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Aldemakros: Das Ende der Zukunft
Aldemakros: Das Ende der Zukunft
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eBook385 Seiten4 Stunden

Aldemakros: Das Ende der Zukunft

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Über dieses E-Book

Mit Hilfe der Bruderschaft des reinen Herzens beginnen nun die Aldemakros, die sich als die Gesandten des Herrn ausgeben, die Weltherrschaft zu erlangen. Dr. Lavoisier und sein Team glauben jedoch, dass die Aldemakros ganz eigene Ziele verfolgen, die keinen göttlichen Ursprung haben. Wie kann die unüberwindbare Macht der Aldemakros gebrochen werden? Könnte eine von Dr. Cartier entwickelte Technologie mithelfen, die Menschheit vor ihrer Zerstörung zu bewahren? Und was spielen Nisaba und ihre Schwestern für eine Rolle?
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum17. Apr. 2020
ISBN9783752941791
Aldemakros: Das Ende der Zukunft

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    Buchvorschau

    Aldemakros - Dubhé Vaillant

    Kapitel 1: Der Verdacht

    Paris, 27. Dezember 2027

    Alle Mitglieder des Teams Sargon waren über den Verlust ihrer Kollegen zu Tode betrübt. Steven Smith war ein angesehener und äusserst kompetenter IT-Chef gewesen, und seine Meinung wurde nicht nur gehört, sondern beachtet und respektiert. Er war ein Mensch, dem man sich gerne anvertraute und auf dessen Rat man hörte. Nun war er einfach nicht mehr da. So wie die anderen fünf Mitarbeiter aus dem Institut. Obwohl die ruppige Art von General Gresse ihnen zwischendurch auf die Nerven gegangen war, wussten sie, dass er einen guten Job gemacht hatte. Auch sein Verlust, den sämtlicher Sicherheitskräfte und der ägyptischen Mitarbeiter, die sie unterstützt hatten, schmerzten sehr.

      Aber am schlimmsten war es, mit ansehen zu müssen, wie sich alle in der grossen Halle vor ihren Augen einfach in nichts auflösten. Das war unerträglich. Einige weinten, andere starrten irgendwo in eine Ecke, während einige ihrer Wut Luft machten und wie die Rohrspatzen fluchten und die Aldemakros verdammten. Lavoisiers Gedanken waren weit weg und drehten sich um eine einzige Frage.

    »Warum war ein Aldemakro dort? Woher wusste er, dass sie in die unterirdische Halle gehen wollten? Es hatte keine elektronische Kommunikation gegeben, die darauf hingewiesen hätte. Ein Verdacht machte sich hartnäckig in seinem Bewusstsein breit. Aber er wollte ihn nicht wahrhaben, obwohl er wusste, dass es keine andere Möglichkeit gab.

      Lavoisier schickte alle Mitarbeiter nach Hause und wies sie an, den Sicherheitsanweisungen der Polizei und der Armee, die alle Mühe hatten, die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten, Folge zu leisten. Sie vereinbarten, dass sie alle am Folgetag um 9:00 Uhr im unterirdischen Forschungslabor erscheinen sollten. Dann würde das weitere Vorgehen besprochen. Lavoisier verliess gegen vierzehn Uhr das Gebäude als letzter und entschied, im Institut für Altertumsforschung noch einige Dinge zu erledigen, denn er wollte dem von ihm gehegten Verdacht nachgehen.

    Zudem würde er bei Charles’ Kiosk vorbei gehen. Vielleicht hatte er, auf welche Weise auch immer, Informationen über seine Freunde in England zu erhalten. Ein Chauffeur brachte ihn sicher ins Institut in La Défense. Er liess den Wagen eine Strasse vorher anhalten, stieg aus und verabschiedete sich freundlich vom Fahrer, was dieser nicht erwartete und was ihn sichtlich erfreute.

