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AD FLUVIUM: Geschichten von Römern und Germanen
AD FLUVIUM: Geschichten von Römern und Germanen
AD FLUVIUM: Geschichten von Römern und Germanen
eBook197 Seiten2 Stunden

AD FLUVIUM: Geschichten von Römern und Germanen

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Über dieses E-Book

Im vierten Jahrhundert nach Christus, der von uns heute so genannten Spätantike, war das Land westlich des Rheins römisches Provinzgebiet. So war es seit Jahrhunderten gewesen. Doch viel hatte sich geändert seit der Zeit der großen Kaiser, als Jahrzehnte des Friedens die Landschaften und Städte hatten erblühen lassen. Nun kamen die Germanen aus den Gebieten östlich des Rheins in immer größerer Zahl über den großen Strom, anders als früher aber nicht mehr nur als Handelspartner, billige Arbeitskräfte oder schlagkräftige Verbündete. Sie kamen jetzt auch als Räuber, Plünderer und schließlich sogar als Eroberer. Während gleichzeitig der neue Glaube an den einen Gott der Christen die alten Religionen mit ihrer Vielzahl an Göttern herausforderte, verschwammen im Laufe der Zeit die Grenzen zwischen Römern und Germanen immer mehr. Bauern, Händler, Handwerker, Soldaten und natürlich auch ihre Frauen und Kinder, lebten in diesen ereignisreichen Zeiten ihr alltägliches Leben. Das Gleiche galt ebenso für Banditen und Halsabschneider, Gauner und Gesetzlose. Über die Sorgen und Ängste, Leidenschaften und Probleme all dieser Menschen wissen wir heute nichts mehr. Aber wenn wir ihre Stimmen noch hören könnten, hätten sie uns viel zu erzählen. Von den Menschen "ad fluvium", am großen Fluss, dem Rhein, handeln die zwölf Geschichten in diesem Band.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum5. Juni 2021
ISBN9783754129593
AD FLUVIUM: Geschichten von Römern und Germanen

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    Buchvorschau

    AD FLUVIUM - Patrick Jung

    Inhaltsverzeichnis

    In­halts­ver­zeich­nis

    Im­pres­s­um

    Wid­mung

    Vor­wort

    Vor­re­de

    Eine Un­zahl von Göt­tern

    Ge­schäf­te

    Am Bo­den des Brun­nens

    Ger­ma­nen­jagd

    Der Trank der Göt­ter

    Ver­ges­sen

    Die Ge­burt der Son­ne

    Eis

    Eis­gang

    Al­lein

    Iro­nie

    Ein Gott

    Impressum

    Tex­te:

    © Co­py­right by Pa­trick Jung

    Um­schlags-/Co­ver­ge­stal­tung:

    © Co­py­right by Pa­trick Jung

    Ver­lag:

    Dr. Pa­trick Jung

    Dell­manns­weg 11c

    45277 Es­sen

    pa­trick.jung@live.de

    Ver­trieb:

    epu­bli – ein Ser­vice

    der neo­pu­bli GmbH, Ber­lin

    Mai 2021

    Widmung

    Für Cla­ris­sa, Jo­na­than, Jo­han­na und Jus­tus

    Vorwort

    Die­se Samm­lung von Ge­schich­ten, so kurz und tri­vi­al sie auch sein mö­gen, ist das Pro­dukt zahl­rei­cher Jah­re. Das Le­ben war lan­ge Zeit zu wich­tig, um das ein­mal be­gon­ne­ne Pro­jekt in­ner­halb ei­ner kür­ze­ren Zeit­span­ne ab­schlie­ßen zu kön­nen. So muss­te es erst zu zwei Um­zü­gen, ei­nem Stel­len­wech­sel, ei­ner Hei­rat und der Ge­burt von drei Kin­dern kom­men, bis es end­lich so­weit war.

    Am An­fang stand eine sim­ple Idee: ein­mal aus­pro­bie­ren, ob ab­seits der täg­li­chen Ar­beit und dem oft ge­üb­ten Um­gang mit wis­sen­schaft­li­chen Tex­ten auch das Ver­fas­sen von »blo­ßen« Ge­schich­ten ge­lin­gen könn­te – ganz dem Bei­spiel der rö­mi­schen Ober­schicht fol­gend, de­ren An­ge­hö­ri­ge in ih­rer »frei­en Zeit« bis­wei­len ger­ne als Schrift­stel­ler di­let­tier­ten und da­bei mal ge­rin­ge­ren, mal grö­ße­ren Er­folg ver­bu­chen konn­ten.

