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Planet hinter dem Nichts Band eins: Hooi
Planet hinter dem Nichts Band eins: Hooi
Planet hinter dem Nichts Band eins: Hooi
eBook296 Seiten4 Stunden

Planet hinter dem Nichts Band eins: Hooi

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Über dieses E-Book

Ein Raumschiff am Rande des Nichts. Ein Wesen, das Quantenstrukturen beeinflussen kann. Die Menschheit in 35000 Jahren?

"Sie näherten sich langsam der Siedlung. Es regnete immer noch leicht, aber der Morgen dämmerte bereits und hüllte alles in ein fades, graues Licht. Die Umrisse der riesigen Urwaldbäume wurden deutlicher, auch die Stämme voller Lianen, die kreuz und quer wucherten und den Weg versperrten, waren jetzt früher zu erkennen, und so kamen sie besser voran. Lyra ging als Erste, ein Kurzschwert in der Hand, mit dem sie sich den Weg bahnte, nach ihr kam Ben, die Waffe gezückt. Hinter ihm Devin, dann Eiisa und Luwin. Beim Näherkommen erkannte Lyra die Umrisse der Gebäude: es war keine Wohnsiedlung, sondern ein militärisches Camp! Sie hob die linke Hand – ihr rechter Arm schmerzte zu sehr für unnötige Bewegungen -, alle hielten an. Eine kleine Handbewegung und alle stellten sich in einem engen Kreis um sie herum. "Das ist keine Siedlung, das ist ein Militärcamp!" flüsterte sie. "
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum4. Juni 2019
ISBN9783748549925
Planet hinter dem Nichts Band eins: Hooi
Autor

Frida Seidel

Schon als Kind wollte Frida Astronautin werden. Lesen Sie ihren Debütroman aus der Andromeda-Triologie.

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    Buchvorschau

    Planet hinter dem Nichts Band eins - Frida Seidel

    Planet hinter dem Nichts

    Eine Geschichte zwischen den Zeiten

    Von Frida Seidel

    Buch eins: Hooi

    Gefechte

    Sie näherten sich langsam der Siedlung. Es regnete immer noch leicht, aber der Morgen dämmerte bereits und hüllte alles in ein fades, graues Licht. Die Umrisse der riesigen Urwaldbäume wurden deutlicher, auch die Stämme voller Lianen, die kreuz und quer wucherten und den Weg versperrten,  waren jetzt früher zu erkennen, und so kamen sie besser voran. Lyra ging als Erste, ein Kurzschwert in der Hand, mit dem sie sich den Weg bahnte, nach ihr kam Ben, die Waffe gezückt. Hinter ihm Devin, dann Eiisa und Luwin. Beim Näherkommen erkannte Lyra die Umrisse der Gebäude: es war keine Wohnsiedlung, sondern ein militärisches Camp! Sie hob die linke Hand – ihr rechter Arm schmerzte zu sehr für unnötige Bewegungen -, alle hielten an. Eine kleine Handbewegung und alle stellten sich in einem engen Kreis um sie herum. „Das ist keine Siedlung, das ist ein Militärcamp! flüsterte sie. „Das bedeutet, wir nähern uns dem Flughafen!

    „Was machen wir?" fragte Ben.

    „Es gibt zwei Möglichkeiten antwortete sie. „Entweder wir umgehen es weiträumig oder wir versuchen dort unser Glück und finden Waffen und Ausrüst… weiter kam sie nicht, denn aus dem Nichts schoss ein Licht heran und traf Luwin ins Bein. Er sackte mit einem Schrei zu Boden.

    „Verteilen, drei rechts, zwei links!" rief Lyra halblaut, gerade noch rechtzeitig, bevor ihnen weitere Schüsse um die Ohren blitzen. Devin packte Luwin unter dem Arm und zog ihn hoch, schleppte ihn dann weiter hinter in ein naheliegendes Gebüsch, Eiisa folgte ihnen. Lyra schlich gebückt in einem Bogen nach links auf eine Gruppe von drei größeren Steinen zu, die ihr Deckung gaben. Ben lief ein paar Schritte dahinter. Auf der anderen Seite blitzen Schüsse auf; die anderen lieferten sich offenbar schon ein Feuergefecht mit den Angreifern. Lyra ließ sich hinter den Steinen nieder und winkte Ben, es ihr gleichzutun. Ein Knacksen im Wald lies Ben herumfahren, doch es war bereits zu spät. Ein  Schuss traf ihn mitten in die Brust und er sackte wortlos in sich zusammen.

