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Kannibalen und feine Leute
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eBook299 Seiten3 Stunden

Kannibalen und feine Leute

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Über dieses E-Book

Die Häuser der Hauptstraße von West Hoathly in der Grafschaft East Sussex liegen verschneit da, es ist keine Postkartenlandschaft diese etwas herunter gekommene Kleinstadt im Jahr 1891, in der sich eine grausame Mordserie ereignet. Ein Fabrikbesitzer wird zu Tode gefoltert und geköpft, seine entstellte Leiche vor dem Kriegerdenkmal auf dem Marktplatz zur schau gestellt. Die Frau des Opfers und deren Zofe verschwinden. Constable John Arnold und Scotland Yard Inspektor Walter Littlewood sind auf der Jagd nach einem brutalen und gewissenlosen Killer. Ein Mörder ohne Gnade, der weiß, was Menschen am meisten fürchten. Und vielleicht ist es einer von ihnen, ein Gentleman aus der Stadt. Ein Serienmörder mit Sinn fürs Makabere.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum22. Feb. 2019
ISBN9783742704313
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    Buchvorschau

    Kannibalen und feine Leute - Bexhill

    1

    Der Seemannskopf als einziger Pub der besseren Leute eine Institution in West Hoahlty war zwischen Mister William August Paynes Gemüseladen und einem gelben Wohnhaus eingequetscht. Im Geschäft gab es in der Winterauslage Kartoffeln, Äpfel und Karotten und Salat und zu Pyramiden aufgestellte verlötete Kupferdosen mit Pfirsichen und Ananas zu sehen. Alles so arrangiert als seien diese Produkte der Gipfel der kulinarischen Genüsse. Dann gab es noch eine kleine Kirche. West Hoalthy hatte bis 1767 zwei Kirchen besessen, bis Sir Lionel Lydestocke beim Blick aus dem Fenstern seines neuen Herrenhauses feststellte, das die St. Magreth Church ihm die Sicht verstellte. Vor der Kirche strebte das einzige Denkmal der Kleinstadt, ein Kriegerdenkmal aus Bronze für den Postvorstand West Hoathlys Oberst Gerald Singer in den Himmel. Gestorben 1881 im Burenkrieg in Draakensbergen. Todesursache: Pfeife anzünden in der Nacht. Sein Streichholz musste, meilenweit von jedem Buren der nur einigermaßen mit seiner Flinte umgehen konnte gesehen worden sein, denn man zählte nicht weniger als dreißig Kugeln in seinem Körper.

    Das Feuer im Kamin des Seemannskopf’s brannte. Die Gaslampen an den Wänden und der Decke warfen gelbe Lichtkreise auf die eckigen Tische und den Holzfußboden im Schankraum aus dem 17. Jahrhundert. Constable Arnold hatte ein angebratenes Abendessen zu sich genommen. Kalten Braten, eingelegtes saures Gemüse, etwas Stilton Käse und las nun in der Zeitung den Bericht über den Besuch eines englischen Politikers in Wien. Langweilig befand der Constable und legte die neueste Ausgabe der London Illustrated News beiseite und widmete sich lieber seinem Darwin. Er konnte leider nicht behaupten, dass er alles in dem Buch On the origin of species, verstand aber der Constable arbeitete an einem eigenen Manuskript, das er gerne der Darwinismus als ein probates Mittel der modernen Verbrechensbekämpfung, genannt hätte. Sobald er tiefer in die überaus komplexe Materie der natürlichen Zuchtauslese gestiegen war. Draußen vor dem Gasthof bellte ein Hund seit einigen Minuten so intensiv, als hätte das Mistvieh neue Beweggründe zu Jaulen für sich persönlich entdeckt. Drinnen, mit Blick auf die trostlose verschneite Lester High Road, saß Constable John Arnold in seiner schwarzen Uniform und trank Bier und las im Darwin. Der furchtbare Hund wechselte in ein tiefes, Knurren und fing dann nach Sekunden wieder zu kläffen an. Eine ganze Weile ging das nun so und begann die Gäste im Gasthof unruhig zu machen.