    Ver­fasst habe ich die ers­ten Tex­te in der alt­ver­trau­ten Bi­blio­thek des Phi­lo­so­phi­kums an der Main­zer Uni­ver­si­tät, zu Hau­se wäh­rend der spo­ra­di­schen »frei­en« Wo­chen­en­den und spä­ter in der El­tern­zeit, nicht zu­letzt auch in der wun­der­bar kre­a­ti­ven At­mo­sphä­re des Es­se­ner Un­per­fekt­hau­ses. Nun erst mer­ke ich, wie wich­tig der je­wei­li­ge ge­ni­us loci beim Schrei­ben doch ge­we­sen ist.

    Zu dan­ken habe ich je­doch zu­erst und vor al­lem mei­ner Frau, die mir die not­wen­di­gen Frei­räu­me ein­ge­räumt hat und stets Ver­ständ­nis für die­ses Pro­jekt auf­brin­gen konn­te.

    Es­sen, im Mai 2021

    Vorrede

    Das Land am lin­ken Ufer des nörd­li­chen Ober­rheins und das west­lich dar­an an­schlie­ßen­de Ge­biet bis zur Mo­sel, also das heu­ti­ge Rhein­hes­sen, die Nord­pfa­lz und der Huns­rück, wa­ren im 4. Jahr­hun­dert nach Chris­tus rö­mi­sches Pro­vinz­ge­biet. So war es seit über drei Jahr­hun­der­ten ge­we­sen, und noch im­mer gal­ten Städ­te wie Mo­gon­tia­cum (Mainz) oder Tre­ve­ris (Trier) als Me­tro­po­len des rö­mi­schen Le­bens. Doch die lan­g­an­hal­ten­den Frie­den­spe­ri­o­den un­ter den gro­ßen Kai­sern des Im­pe­ri­um Ro­ma­num ge­hör­ten in die­ser Zeit, die wir heu­te Spät­an­ti­ke nen­nen, be­reits der Ver­gan­gen­heit an.

    Da­mals zog es Ger­ma­nen aus den von den Rö­mern nie be­setz­ten oder be­reits ge­räum­ten Ge­bie­ten öst­lich des gro­ßen Rhein­stroms es in die im­mer noch ver­gleichs­wei­se rei­chen Pro­vin­zen. Sie wa­ren al­ler­dings nicht mehr wie frü­her nur Han­del­s­part­ner, bil­li­ge Ar­beits­kräf­te oder schlag­kräf­ti­ge Ver­bün­de­te. Sie wur­den zu ei­nem Pro­blem für die rö­mi­sche Ord­nung, denn sie ka­men nun auch als Räu­ber, Plün­de­rer und schließ­lich so­gar als Er­obe­rer.

    Wäh­rend im Lau­fe der Zeit die Gren­zen zwi­schen Rö­mern und Ger­ma­nen ver­schwam­men, fand der jun­ge, aus dem Os­ten stam­men­de Glau­be an den einen Gott der Chris­ten im­mer mehr Ver­brei­tung. Mit sei­nen neu­en, ein­schnei­den­den In­hal­ten for­der­te er die tra­di­ti­o­nel­len Re­li­gi­o­nen mit ih­rer un­über­schau­ba­ren Viel­falt an Göt­tern her­aus.

    In die­sen er­eig­nis­rei­chen Zei­ten leb­ten die ein­fa­chen Leu­te, also die Bau­ern, Händ­ler, Hand­wer­ker oder Sol­da­ten und na­tür­lich auch ihre Frau­en und Kin­der, ihr all­täg­li­ches Le­ben. Das Glei­che galt eben­so für die Ban­di­ten und Hals­ab­schnei­der, Gau­ner und Ge­setz­lo­sen. Sie alle er­fuh­ren je­den Tag aufs Neue Glück und Frie­den, aber auch Un­g­lück und Ge­walt.