    „Scheiße!", fluchte Lyra leise vor sich hin. Sie sah nach oben, als das Licht plötzlich wechselte. Eine dunkle Regenwolke zog am Himmel vorbei, es hatte schlagartig aufgehört zu regnen. Sie wartete einen Moment, bis die Wolke genau vor dem kleinen, helleren Mond stand, der an Himmel bereits verblasste gegen das Licht der aufgehenden Sonne, dann hechtete sie mit einem langen Sprung zu Ben, griff sich seine Waffe und zog die Ersatzmunition von seinem Gürtel ab, prüfte kurz seinen Puls. Nichts. Sie holte kurz Luft, zielte auf die Stelle, aus der der tödliche Schuss gekommen war und schoss einmal. Stille. Mit ihren Sinnen tastete sie die Umgebung ab und spürte ein Lauern, jemand wartete auf sein Ziel, auf einen Fehler. Auf der anderen Seite der Gebäude war das Gefecht eingeschlafen.

    Sie schloss die Augen und versuchte Eiisa zu erreichen.

    „Schiess!!!", flüsterte Lyra und lies das Bild eines bewaffneten Mannes in Eiisas Gedanken fallen. Eiisa, eine zierliche, blonde Frau mit langen Haaren und Armen voller Tätowierungen mit mystischen Kreaturen, hob ihre Waffe und feuerte sie in Richtung Wald.

    „Was machst Du?", zischte Luwin, als die Gegenseite prompt wieder mit Schüssen konterte.

    „Ich… ich weiß nicht…ich dachte, da war etwas..."

    „Weiber!", brummte Devin. Luwin grinste schief und nickte Eiisa mit einer schmerzverzerrten Grimasse zu.

    In dem Moment, als Eiisas Schuss fiel, hatte Lyra sich mit einer Abrollbewegung wieder hinter den Stein geworfen, gerade noch rechtzeitig. Sie spürte die Hitze, als ein Schuss knapp an ihr im Fallen vorbeiflirrte, ein zweiter traf ihr Bein und verursachte einen beißenden Streifschuss an der rechten Wade. Sie lehnte sich an den Stein, zog das rechte Knie an und kontrollierte die Waffe kurz mit beiden Händen. Ihre rechte Schulter schmerzte bis zur fast Hüfte hinab, der Aufprall über die Wunde hinweg war nicht besonders angenehm gewesen. Sie überprüfte den Streifschuss kurz; die Verletzung war nicht der Rede wert.

    Und jetzt? Einer tot, zwei Verletzte – naja, sie hatte eher einen Kratzer – innerhalb von fünf Minuten. Sie fluchte leise. In Gedanken zählte sie die Gegner durch. Geschätzte zwölf, davon dürften zwei getroffen sein, einer war schwerverletzt oder tot.

    Sie bewegte sich vorsichtig zum rechten Rand der Steingruppe und blickte um die Ecke. In der Morgendämmerung verblasste das fahle Licht der zwei Monde langsam. Aus einer Wolke direkt über ihnen hatte es wieder begonnen, leicht zu regnen. Lyra versuchte sich das Gelände einzuprägen. Direkt vor ihr war eine kleine Lichtung, dahinter waren mehrere Gruppen von Sträuchern und niedrigen Bäumen, vor dem Waldrand lag ein Stapel Holz exakt aufgeschichtet, hinter dem sie die anderen aus ihrer Gruppe vermutete. Links von ihr lag ein kleines Gebäude aus dunklem, verwitterten Stein, vermutlich die Stützpunktbasis. Knapp dahinter konnte sie die Umrisse eines kleinen nograv-Gleiters erkennen, der auf einer geebneten Fläche unter einem Tarnnetz abgestellt worden war.

    Mehrere Schüsse blitzen fast gleichzeitig auf. Lyra zählte mit – eins, zwei, drei, fünf, dann vier Konter aus Positionen auf der anderen Seite. Das war gut, in ihrem Team lebten also noch alle, und vier Gegner waren weniger als sie erhofft hatte. Sie nahm die Waffe in die linke Hand, denn ihre Rechte war nach wie vor unbrauchbar für jede Art von feinmotorischer Bewegung. Sie drehte sich nach rechts herum, nahm den rechten Unterarm als Stütze für die linke Hand und schoss auf die Lichtpunkte. Fünfmal, dann rollte sie sich sofort wieder in die Deckung hinter den Stein.

