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Ostwestfalen morden anders
Ostwestfalen morden anders
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eBook199 Seiten2 Stunden

Ostwestfalen morden anders

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Über dieses E-Book

Ostwestfalen, ein sagenumwobenes Land, Heimat der ungewöhnlichen Morde. Der rabenschwarze ostwestfälische Humor, gepaart mit der Lust ungeliebte Menschen ungewöhnlich "um die Ecke" zu bringen, lassen keine Wünsche für den Krimi-Liebhaber offen.

Mit Beiträgen von Bianca Schilsong, Anja Puhane, Rosemary White, Angelika Godau, Britt Glaser, Brigitte Stammschröer, Katja Angenent, Greta Welslau, Monika Deutsch, Charlie Meyer, Sarah Drews, Gabriele Nakhosteen, Franziska Franz und Dinah Marcus kommt jeder auf seine Kosten.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum6. Sept. 2020
ISBN9783752993738
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    Buchvorschau

    Ostwestfalen morden anders - Bianca Schilsong

    Ostwestfalen morden anders

    Dirk-Laker-Verlag

    Dirk-Laker-Verlag

    www.dilav.de

    Auflage 2019

    Originalausgabe

    Veröffentlicht im Dirk-Laker-Verlag

    Dirk Laker, Bielefeld 2019

    © by Dirk-Laker-Verlag Bielefeld 2019

    © der Originalbeiträge bei den jeweiligen Autoren

    EBook-Ausgabe

    Inhalt

    Bianca Schilsong

    Verschollen auf dem Leinewebermarkt in Bielefeld

    Anja Puhane

    16 Stunden, 51 Minuten und 39 Sekunden

    Rosemary White

    Die Paderborner Morde

    Angelika Godau

    Traditionen

    Britt Glaser

    Wer zuletzt lacht…

    Brigitte Stammschröer

    Bockjagd

    Katja Angenent

    Wohngemeinschaft mit Fischstäbchen

    Greta Welslau

    Die Wahrheit macht dich frei

    Monika Deutsch

    Wie gewonnen, so zerronnen

    Charlie Meyer

    Ringelreigen

    Sarah Drews

    Rache

    Gabriele Nakhosteen

    Eiskalt erwischt

    Franziska Franz

    ´Lippisch´ Roulette

    Dinah Marcus

    Hoit di voor de Katten, de voorn licken un achtern kratten

    Bianca Schilsong

    Verschollen auf dem Leinewebermarkt in Bielefeld

    Frau Meier, die Klassenlehrerin der 25köpfigen 8a, einer Realschule in Bielefeld, war verzweifelt. Ihre Schülerin war verschwunden. Niemand hatte eine Erklärung dafür. Panisch schaute sich Frau Meier nach allen Seiten um, sie klapperte alle Fahrgeschäfte ab, Imbissstände, Verkaufsstände. Niemand hat Sabine gesehen. Unbegreiflich.

    „Wo kann sie nur sein?", rief Frau Meier, als sie wieder vor ihren Schülern stand.

    Die Kinder schauten sich schweigend an, tauschten Blicke aus.

    „Nadja, ihr beide ward doch die ganze Zeit über zusammen."

    „Nein, wir haben uns gestritten und sind getrennt weiter gegangen", erwiderte Nadja kleinlaut.

    „Ich habe euch doch ausdrücklich gesagt, dass ihr mindestens in Zweiergruppen zusammen bleiben sollt. Egal was ist. Würdet ihr euch nur einmal an das halten, was man euch sagt!

    Es war euch generell verboten, alleine los zu ziehen! Genau um das zu verhindern, was jetzt passiert ist! Wir müssen sie finden!", rief Frau Meier in verzweifelter Panik, gepaart mit genzenloser Wut. Sie malte sich die schlimmsten Sachen aus. Entführung, Vergewaltigung, Mord. Ihr rechtes Auge begann zu zittern. Immer wenn sie nervös wurde, setzte dieses Zittern am Auge ein. Es machte sie noch nervöser. Sie konnte die Bilder, die sich vor ihrem inneren Auge abspielten, nicht ausblenden.