    Von al­le­dem wis­sen wir heu­te nichts mehr. An­ti­ke Au­to­ren be­rich­ten uns nur über die gro­ße Po­li­tik und wich­ti­gen Er­eig­nis­se die­ser Jah­re. Ar­chäo­lo­gi­sche Zeug­nis­se ver­mö­gen es im­mer­hin, die all­ge­mei­nen Le­ben­s­um­stän­de der Men­schen ein we­nig zu er­hel­len. Aber die un­zähl­ba­ren Ge­dan­ken, Wor­te und Ta­ten der Men­schen las­sen sich nicht mehr re­kon­stru­ie­ren. Trotz­dem oder ge­ra­de des­halb sind sie es, die un­se­re Vor­stel­lungs­kraft an­re­gen und Bil­der in un­se­ren Köp­fen ent­ste­hen las­sen.

    Von den Men­schen ad flu­vi­um, am gro­ßen Fluss, dem Rhein, han­deln die fol­gen­den zwölf Ge­schich­ten. Sie be­rich­ten, ver­teilt über den Lauf ei­nes Jah­res, von ih­ren Sor­gen und Ängs­ten, ih­ren Pro­ble­men und nicht zu­letzt auch von ih­rem Kampf ums Über­le­ben.

    Eine Unzahl von Göttern

    Juni

    I.

    »Oh Epo­na, gro­ße Göt­tin, Her­rin der Pfer­de, Be­schüt­ze­rin der Rei­sen­den, er­hö­re mich! Ge­wäh­re mir, dei­nem un­be­deu­ten­den Die­ner, dei­ne Gunst und be­wah­re mich auf mei­ner nächs­ten Fahrt vor Un­ge­mach und Not! Auf dass mir, mei­nem Ge­spann und mei­ner La­dung kein Leid ge­sche­hen möge! Als Dank ge­lo­be ich, dei­nen un­ver­gäng­li­chen Ruhm zu meh­ren, dir ein Op­fer dar­zu­brin­gen in dei­nem Hei­lig­tum in Mo­gon­tia­cum und dich für alle Zu­kunft zu eh­ren!«

    Ame­li­us ließ sich sei­ne Wor­te an die Göt­tin noch ein­mal durch den Kopf ge­hen, wäh­rend er schau­kelnd auf dem Kutsch­bock sei­nes Fuhr­wer­kes saß. Er hat­te sie vor ei­ni­gen Ta­gen an ei­nem Al­tar der Pfer­de­her­rin ge­spro­chen und schon in dem Mo­ment ein selt­sa­mes Ge­fühl ge­habt, als sie sei­ne Lip­pen ver­las­sen hat­ten.

    Er er­wach­te kurz aus sei­nen Ge­dan­ken und fuhr sich mit der fla­chen Hand über die schweiß­nas­se Stirn. Es war heiß an die­sem Hoch­som­mer­tag, und er, der über eine be­acht­li­che Lei­bes­fül­le ver­füg­te, neig­te stets zum Schwit­zen. Wäh­rend er die Trop­fen von sei­ner Hand ab­schüt­tel­te, schau­te er sich um. Das Ge­spann der vier Och­sen zog in zu­ver­läs­si­ger Rou­ti­ne sei­nen Wa­gen die stau­bi­ge Stra­ße ent­lang, die einst der Stolz der rö­mi­schen Pro­vinz Ger­ma­nia Pri­ma ge­we­sen war und nun aus kaum mehr als ei­ner An­samm­lung Schlag­lö­cher be­stand. Auch die Tie­re wa­ren schon lan­ge in kei­nem gu­ten Zu­stand mehr. Längst hät­te er sie durch jün­ge­re er­setzt, wenn sei­ne fi­nan­zi­el­len Mit­tel es zu­ge­las­sen hät­ten.

    Sei­ne Au­gen wan­der­ten wei­ter und fie­len auf Sa­mus, einen sei­ner bei­den Fuhr­knech­te. Er schritt links ne­ben dem Ge­spann ein­her und be­äug­te wach­sam den Zu­stand der Stra­ße vor ih­nen. Ame­li­us be­ru­hig­te, dass Sa­mus im Not­fall den Wa­gen in kaum mehr als ei­nem Wim­pern­schlag stop­pen konn­te. Auf ihn konn­te er sich ver­las­sen. Seit fast zehn Jah­ren be­glei­te­te der Knecht ihn auf sei­nen Han­dels­fahr­ten zwi­schen Tre­ve­ris und Mo­gon­tia­cum, Agrip­pi­na und Ar­gen­to­ra­tum. Und nie hat­te er ihn im Stich ge­las­sen.

