niemals wieder zurückkehrte. Johanna schlug ein, weil sie sich nicht vorstellen konnte, dass es jemals dazu kommen würde. Aber Coline machte ihr einen Strich durch die Rechnung! Allein dadurch schürte sie Johannas unbändigen Hass und entfachte ihren Blutdurst erneut. Doch trieb sie nicht allein das an. Sie folgte zu allererst ihrem Pakt mit dem Tod. Er verpflichtete sie, Colines Nachkommen der gleichen Folter zu unterziehen, bis der Fluch endgültig gebrochen war. Jessica kam als Erste dran. Johanna ließ Coline im Glauben, dass sie ewig leiden würde und ihr niemand helfen könnte. Jahre später kehrte sie mit ihrem nächsten Opfer zurück. Coline nutzte die Gelegenheit und überlistete sie. So vereitelte sie den Plan, Jessicas Tochter Carina zu foltern. Dazu fiel ihr nur ein Weg ein. Allerdings hielt es Johanna nicht dauerhaft auf. Also beschloss Coline, ihr immer wieder zuvor zu kommen. Sobald es ein neues, potenzielles Opfer gab, sorgte sie dafür, dass es keines wurde. Im Grunde war es eine gute Idee, doch Johanna wusste sich zu helfen. Sie nahm den schnellen Tod ihrer neuen Opfer eher in Kauf, als Coline zu verschonen. Somit improvisierte Coline. Sie sorgte erst einmal dafür, dass ihre Nachkommen nicht restlos verflucht werden konnten. Anschließend sucht sie ein sicheres Versteck für sie. Johanna musste geduldig abwarten, bis es einen weiteren Nachkommen gab. Erst dann hatte sie die Chance an sie heranzukommen. Coline hatte ein ähnliches Problem. Sie wusste zwar, wo sich der letzte Nachkomme befand, aber alle anderen verschwanden spurlos. Sie konnte erst wieder Kontakt aufnehmen, wenn Johanna ein neues Opfer im Visier hatte. Colines Erfahrung nach zeigte sich Johanna, wenn ihr Zielobjekt das fünfundzwanzigste Lebensjahr vollendet hatte. Dann begann die Jagd.

    Nur zwei Jahre nachdem sie Johanna das letzte Mal aufgehalten hatte, beschloss Coline diesem ewigen Kampf ein Ende zu setzen. Doch dafür brauchte sie mehr Geld, denn ihre Reserven waren längst aufgebraucht, sodass ihr nur ehrliche Arbeit helfen konnte. Anders würde es nicht funktionieren, denn sie war ein schlechter Dieb. Ihr Entschluss stellte sie vor ein weiteres Problem. In ihrem Zustand war es schwer einen Job zu finden. Ihr starres Auftreten schreckte viele ab. Also musste sie wieder ein echter Mensch werden. Coline war nicht wählerisch und bediente sich einer namenlosen Leiche, um an eine fleischliche Hülle zu gelangen. Nur durch den Fluch konnte sie vom Skelett zum Menschen werden. Jedoch nur so lange, bis Johanna ihr nächstes Opfer entführte. Sie musste innerhalb von fünf Jahren so viel Geld verdienen, dass sie ihren letzten Kampf gewinnen konnte. Wieder ergab sich ein Problem. In welcher Branche würde sie Arbeit finden? Sie besann sich auf das, was sie einst erlernt hatte und suchte eine Stellung. Diese fand sie und begann ein neues Leben.

    Von Colines wahrer Vergangenheit bekam ihre neue Chefin nichts mit, jedoch erfuhr sie schnell vom Buch und dem Fluch. Sie war so erstaunt, eine Autorin unter ihren Arbeitern zu haben, dass sie ein Exemplar kaufte. Zum Lesen fehlte ihr jedoch immer die Zeit. Das übernahm ihr Lebensgefährte, der schockiert darüber Fragen stellte, die Coline mit Ausreden beantwortete. Schließlich hätte er die Wahrheit nie vertragen. Sie erfand einige Ausflüchte, um nicht zu viel zu verraten, da es keine weiteren Opfer geben sollte. Das machte ihr das Leben einfacher.

