Der Münzberg: Ein Wirtschaftskrimi im Feenland
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Buchvorschau
Der Münzberg - Andreas Graziano Müller
Ein Pinguin taucht auf
Weil Feen selten besonders originell sind, wollten sie ihn zu einem Kellner machen. Aber Peter, der kleine Pinguin, wollte lieber Polizist oder Detektiv werden. Er konnte aber die Gesetze der Feenwelt nicht ohne weiteres verstehen, das sind nämlich ganz besondere Gesetze. Erst vor ein paar Tagen war er dort gelandet. Er war in den Wunschbrunnen gefallen, den einzigen Wunschbrunnen der Antarktis, an dem ersten Tag seit ewigen Zeiten, an dem dieser nicht zugefroren war. Da fand sich Peter plötzlich auf einem Geldberg wieder. Geld aus aller Herren Länder. Und was für ein riesiger Haufen, er war bestimmt zwanzig Meter hoch, alles kleine Münzen. Am Fuße des Haufens standen Feen und nahmen einzelne Münzen. Alle Feen trugen Handschuhe und fassten die Münzen vorsichtig mit den Fingerspitzen an. Sie schienen sich zu ekeln. Wenn eine Fee eine Münze genommen hatte, schaute sie kurz nachdenklich in die Luft, zuckte dann mit den Schultern oder schüttelte den Kopf und steckte die Münzen in ein kleines Leinensäckchen. Manchmal zuckten sie nicht mit den Schultern, sondern wedelten kurz mit ihrem Feenstab, dann entstanden ein paar Funken, die im Himmel verschwanden. Das war hübsch – aber seltsam. Peter versuchte den Geldhaufen hinunterzuwatscheln, der war aber rutschig, also schlitterte er lieber bäuchlings hinab. Wie man von rutschigen Bergen herabkommt, weiß niemand besser als ein Pinguin, der ja sein Leben lang auf Eisbergen gelebt hat. Unten stieß er auf zwei Feen, die sich um eine Münze stritten, die vielleicht sehr selten oder besonders viel wert war. Die meisten Münzen konnten nicht viel wert sein, wo es doch so viele davon gab. Peter rutschte der einen auf den Fuß. Sie erschrak sich und die andere schnappte die Münze und verschwand. Die eine, ihr Name war Nananananelda, was man auf dem zweiten „na und auf dem „nel
betont, schrie:
„Haltet sie, sie hat meine Münze!",
woraufhin sich aber keine der umstehenden Feen rührte. Das zeigte, dass man hier einen Polizisten gut brauchen konnte. Nananananelda wandte sich Peter zu:
„Wer bist du denn? Bist du überhaupt eine Fee?"
Peter schwankte mit dem Körper vor und zurück. Nananananelda überlegte, ob das ein Verbeugen oder ein Nicken sein sollte. Peter watschelte kurz im Kreis, schaute Nananananelda ins Gesicht und verbeugte sich wieder, denn es war eher ein Verbeugen als ein Nicken.
„Oh, Moment.",
sagte Nananananelda und holte ihren Feenstab aus ihrem Gürtel, einer Art Werkzeuggürtel für Feen. Sie tippte Peter kurz an. Funken stoben.
„Hmm. Öchm. Chmm. Mmm. Hmm.",
machte Peter.
„Ich kann mich ja räuspern!",
wunderte sich Peter.
„Oh, ich äh, – – ich – –. Und ich kann sprechen.",
stammelte Peter erstaunt. Nananananelda fragte noch einmal:
„Und wer bist du nun?"
„Peter."
„Bist du eine Fee?"
„Nein."
„Dachte ich mir. Was bist du denn?"
„Ein Pinguin."
Wenige Tage später wohnte Peter in einer Wohngemeinschaft mit einigen anderen Besuchern des Feenreiches. Nananananelda, die eine recht nette Fee zu sein schien, hatte ihm geholfen, die Wohnung zu finden. Nebenan wohnte Onkel Wankel. Dieser hatte die typische gekrümmte Haltung eines zu groß geratenen Menschen, der sich ständig zu seinen Mitmenschen hinunterbeugen muss. Er war aber selbst eher klein. Er wollte eine Geschichte über Feen schreiben, hatte aber das Notizbuch vergessen, in dem er sich Notizen über die Feenwelt machen wollte. Jetzt arbeitete er als Münzenpolierer. („Was hat es nur mit den Münzen auf sich?", fragte sich Peter.) Gegenüber lebte ein Weihnachtswichtel, der sehr alt war. Wie allen Weihnachtswichteln sah man es ihm aber nicht an, außer vielleicht an den Zähnen, wie bei Pferden. Er ließ sich aber von niemandem in sein Maul schauen.