      Lavoisier schaute aus der Ferne zu Charles’ Kiosk und stellte fest, dass er keinen blauen Schal trug. Das bedeutete, dass die Agenten seine Überwachung eingestellt hatten. Langsam schlenderte er Richtung Kiosk, aber irgendein Bauchgefühl sagte ihm, dass etwas nicht so war, wie es sein sollte. Charles‘ Bewegungen waren irgendwie anders, schienen gehemmter zu sein. Er ging langsam am Kiosk vorbei und tat so, als ob er an den Zeitungsaushängen interessiert wäre. Für einen Moment sah er Charles in die Augen. Er zeigte keinerlei Reaktionen und begrüsste ihn auch nicht. Genau das Fehlen einer Reaktion signalisierte Lavoisier, dass Charles in grossen Schwierigkeiten steckte.

      Er ging weiter und betrat das Institut für Altertumsforschung. Vorher drehte er sich noch kurz um, und es sah aus, als ob er den Verkehr kontrollierte, bevor er die Strasse überquerte. Sein Blick huschte nicht nur über die Strasse, sondern er sah für einen kurzen Augenblick auch in den hinteren Bereich des Kiosks. Drei Männer konnte er erkennen, dem Aussehen nach keine Freunde von Charles. Nachdem Lavoisier die Sicherheitskontrollen im Institut passiert hatte, nahm er den Lift, um möglichst schnell in sein Büro zu gelangen. Er grüsste kurz eine Sekretärin, trat in sein Büro ein, öffnete eine abgeschlossene Schublade, fand den gesuchten Gegenstand, prüfte die Funktionsweise und verliess wieder sein Büro. Danach rannte er die Treppe hinunter, denn er wusste, dass er schneller als der Lift sein würde, und verliess das Institut. Er nahm den Kiosk in Augenschein. An der Situation hatte sich nichts verändert. Im hinteren Teil waren immer noch drei Personen zu erkennen. Charles bediente eine ältere Frau, gab ihr das gewünschte Journal, kassierte den entsprechenden Betrag ein und verabschiedete sich von der Kundin. Anschliessend drehte sich Charles mit dem Geld in der Hand um, und Lavoisier glaubte gesehen zu haben, dass er das Geld einem der drei aushändigte oder, besser gesagt, aushändigen musste.

    »Diebe, Kleinkriminelle«, dachte Lavoisier.

    »Dann werde ich Charles mal einen Besuch abstatten«, sagte er mehr zu sich selbst.

      Er bewegte sich so, dass Charles und seine Peiniger sehen mussten, dass er schnurstracks auf den Kiosk zukam und durch mehrmaliges Auf-die-Uhr-Blicken den Eindruck hinterliess, dass er es sehr eilig hatte. Als er vor der breiten Theke stand, wartete er gar nicht darauf, bis Charles etwas sagen konnte, sondern gab direkt mehrere Bestellungen auf. Dabei streckte er seine Hand und seine fünf Finger so aus, dass nur Charles sie sehen konnte.

    »Das kostet € 32.50«, sagte Charles in einem freundlichen, wenn auch reservierten Ton. Lavoisier zog eine Zweihunderternote hervor und überreichte sie Charles.

    »Haben Sie es nicht kleiner?«, fragte er.

    »Tut mir leid, leider nicht«, antwortete Lavoisier, und sein Blick fiel auf seine Hand. Charles warf auch einen Blick darauf und sah, dass nun nur noch vier Finger ausgestreckt waren. Charles blinzelte kurz und Lavoisier wusste, dass er es begriffen hatte.

    »Jungs«, rief er in den hinteren Bereich des Kiosks. »Ich brauche Wechselgeld auf einen Zweihunderter!«

    Lavoisier hörte Gesprächsfetzen und stellte fest, dass die Diebe sich nicht ganz einig waren, was sie tun sollten. Charles schaute auf seine Finger.

      »Kommt jetzt endlich das Wechselgeld? Ich habe es eilig«, rief Lavoisier nach hinten. Charles sah, wie Lavoisier im Sekundentakt den vierten, dritten, zweiten und dann den letzten Finger seiner Hand zurückzog, so dass nur noch die Faust zu sehen war. Dann ging alles sehr schnell. Charles duckte sich und Lavoisier sprang über die Theke. Bevor die Diebe irgendetwas tun konnten, setzte Lavoisier den ersten mit einem gezielten Schlag in den Solarplexus, der sich am Übergang von Brustkorb zur Magengrube befindet, ausser Gefecht. Danach schlug er dem zweiten mit dem Fuss ein Messer aus der Hand, und bevor der Dritte zu einer Waffe greifen konnte, richtete Lavoisier seine Pistole auf ihn und befahl den beiden, die Hände hoch zu halten und sich auf den Boden zu legen, was sie auch augenblicklich taten. Lavoisier nickte Charles zu, und dieser rief die Polizei herbei.