    So sehr sie sich auch anzupassen versuchte, mit jedem Jahr schwand ihre Bereitschaft, weiterhin dort zu arbeiten. Auch wenn sie unter ihren Kollegen eine fand, die ihr alles erträglich machte. Auch die Arbeit selbst war nicht das Problem, sondern nur die Chefetage. Woche um Woche wurde ihre Chefin unzufriedener. Immer öfter brüllte sie ihre Arbeiter nieder und drohte die Firma zu schließen. Die Stimmung wurde permanent schlechter. Noch arrangierte sich Coline mit der Situation, nur wie lange würde es noch gut gehen? Kirsten brachte immer mehr Unruhe in die Truppe, da sie jeden unterschiedlich, jedoch nicht gerecht, behandelte. Während die einen nur eine vorsichtige Ermahnung bekamen, wurden andere regelrecht zur Schnecke gemacht. Diese Ungerechtigkeit setzte Coline immer mehr zu, bis sie von Rachegedanken beherrscht wurde. Das Einzige, was ihr noch im Wege stand, war der Drang, ihrer uralten Pflicht nachzukommen. Das stellte sie vor ein neues Problem. Wie sollte sie ihrem jetzigen Leben den Rücken kehren? Zumal sie die finanziellen Mittel trotzdem brauchte. Noch schwieriger war es, alle menschlichen Kontakte abzubrechen. Die beinahe partnerschaftliche Beziehung zu zerstören tat am meisten weh. Das alles für einen wahren Albtraum aufzugeben, wollte wohl durchdacht werden. Sie musste eine Entscheidung treffen und beschloss, ein für alle Mal mit den Fehlern ihrer Vergangenheit abzuschließen. Also ging sie wie jeden Tag an die Arbeit. Sie saß mit ihren Kollegen in der Firma und erwartete den nächsten Anschiss. Immer drohte ein ohrenbetäubendes Gebrüll wegen Nichtigkeiten. Was würde es diesmal sein? Etwas vergessen oder kaputt gemacht und dann verschwiegen? Vielleicht war es auch das eigenmächtige Entscheiden vom Vortag! Sie war gespannt, immerhin bestand die winzige Chance auf einen entspannten Start in den Tag. Noch lachten und spöttelten alle, doch sobald Kirsten in Sichtweite war wurde es totenstill. Erwartungsvolle Blicke hafteten an der Tür. Da stand sie, die Frau, die seit Wochen nur noch schlecht gelaunt war. Ein halbwegs freundliches „ Guten Morgen entwich ihrer Kehle. Gleich darauf zogen sich ihre Mundwinkel weit nach unten. Sie schaute kurz in die Runde und einer nach dem anderen senkte den Kopf. Die erste bissige Frage ging an Coline, die gestern noch das anhaltende Piepsen des Betriebsfahrzeugs bemängelt hatte. „Was hat denn gepiepst? Natürlich mischte sich ihr Gefährte Tom ein und knurrte genervt, dass mit dem Auto alles in Ordnung sei. Aber er hätte den Hebel, der das letzte Mal schuld war nachgezogen, auch wenn nichts piepte. Wieder einmal fühlten sich Coline und ihre Kollegin als Lügner. Sie erinnerte Kirsten daran, dass sie Zeugen vorweisen konnten. Darauf kam prompt die Antwort: „Ich habe auch einen Zeugen, dass nichts gepiept hat!" Coline rollte die Augen. Warum nur machten sie sich die Mühe auf Mängel hinzuweisen? Sie bekam ja doch nur dumme Sprüche als Antwort. Auch die zweite Rüge galt ihr und ihrer Kollegin. Vorwurfsvoll forderte diese Furie eine Erklärung, warum sie ohne ihre direkte Zustimmung, den Anweisungen anderer gehorchten. Immerhin war sie Chef und brauchte einen offiziellen