    »Einer sollte den Hund endlich zum Schweigen bringen!«, murmelte der Gastwirt und polierte dann weiter schweigend seine Biergläser.»Stimmt, jemand sollte endlich etwas unternehmen«, bestätigte William Samuel Antill, der es sich am Tresen bequem gemacht hatte.Das Jaulen, das erschallte, verursachte nicht nur ihm eine Gänsehaut. Der laute Hund, der vor dem hell erleuchteten Gasthof im Schnee hockte, war ein großer Bursche mit hungrigen Augen. Er gehörte der ob ihrer Zunge gefürchteten Mrs Agatha Singer, der Inhaberin des Krämerladens und der Vorsteherin der Poststation von West Hoalthy auf der gegenüberliegenden Straßenseite.»Darf ich dich in deiner wichtigen Tätigkeit zum Wohle aller insbesondere der Gesundheit deiner Gäste kurz unterbrechen und dich auf diesen Hund aufmerksam machen?«Derek Green, der Besitzer des Gasthofes, der auf der anderen Seite des Raumes den Barbereich putzte, unterbrach seine Tätigkeit so schlafwandlerisch, als würde er aus einer Trance erwachen.»Was meinen Sie Herr Inspektor?«

    Derek kannte die wunden Punkte seiner Kunden und seine Worte trafen tief, ein kleines Schmunzeln zeigte sich in seinem gutmütigen Gesicht.»Ach nichts.« John Arnold wurde lauter: »Und ich bin ein Constable, mein Dienstrang ist keineswegs Inspektor, wie du ganz genau weißt. Jeder weiß, dass ich bei der Beförderung zum Sergeanten übergangen wurde. Und ich bediente mich nur der Worte des großen Edgar Allan Poe, das klopfende Herz es schlägt unter den Dielen, hören Sie es nicht. Oder denke an den Hund von Baskerville, wenn dir junge, frische englische Literatur ein Begriff ist.«

    Samuel Antill ließ in diesem Moment seine Stimme vernehmen: »Weil du gerade frische Literatur erwähnst, John. Derek würde es ihnen etwas ausmachen und mir ein frisches Guinness Bier zu zapfen, natürlich nur, wenn es ihnen zeitlich passt.«John nahm einen Schluck von seinem Bier und widmete sich wieder seiner Lektüre aus der Bibliothek des Arbeiterklubs, die ihre Räume in der stark vernachlässigten Mustersiedlung Seven Acres, auf den Hügeln neben den Stahlwerken hatte. Aber er kam nicht weiter mit Lesen, dass Bellen störte ihn in seiner Konzentration. Ein Marathonlauf, nicht einmal das Vorwort erledigt und tausend Seiten vor ihm. Wenn John sich nicht konzentrieren konnte, musste die Sussex Polizei noch etwas auf den Darwinismus als probates Arbeitsmittel verzichten.»Warum nervt mich dieser Hund nur so unermesslich?«, fragte John Arnold von der Polizei der Grafschaft Sussex. Er klappte das Buch mit einem Seufzer zu und schob es umständlich auf den Tisch zurecht. Vielleicht beförderte er den Wälzer aus seinem Blickfeld.