    Stille.

    Ein Schuss blitzte vorbei, noch einer. Gleiche Waffe, gleicher Schütze. Lyra wartete, zählte die Sekunden, die zäh wie der feine Regen tropften. Nichts. Also vier Treffer, macht achtzig Prozent Trefferquote. Naja. Für die linke Hand nicht schlecht, aber sie war auch schon mal besser gewesen. Ihre Wunde brannte wie Feuer, der Schmerz schien sich regelrecht von der rechten Schulter bis mitten durch ihr Gehirn zu fräsen. Schweiß ran ihr über die Stirn. Sie wischte ihn ab, schüttelte den Kopf, versuchte sich zu konzentrieren. Sie spürte eine Bewegung im Raum und blickte vorsichtig um die Kurve des Steins, gerade noch rechtzeitig, um sieben Soldaten gebückt zu den Verletzten rennen zu sehen. Es waren eindeutig kaiserliche Regierungstruppen, das konnte sie jetzt gut erkennen, aber sie hatte eigentlich auch nichts anderes erwartet. Lyra holte kurz Luft, atmete aus und feuerte in der Drehung ihr Magazin leer, dann versteckte sie sich wieder hinter ihrer Deckung.

    Sechs der Soldaten lagen am Boden, der siebte hinkte dem Gebüsch entgegen, während er hektisch in ihre Richtung feuerte. Als er gerade am Gebüsch angekommen war und sich dahinter versteckte, wagte sie einen Stellungswechsel und rannte mit ein paar Schritten nach links auf das Gebäude zu. Dort stand ein großer, alter Föördbaum mit mehreren Stämmen, der hervorragenden Schutz bot. Lyra hielt an, warf sich dahinter, lauschte. Stille, aus der Ferne das leise Stöhnen der Verletzten. Sie setzte sich mühsam ächzend mit dem Rücken an den Baum und streckte das rechte Bein vorsichtig wieder aus. Ein Streifschuss direkt in den Wadenmuskel, aus der Wunde lief helles Blut herab. Lyra betrachtete die Wunde kurz, die jetzt doch mehr schmerzte als vorhin, nahm ihre Waffe in beide Hände. Sie zog das Magazin heraus, leer. Ein Schweißtropfen rann über ihre linke Wange herab, sie wischte ihn mit dem Handrücken weg. Dann griff sie mit der rechten Hand an ihre Hüfte, wo das Ersatzmagazin hing. Sie erstarrte in der Bewegung. Wie aus dem Nichts war vor ihr ein Soldat aufgetaucht, ganz in Schwarz gekleidet mit schwarzem Helm und geschlossenem Visier, eine Handfeuerwaffe vor sich im Anschlag. Er war groß und schlank, durchtrainiert. Regungslos stand er vor ihr, seine Haltung eine einzige, stumme Geste.

    So also sieht das Ende aus, durchzuckte es ihre Gedanken. Alles Blut wich ihr aus dem Gesicht, sie hob den Kopf leicht an und blickte zu ihm hoch, wartete auf den Moment, den Schuss, der allem ein Ende setzen würde. Ihr Gesicht verriet nichts, keine Bitte um Gnade, kein Betteln, kein Flehen, vielleicht einen Hauch von Unschlüssigkeit, ob danach endlich Stille war, Ruhe nach all dem Schmerz der letzten Monate, ein kurzes Zögern, Lebenswille gegen Lebensüberdruss. Die Zeit schien sich endlos zu dehnen und zu strecken, in alle Richtungen, sie hörte das Tropfen des Regens, der von den Blättern niederfiel, die Seufzer der Verwundeten, das Knacksen eines Zweiges, den ein Tier im Wald zertrat, irgendwo entfaltete sich eine Blume, sprengte ein Insekt seinen Kokon. Die Luft flackerte, die Konturen verschwammen vor ihr. Sie sah die Soldaten sich anschleichen, vermied den Streifschuss am Bein, der sie am Gehen hinderte, noch weiter zurück erkannte sie die Falle, bevor sie gestellt wurde. In einer anderen, flirrenden Realität hinderte ein umgestürzter Baum die Gruppe am Weitergehen, der Umweg rettete allen das Leben. In einer sehr schwach sichtbaren, sehr unwahrscheinlichen, Realität sah sie sich selbst tot am Boden liegen vor der Hütte, Ben kniete neben ihr in einer Blutlache und rief „Lyra!! Wach auf!", und weinte. Ihr Geist materialisierte wieder in der Gegenwart, die Verschränkungen zerfielen in einen einzigen, realen Zeitfluss, dem Jetzt.  Zwei, drei weitere Sekunden später stellte sie verwundert fest, dass sie immer noch lebte, dann nahm sie ganz langsam, wie in Zeitlupe, die Hände hoch, die rechte hielt noch das Magazin, die linke die Waffe. Der Soldat schoss immer noch nicht, sagte nichts, bewegte sich nicht. Als ihre Hände auf Schulterhöhe angekommen waren, machte er eine kleine Geste mit der Waffe zur Seite. Ohne seinen Blick zu verlieren legte Lyra langsam Magazin und Waffe neben sich auf den Boden.