Auftrag, um die Bezahlung sicher zu stellen. Coline fragte sich, warum erst ausgehandelt wurde, dass die niederen Arbeiter entscheiden konnten, was noch zu erledigen war, wenn sie sich ja doch nicht daran hielt. Aber sie schwieg und sah kurz zu ihrer Kollegin hin. Sie war den Tränen nah, doch nicht aus Traurigkeit, sondern Wut. Immerhin war dies nicht der erste Anschiss des Jahres. Coline dachte augenblicklich darüber nach, wie sie sich revanchieren könnte. Da erkannte sie ihre Chance. Es gab eine ganz spezielle Methode, um ihrem Ärger Luft zu machen. Diesen Gedanken schrieb sie sofort in ihrer geheimen Schrift nieder, um den Frust vorerst loszuwerden. Nur so konnte sie sich auf die Umsetzung konzentrieren. Sie entschied, geduldig auf ihre Chance zu warten. Untätig blieb sie dabei aber nicht, denn eine effektive Rache musste gut durchdacht werden. Es betraf ja nicht nur ihre direkten Vorgesetzten, sondern auch die Feinde ihres beinahe vergessenen Vorlebens. Vielleicht gelang es ihr nicht, alle gleichzeitig zur Rechenschaft zu ziehen, aber sie setzte alles daran.

    Endlich beruhigten sich die Gemüter. Kirsten meckerte noch über die Arbeitsweise, indem sie Coline und Kollegin mit Wildschweinen verglich, die im Beet gewütet hätten. Coline lag so mancher böser Spruch auf der Zunge, aber sie blieb stumm, denn in diesem Augenblick kämpfte sie gegen ihre Wut. Noch war sie nicht soweit, aus sich heraus zu gehen.

    Kirsten näherte sich dem Ende ihrer Rede und verteilte die ersten Aufgaben. Zu allem Übel trennte sie Coline von ihrer liebsten Kollegin. Gerade jetzt, wo sie ihren Beistand gebrauchen konnte. Dann war sie dran. Erst einmal reguläre Aufgaben, dann die Fehler vom Vortag ausbügeln. Plötzlich tat sie wieder freundlich, doch Coline blieb distanziert. Diesmal ging sie nicht auf derartig wechselnde Launen ein! Sie hörte die Anweisungen und stimmte beinahe lautlos zu. Kirsten versuchte noch einen Witz zu machen, hatte aber keinen Erfolg. Coline hielt sich nicht länger auf, schließlich wollte sie nur noch weg. Kirstens Versuche, wieder nett zu sein, scheiterten schon im Ansatz. In solchen Momenten kochte in Coline all das wieder hoch, was lange im Unterbewusstsein vergraben lag. Schlimm genug, dass sie als Arbeiter nichts wert waren, aber musste sie immer noch nach treten? Jeden noch so kleinen Zwischenfall während der Arbeit strafte Kirsten mit einem bösen Blick. Verletzungen und Sachschäden bewirkten im ersten Moment Ärger und wenig später böse Kommentare oder Vorwürfe. Bestes Beispiel, gerade erst eine Woche zuvor geschehen. Colines Kollegin stieß sich heftig den Kopf an einem Schild und litt an einer Gehirnerschütterung. Coline sah sofort nach ihr, zwang sie, sich gegen ihren Willen hinzusetzen und sich etwas zu sammeln. Indes schrieb sie eine SMS an Kirsten, die erst Stunden später reagierte. Jedoch erkundigte sie sich nicht nach dem Befinden, sondern spottete: „Wir werden ab Montag die Helmpflicht für sie einführen. Auch am nächsten Arbeitstag interessierte es sie nicht im Geringsten. Nur wenig später schnitt sich Coline tief an einer Glasscherbe, was nicht einmal kommentiert wurde. Kirsten war dermaßen