    Nur kurz blick­te er da­nach über sei­ne Schul­ter nach hin­ten. Er sah einen Sack mit Rei­se­pro­vi­a­nt und ei­ni­ge gut ge­füll­te Was­ser­schläu­che. Die ei­gent­li­che La­dung des Wa­gens, 20 Kis­ten mit aus­er­le­se­nen Töp­fer­wa­ren aus Tre­ve­ris, war gut un­ter ei­ner di­cken De­cke mit Sei­len ver­täut. Er wuss­te, dass die qua­li­täts­vol­len Töp­fe, Schüs­seln, Tel­ler und Be­cher gut ver­packt wa­ren. Dar­auf leg­te er viel Wert, seit­dem die Stra­ßen kaum noch in­stand­ge­hal­ten wur­den. Eine Schan­de war das! Wo­für zahl­te er ei­gent­lich Steu­ern und Zöl­le!

    Aber sein Blick schweif­te be­reits wei­ter und traf auf Sex­tus, sei­nen zwei­ten Knecht. Er saß hin­ten auf dem Fuhr­werk und soll­te ei­gent­lich das Ge­län­de im Auge be­hal­ten. In die­sen Ta­gen war es ge­fähr­lich auf den Stra­ßen. Über­all konn­ten Räu­ber oder plün­dern­de Ala­man­nen von jen­seits des Rheins lau­ern, für die ein Händ­ler wie er ein ge­fun­de­nes Fres­sen war. Und was tat Sex­tus, die­ser Nichts­nutz? Schon wie­der war er ein­ge­schla­fen.

    Ame­li­us dreh­te sich seuf­zend um und fiel in die zu­sam­men­ge­sun­ke­ne, be­que­me Sitz­hal­tung zu­rück, in der er die meis­te Zeit auf dem Kutsch­bock ver­brach­te. Mit Sex­tus wür­de er noch ein erns­tes Wört­chen spre­chen. Spä­tes­tens bei der nächs­ten Rast, so viel war si­cher. An­ders als Sa­mus war der Kerl ein­fach zu nichts wirk­lich zu ge­brau­chen.

    Doch in der Ein­tö­nig­keit des schau­keln­den Wa­gens fan­den sei­ne Ge­dan­ken rasch wie­der zu­rück in die Sphä­re des Gött­li­chen, die ihm so ganz an­ders vor­kam als die Re­a­li­tät auf der stau­bi­gen Land­s­tra­ße. Schon selt­sam ei­gent­lich, dass er ein Ge­bet an Epo­na, die Her­rin der Pfer­de, ge­rich­tet hat­te, wo er doch sein Pfer­de­ge­spann schon vor vie­len Jah­ren ver­kauft und durch bil­li­ge­re und kräf­ti­ge­re Och­sen er­setzt hat­te. Aber auch frü­her war ihm nie et­was pas­siert, und viel­leicht hat­te er das ja auch die­ser Göt­tin zu ver­dan­ken. Sie kann­te ihn und er kann­te sie. So­was mach­te viel aus. Er hat­te es ja auch nur zur Ab­si­che­rung ge­tan, zu­sätz­lich zu sei­nem üb­li­chen Schutz­ge­such an Mer­kur. Der alt­ehr­wür­di­ge Gott der Händ­ler hat­te im­mer ein wach­sa­mes Auge auf ihn ge­habt. Des­sen war er sich si­cher. Aber viel­leicht war es doch un­dank­bar von ihm ge­we­sen, die­ses Mal auch noch bei ei­ner an­de­ren Göt­tin um Schutz zu bit­ten?

    Nein, das glaub­te er nicht. Im­mer­hin war die Si­tua­ti­on an­ders als sonst. Nor­ma­le­r­wei­se wür­de er so nahe an der Gren­ze zu den Ba­r­ba­ren nicht al­lein rei­sen, zu­mal auf ei­nem Weg, der über wei­te Stre­cken durch Wald und Öd­land führ­te, son­dern sich mit an­de­ren Händ­lern zu­sam­men­tun. Gött­li­cher Schutz hin oder her! Die bes­te Si­cher­heit vor Über­fäl­len bot im­mer noch die Ge­mein­schaft mit an­de­ren. Aber die­ses Mal hat­te er nur einen ein­zi­gen Ge­nos­sen ge­fun­den, der den­sel­ben Weg hat­te. Und ihm, dem ar­men Aqui­ta­nus, war einen hal­b­en Tag nach der Ab­rei­se aus No­vio­ma­gus die Vor­der­ach­se des Wa­gens ge­bro­chen. Ver­fluch­te Schlag­lö­cher! Bis dort­hin wa­ren sie von Tre­ve­ris aus mit dem Last­kahn auf der Mo­sel­la ge­fah­ren, was im All­ge­mei­nen viel an­ge­neh­mer und auch si­che­rer war.