    »Wie lange machten sie das schon?«, fragte Lavoisier, nachdem die Gendarmen die drei Kleinkriminellen abgeführt hatten.

    »Seit heute früh«, antwortete Charles sichtlich erleichtert und bedankte sich herzlichst bei ihm. Im Moment läuft vieles schief. Überall wird eingebrochen, geplündert, und kaum jemand hält sich noch an die Gesetze.

    »Glaub mir, es wird noch viel schlimmer kommen«, sagte Lavoisier zu ihm.

    »Dann möge Allah uns beistehen.«

      Lavoisier nickte und sie tauschten die neuesten Informationen aus. Charles durchsuchte einen Stapel alter Zeitungen, zog zwei Kuverts, eines mit der Anschrift Galilei und ein anders das mit dem Namen Marcel versehen, hervor und übergab sie Lavoisier.

    »Vielen Dank, mein guten Freund«, sagte Lavoisier und steckte die Briefe ein. Er kannte die Handschriften, und er wusste nicht, ob die Inhalte etwas Gutes oder Schlechtes zu bedeuten hatten.

    »Vielleicht solltest du daran denken, deinen Kiosk vorübergehend zu schliessen. Denn ich vermute, dass nach Ablauf des Ultimatums Unruhen und Plünderungen ausbrechen werden.

    »Was werden Sie tun?«, fragte Charles.

    »Ich weiss es nicht. Aber ich möchte morgen auf keinen Fall in einem der Länder sein, die nicht bedingungslos kapitulieren.«

    »Das denke ich auch. Werden wir Menschen noch eine Zukunft haben?«

    »Wir Menschen sind erst am Ende, wenn beim Letzten das Herz aufgehört hat zu schlagen«, sagte Lavoisier, und Charles spürte, dass er es todernst meinte.

    »Besteht demnach noch Hoffnung?«, fragte Charles weiter.

    »An dem Tag, an dem wir die Hoffnung aufgeben, wird das Ende der Zukunft für uns Menschen anbrechen. Ich will daran glauben können, dass dieser Tag noch weit entfernt ist.«

    »Aber was können wir tun?«

    »Ich weiss es nicht. Aber wir sind Menschen. Uns ist noch immer etwas eingefallen, wenn es hart auf hart gegangen ist.«

    »Aber die Aldemakros scheinen über Technologien zu verfügen, die den unsrigen weit überlegen sind.«

    »Ja, das mag sein«, sagte Lavoisier.

    »Wir sollten Verbündete haben, die über die gleichen Technologien oder noch bessere verfügen«, sagte Charles.

      Kaum hatte Charles den Satz zu Ende gesprochen, drang bei Lavoisier wieder das seltsame Gefühl an die Oberfläche wie damals, als er die Mitteilung erhalten hatte, dass neue Wurmlöcher entstanden und weitere Raumschiffe gelandet waren. Es war nur ein flüchtiger Gedanke, aber diesmal hielt er ihn fest und war überzeugt, dass das Schicksal der Menschen eng mit diesem Gedanken verwoben war. Und er sollte Recht bekommen.

    »Deshalb verwirrte mich alles«, dachte er und ein kleines Lächeln huschte über sein Gesicht.«

    »Ein Königreich für deine Gedanken«, sagte Charles.

    »Dein letzter Satz gibt uns vielleicht die Richtung vor, wie wir die Aldemakros besiegen können«, sagte Lavoisier und verabschiedete sich, weil er zu Hause noch einige Dinge erledigen wollte, die nicht warten konnten. Denn sein Verdacht nahm immer konkretere Züge an.

    Der Grossmeister der Bruderschaft des reinen Herzens sass neben Gabriel im Schloss Chambord. Es sah irgendwie surreal aus. Da sass Gabriel, der Racheengel Gottes und neben ihm Berger, der dagegen fast schon zwergenhaft wirkte. Gabriel war nicht gut gelaunt.