mit sich beschäftigt, dass sie ihre Arbeiter völlig vergaß. Seit Wochen dachte sie nur an Geld. Allein deshalb gebärdete sie sich bei jeder Kleinigkeit, wie eine wilde Furie. Jedoch sollte sie auch einmal daran denken, dass ihre Leute nicht ewig als Sandsäcke herhalten wollten. Früher oder später warfen sie das Handtuch und suchten sich andere Arbeit. Viele von ihnen waren sowieso schon nah an der Rente oder an ihren körperlichen Grenzen. Auf Nachschub würde sie vergeblich warten. Das hatte sie oft genug versucht und ist jedes Mal leer ausgegangen, denn niemand will so schwer ackern und dazu noch angebrüllt werden. All diese Dinge schwirrten in Colines Kopf herum. Zu alledem war ihre Ersatzkollegin für diesen Tag auch keine Hilfe. Sie redet pausenlos auf sie ein, dieses Gemecker nicht persönlich zu nehmen. Sie wollte Coline beruhigen, doch die fühlte sich nicht aufgebracht. Sie dachte nur an alle Ereignisse, die bewiesen, dass die Arbeiter in dieser Firma nichts wert waren. Trotzdem redete sie sich ein, dass auch dieser Tag ein weiterer belangloser Zwischenfall war. Nichts weiter als ein Überdruckventil, weil Kirsten mit sich selbst unzufrieden war. Sie war ja nur stinkig, weil ihre Truppe selbstständig arbeiten konnte und nicht auf Knien angekrochen kam. Coline brauchte diese Einstellung. Einerseits aus reinem Selbstschutz, andererseits um die Ruhe zu bewahren. Noch konnte sie sich nicht abreagieren. Also klammerte sie sich an ihre größte Stärke. Sie konnte problemlos alle Vorwürfe ignorieren. Über Jahre trainierte sie mit verschiedenen Charakteren, bis ihr Fell dick genug war. Sie verstand sich darauf, alles Gehörte so zu filtern, dass nur der Kern der Aussage haften blieb. Alles andere verdrängte sie wie kein anderer, vergaß es aber nicht. Sie regte sich nicht über solch unberechenbare Menschen auf. Im Gegenteil. Deren Wut fachte ihre Fantasie an. Sie würde es auch später darauf anlegen, dass sie wütend herum brüllten, jedoch aus ganz anderen Gründen. Das machte ihr das Leben mit diesen Menschen leichter. Für Coline war Kirsten das klassische Beispiel für „erst brüllen, dann denken.

    Im Laufe des Tages redete sie weiter mit Nina - ihrer Ersatzkollegin - über das Gezeter, da die einfach keine Ruhe gab. Obwohl Coline darauf beharrte, dass sie über solchen Dingen stand, glaubte sie, sie wäre gereizt. Allerdings hatte sie Coline noch niemals richtig gereizt gesehen. Also erkläre sie ihr, dass sie ihren Zorn niederschrieb, um die Seele zu befreien. Allerdings war es eher eine Aufgabenliste, die irgendwann abzuarbeiten wäre. Unterdessen erreichte sie eine Nachricht von ihrer liebsten Kollegin. Sie kochte noch immer vor Wut und wollte am liebsten alles hinschmeißen, da das Maß endgültig voll war. Coline beruhige sie so gut sie konnte und schlug ihr vor, ihren Zorn auf Racheideen zu lenken, die sie dann mit Wonne auf ihre Liste setzte. Just in diesem Augenblick hatte sie einen Plan, wie Kirsten zu bestrafen wäre. Ab sofort stand sie auf derselben Stufe wie Colines Peiniger und würde miterleben, welche Abgründe in ihr lauerten. Schon sehr bald war es soweit. Es fehlte nur noch ein wichtiges Detail, um anzufangen.