    „Ihr Kinder habt ja alle Handys. Hat jemand von euch heute Bilder gemacht auf denen Sabine zu sehen ist?"

    Kollektives Kopfschütteln, außer bei Sebastian, der langsamen Schrittes, mit dem Handy in der Hand, auf seine Lehrerin zuging und es ihr gab.

    „Prima. Kann ich mir dein Handy ausleihen?"

    Ein Nicken.

    „Bevor noch weitere Kinder verloren gehen", begann Frau Meier, „bleibt ihr nun alle zusammen hier am Riesenrad stehen. Jule, passe bitte auf, dass alle zusammenbleiben! Ich ziehe noch einmal von Stand zu Stand, zeige das Bild von Sabine, in der Hoffnung, dass doch jemand sie gesehen hat. Kann ich mich darauf verlassen, dass ihr hier zusammenbleibt? Und wenn ich sage, dass ihr zusammenbleiben sollt, dann tut dies auch!"

    Als ein einstimmiges „Ja" erfolgte, zog Frau Meier guten Gewissens los.

    Sie war nervös, hatte panische Angst um Sabine. Ihre Musterschülerin, nur 1er auf dem Zeugnis, nie verhaltensauffällig gewesen, auf sie war immer Verlass. Ihr muss etwas zugestoßen sein. Sie hätte sich niemals alleine, ohne Bescheid zu geben, weggeschlichen. Erneutes Kopfkino.

    Sabine nackt im Wald, blutend, zusammengekrümmt voller Schmerzen, ein Mann auf ihr, der ihr Schmerzen zufügte, ihr die Kindheit raubte. Sabine, die lauthals schrie, ohne gehört zu werden. Der Mann würde die Kontrolle verlieren, ihr den Mund zu halten, sie für immer zum Schweigen bringen, Erstickt, im Wald, unter der Erde verscharrt.

    „Reiß dich zusammen", befahl sie sich selbst.

    „Entschuldigen Sie, haben Sie dieses Mädchen heute gesehen?", fragte sie die junge Frau am Luftballonstand, einen Mann an einem Imbissstand und eine Person am Musikexpress.

    Sie warfen Blicke auf das Handy. 3 x Kopfschüttelndes „Nein."

    Sie lief zum Hangover, auf den sich Sabine nie getraut hätte, da sie Höhenangst hat. Auch hier erwartungsgemäß betretenes, nicht gerade hilfreiches Kopfschütteln. 

    Frau Meier lief weiter. Sie schluchzte. Herzklopfen. Schneller Atem. Ihre Hände zitterten, Angstschweiß machte sich auf ihrer Stirn breit. Das Zittern in ihrem Auge wurde stärker.

    Sie befürchtete ihre Schülerin nicht mehr lebend zu finden. Was werden die Eltern sagen? Sie würden ihr die Schuld geben. Man würde sie suspendieren, sicherlich dürfte sie nie wieder als Lehrerin arbeiten. Sie musste das Mädchen finden, koste es was es wolle, und zwar lebend und unversehrt. Sie hatte doch ihr ganzes Leben noch vor sich. Wie konnte das gerade unter ihrer Aufsicht passieren? Gerade ihr.

    Sie kam zur Sparkassenbühne, auf der heute Abend LEA auftreten würde, die diesjährige Attraktion auf dem Leinewebermarkt in Bielefeld. Aber auch hier konnte man ihr nicht weiterhelfen. Erneut trauriges Kopfschütteln als Antwort.

    Sie lief weiter.

    „Entschuldigen Sie, haben Sie dieses Mädchen gesehen?", fragte Frau Meier hoffnungsvoll.

    Die Verkäuferin des Süßwarenstandes schaute sich das Bild eine Weile an. Man sah, dass sie überlegte.

    „Ja, doch, ich erinnere mich an sie, sie war hier und hat sich Zuckerwatte gekauft."