    Der Wirt in dritter Generation, Derek Green hielt mit seinen Bewegungen inne und sah abwartend, wie der Satz des Constable weiterging in dessen Richtung. Die Worte endeten verzweifelt und etwas theatralisch. »Wenn doch dieser verdammte Hund nur aufhören würde mit diesem Krach. Ich wünschte es mir wirklich. Kommt, man denn in dieser Stadt nie zur Ruhe?«Man nannte Constable Arnold auch Tulpe, nach dem Riesen in dem Märchen Jack und die Bohnenstange, dem wenig netten Fee! Fie! Foe! Fum! Ich rieche, Menschenfleisch sei es am Leben oder tot ich zermalme seine Knochen und mache mir daraus Brot. Trotz seiner Körpergröße von nahe zwei Meter und seinen 140 Kilogramm Gewicht, war Constable Arnold das reinste Nervenbündel. Ständig blickte er über seine Schultern und musterte jeden Fremden, der West Hoalthy im County East Sussex betrat. Es war dieses Wetter, mutmaßte John, dass ihn andauernd an eine Novelle des großen amerikanischen Dichters Edgar Allan Poe denken ließ. Der Constable lächelte, dieser Schnee und diese Eiseskälte war eine Angelegenheit fremdartig in ihrem ganzen Wesen so unvorstellbar unpatriotisch. Ein Wetter ideal zu einem Mord an einem Geschöpf, das man nicht mochte. Er dachte da insbesondere an kläffende Köter.

    Bei diesem Wetter hielt er sein wachsames Auge ganz besonders auf die Londoner Hausierer, die ihren Großstadt Firlefanz in der Provinz verramschten. Leider war kein einziger der sogenannten Street monger auch nur in der Nähe der Stadt und die vielen anderen Unruhestifter, die Gewerkschafter, die Anarchisten und Sozialisten waren fort. Alle waren auf einer Protestveranstaltung der Social Democratic Federation in Brighton dem London by the Sea. Das Wetter potenzierte die unsagbare graue Langeweile, die ihn erfasst hatte. Außer Angeln, Lesen und den Fasanen auf dem privaten Jagdgebiet Sir Lemottes nachzustellen und abends im Seemannskopf Sitzen gab es nicht viel zu tun. Hin und wieder eine Schlägerei, Betrunkenheit und lästerliches Reden führen, oben im Arbeiterviertel, ganz selten mal ein Diebstahl und alle Jubeljahre ein Einbruchsversuch.

    Allerdings war man nicht völlig frei vom Verbrechen. Eine kriminelle Kreatur hatte erst vor wenigen Wochen in East Hoalthy gewütet und für einiges Aufsehen gesorgt. Dieser Verbrecher hatte einen Lagerschuppen auf dem Gut der bekannten Familie Jones aufgebrochen und Werkzeuge im Wert von 3 Pfund und 8 Schilling 8 Pence geraubt. Constable Arnold hielt es für die Tat eines Londoner Berufsverbrechers. Zumindest wiesen Indizien in diese Richtung. Der Fall, an dem er ermittelte, lag zuoberst auf seinem Schreibtisch in der Wache. Zum Glück gab es noch die Wilderei, ein beliebtes Hobby in West und East Hoathly dem auch Constable John Arnold verfallen war. Wenn die Industriellen, die dem Adel immer eine Nase voraus waren, Sir Lemotte und Mister Donovan keine Wilderer in ihren Wäldern wollten, sollten sie ihren Arbeitern mehr bezahlen. Damit sie sich ihr Fleisch bei Hendriks dem Metzger in der James Street kaufen konnten. Constable John Arnold betrachtete die Wilddieberei mit eigenen Augen, im krassen Gegensatz zum britischen Strafgesetz und den Grundherren, er schätzte selber einen gut abgehangenen Fasan. Der Constable dachte wieder an eine ungeklärte Pferde Mordserie, die vor zwei Jahren ebenso plötzlich begann, wie sie vor einiger Zeit endete. Das Sensationelle, nein das falsche Wort, er war kein schmieriger Reporter vom Boulevard, das Tragische an der Untat war: Die rohen Teile der Opfer waren vom Täter gegessen worden.