    Für Coline stand fest, dass sie diese Firma sehr bald verlassen würde. Aus mehr als einem Grund. Sie durfte einfach nicht länger warten. Ihre ganze Existenz stand auf dem Spiel. Sie musste sich ihrem Fluch stellen, wie so oft in den vergangenen Jahrzehnten. Seit ihrem letzten Versuch konnte sie wenigstens ein scheinbar normales Leben führen. Jedoch auf Kosten einer namenlosen Leiche. Alles nur, um in der breiten Masse nicht mehr aufzufallen. Sie machte sich daran, ihrer Pflicht nachzukommen und nutzte ihren ersten Urlaub, um einen bestimmten Menschen zu suchen. Kaum hatte sie ihr Ziel im Visier, musste sie einen passenden Augenblick abwarten, bevor sie sich zeigen konnte.

    Der letzte Nachkomme

    Es war einer dieser Tage, die man gerne vergessen will. Schon früh morgens ging alles schief. Jeder kennt das, man drückt den Wecker aus, dreht sich noch mal um und verschläft. Dann schreckt man hoch und verfällt in Panik. Jetzt geht es nicht mehr schnell genug und hastig greift man nach den Klamotten vom Vortag. Man hat ja keine Zeit mehr, um etwas Besseres zu finden. Überhastet stürmt man aus dem Haus und stolpert über alle möglichen Dinge. Hat man es endlich hinaus geschafft, stellt man fest, dass man nicht vom Fleck kommt. Ganz gleich ob mit dem Auto, dem Bus oder der Straßenbahn. Plötzlich steht man ratlos am Straßenrand und hofft, dass es nicht allzu viele Probleme nach sich zieht, wenn man zu spät kommt. Genau in solch einer Lage befand sich Loana. Ihr steckten eindeutig noch die zahllosen Albträume der letzten Nacht in den Knochen. In ihrer Verzweiflung blieb nur noch ein Anruf. Aber auch das sollte nicht sein! Ihr Telefon streikte. Gerade als sie zurück ins Haus gehen wollte, stellte sie fest, dass sie ihren Schlüssel auf dem Küchentisch vergaß. Doch damit hörten die Katastrophen noch nicht auf. Sie machte nur einen Schritt auf die Straße, da geschah es! Ein PKW erfasste sie und schleifte sie meterweit mit, ehe er zum Stehen kam. Aber es war nicht irgendein Auto, es gehörte Johanna! Loana lag blutend am Boden, als die ersten Passanten stehen blieben und weitere heran stürmten. Nur eine hielt sich abseits und starrte gebannt in ihre Richtung, aber erst als Johanna floh, rannte sie auf Loana zu und schrie: „Mein Kind! Bist du verletzt? Loana verlor ihr Bewusstsein. Sie bekam nicht mehr mit, wie sie ins Krankenhaus gebracht wurde. Erst geschlagene drei Stunden später erwachte sie. Benommen sah sie sich um. Indem erschien ihr Arzt und fragte nach ihrem Namen. Loana sah ihn verwirrt an und stammelte: „Ich weiß nicht. Er fragte, wo sie wohnte, aber auch das konnte sie nicht beantworten. Er beruhigte sie und versicherte, dass ein Gedächtnisverlust nach solch einem Unfall nicht ungewöhnlich und außerdem nicht von Dauer wäre. Das tröstete sie überhaupt nicht. Sie war den Tränen nah, da sagte er: „Laut Ihrem Ausweis heißen Sie Loana Crepprit. Sie sind 25 Jahre jung und wohnen im Kamkertal Eins in Wechnais. So sehr sie sich auch anstrengte, sie erinnerte sich nicht. Einzig und allein der Vorname kam ihr bekannt vor. Dennoch konnte sie nicht mit Sicherheit sagen, dass sie auch wirklich so hieß. Loana musste es erst einmal so akzeptieren. Sie hatte keine andere Wahl. Der Doktor riet ihr zur Ruhe. Kaum war er gegangen, da erschien die starre Beobachterin. Sie beugte sich an Loanas Ohr und flüsterte: „Du hättest mich fast im Stich gelassen. Loana musterte sie irritiert und fragte: „Woher kennen Sie mich? „Ich bin deine