    Erleichterung, endlich jemand der sie gesehen hatte, eine kleine Spur. Hoffnung keimte in Frau Meier auf.

    „Wissen Sie noch wann in etwa sie hier war? War sie alleine?"

    „Ja, sie war alleine, aber wann, schwer zu sagen, man verliert hier auf dem Leinewebermarkt schnell jegliches Zeitgefühl. Vor einer Stunde vielleicht?", meinte die Verkäuferin. In ihrer Stimme lag jedoch keine Spur von Sicherheit.

    „Danke, Sie haben mir sehr geholfen!", bedankte sich Frau Meier und setzte ein Lächeln auf; es wirkte sichtlich gezwungen.

    „Eine Frage an Sie, sind Sie die Mutter?"

    „Nein, die Lehrerin."

    „Und da lassen Sie das Kind alleine hier über den Leinewebermarkt laufen? Und das in der heutigen Zeit?", meinte die Verkäuferin einerseits verwundert, andererseits anklagend.

    „Sie war ursprünglich nicht alleine. Ich muss weitersuchen. Tschüss!"

    Frau Meier hatte keine Nerven, um sich jetzt irgendwelche Anmaßungen von einer Zuckerwatteverkäuferin am Süßwarenstand anzuhören. Sie lief weiter, kam an dem Autoscooter vorbei und später an einem Würstchenstand.

    Kopfschütteln. Weiter ging es.

    Die kurze Hoffnung, die in ihr aufgekeimt war, verebbte. Sie war kurz vorm Verzweifeln.

    „Vielleicht ist sie bei der Radio Bielefeld Bühne?", überlegte Frau Meier. Nichts wie hin.

    „Ja", nickte eine Frau mit Blick auf das Bild auf dem Handy, als sie dort fragte.

    „Das Mädchen war alleine hier, sogar eine ganze Weile. Sie hatte, wie es aussah, Streit mit einem anderen Mädchen. Müsste vor 2 Stunden gewesen sein!", überlegte die Frau unsicher.

    „Ich danke Ihnen. Haben Sie gesehen, wohin sie gegangen ist?"

    Die Frau schüttelte bedauernd den Kopf.

    „Nochmals vielen Dank!"

    Erneut stieg Hoffnung in Frau Meier auf.

    Sie lief zurück. Kam an weiteren Essens- und Trinkständen vorbei.

    Sie rief kurz die Klassensprecherin ihrer Klasse an: „Jule, ist bei euch alles in Ordnung? Alle noch da? Hat Sabine sich bei einem von euch gemeldet?"

    „Nein, Frau Meier, hat sich nicht gemeldet, ja, alles in Ordnung und ja, wir sind alle noch da, keine weiteren Vermisstenmeldungen", antwortete sie.

    „Okay, ich suche weiter. Bis später."

    Frau Meier hatte kein gutes Gefühl dabei, ihre Klasse die ganze Zeit unbeaufsichtigt auf dem Leinewebermarkt am Riesenrad stehen zu lassen. Aber sie musste Sabine finden, das hatte jetzt absolute Priorität.

    Sie kam an einem Losestand vorbei. Der Mann am Verlosungsbetrieb konnte ihr jedoch auch nicht weiterhelfen.

    30 Minuten später gab es keine neuen Erkenntnisse. Voller Panik rief sie erneut Jule an.

    „Nein. Nix neues. Sollten Sie nicht die Polizei informieren, Frau Meier?"

    „Wir finden sie ohne Polizei", sagte Frau Meier optimistisch klingend, auch wenn sie davon weit entfernt war. Sie konnte die Polizei nicht informieren, dann würde die Schule dies erfahren, die Eltern, nein, das geht nicht. Es geht schließlich auch um ihren bisher guten Ruf, den sie seit Jahren in der Schule genoss. Sie bekam ohnehin viel Gegenwind, als sie dem Schulleiter den Vorschlag unterbreitete nachmittags mit den Kindern am Tage vor dem Feiertag ein paar Stunden auf den Leinewebermarkt zu gehen.