    Der verdammte Hund bellte immer noch. Diese Töle war wirklich fürchterlich hartnäckig, erinnerte ihn an die Nachrichten im Weekly Examiner vom Oberhaus, wenn die Peers wieder einmal über Einfuhrzölle auf preußische Kohle und amerikanischen Stahl stritten. Der stotternd geführte heftige Disput über verschiedene Themen war die Lieblingsbeschäftigung der vergreisten Lords. Derek Green legte sein Poliertuch gefaltet auf den Tresen und lief voller Würde zur Tür, er stieß sie auf, und eine eiskalte Wolke Schnee trieb herein. Derek rief zu dem bellenden Hund: »Hau ab gehe mir nicht auf die Eier!« Dann bückte er sich und klaubte Schnee von der Straße auf und warf eine Handvoll nach dem Hund, der groß genug war, den Wirt ernsthaft zu verletzen und falls hungrig aufzufressen. Mrs Agatha Singer züchtete Hunde in ihrem schmucken Haus im Queen Anne Stil. Ihre Zuchtkriterien Betreffen weder das Aussehen noch genormten Rassestandards, sondern allein die Größe und das Gewicht. Mrs Singers Hunde rissen angeblich die Schafe von den Weiden. Aber wer sagte, schon einer alten spitzzüngigen Dame, deren Mann als Kriegsheld im Burenkrieg 1881 als einer der ersten Offiziere umgekommen war, sie solle ihre Hunde an die Leine legen?

    »Wie ungehobelt, Derek«, rief William Samuel Antill, der seine Brille absetzte und mit Dereks schmierigen Poliertuch säuberte und sich wieder die Nase verächtlich rümpfend seinem Kreuzworträtsel zu wandte.Es war seine Passion, er selber nannte es ein kleines Hobby die kompliziertesten Kreuzworträtsel, die je von einem Menschen ohne ernsthafte geistige Erkrankung erdacht worden waren, zu verfassen und an die Zeitungen des Landes zu versenden. Wofür, die ihm noch Geld zahlten. Leider konnte John ihn dafür nicht verhaften. Kreuzworträtsel waren an sich nichts Subversives. William Antill unterließ es, seine Bekannten die genauen Summen zu nennen, die ihm Times, Guardian und die anderen großen Zeitungen postalisch anwiesen. Aber die Summe war so groß das er ohne jedes Fingerspitzengefühl seiner Arbeit, als junior Fabrikinspektor nachging.

    Derek Green nahm nun einen Besen und ging nach draußen, um der riesigen Promenadenmischung zu beweisen, dass auch in einem sehr kleinen Mann innerlich ein Riese stecken konnte. Einen kurzen Moment herrschte angenehme Ruhe im Wirtshaus, man hörte das freundliche Knistern der brennenden Holzscheite im Kamin, dann schrie Derek laut und kam zurück in die Gaststube gerannt.Er starrte mit Glotzaugen, die jedem Moment aus seinen Augenhöhlen zu fallen, schienen zu John und brüllte: »Gott im Himmel, so eine Scheiße gibt es doch nicht, kommen Sie schnell.«Der Constable ging über diesen Auftritt entgeistert folgsam zur Tür. Draußen lief er durch Knöchel tiefen Schneematsch bis zu der Stelle, wo nun Derek Green und der ob dieser schmeichlerischen Aufmerksamkeit schwanzwedelnde Hund vertraut vor dem Denkmal des Gefallenen Postboten beieinander standen und den Gegenstand ihres Interesses anstarren.

    »Großer Gott«, flüsterte John, als die Sirene des Stahlwerks grausam los schrillte und die abendliche Stille mühelos, wie ein Blatt Papier zerriss. Die Figur, die am Heldendenkmal im Schnee kniete, war, kein Veteran, der Blumen zu Füßen von Oberst Singer niederlegte, es war ein Mann besser die Leiche eines Mannes ohne Kopf.  »Mein Gott das ist kein Scherz, der Tote ist echt!«, Dereks Stimme klang schrill und grauer Atem wallte aus seinem Mund und Nasenlöchern. Es war bitterkalt in diesem frühen Stadium des Dezembers. »Wie lange der wohl schon so auf den Knien liegt, der ist ganz eingeschneit?«, fragte Derek in den Abendhimmel. »Hm, gute Frage!«, sagte John. Er war sich nicht sicher, es hatte den ganzen Tag über geschneit, es schneite seit einer Woche ununterbrochen und das Thermometer in der Wache zeigte unerfreuliche 20 Grad unter null. Er räusperte sich amtlich: »Schwer zu sagen, ein paar Stunden vielleicht.« Dann fiel John Arnold etwas sehr Wichtiges ein, »Weiß einer von euch, wer das sein könnte?«