    »Eines muss man euch Menschen lassen. Ihr heckt immer wieder etwas aus, wenn es ums Überleben geht. Das respektiere ich. Aber ich werde dem ein für alle Mal ein Ende bereiten.«

    »Aber wir brauchen doch viele von Ihnen«, sagte Berger.

    Gabriel ignorierte seine Bemerkung und schwieg. Vielmehr wollte er wissen, wie es überhaupt zum Einsatz in Ägypten kommen konnte. Berger spürte, dass ihn Gabriel dafür irgendwie verantwortlich machte.

    »Wer war der Urheber des Plans, in das alte Kontrollzentrum unter den Pyramiden einzudringen?«, fragte Gabriel.

    »Meine Quelle erzählte mir, dass Dr. Lavoisier irgendeinen Film gezeigt hatte, in dem das alte Kontrollzentrum zu sehen war. Er verfügte auch über die Programmcodes, um die Kontrolle über das Wurmloch zu erlangen«, antwortete Berger. »Wie er dazu gekommen war, weiss meine Quelle nicht.

    »Bring mir diesen Dr. Lavoisier, ich will wissen, was er alles weiss«, forderte Gabriel den Grossmeister auf.

    »Soll ich ihn sofort zu dir führen?«

    Gabriel überlegte, und es schien, als wäge er ab, wann es am besten wäre, sich Dr. Lavoisier vorzuknöpfen.

    »Bring ihn mir morgen gegen Mittag!«, sagte er und Berger hatte das Gefühl, dass sich Gabriels Laune augenblicklich verbessert hatte.

    »Ich werde ihn dir morgen bringen«, versicherte Berger ihm.

      Draussen setzte bereits die Dämmerung ein. Der Nebel schlich durch die Strassen, und eine unangenehme, feuchte Luft wehte Lavoisier entgegen. Er mochte die Kälte und den Winter nicht. Er wusste, dass er bis zum morgigen Ultimatum viel vorbereiten musste. Gedankenverloren ging Lavoisier die Treppe zu seinem Appartement an der Rue de Baune hoch. Er schloss seine Wohnungstüre auf, trat ein und legte sich aufs Sofa, wobei er zuvor seine Schuhe auszog.

    »Was für ein beschissener Tag«, dachte Lavoisier traurig. Er mochte gar nicht an die Ereignisse in Ägypten denken. Weil er Hunger hatte, öffnete er seinen Kühlschrank. Dieser war zwar gut gefüllt, aber irgendwie hatte er keinen Appetit und schloss, ohne etwas herauszunehmen, wieder die Türe. Dafür füllte er etwas Wein in ein Glas und achtete nicht einmal darauf, welche Weinflasche er gewählt hatte. Er leerte das Glas in einem Zug und stellte es auf das kleine Tischchen neben dem Sofa. Er hing seinen Gedanken nach. Dann erinnerte er sich plötzlich an die beiden Kuverts. Er zog sie hervor und öffnete das erste mit der Anschrift Marcel.

      »Lieber Marcel

    Wenn du diese Zeilen lesen wirst, werde ich schon in den USA sein. Zu riskant scheint mir der Aufenthalt in Europa zu sein. Ich werde nicht zurückkommen, warte also nicht auf mich. Ich habe die Zeit mit dir immer sehr genossen, und deine Liebe bedeutete mir viel. Aber alles hat seine Zeit. Ich wünsche dir gutes Gelingen und es wäre schön, wenn ich eines Tages sagen könnte, ein früherer Geliebter von mir hat die Welt gerettet. Danke für alles. Bisous«, las Lavoisier. Er musste die Unterschrift nicht lesen, denn er kannte Colettes Schrift auch so. Seine Stimmung wurde nicht besser, aber er konnte Colette sehr gut verstehen. Sie beide wussten, dass ihr Arrangement auf Dauer keinen Bestand haben würde. »Es ist, wie es ist«, dachte Lavoisier.