    Ame­li­us hat­te sich nach dem Un­fall aber dazu ent­schie­den, die Fahrt aus­nahms­wei­se al­lein fort­zu­set­zen. Das hat­te sei­nen gu­ten Grund: Nicht nur hat­te er sei­ne Ware ter­min­ge­recht ab­zu­lie­fern. Da­nach woll­te – nein muss­te! – er sich in Mo­gon­tia­cum in vier Ta­gen mit ei­nem ala­man­ni­schen Händ­ler tref­fen, von dem er Gü­ter aus dem Land der Ba­r­ba­ren er­ste­hen woll­te. Das Zu­stan­de­kom­men die­ses Ge­schäf­tes war sehr wich­tig für ihn, und da er nicht wuss­te, wie lan­ge der Ala­man­ne auf ihn war­ten wür­de, war er das Ri­si­ko ei­ner Rei­se ohne Be­glei­tung not­ge­drun­gen ein­ge­gan­gen. Dop­pel­ter gött­li­cher Schutz war da si­cher­lich nicht falsch.

    Nun ja, ge­nau­ge­n­om­men hat­te er sich so­gar drei­fa­chen gött­li­chen Schut­zes ver­si­chert. Mit dem Gott der Chris­ten, die­sem seit ei­ni­ger Zeit schon all­ge­gen­wär­ti­gen Chris­tus, konn­te er zwar nur we­nig an­fan­gen. Hat­te die­ser Gott sich doch für sei­ne An­hän­ger ans Kreuz schla­gen und zu Tode mar­tern las­sen. Eine sehr selt­sa­me Art, über sei­ne Fein­de zu tri­um­phie­ren, fand Ame­li­us. Im­mer­hin war er ihm aber sym­pa­thi­scher als die­ser Mi­thras, die­ser an­de­re Gott aus dem Os­ten. Des­sen Leh­re und die Ge­heim­nis­tu­e­rei sei­ner An­hän­ger wa­ren ihm su­spekt. Aber die­ser Chris­tus! So vie­le glaub­ten mitt­ler­wei­le an ihn, da muss­te er doch über Macht ver­fü­gen. Und wenn man es recht be­dach­te, der Al­tar der Epo­na war schon et­was ver­waist und ver­wahr­lost ge­we­sen. Si­cher, ei­gent­lich dul­de­te die­ser Chris­tus kei­ne wei­te­ren Göt­ter ne­ben ihm. Das aber war Ame­li­us völ­lig un­ver­ständ­lich. Er hat­te in ei­nem sei­ner Tem­pel, die sie »Kir­chen« nann­ten, zu ihm ge­be­tet. Er muss­te lei­se ki­chern. Wenn der Pries­ter, der dort sei­nen Dienst ver­rich­tet hat­te, ge­wusst hät­te … Aber bis­her hat­te ihn noch kein Blitz ge­trof­fen oder der Zorn des Got­tes auf an­de­rem Wege ein­ge­holt. Wer weiß, für was es gut war. Scha­den konn­te es zu­min­dest nicht, so schien es Ame­li­us.

    Ach, es gab nun mal eine Un­zahl von Göt­tern, für je­den Sterb­li­chen einen, zwei oder drei oder wie vie­le von ih­nen man auch im­mer für die Er­fül­lung sei­ner Wün­sche be­mü­hen woll­te.

    II.

    Ame­li­us grü­bel­te, Sa­mus führ­te das Ge­spann, und Sex­tus schlief hin­ten auf dem Wa­gen. Es hät­te noch Stun­den so wei­ter­ge­hen kön­nen, hät­ten die Göt­ter nicht an­de­re Plä­ne für den Händ­ler und sei­ne bei­den Knech­te ge­habt.