    »Das niemand ihn da knien gesehen hat, geht mir einfach nicht in den Schädel?«, William Antill schüttelte seinen Kopf.

    »Wer sollte ihn schon sehen unter so einer dicken Schneedecke, Mister Antill?«, fragte der Wirt.

    »Seit Wochen ist die Gaslaterne kaputt und was tut der Bürgermeister? Nichts, der ist heilfroh, wenn wir alle in unseren Betten abgemurkst werden, hat er weniger Arbeit!«, schimpfte Mister Antill und pikste mit seinem Gehstock kleine Löcher in den Schnee.Der Bürgermeister von West Hoathly war eine Kreatur von Isaak Lemotte, ein Mann den Mister Antill bodenlos hasste. Niemand wusste, womit Isaak Lemotte sich die Rachsucht von Mister Antill zugezogen hatte. Während William Antill schimpfte wie ein Rohrspatz, dachte John, dass er als ranghöchster Polizist etwas anderes tun sollte als einfach nur mit seinen Kumpels herumzustehen und Maulaffen feilhalten und über den Schnee nachzudenken.

    »Ich gehe und telefoniere mit dem Inspektor vom Dienst in Brighton. Ihr als Zeugen seid bitte so zuvorkommend und bewegt euch nicht vom Fleck.«

    »Du machst wohl einen Witz, Mister Arnold? Keine zehn Pferde kriegen mich weg von hier!«, behauptete Antill und streifte sich zur Unterstreichung der Behauptung seine Wollhandschuhe über.

    Wieder einmal verfluchte Constable John Arnold die schwierige Situation der Polizei von East Sussex besonders der von West Hoathly. Der Wache standen laut Polizeigesetz Vorschrift zur Fixpunktierung vom 4. 5. 1875 ein Inspektor zwei Sergeanten sowie fünf Constable zu und was hatte er? Keinen Inspektor, Lewis war seit 1889 im Ruhestand und bewirtschaftete seine Kleefelder draußen in Upper Dicker, seine einzigen drei Constable lagen schwer krank wegen einer angeblichen Pilzvergiftung im Queen Victoria Krankenhaus von Brighton. Der first class Constable hatte es nicht übers Herz gebracht seine Leute in das neu errichtete Krankenhaus von Brighton einweisen lassen wegen einer Methanolvergiftung, die sie sich beim Schwarzbrennen von Whisky selber zugezogen hatten. Doktor Swift war so menschenfreundlich gewesen aus der Alkoholvergiftung eine Nahrungsmittelvergiftung zu machen, andernfalls hätten drei schlechte Polizisten, die dennoch gute Menschen waren ihre Arbeit verloren. War eine dumme Idee von ihm, seinen Leuten zu gestatten im Keller der Wache ein Polizeimuseum zu errichten, wenn die einzigen Ausstellungsstücke Utensilien zum Schwarzbrennen und Wildern waren. Zum Glück hatte er es nie mit einem Falschmünzer zu tun gehabt, sonst hätte er es womöglich mit einer unerklärlichen Inflation in Hoathly zu tun gehabt anstatt mit Symptomen von Verwirrung, kurzzeitiger Erblindung und Ausbrüchen übelster Sentimentalität.