      Er öffnete nun das zweite Kuvert, nahm einen Brief und einen USB-Speicherstick heraus. Instinktiv stand er auf, ging in sein Büro im oberen Stock, steckte den USB-Stick in den Laptop, während er die ganze Zeit im Brief las. Er wusste, wer der Absender war, aber er hätte nicht erwartet, dass er von Cartier noch einen Brief und sogar noch einen USB-Stick erhalten würde. Er ging davon aus, dass sie längstens in England angekommen waren.

      »Lieber Marcel

    Bevor wir Richtung England in See gestochen sind, hatte ich in meinem mobilen Labor noch einige weitere RNA-Filme erstellen können. Ich weiss nicht, ob sie dir weiterhelfen, aber man kann ja nie wissen. Ich habe mir ohne dein Wissen von allen im Team Sargon eine RNA-Probe geben lassen. Zuerst war es eine Spielerei, aber ich denke, was du sehen wirst, könnte womöglich hilfreich sein. Ich hoffe, dass deine Mission, wie immer sie aussieht, erfolgreich sein wird. Wir lassen dich alle herzlich grüssen und sind in Gedanken bei dir«, endete der Brief, gefolgt von mehreren Unterschriften. Lavoisier überflog sie. Er konnte die Namen von Emma, Jules, Isabella, Amana und Pierre entziffern, wobei Pierre eine schreckliche Schrift zu haben schien. Einen Namen allerdings vermisste er aufs schmerzlichste.

    Er stand auf, ging nochmals hinunter in die Küche, öffnete das Gefrierfach des Kühlschranks und zog eine Pizza heraus. Danach schaltete er den Backofen ein, stellte die Temperatur auf 220 Grad ein und schob die Pizza in den Backofen. Dann klingelte es an der Haustüre. Lavoisier zögerte, ob er überhaupt den Knopf der Gegensprechanlage drücken wollte. Schliesslich tat er es doch. Hätte er es nicht getan, wären die Konsequenzen für die Menschheit katastrophal gewesen.

    »Ja«, meldete sich Lavoisier.

    »Jemand aus Amiens möchte dich besuchen«, hörte er eine ihm bestens vertraute weibliche Stimme.

    »Er drückte auf den Entriegelungsknopf und hörte nach einem kurzen Klicken, wie die Haustüre geöffnet wurde.

    »Alice«, dachte er, und augenblicklich durchströmte ihn eine innere Wärme.

    Kapitel 2: Alice

    Paris, 27. Dezember 2027

    Nachdem Alice an der Wohnungstüre geklingelt hatte, öffnete Lavoisier ohne Umschweife und bat sie herein. Beide wussten nicht so recht, wie sie sich begrüssen sollten. Eine gewisse Verlegenheit war beiden anzumerken. Aber Alice nahm das Heft in die Hand und küsste ihn auf die Lippen. Lavoisier erwiderte ihre Küsse und sie umarmten sich.

    »Komm herein«, sagte Lavoisier. »Wieso bist du nicht in England?«, fragte er und war irgendwie dankbar, dass er ein Thema gefunden hatte, das er anschneiden konnte.

      »Danke, es geht mir auch gut«, antwortete Alice ein wenig reserviert, und erst jetzt bemerkte Lavoisier, dass er sie gar nicht nach ihrem Befinden gefragt hatte. Er bedauerte augenblicklich, dass er zuerst die Englandfrage gestellt hatte und wollte gerade fragen, wie es ihr ginge, als sie ihn einfach wieder küsste.

    »So, nun weisst du, wie es mir geht«, antwortete Alice und lächelte ihn ein wenig schmollend an.

    »Ich habe nicht ganz verstanden, wie es dir geht«, bemerkte Lavoisier und musste ebenfalls lächeln.

    »Komm her, ich erkläre es dir nochmals«, sagte Alice und küsste ihn nochmals leidenschaftlich.

    »Jetzt habe ich verstanden, obwohl ich mich frage…«

    »Netter Versuch, aber jetzt müssen wir zuerst andere Dinge besprechen.«

    »Du hast natürlich recht«, antwortete Lavoisier, aber das Wort ‚zuerst‘ blieb in seinen Gedanken hängen. Er versuchte wieder etwas ernsthafter zu wirken, was ihm aber nicht ganz gelang.

      »Hast du schon etwas gegessen?«, fragte er sie.