    Er rührte sich immer noch nicht. Was will er von mir, weshalb schießt er nicht?, dachte sie verwundert.

    „Aufstehen, Hände hoch, umdrehen!" sagte er endlich mit dunkler Stimme, etwas gedämpft vom Visier, wie aus einer anderen Realität klang seine Stimme in der zähen Stille. Langsam erhob sie sich, während sie versuchte zu begreifen, weshalb sie sein Anschleichen nicht gespürt hatte, nicht im Mindesten geahnt hatte. Da war nichts gewesen, kein Flirren in der Zeit, kein Hinweis auf eine Gefahr, einfach gar nichts. Seltsam. Als sie auf den Beinen stand und immer noch lebte – offenbar hatte er wirklich nicht vor zu schießen – fing ihr Gehirn langsam wieder an zu arbeiten.

    „Auf die Knie und die Hände auf den Kopf!" befahl er. Sie kniete sich vorsichtig ab, die linke Hand auf den Kopf gelegt, die rechte bis auf Schulterhöhe  erhoben.

    „Beide Hände!" raunzte er sie an.

    „Kann ich nicht, der Arm ist verletzt…", erwiderte sie, aber das war ihm wohl zu langsam, sie spürte noch einen Schlag am Kopf und alles wurde schwarz.

    Chrispen

    Sie sackte zu Boden. Chrispen kickte die Waffe aus ihrer Reichweite und kniete sich neben sie. Mit der Hand strich er ihr die Haare aus dem Gesicht und drehte sie leicht auf die Seite, so dass er sie ansehen konnte.

    „Lyra murmelte er, „was machst Du denn hier? Er zog ein Fesselband heraus, legte es auf ihre Handgelenke und lies es zuschnurren. Das gleiche machte er mit ihren Knöcheln, wobei er mit einem prüfenden Blick den Streifschuss an ihrer Wade taxierte. Dann fiel ihm ihre Antwort ein und er zog ihr Shirt an der rechten Schulter zur Seite, bis er den blutigen Verband über dem Schlüsselbein sah. Er sah sich um. Von seinen Leuten waren genau noch zwei am Leben. Dabei hatte der Tag zwei Stunden vorher so friedlich begonnen:

    Morgenstern wachte früh auf, wie immer, wenn er Dienst hatte. Sein Kopf brummte noch etwas von den reichlichen Mengen kaltischen  Bieres, das er gestern nach Dienstende mit seinen Männern verzecht hatte. Ab und zu musste das sein, um die Truppe bei Laune zu halten, obwohl er selbst nur noch selten trank und gar nicht mehr spielte, seit er bei der kaiserlichen Armee war. Aber die Mannschaft brauchte das, und er durfte sich nicht immer ausklinken; ein Offizier muss auch immer Teil des Teams sein, das hatte ihm der Militärpsychologe während der Ausbildung auf Karousza immer wieder eingebläut. Er setzte sich auf und sah sich um. Wo waren die Kopfschmerztabletten? Das Zimmer war nüchtern und sparsam möbliert. Neben einer Liege, die als Bett und als Sofa diente und mit dem üblichen Armeegrau bezogen war, gab es einen Kleiderschrank und einen kleinen Tisch mit zwei Stühlen, alles auf circa fünfzehn Quadratmetern. Daneben hatte er noch den Luxus der Offiziere: ein eigenes Duschklobad, geschätzte drei Quadratmeter groß, und einen Extraschreibtisch mit Kommandozentrale und Computer- bzw. Kommunikatorterminal, damit er ständig Kontakt zum Hauptquartier halten konnte.