    Er war alleine in dieser Situation, er musste zuallererst Ruhe bewahren und klaren Kopf behalten. John rannte aufgeregt quer über den Platz zum Krämerladen und Postamt von West Hoathly und trommelte mit beiden Fäusten gegen die weiße Tür. Eine aufgewühlte Mrs. Agatha Singer, die das Geschehen vom Fenster ihres Schlafzimmers von wo man eine wunderbare Aussicht auf die Fenster in der Lester High Road besaß, aus verfolgt hatte, öffnete ihm nahezu hysterisch. Um ihren Hals hing noch das Opernglas, das immer auf dem Fensterbrett ihres Schlafzimmers zu finden war, als hoffe sie eines Tages würde die Oper La Traviata auf der Straße aufgeführt. Dabei missfiel ihr jede Form von Pathos und sie verabscheute Unmoral. Irgendwo in der Wohnung war das diabolische Knurren von mehreren Hunden zu hören. Ein Knurren ähnlich dem Zerberus, wer wusste, was Agatha, die Helden Witwe von West Hoathly bei ihren Hundezucht Experimenten für Ungetüme zum Leben erweckte. Das tiefe Knurren, gepaart mit dem Geräusch von knackenden Knochen aus Richtung der Küche. Es weckte in dem Constable die Erinnerung an Mary Shelleys Frankenstein. Ein Buch, das er sich vor dem Charles Darwin in der Arbeiter-Bibliothek ausgeliehen hatte und unbedingt zurückgeben musste.

    »Deinen Fernsprechapparat Agatha schnell, ein Mord, ist geschehen, nehme ich an!«Agatha rang die Hände, »Mord oh je ein Mord«, klagte sie. Die alte, kleine Frau lief schnell zum Telefon-Tisch und drehte die Induktion Kurbel des Fernsprechapparat Modell Ericsson Eiffel Tower, als wolle sie der britischen Edison Gesellschaft für angewandte Elektrizität Konkurrenz machen. Sie ließ sich vom Fräulein der United Telephone Company mit dem, Anschluss Brighton 053 verbinden und machte dann Platz für den Constable.John brüllte seine Dienstnummer in den Sender und meldete einem müden Sergeanten den Fund des noch unbekannten Toten und bat wortreich um Verstärkung. Von draußen schallte Dereks aufgeregte Stimme der „Mord zu Hilfe" schrie.

    Während sich Mrs. Singer Wort für Wort des Gespräches einprägte. Passagen ihren Mund bewegend auswendig lernte, rannte Derek Green aufgescheucht in der Lester High Road umher und verbreitete die Geschichte von der Missetat. Die Anwohner der Straße kamen aus den Wohnhäusern, den Geschäften, andere steckten die Köpfe aus den Fenstern. Dann versammelten sich der Mob unaufhaltsam, von morbider Neugier angelockt in der Lester High Road und zertrampelten auf ihrem Weg einen Toten anzustarren wichtige Spuren. Constable Arnold beendete sein dienstliches Telefongespräch und schrie seinen Dank in den Sender.

    Mit Anweisungen versehen und Mrs. Singer und ihrem aufgeregten Hunderudel im Schlepptau verließ er den Laden. Er trat auf die Straße und sah, wie die Leute den Toten in einem Halbkreis umringten und den Kreis immer enger zogen. Und eine Anweisung aus Brighton lautete keine Spuren zu zerstören. Bis demnächst ein Inspektor, falls verfügbar, die Sozialisten in Brighton waren die dringendste Angelegenheit im Moment, kommt. Er solle versuchen, nur ein Minimum an Aufsehen zu erregen. Was dachten die sich, er war nicht im Ungeheuer London, wo alle zehn Minuten einer umgebracht wurde. Wo ein Mord so aufsehenerregend war wie das Spucken in die Gosse. Die Sache möglichst diskret zu behandeln, war gescheitert, gestand sich der Constable ein.