    »Nein«, antwortete Alice, die jedoch bemerkt hatte, dass aus dem Backofen ein Pizzaduft zu ihnen her wehte.

    »Nimmst du auch eine Pizza?«, fragte er, und Alice nickte.

    Nachdem er die zweite Pizza auch in den Backofen geschoben hatte, deckte er den Esstisch und sie setzten sich danach aufs Sofa.

    »Es freut mich, dass du hier bist«, begann Lavoisier, »aber es wäre sicherer für dich gewesen, wenn du mit Emma und Cartier nach England gereist wärest.«

    »Ich weiss. Aber was soll ich in England tun? Ich will dir helfen, die Aldemakros zu stoppen, aber wenn ich in England bin, kann ich das nicht.«

    Lavoisier dachte über ihre Worte nach. Natürlich hatte sie recht. Aber es wäre ihm wohler gewesen, wenn er sie in England gewusst hätte.

    »Und dann gab es noch einen anderen Grund«, nahm sie wieder den Faden auf.

    »Und der wäre?«

    Sie hob vom kleinen Salontisch sein Weinglas auf und prostete ihm mit einem Lächeln zu.

    »Du bist der Grund«, antwortete sie.

    Erst jetzt bemerkte er, dass er ihr keinen Wein offeriert hatte. Er hatte den Eindruck, dass er nicht ganz bei der Sache war, aber er entschied, dass das bei verliebten Menschen wohl normal war. Er stand auf, nahm ein zweites Weinglas, füllte es mit Rotwein, wobei er diesmal auf die Etikette achtete und zufrieden nickte. Danach streckte er das Glas Alice entgegen.

    »Ich behalte deins«, sagte sie.

    »Auf dich«, antwortete Lavoisier und als ihre Gläser sich berührten, ertönte ein gläserner Klang, der langsam verhallte.

      »Ich war bereits auf Emmas Yacht, und wir wollten gerade ablegen«, sagte sie.

    »Aber ich hatte plötzlich ein komisches Gefühl, das mir sagte, ich solle in Paris bleiben.«

    »Normalerweise bin ich das mit den komischen Gefühlen«, sagte Lavoisier.

    »Stimmt, aber ich habe mich dann entschieden, zurück nach Paris zu kommen, und jetzt bin ich hier«, sagte sie. Lavoisier wollte sie in die Arme nehmen und küssen, aber der Backofen begann wie wild zu piepsen, und er musste die Pizzen herausholen. Sie setzten sich an den grossen Esstisch. Alice nahm die beiden Weingläser mit und stellte eine Flasche Mineralwasser auf den Tisch, während Lavoisier mit zwei Tellern, auf denen sich die Pizzen befanden, an den Esstisch trat. Er servierte und zog aus einer danebenliegenden Schublade entsprechendes Pizzabesteck heraus. Sie wünschten sich guten Appetit und begannen mit dem Essen.

      »Was denkst Du, wird morgen geschehen?«, fragte Alice.

    »Es wird zur Katastrophe kommen.«

    »Wie meinst du das?«

    »Sie werden die Länder vernichten, auslöschen und von der Landkarte tilgen, die sich nicht hinter das weltweite Verhandlungskonsortium unter der Leitung des Innenministers stellen. Die Länder, die schon entschieden haben, weder zu verhandeln noch zu kapitulieren, werden die ersten sein, die durch die Aldemakros bestraft werden«, antwortete Lavoisier.

    »Und werden alle bedingungslos kapitulieren?«, fragte Alice.

    »Das denke ich nicht. Die Bedingungen der Aldemakros sind unmissverständlich. Es gibt keine Verhandlungen, wenn nicht alle kapituliert haben. Nach dem, was in Ägypten geschehen war, werden sie mit aller Härte zeigen, wozu sie fähig sind. Sie werden keine Gnade walten lassen.«

    »Wir müssen diese Wurmlöcher schliessen, sonst wird es keine Zukunft für uns Menschen geben«, meinte Alice.

    »Du hast gesehen, was unter den Pyramiden passiert ist«, antwortete Lavoisier.

    »Ja, ich mag gar nicht daran denken«, sagte Alice mit trauriger Stimme, denn auch sie hatte Steven Smith sehr gemocht.