    „Und was ist wenn … Sie wissen schon…"

    „Jule, an so was darfst du nicht denken", fuhr Frau Meier ihre Schülerin barsch an.

    „Vielleicht ist sie schon tot", sagte Jule weinend ins Telefon.

    „Ich finde sie. So, ich lege auf. Bis später!"

    Frau Meier steckte ihr Handy zurück in die Handtasche.

    Sie kam am Zelt des Deutschen Roten Kreuz vorbei, zeigte das Bild, unterhielt sich kurz, aber auch hier war sie nicht.

    Es fiel ihr schwer, aber sie musste die Eltern informieren. Die Angst vor genau diesem Anruf stand ihr ins Gesicht geschrieben. Es würde Vorwürfe hageln, man würde ihr Aufsichtspflichtverletzung vorwerfen, sie würde ihre Arbeit verlieren, man würde sie anzeigen, sie war schuld am Verschwinden von Sabine. Tränen liefen.

    Sie suchte mit eiskalten, zittrigen Fingern im Handy nach der Telefonnummer von Sabines Eltern, wählte und wartete. Das Tuten war unerträglich. Es kam ihr vor, als wären Minuten vergangen, bevor jemand abhob.

    „Grube?"

    „Frau Grube, Meier hier."

    Schweigen am anderen Ende, was Frau Meier noch mehr bedrückte.

    „Ich muss mit Ihnen sprechen, es ist wichtig."

    „Worum geht es?", fragte Sabines Mutter. Sie wirkte kurz angebunden.

    „Ich muss Ihnen was Schreckliches mitteilen", begann Frau Meier langsam.

    Schweigen am anderen Ende des Telefons.

    Frau Meier atmete dreimal tief durch, bevor sie fortfuhr.

    „Sabine ist verschwunden. Seit fast zwei Stunden bin ich schon am Suchen. Es tut mir unendlich leid. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Ich schalte die Polizei ein."

    Frau Meier sprach sehr schnell und verhaspelte sich mehrfach, ihre Stimme machte ihre Panik, die sie hatte, deutlich.

    Weiterhin Schweigen am anderen Ende der Leitung. Frau Meier hörte leises Atmen.

    „Beruhigen Sie sich. Sabine ist hier, bei mir, sie ist mit dem Bus nach Hause gefahren. Ich dachte das wüssten Sie? Sonst hätte ich Ihnen Bescheid gegeben."

    Frau Meier fiel die Kinnlade herunter. Einerseits Erleichterung andererseits Wut. Die ganze Angst, die Anspannung, die Panik, alles nur, weil Sabine, ohne was zu sagen, gegangen ist? Das darf doch nicht wahr sein. Ihre Musterschülerin. Das hat Sabine doch mit Absicht gemacht, aber warum? Was hatte sie ihr denn getan, dass sie ihr so einen üblen Streich spielte? Und sicherlich wussten die Klassenkameraden alle Bescheid.

    Fassungslosigkeit machte sich breit. Sie atmete dreimal tief ein und aus, bevor sie sprach.

    „Mir fällt ein Stein vom Herzen." Dann verabschiedete sie sich, beendete das Gespräch und ging zurück zu ihrer Klasse. Ihre Mitschüler waren erleichtert, oder gaben zumindest vor, es zu sein. Frau Meier war sich dessen nicht so sicher.

    Nächste Woche wird sie mit ihrer Klasse darüber sprechen. Jetzt hatte sie dazu keine Lust mehr.

    Sie fuhren gemeinsam mit dem Bus zurück zur Schule. Aber eins war für Frau Meier sicher. Sie würde mit dieser Klasse in Zukunft kein weiteres Mal auf den Leinewebermarkt fahren.

    Anja Puhane

    16 Stunden, 51 Minuten und 39 Sekunden

    Fünf Uhr eins und 55 Sekunden.