Urgroßmutter. Loana fühlte, dass etwas ganz und gar nicht stimmte. Zumal diese Frau nicht älter als Dreißig aussah. Also fragte sie nach. „Wie heißen Sie? „Mein Name ist Coline! Verdutzt stammelte Loana: „Sie lügen! Sie sind viel zu jung, um meine Uroma zu sein. Ich bin mir sicher, dass ich Sie noch nie in meinem Leben gesehen habe! Coline stimmte ihr zu, versicherte aber, dass es die Wahrheit wäre. Sie trat den Rückzug an. Loana rief erschrocken: „Wo wollen Sie hin? Und bekam zur Antwort: „Du bist noch nicht bereit. Ich komme ein anderes Mal wieder. Coline war kaum zur Türe raus, da entdeckte sie Loanas Pflegeeltern. Schnell versteckte sie sich und beobachtete aus der Ferne. Nach einer Weile drehte sich Loanas Mutter zu ihr um und schickte ihr einen verärgerten Blick. Coline verstand nur allzu gut, was er bedeutete. Immerhin sah sie ihn schon oft genug bei Loanas Vorgängerinnen. Nun blieb ihr nichts anderes übrig, als zu gehen. Sie wollte sich nicht schon wieder rechtfertigen. Auf halben Weg zur Tür kamen ihr drei Gestalten entgegen. Sie schaute nur kurz auf und erkannte sie sofort. Sie glichen alten, verhassten Bekannten. Johanna und ihre Handlanger! Es gab nur einen Unterschied. Diese waren jüngere Ausgaben ihrer Peiniger. Sofort drängten sich böse Erinnerungen in Colines Kopf. Diese Drei nahmen ihr fast alles. Auf eine bestialische Art und Weise. Coline wusste genau, warum sie gerade jetzt auftauchen. Sie wollten ihr grausames Werk fortsetzen. So oft haben sie es schon getan. Bisher ohne echten Erfolg. Schließlich „lebte Coline noch. Ihr Druckmittel sollte diesmal Loana sein. Nun galt es, alles Erdenkliche zu versuchen, um diese schier endlose Folterorgie zu beenden. Dazu brauchte sie nur eine günstige Gelegenheit, um auch Loana davor zu bewahren. Stunden vergingen und so geduldig sie auch warte, Johanna ließ Coline nicht mehr an Loana heran. Sie hatte keine andere Wahl, als sie weg zu locken. Nur wie? Coline wusste genau, dass sie ihr nicht nachlaufen würden. Aber wer sagte denn, dass sie es mussten? Es genügte sicher schon, Johanna als Unfallfahrer zu entlarven und sie würde abgeführt. So jedenfalls die Theorie. Ein kurzes Gespräch mit der Oberschwester und Coline wurde aus der Klinik gezerrt, nur weil ihr Johanna zuvor kam. Aber das war nur ein winziger Rückschlag. Noch konnten sie Loana nicht schaden. Dazu brauchte sie ihr erstes Opfer! Oder vielmehr den Ring - den Träger des Fluches. Doch den bekam sie nicht so einfach.

    Nur eine Stunde später kehrte Coline mit den Polizisten zurück. Es gab schließlich genug Augenzeugen, die Johanna als Fahrerin entlarvten. Kaum erkannte sie ihre missliche Lage, floh sie, dicht gefolgt von ihren Handlangern und den Polizisten. Coline machte sich schleunigst daran, ihren Plan umzusetzen. Sie stahl sich einen OP-Kittel und das nötige Besteck für eine Amputation. Loana lag friedlich schlafend im Bett, als Coline das Zimmer betrat und alles vorbereitete. Sie nahm ihre linke Hand und machte eine Faust daraus, dann bog sie den Mittelfinger hervor und setze eine Art Miniguillotine an. Damit wollte sie den Finger abtrennen, denn nur das allein schützte Loana vor Colines Peinigern. Unvermittelt ging die Tür auf! Die Nachtschwester kam herein! Coline ließ sofort ihr Werkzeug verschwinden. Sie tat, als würde sie den Puls fühlen. Rasch redete sie sich heraus: „Die Patientin schläft. Ich werde morgen früh wiederkommen." Gerade noch mal gut gegangen! Doch nun brauchte sie eine Idee, einen Plan B!