    »Wie konnte das nur passieren?«, fragte er.

    »Entweder war es purer Zufall, oder …«

    »Oder jemand hat uns verraten«, machte Lavoisier den Satz fertig.

    Alice wusste, dass Lavoisier nicht an Zufälle glaubte. Sie hatte sich auch schon den Kopf darüber zerbrochen, und was ihr Verstand ihr sagen wollte, gefiel ihr ganz und gar nicht.

    »Hast du jemanden im Verdacht?«, fragte sie.

    »Ja, das habe ich, aber ich bin mir noch nicht sicher. Ich muss alle Personen nochmals auf Herz und Nieren überprüfen, bevor ich mir zu hundert Prozent sicher bin.«

    »Du meinst, wir müssen«, erwiderte Alice.

    »Wenn du Zeit und Lust hast, mir zu helfen, dann habe ich nichts dagegen.«

    »Wo fangen wir an?«, fragte Alice.

    »Ich habe auf diesem USB-Stick alle Informationen über die Mitglieder des Teams Sargon. Dich und mich natürlich ausgeschlossen. Wir müssen alles überprüfen, auf jeden Hinweis achtgeben, alles in Frage stellen, auch der kleinsten Unregelmässigkeit nachgehen«, meinte er.

    »Das tönt nach einer anstrengenden Nacht«, antwortete sie.

    »Das ist noch nicht alles. Cartier hat mir einen USB-Stick mit weiteren RNA-Filmen geschickt.«

    Alice nickte, denn während sie auf der Yacht war, wurde sie durch Cartier informiert und kannte den RNA-Film, der unter den Pyramiden spielte. Lavoisier erklärte ihr, dass er dem Team Sargon nicht den ganzen RNA-Film gezeigt, sondern einige Stellen vorenthalten hatte. Er kopierte ihr den zugeschnittenen RNA-Film auf ihren USB-Stick.

    »Hast du die neuen Filme schon angeschaut?«, fragte Alice.

    »Nein, noch nicht. Von jedem vom Team hat er ohne mein Wissen Zellproben genommen und daraus einen RNA-Film hergestellt.«

    »Auch von mir?«

    »Ja, auch von dir. Wenn du willst, kannst du deinen alleine anschauen. Der Entscheid liegt ganz bei dir.«

    »Ich schlage vor, dass wir zuerst die einzelnen Personen überprüfen und zwar im Vieraugenprinzip, danach schauen wir den RNA-Film der entsprechenden Person an«, erklärte Lavoisier.

    »Das macht Sinn.«

      Sie assen die Reste ihrer Pizzen, tranken die Weingläser leer, und nachdem sie die Teller und das Besteck in der Küche abgestellt hatten, begannen sie mit ihren Recherchen.

    »Mit wem beginnen wir?«, fragte Alice, und Lavoisier zuckte mit den Schultern. »Gehen wir von unverdächtig zu verdächtig vor«, schlug er dann doch vor. Alice war einverstanden. Lavoisier holte für sie einen Laptop und kopierte den Inhalt der beiden USB-Sticks darauf. Sein eigener stand schon auf dem grossen Büropult, vor das sie sich nun setzten.

    »Helen Moody«, las Alice vor, und sie begannen, die Informationen zu lesen. Zwischendurch stellte er oder sie eine Frage, sie recherchierten auf dem Internet, gingen verschiedenen Hinweisen nach und kamen zum Schluss, dass es in ihrer Akte keinen Hinweis auf ein Motiv für einen Verrat gab. Auch der RNA- Film gab nichts Substanzielles her. So gingen sie alle Personen durch. Sie fanden nichts Auffälliges, und die RNA-Filme waren zwar sehr interessant und bei einigen Personen aufschlussreich, aber sie fanden nichts, das auf einen Verrat hindeuten konnte. Dann kam das letzte Dossier. Alice schaute ihn an, und er nickte nur kurz.

    »Deine hauptverdächtige Person?«, fragte sie.

    »Ja das ist so.«

    »Ich will, dass wir absolut objektiv an die Überprüfung herangehen. Wir müssen uns so verhalten, als ob wir keinen Verdacht gegen die Person hegen würden«, erklärte Lavoisier.