    Die Sonne geht auf, er schläft noch tief, der Wecker wird erst in knapp anderthalb Stunden klingeln, bis dahin wälzt er sich in seinem Bett herum. Die Temperaturen sind sommerlich, aber die Nächte noch kühl. Daran liegt es nicht, dass er im Schlaf den Kopf immer wieder hin und her dreht, den Körper im Laufe der kurzen Nacht in der Decke verknotet hat.

    Das Morgenlicht dringt zaghaft durch die Schlitze der Rollladen, im Laufe der nächsten 88 Minuten wird es immer fordernder, zaubert Muster auf die weiße Wand hinter ihm und würde ihn an der Nase kitzeln, wenn sie nicht tief im Kissen vergraben wäre.

    Sechs Uhr dreißig. Der Wecker klingelt, fast zeitgleich stößt seine Mutter die Türe auf.

    „Ingo, aufstehen!"

    Ihr Brüllen übertönt den Wecker, der eigentlich schon laut genug ist. Es liegt weder am Wecker, noch an der Mutter, dass er schlagartig hellwach ist. Trotzdem unternimmt er einen halbherzigen Versuch, sich wieder in das Kissen zu kuscheln.

    „Ingo, steh auf. Du kommst zu spät!"

    Er ist noch nie auch nur eine Minute zu spät gekommen. Das lag natürlich nur an seiner Mutter, würde sie sagen.

    Irgendetwas vor sich hin brummelnd, wirft sie die Tür wieder zu.

    Ingo strampelt die Decke weg und schlurft Richtung Bad. Aus der Küche im Erdgeschoss dringt Geklapper und Geklirre.

    Sieben Uhr drei Minuten und 25 Sekunden.

    „Ingo!"

    Er verdreht die Augen, während er in eine Jeans und ein Transformers-T-Shirt schlüpft. Das Shirt spannt über dem Bauch und die Hose reicht nur noch bis zu den Knöcheln. Er ist schon wieder gewachsen. Du wächst mir noch über den Kopf, sagt seine Mutter immer. Er verkneift sich dann zu sagen, dass er das hofft. Sie könnte das falsch verstehen. Aber sie ist nur 1,65 Meter groß. Da möchte er drüber.

    Als er in die Küche kommt, sagt die Mutter nichts, sieht ihn nur mahnend an. Ihre blonden Haare kleben an der Stirn und den geröteten Wangen. Seit der Vater nicht mehr da ist, hat ihre Fürsorge beängstigende Ausmaße angenommen. Zwei Nutella-Brote liegen auf einem Teller, daneben steht die Brotbox für die Pause. Er hat sie zur Einschulung bekommen, zu seinem Leidwesen hat sie mittlerweile sechs Schuljahre relativ schadlos überstanden.

    Ingo beißt in eins der Brote und nippt am viel zu heißen Kakao. Seine Mutter sitzt ihm gegenüber, die Hände um einen Kaffeebecher geschlungen. Sie ist noch im Nacht-hemd. Wenn er mittags aus der Schule kommt, wird sie es gegen einen Kittel eingetauscht haben. Sie wird der Großmutter, die in der anderen Doppelhaushälfte wohnt, immer ähnlicher. Aber immerhin hat sie keine blauen Flecken und geröteten Augen mehr.

    Sieben Uhr, 35 Minuten, 14 Sekunden.

    „Beeil dich, der Bus kommt gleich!"

    „Ich fahr mit dem Rad, Ali holt mich ab."

    „Der kommt doch immer zu spät, nimm lieber den Bus."

    Ingo ignoriert ihre Ansage, kaut weiter auf seinem Brot herum.

    Um viertel vor acht biegt Ali um die Ecke, Ingo steht schon mit seinem Rad vor dem Haus.

    „Ihr werdet zu spät kommen", orakelt die Mutter.

    Werden sie nicht. Sie brauchen nur zehn Minuten, sitzen zwei Minuten bevor die Schulglocke läutet im Klassenraum.

    Acht Uhr, Null Minuten, zehn Sekunden. Doktor Schepsmeier

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