    Als Loana erwachte, entdeckte sie ein Buch auf dem Tisch. Es trug ein Symbol, das sie als Tätowierung auf ihrer Schulter hatte. Was sollte sie davon halten? Je länger sie es betrachtete, umso neugieriger wurde sie. Was mochte wohl in diesem Buch stehen? Vielleicht erfuhr sie die Bedeutung ihrer Tätowierung, denn sie konnte sich nicht daran erinnern, wann sie dieses Bild bekam! Es gab nur einen Weg, um es herauszufinden. Sie musste das Buch lesen. Also nahm sie es und schlug es auf. Sie entdeckte ein Gedicht, das lautete: Eine Warnung vor dem Buch, in dem steht ein wahrer Fluch. Lass ihn nicht zu nah heran, weil er dich sonst töten kann. Loana lehnte sich zurück. Ihre Augen wichen aber nicht von diesem mysteriösen Schriftstück. Heftige Widersprüche plagten sie. Irgendwie wagte sie nicht, dieses Ding aufzuschlagen. Indem klopfte es an der Zimmertür. Sie zuckte zusammen. Mutig rief sie: „Wer ist da? Niemand regte sich. Plötzlich durchbrach ein Peitschenknall die angespannte Stille! Loana rutschte unwillkürlich unter die Decke. Sie war unfähig aufzuspringen oder wegzulaufen. Kurz darauf öffnete sich die Zimmertür. Da stand Coline! Nach einer Weile kam sie näher. Sie sah das Buch auf dem Tisch und griff danach. Sofort funkte Loana dazwischen und riss es an sich. Coline warnte: „Wenn du auch nur ein Wort davon liest, bist du verdammt! Du wirst niemals sterben und auf ewig Folterqualen erleiden! Loana glaubte kein Wort. Sie fragte nach: „Ist das ein schlechter Scherz? Das da ist doch nur ein Buch! Coline wiederholte ihre Warnung und fügte noch etwas hinzu: „Ich weiß, wovon ich rede. Ich war sein erstes Opfer und habe alle anderen bei ihrem Höllentrip begleitet. Keiner von ihnen hat Hoffnung auf Rettung! Es sei denn, du hilfst ihnen! Loana fragte ungläubig: „Warum ich? Die Antwort darauf gefiel ihr gar nicht. „Das Buch folgt einer Blutlinie. Ich habe all meine Nachkommen mit ins Unglück gestürzt. Loana hakte nach: „Was geht’s mich an? Ich bin nicht mit dir verwandt! Coline schnaubte abfällig und murmelte: „Du warst ihre letzte Hoffnung, jetzt werden sie niemals Frieden finden! Ich werde mich nicht opfern, nie wieder! Loana war nun noch verwirrter. „Warum ich? Meine Mutter ist eine angesehene Frau. Sie lebt nicht weit von hier und ich weiß, dass sie niemals verletzt wurde. Ich kann kein Nachfolger deiner Familie sein! Coline kehrte ihr mit einem verkniffenen Lachen den Rücken und ging in das winzige Bad. Loana folgte ihr sofort, doch war sie längst verschwunden. Es gab nur eine Tür. Dennoch war sie weg! Loana erschreckte der Gedanken, dass sie vielleicht einem Geist gegenüberstand. Verwirrt setzte sie sich auf die Bettkante, stierte auf das Buch und ließ sich einige Fragen durch den Kopf gehen. Knallte Coline mit der Peitsche? War das ein Schauermärchen? Einerseits interessierte sie, warum das Buch dieses Bild trug. Andererseits scheute sie den Blick hinein. Je länger sie da saß, umso schwerer wurde es, nicht danach zu greifen, um es vielleicht doch zu lesen. Es reizte sie immer mehr. Aber ihr ging die Warnung nicht aus dem Kopf. Schon bald kam ihr die Idee, dass sie dieses Buch nicht ohne Grund bekam. Loana hoffte inständig, dass