    Immerhin, dachte er sich, muss ich mir nicht täglich Dusche und Klo mit neununddreißig anderen teilen.

    Das hatte er am Anfang am meisten gehasst, deswegen hatte er sich am Riemen gerissen, um so schnell wie möglich Offizier zu werden, auch wenn die anderen über seinen Ehrgeiz gelacht hatten.

    Aber sie mussten ja auch nicht zehn Jahre wegen Spielschulden zwangsweise abbrummen, dachte er. Dann wenigstens zehn komfortablere Jahre.

    Er streckte sich und stand auf, dann nahm er ein Glas Wasser und eine Kopfschmerztablette. Ein Blick auf das Display am Schreibtisch verriet ihm, dass heute nichts Besonderes anstand, ein ganz normaler, mieser Regentag auf Hooi mit seinem anstrengenden Klima. Zum Glück waren keine Stürme oder dergleichen angekündigt, denn er wollte heute von seinen Leuten die drei Gleiter, die zu ihrer Basis gehörten, sowie den Mannschaftstransporter checken lassen und den üblichen Service durchführen, der schon ein paar Tage überfällig war. Bei Sturm war das zu gefährlich, aber wie das Wetter heute aussah, konnten sie gleich anfangen.

    Er zog sich an, wie immer ganz in schwarz, ein weiteres Privileg der Offiziere, die zwischen grau und schwarz wählen durften, außer natürlich bei der Paradeuniform. Schwarze Hose, schwarzes Hemd, er zögerte kurz, dann nahm er das Hemd mit den Rangabzeichen und schlüpfte hinein. Schwarze Socken, schwarze Stiefel, schwarze Seele, dachte er und grinste.

    Wie Lyra immer gewitzelt hatte… warum muss ich jetzt plötzlich an Lyra denken? dachte er, das ist mir ewig nicht passiert.

    Er runzelte die Stirn und verscheuchte die trüben Gedanken. Dann ging er in die Kantine und nahm sich ein belegtes Dauerbrot mit dem gesundem Vonallemetwasnurnichtlecker-Aufstrich, wie sie es nannten, und eine Tasse Tee. Der Kaffeeersatz hier war ungenießbar, Chrispen war da immer noch empfindlich. Er hatte viele gute Jahre damit verbracht, sehr viel Geld für noch besseres Essen und Trinken auszugeben, als dass er jetzt dieses Getränk auf leeren Magen ertragen konnte.

    Außer ihm war nur der Stift, Rekrut Sonnleitn, und ein anderer Soldat schon wach, dessen Name ihm gerade nicht einfiel, einer der Neuen. Sonnleitn war gerade dabei, das Frühstück für die anderen Soldaten herzurichten. Am Display der Spülmaschine konnte Morgenstern sehen, dass er mindestens schon seit vierzig Minuten hier arbeiten musste; er nickte ihm lobend zu. Der Rekrut freute sich sichtlich darüber und werkelte emsig weiter. Gerade als er wieder hinausging kamen vier andere Soldaten herein, die ihn sofort militärisch grüßten. Er nickte ihnen kauend zu und verschwand wieder in seinem Zimmer. Zum einen war die Kantine der lieblosteste Raum, den man sich vorstellen konnte: triste graue, unbequeme Möbel in einem würfelförmigen Anbau aus dünnen Holzplatten, der innen mit Desinfektionsfarbe gestrichen war, natürlich in hellgrau. Dazu eine jämmerliche Deckenbeleuchtung und der stetig strenge Geruch nach Desinfektionsmitteln aus der Küche, um das gesammelte Ungeziefer von Hooi von den Lebensmittelvorräten fernzuhalten. Kam man nach Thekenschluss, so kam noch der penetrante Geruch von Chlor hinzu, alles zusammen eine sehr appetitliche Mischung, fand Chrispen.

    Außerdem sollten die Soldaten in der Kantine unter sich bleiben können und einen Ort zum Lästern über die Vorgesetzten haben; das war jedenfalls seine Ansicht.