    William Samuel Antill polierte die beschlagenen Gläser seiner runden Brille und meinte lakonisch zur Menge: »Ich glaube, Hoathly hat einen ihrer gutherzigen Bewohner verloren der gefrorenen Hering ist der Leuteschinder Donovan.«

    Irgendjemand in der Menge, höchstwahrscheinlich einer der Arbeiter aus der Donovan Gießerei klatschte in die Hände.Constable Arnold bildete mit den Händen einen Trichter und rief: »Kein subversives Verhalten bitte, ein Toter. Ich bitte euch alle, ein würdiges Verhalten an den Tag zu legen!«

    Antill grinste scheinheilig und fragte: »Warum glaubst du auch nicht, er war gutherzig? Ich würde, das an deiner Stelle nicht so laut sagen! Und was ist mit dem subversiven Gerede seit einer Woche? Jedes vierte Wort ist bei dir in letzter Zeit subversiv.«Der Constable nickte, Antill hatte einen guten Sinn für Humor, was ihn zu einer populären Figur im Kleinstadtgefüge West Hoalthys machte. Man kolportierte in den Salons, Antill beabsichtige, für die Labour Party für die Stadtvertretung anzutreten.

    »Woher weißt du überhaupt, dass es Donovan ist und nicht irgendeine Leiche?«, fragte ihn der Constable argwöhnisch und vertrieb mit ausgebreiteten Armen die Menge von der Leiche. »Ich habe ihn natürlich durchsucht und sein Wäscheetikett ist in sein Dinner Jacket gestickt«, erklärte William Antill seelenruhig, als sei es das alltäglichste von der Welt, kopflose Mordopfer zu durchsuchen. Zuerst der Pferdemörder dieser abscheuliche Abgrund einer kranken Seele und nun das Malheur, John schüttelte den Kopf. Komisch dachte er, seit er wusste, das es Donovan war, schien der Schrecken gemildert. Er sah sich um sah die Gesichter seiner Nachbarn sah die Häuser. Seit Tagen hatte es geschneit, Schnee, der sich auf den Dächern türmte und die Straßen nach draußen blockierte. Mit den Schneeflocken, die vom Himmel trieben, und dem schwarzen stinkenden Qualm, der aus den Essen stieg, sah West Hoathly in der Grafschaft Sussex wie auf einer Illustration eines Charles Dickens Romans aus. Constable John Arnold dachte da speziell an Oliver Twist in Jacobs Island dem berüchtigten Londoner Slum auf einem Kupferstich des großartigen Fred Barnard.

    Die bitterkalte Nachtluft biss Littlewood ins Gesicht. Auf dem illustren Leicester Square glänzte, das Eis und die Häuser. Auf der Straße verteilt standen Constables und klapperten mit den Zähnen. Alles war festlich erleuchtet. Er bemühte sich, nicht auf die Nase zu fallen, während er tapfer auf dem Gehsteig blieb. 20 Meter vor ihm hielt eine zweispännige Kutsche mit gummierten Metallreifen. Littlewood klopfte anerkennend zweimal mit seinem Gehstock auf das Straßenpflaster. Die Kutsche wurde von zwei, auserlesen schönen Pferden gezogen auf deren Stirnen rote Federn steckten. Ein Diener sprang vom Trittbrett und öffnete den Schlag. Littlewood konnte ein vergoldetes Wappen an der Tür erkennen. Ein halbrunder Schild darin ein Topfhelm im Profil. Littlewood war kein großer Kenner der Heraldik, allerdings kannte er die Helmzier, ein Büschel Federn in Rot, wie bei den Pferden. Littlewood kannte selbstverständlich das Motto des Wappens dieses deutsche ich Diene, es war der der Herzog von York George Frederick Ernest Albert von Sachsen-Coburg und Gotha. Der Atem der Pferde dampfte, und die polierten Beschläge ihres Geschirrs funkelten im Gaslicht. Littlewood rückte seine Krawatte zurecht und lächelte zufrieden. Schwungvoll doch nicht hastig stieg er die Freitreppe zur Habsburger Botschaft empor. Die großen Türflügel

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