alles nur ein böser Traum war. Doch nur um Klarheit zu bekommen, griff sie zum Telefon. Sie wählte die Nummer ihrer Eltern. Als sich ihr Vater meldete, platzte Loana einfach heraus: „Bin ich adoptiert? Es wurde gespenstisch still in der Leitung. Also fragte sie noch einmal. Plötzlich stotterte er: „Macht das einen Unterschied? Jetzt war alles klar! Loana zögerte einen Moment und plärrte durchs Telefon: „Ich will Antworten! Er versprach, ihr alles zu erzählen, sobald sie wieder gesund war. Aber Loana wollte es sofort wissen. So lenkte er ein und kam ins Krankenhaus. Er ließ den Kopf hängen, als er eintrat und sagte leise: „Ja, es ist wahr. Du bist adoptiert! Wir haben es dir nicht gesagt, weil wir uns nie als Fremde gesehen haben. Wir waren doch eine Familie! Loana atmete einmal tief durch und bat: „Erzähl mir trotzdem alles, was du weißt! Er zog ein fast schon antikes Album aus seiner Jacke und hielt es ihr entgegen. „Da drin steht alles, was du wissen kannst." Was meinte er? Gab es etwas, das sie nicht erfahren durfte? Zum Beispiel die Sache mit dem Buch? Sie wollte ihn fragen, aber zuerst sah sie in das Album. Vielleicht verheimlichte er ja etwas anderes.

    Neugierig setzte sie sich auf und sah sich den Einband an. Es wirkte wie ein Relikt aus einer anderen Zeit. Sie stierte vor sich hin, aber sie brauchte Antworten, also schlug sie es auf. Schon das erste Foto jagte ihr einen eisigen Schauer über den Rücken. Es zeigte eine junge Frau, die kaum älter als Loana sein konnte. Ihre Gesichter ähnelten sich so stark, dass Loana ihren Vater fragte. „Ist das meine Mutter? Er stammelte: „Woher weißt du eigentlich, dass du adoptiert wurdest? Jetzt konnte sie einen guten Rat brauchen. Sollte sie ihm von Coline und dem Buch erzählen oder eine Ausrede erfinden? Noch ehe sie sich entscheiden konnte, riss er sie aus ihren Gedanken. „Das ist deine Großmutter! Loana erwiderte: „So sah Oma Anna aus? Er schüttelte den Kopf. „Nein! Das ist sozusagen deine leibliche Oma! Sofort dachte sie wieder an Coline, obwohl diese Frau anders aussah. Konnte es trotzdem wahr sein? Gehörte Loana zu einer verfluchten Familie? Was nun? Sollte sie sich auf den Weg machen, um ihre leibliche Mutter zu suchen? Doch wozu? Immerhin ließ diese Frau ihre Tochter im Stich. Trotz allem reizte Loana die Chance, ihre Vergangenheit zu erforschen. Sie fragte nach ihrem Namen, aber ihr Vater kannte ihn nicht. Dann wollte Loana wissen, woher er das Bild hatte und er erwiderte: „Als wir dich abholten, gehörte es zu deinen Sachen. Wir haben es für dich aufbewahrt. Doch hatten wir keinen Kontakt zu deinen Blutsverwandten. Wir kennen nicht einmal ihre Namen. Auch auf die Frage woher die Tätowierung stammte, konnte er nichts sagen, denn dieses Bild hatte sie schon als Baby. Loana zweifelte daran, dass irgendwer ein Baby tätowieren würde, doch sie war der Beweis. Sie musste sich damit abfinden, dass der einzige Hinweis auf ihre Herkunft in diesem ominösen Buch steckte. Doch die Warnung bremste ihre Neugier. Sie beschloss, erst einmal darüber zu schlafen und verschob jede weitere Frage auf ein anderes Mal. Loanas Vater blieb aber

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1