    »Fet­te Beu­te«, grins­te Ma­gnus sei­ne Spieß­ge­sel­len mit ver­faul­ten Zäh­nen an. Un­ter sei­ner lan­gen Mäh­ne ver­filz­ter Haa­re fun­kel­ten sei­ne Au­gen gie­rig. »So ein un­vor­sich­ti­ger Idi­ot«, er­wi­der­te Ur­sus mit ei­nem un­gläu­bi­gen Ton­fall. Der Hüh­ne reck­te sei­nen Kopf aus der wil­den He­cke her­aus, hin­ter der die vier Räu­ber am Ran­de ei­nes Wald­s­tücks Schutz ge­sucht hat­ten. »Rübe run­ter, du Lump, oder willst du, dass sie uns se­hen?«, raun­te es ne­ben ihm. Aman­dus war zwar min­des­tens einen Kopf klei­ner als Ur­sus, aber er wuss­te sehr ge­nau, dass er bei wei­tem der klügs­te der Ban­de war. Des­we­gen ak­zep­tier­ten die an­de­ren ihn auch als An­füh­rer und er konn­te sich sol­che Kom­man­dos er­lau­ben. Ca­nio, der vier­te der Trup­pe, ver­harr­te still, et­was ab­seits der an­de­ren, am Bo­den und be­ob­ach­te­te das über die Stra­ße rum­peln­de Fuhr­werk. Er ist klein, un­schein­bar und sagt fast nie et­was, aber ge­nau des­we­gen ist er der bes­te Räu­ber von uns al­len, dach­te Aman­dus bei­läu­fig und grins­te.

    Ein Plan war schnell ge­macht. Es schie­nen ins­ge­samt nur drei zu sein: ein fet­ter Kerl auf dem Kutsch­bock, wahr­schein­lich der Be­sit­zer des Wa­gens und sei­ner La­dung, dazu ei­ner vor­ne bei den Och­sen und ei­ner hin­ten auf der La­de­flä­che. Be­waff­ne­te Be­glei­ter wa­ren nicht zu se­hen, also war das Ri­si­ko ge­ring. Da die Och­sen auch kaum zu ei­ner we­sent­lich hö­he­ren Ge­schwin­dig­keit fä­hig wa­ren, konn­te ih­nen ihre Beu­te auch kaum ent­kom­men. Also ent­schloss sich Aman­dus zu ei­ner ein­fa­chen Tak­tik: Er schick­te Ma­gnus und Ca­nio ein klei­nes Stück die Stra­ße ab­wärts. Sie soll­ten sich dem Wa­gen von hin­ten nä­hern. Er selbst wür­de mit Ur­sus, des­sen be­ein­dru­cken­de Ge­stalt schon so man­chen bra­ven Kauf­mann ein­ge­schüch­tert hat­te, von vor­ne an­grei­fen.

    Nur Au­gen­bli­cke spä­ter war es der gute Sa­mus, der als ers­ter zwei Ge­stal­ten aus ei­nem na­he­ge­le­ge­nen Wald­s­tück fron­tal auf das Ge­spann zu­lau­fen sah. Ei­ner da­von war ein Rie­se mit ei­ner ge­wal­ti­gen Keu­le in der Hand, der an­de­re klei­ner, aber mit ei­nem Lang­schwert be­waff­net.

    »Ame­li­us! Herr!«, rief der Fuhr­knecht in ei­nem Re­flex. Die­ser er­wach­te ab­rupt aus sei­nen Träu­me­rei­en und be­merk­te mit dem In­stinkt des lang­jäh­ri­gen Rei­sen­den die Ge­fahr. Schnell hat­te er sei­ne Hand un­ter dem Brett, auf dem er saß. Dort tas­te­te er nach ei­nem Dolch, der dort be­fes­tigt war. Sei­ne di­cken Fin­ger such­ten da­nach, fan­den zu­erst je­doch die klei­ne Tru­he mit sei­ner Bar­schaft und ei­ni­gen an­de­ren Wert­sa­chen, die er eben­falls hier ver­steckt hat­te. Hek­tisch fühl­te er wei­ter und hat­te kurz dar­auf den Dolch in der Hand. Ruck­ar­tig blick­te er nach hin­ten und er­starr­te für einen Mo­ment vor Ent­set­zen. Wäh­rend der tum­be Sex­tus ge­ra­de erst wach wur­de und sich ver­wun­dert die Au­gen rieb,

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