„Ich glaube wir haben uns früher schon einmal gegenüber gewohnt. Ich am Nordpol und du gegenüber am Südpol.",
sagte der Weihnachtswichtel und verschwand in seinem Zimmer, in dem er irgendwas bastelte. Niemand wusste was, er ließ niemanden in sein Zimmer und sprach nie über das, was er bastelte und er achtete peinlich darauf, dass niemand in sein Zimmer schaute. Zuletzt wohnte noch ein Kobold in der Wohnung, der Wismut hieß. Der hatte eine ganz wirre Frisur auf dem Kopf aber einen akkurat gescheitelten Vollbart. Wie die meisten Kobolde hatte er einen Stand auf dem Markt, er verkaufte Obst und Gemüse. Und wie alle Kobolde hatte er kein Talent zu verkaufen. Er stand hinter seinen Waren und sagte langsam und gelangweilt:
„Obst, Gemüse, also zum Beispiel Äpfel, Broccoli, Spargel, der sieht heute, glaube ich, ganz gut aus oder Birnen, die sind ein bisschen weich, aber wenn Sie sie heute noch oder zumindest sehr bald essen, sind sie einigermaßen ziemlich gut. Wenn die Äpfel so weich wären wie die Birnen, wären sie nicht schön. Sind sie aber nicht. Die sind fast knackig. Für einheimisches Obst zu dieser Jahreszeit außergewöhnlich knackig – eigentlich. Also kaufen Sie. Kaufen Sie. Kaufen Sie."
Und wurde immer leiser. (Das Obst war außerordentlich gut, viel besser als alles, was man in der Menschenwelt bekommt. Aber ein Kobold muss kein guter Verkäufer sein, da alle Konkurrenten ebenfalls Kobolde sind und nicht gut verkaufen können.)
Einmal besuchte Peter mit Nananananelda den Markt. Der Markt war gleich neben dem Zentrum des Feenlandes. Das Zentrum war der Münzhaufen. Die Münzpoliererei, in der Onkel Wankel arbeitete, war auch gleich um die Ecke. Alles was mit Geld zu tun hatte, fand in dieser Gegend statt. Und Peter musste Geld verdienen, also suchte er hier Arbeit. Besser gesagt, Nananananelda suchte Arbeit für Peter, der selbst nicht gewusst hatte, dass das so sein muss. Sie führte ihn in ein Café, in dem er kellnern sollte. Peter zögerte.
„Ich glaube nicht, dass ich das kann."
„Du siehst aus wie ein Kellner und Kellner werden gebraucht.",
herrschte Nananananelda ihn an. Und schon kam jemand, es musste wohl der Besitzer des Cafés sein, und drückte Peter ein Tablett mit Cappuccino und Buttercremetorte in die Hand. Das Tablett schepperte samt Cappuccino auf den Fußboden. Peter hatte keine Hand, in die man ihm etwas hätte drücken können. Die Buttercremetorte flog, wie von Geisterhand bewegt, in das Gesicht einer schwarzen Katze, die mit abgespreiztem kleinen Finger Mokka trank. Vom scheppernden Tablett erschreckt rannte Peter im Kreis, wobei er etwas beobachtete: In einer Ecke saß eine junge Fee, die angestrengt wegschaute. Unter ihrem Tisch stoben ein paar Funken, wie sie ein Feenstab hinterlässt. Diese Fee hatte etwas hellere Haare als die übrigen Feen, die allesamt dunkelblond waren. Und die Katze, die die Buttercremetorte ins Gesicht gekriegt hatte, schaute genau diese Fee argwöhnisch an.
Währenddessen unterhielten sich Nananananelda und der Besitzer des Cafés, der übrigens Tom hieß. Tom sagte:
„Das war wohl nichts."
„Das muss irgendwie gehen. Er ist der geborene Kellner, das sieht man doch."
„Er hat keine Hände. Und was da an ihm aussieht wie ein Frack, hat keine Tasche für das Geld. Und meine Kellner tragen überhaupt keine Fracks. Seit Jahrzehnten nicht mehr."
„Probier mal, ob er das Tablett auf dem Schnabel balancieren kann. Das wäre doch eine Möglichkeit und eine Attraktion.",
keifte Nananananelda und:
„Eine Tasche kann er sich umhängen. Er braucht einen Job."
Die hellblonde Fee in der Ecke hatte eine Hand voll Münzen auf den Tisch geworfen. Sie hatte die Münzen nicht abgezählt und es schien ihr auch egal zu sein, dass eine auf den Boden rollte. Dann verließ sie das Café. Unterwegs wurde sie von der Katze angefaucht, woraufhin die junge Fee kicherte. All dies hatte Peter genau beobachtet, als er plötzlich von Tom angesprochen wurde:
„Halt mal den Schnabel nach oben."
Peter reagierte nicht gleich, woraufhin Nananananelda ihm mit ausgestrecktem Zeigefinger von unten gegen den Schnabel drückte und schrie:
„Du sollst den Kopf in den Nacken legen."
Woraufhin Tom ihm das Tablett aufs Gesicht stellte. Er rückte es hin und her,