    Wieder im Zimmer packte er seine Sachen ein; er wollte mit einer kleinen Truppe einen Streifzug machen, während die Techniker und der Rest sich um die Fahrzeuge kümmern sollten. Sie hatten vor kurzem Spuren eines Banta-Bären gesehen, der konnte ihnen im Winter Ärger machen, wenn sie ihn nicht vertreiben konnten. Einen Satz Wurfmesser, Munition, Pistole, Minikommunikator; er zögerte kurz, dann nahm er ein kleines schwarzes, achteckiges  Kästchen aus dem Schrank und betrachtete es nachdenklich. Es war vollkommen symmetrisch gebaut und ebenmäßig schwarz, ohne Maserung, Struktur oder Tasten; es gab keinerlei Hinweis auf seine Funktion oder seinen Sinn.

    Vvyyrrhische Technik, dachte er, makellos und unfassbar leistungsfähig. Er steckte es sich in eine Tasche am rechten Oberschenkel ein, ans linke Bein kam ein langes Messer mit dunkelgrauer, makelloser Klinge in die passende Scheide hinein; das Messer war vollkommen schlicht außer einem schmalen,  goldenen Band, das sich am Griff nach oben wand und bei näherem Hinsehen wie eine Schlange aussah. So ausgestattet fühlte er sich vollständig, er hatte seine wertvollsten Dinge dabei.

    Er nahm noch das Gewehr, eine Box Zusatzmunition und eine wetterfeste Jacke und legte sich alles zu Recht auf dem Stuhl. Dann machte er eine Durchsage: „Guten Morgen, meine Frühaufsteher und Langschläfer, heute ist ein schöner, neuer Tag auf unserem Lieblingsplaneten, der Strafkolonie Hooi. Wir alle werden heute einen Ausflug nach draußen machen, das Wetter ist als stabil angekündigt, soweit man der Vorhersage trauen kann." In der Kantine lachten einige, da sie wussten, wie unzuverlässig die Prognosen waren.

    Und dass sie bei Kommandant Morgenstern auch mal lachen durften.

    „Sanders, Burn, Prim und das M9 Team gehen mit mir, die anderen kümmern sich um die Fahrzeuge, und zwar um alle. Große Inspektion, alle hydraulischen Flüssigkeiten erneuern, alles prüfen und alle gefunden Schäden melden und sofort beheben, ist das klar? Bis heute Abend sind die Fahrzeuge fertig! Wer technisch nichts drauf hat, darf putzen und wienern und Teile schleppen. Das Kommando über die Techniktruppe hat wie immer Troussard. Abmarsch für alle in fünf Minuten! Ich wünsche einen schönen Tag auf Hooi, unser Lieblingsstrafkolonie!"

    Er hörte förmlich die Flüche, als alle aufstanden und gleichzeitig losrannten, vor allem die, die in Richtung Toilette liefen, und grinste in sich hinein. Ein weiterer, schöner Tag auf Hooi! Er nahm das Gewehr und seine Jacke und ging hinaus. Es war fünf Uhr morgens, um sechs ging die Sonne auf, die Dämmerung war hier, so weit oben im Norden, noch nicht angebrochen, das würde noch etwa fünfzehn Minuten dauern. Die Basis befand sich im äußersten Sicherheitsring um die Flughäfen von Hooi, die beide, der zivile und der militärische, direkt neben der Hauptstadt Hooituine angelegt waren.

    Hooituine war die einzige Stadt auf Hooi überhaupt; als der Kaiser beschlossen hatte, hier die größte Strafkolonie der bekannten Welten einzurichten, wurden alle anderen Siedlungen aufgelassen und die meisten Anwohner zwangsweise umgesiedelt auf andere Welten.

    Hooituine ist die einzige Abwechslung überhaupt auf diesem Planeten, wenn man von Begegnungen mit exotischen Raubtieren und unangenehmen Krankheitserregern einmal absieht, die einem im Tropendschungel  begegnen, dachte Chrispen.

    Er selbst ging nur selten in die Stadt; die meisten dort angebotenen Vergnügungen interessierten ihn überhaupt nicht. Gelegentlich kam eines der Mädchen aus einem der Freudenhäuser auf der Basis vorbei, um Werbung zu machen; dann ließ er sich manchmal überreden und ging mit. Am nächsten Tag hatte er einen abgestanden Geschmack und ein schales Gefühl, das war alles, was übrigblieb, obwohl die Frauen sich größte Mühe gaben, ihm zu gefallen.