    »Dann lass uns unseren Job machen!«, sagte sie.

      Beide arbeiteten das Dossier durch, suchten nach auffälligen Mustern, überprüften Hinweise. Aber sie fanden auch hier keine plausible Erklärung, warum die Person verdächtig sein sollte. Der RNA-Film war äusserst beeindruckend und erschreckend, aber daraus einen Verdacht abzuleiten, schien ihnen dann doch zu verwegen zu sein. Alice schaute Lavoisier an und wollte gerade eine Frage stellen, als sie seinen Blick sah. Sie fragte sich manchmal, ob er überhaupt anwesend war, wenn sie diesen Gesichtsausdruck sah. Er schien weit entrückt zu sein, und sie wusste, dass sie ihn in solchen Momenten auf keinen Fall stören durfte. Seine Gedanken schienen sich in der Unendlichkeit zu verlieren.

    »Was geht in ihm jetzt wohl vor?«, fragte sich Alice einmal mehr. Sie wusste, dass Lavoisier auf irgendein Detail, auf einen mikroskopisch kleinen Hinweis gestossen sein musste, der bei ihm eine gedankliche Kettenreaktion ausgelöst hatte. Sie stellte sich vor, wie er in Windeseile diesen Hinweis mit seinem gesamten Wissen abglich und einen Zusammenhang herzustellen versuchte. Sie schwieg, denn sie wusste aus Erfahrung, dass er jetzt auf keinen Fall gestört werden durfte.

      »Ich brauche eine Karte von Paris«, sagte er plötzlich, als seien seine Gedanken nie ins Universum entschwunden.

    Alice öffnete auf ihrem Laptop die Anwendung Google Earth und zoomte Paris heran.

    »Was suchst du?«, fragte Alice.

    »Die Abtei Saint-Germain-des-Prés, die älteste Kirche von Paris«, antwortete Lavoisier.

    »Was ist mit ihr?«, fragte Alice, während sie bereits die Suche gestartet hatte.

    »Ich weiss, dass sie am Boulevard Saint-Germain liegt und auch Namensgeberin der Strasse ist«, antwortete Lavoisier.

    »Wenn du schon Bescheid weisst, was willst du dann noch wissen?«, fragte sie.

    »Liegt sie im 6. Arrondissement?«

    »Moment, ich schaue schnell nach«, sagte Alice und antwortete kurz darauf mit »Ja«.

    Ohne etwas zu sagen, tippte Lavoisier danach wie wild auf der Tastatur seines Laptops herum. Er wirkte wie ein Besessener, der bei einem Verhör den alles entscheidenden Hinweis aus einem Verdächtigen herauspressen will, und seine Finger flogen förmlich über die Tastatur. Dann lehnte er sich im Bürostuhl zurück, und seine Mimik verriet Alice, dass er fündig geworden war. Er drehte den Laptop zur Seite, so dass Alice sehen konnte, was Lavoisier ihr zeigen wollte.

    »Das kann nicht sein!«, rief sie empört.

    »Ich hatte es schon immer vermutet«, antwortete er.

    »Marcel, du bist in sehr grosser Gefahr«, sagte Alice, und der Gedanke daran liess sie erschauern.

    »Ich weiss«, antwortete er nur trocken, stand auf, holte die angefangene Weinflasche und füllte die beiden Weingläser wieder auf. Doch trank er noch nicht daraus.

    »Es ist besser, seine Feinde zu kennen, als im Trüben zu fischen«, sagte er in einem beiläufigen Ton.

    »Und jetzt?«, fragte sie.

    »Ich werde als erstes ein Schreiben verfassen und an den Innenminister persönlich mailen, dass du ab sofort wieder im Team Sargon bist. Ich habe die Entscheidungskompetenz über das ganze Personal. Deshalb kann und will ich dich als meine Stellvertreterin nominieren. Du wirst also morgen früh mit mir ins unterirdische Labor mitkommen. Wir werden alle Informationen, die wir nun zusammengetragen haben, mitnehmen und die Person überführen. Die neuen RNA-Filme nimmst du aber besser zu dir. Sollte etwas mit mir geschehen, so werden sie die

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