    „Wir könnten heiraten. hatte Katarina, seine Lieblingsnutte, eine schöne Brünette mit großem Busen, einmal zu ihm gesagt. „Ich bin eine Hure, Du ein Soldat, das passt doch gut zusammen. Wir tun beide für Geld, was wir am besten können! Er hatte sie angelächelt, aber nicht geheiratet; sein Herz war nicht mehr wirklich bereit für eine feste Bindung.

    Als alle beieinander standen und die Ausrüstung nochmals geprüft worden war, verteilte er zusätzlich einen Satz schwerer Sturmgewehre. Mit Banta-Bären war nicht zu spaßen, und so nahm jeder noch einen extra Satz Munition mit. Er sah auf sein Display. Ausbrüche waren heute keine gemeldet worden; vor zehn Tagen waren ein paar Steinbrüchler am Äquator als fehlend gemeldet, aber danach war nichts mehr. Die waren bestimmt längst tot und aufgefressen. In den zwölf Jahren, in denen er hier stationiert war, hatte es noch kein einziger Strafgefangener bis nach Hooituine geschafft; das Klima war einfach zu extrem und die Gefahren zu groß, als dass man ohne Ausrüstung irgend eine Chance hatte. Geschweige denn, zum Flughafen zu gelangen.

    Er fand die Spur des Bären schnell wieder, als er mit Prim vorausging und das kleine Wäldchen umrundete, das an die Basis angrenzte. Sanders und Burn waren anders herumgegangen und gerade wieder in Sichtweite, als Burn plötzlich auf etwas zeigte; Sanders nahm das Gewehr hoch und feuerte in die angegebene Richtung, dann noch einmal, dann hatte auch Burn das Gewehr erhoben und schoss ebenfalls. Im schwachen Dämmerlicht des einsetzenden Tages konnte Morgenstern eine Gruppe von fünf unbekannten Personen erkennen, die sich jetzt hinter den Büschen versteckten. Einer war offensichtlich getroffen worden, denn ein anderer half ihm noch hinkend in Deckung zu gelangen. Zwei rannten in Richtung einer Gruppe von größeren Steinen, da hob Morgenstern die Waffe und schoss ebenfalls. Der erste sank getroffen zu Boden, doch der andere Schuss verfehlte sein Ziel. Mist, dachte Morgenstern, der sonst nie danebenzielte, und ärgerte sich.

    Dann überlegte er.

    Die Dreiergruppe lieferte sich jetzt ein Gefecht mit Burn und Sanders. Ein Licht verschwand auf seinem Display. Er gab Prim leise Anweisung, zurück zu gehen und die M9er hierher zu holen; Prim rannte geduckt nach hinten weg, in einem Bogen um das Gefechtsfeld herum.

    Dann war wieder Stille, als er den einzelnen Gegner bemerkte, der offenbar die Stellung wechseln wollte, so wie er um die Steine spähte. Chrispen wartete reglos, das Gewehr im Anschlag, als aus dem Gebüsch hinten ein Schuss kam, daraufhin erwiderten seine Leute sofort das Feuer wieder, der Schütze zog sich zurück. Er ließ frustriert das Gewehr sinken, dann war Stille.

    Der einzelne Schütze, der hinter der Steingruppe Deckung gesucht hatte, rannte unvermittelte zu einem alten, großen Baum, der etwas weiter weg stand und von dem aus man den ganzen Platz überblicken konnte. Chrispen riss das Gewehr hoch und feuerte zweimal, er erwischte ihn, wenn überhaupt, nur als Streifschuss, denn der Gegner rannte weiter und warf sich mit einer Rolle hinter dem Baum in Deckung.

    Was für ein Scheißtag, dachte Chrispen, ich muss dringend auf den Schießstand, das gibt´s doch nicht! Ich hab dich doch erwischt, warte nur, ich krieg dich noch ganz, Du Mistkerl!

    Dann war alles wieder leise, bis plötzlich Prim und die M9 um die Ecke des Holzstapels bogen. Doch der Einzelschütze nutzte die neue Situation und gab nun eine Reihe von Schüssen ab; dabei nutzte er den Baum geschickt als Deckung – und erzeugte Stille.

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