Heil ohne Kirche?: Antworten von Karl Rahner, dem Zweiten Vatikanischen Konzil und der Erklärung Dominus Iesus
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Wie konkurrierende Wahrheitsansprüche, rechtfertigender Glaube und christliche Identität zusammen gedacht werden können, hat den katholischen Theologen Karl Rahner zu seiner Theorie vom "anonymen Christen" geführt. Sie ist eine wichtige Vorarbeit für das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) gewesen. Die kuriale Erklärung Dominus Iesus (2000) hat schließlich in der Rezeption des Konzils in dieser Frage einen wichtigen Akzent gesetzt.
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Heil ohne Kirche? - Cornelius Keppeler
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Geleitwort
Eine der wichtigsten Voraussetzungen für ein friedliches Zusammenleben der Menschen in unserer Zeit ist ein gutes Verhältnis der Religionen zueinander. Schreckliche Kriege und Verfolgungen in unseren Tagen zeigen, wohin religiöser Fundamentalismus und Fanatismus führen können. Für Papst Franziskus ist deshalb der interreligiöse Dialog „eine notwendige Bedingung für den Frieden in der Welt und darum eine Pflicht für die Christen wie auch für die anderen Religionsgemeinschaften¹. Dieser Dialog „kann zu einem Prozess werden, in dem durch das Hören auf den anderen beide Seiten Reinigung und Bereicherung empfangen. Daher kann dieses Mühen auch die Liebe zur Wahrheit bedeuten.
²
Solche Worte eines Papstes hätte man sich bis in jüngere Zeit wohl kaum vorstellen können. »Außerhalb der Kirche kein Heil« – das war doch ein Grundsatz, der Jahrhunderte hindurch das Bewusstsein gerade auch der Katholiken geprägt hat. Und nun sollen sie – ohne die Kernbotschaft von der Selbstmitteilung Gottes in Jesus Christus aufzugeben, ja sogar durch sie angestoßen – die anderen Religionen wertschätzen und bereit sein, von ihnen zu lernen? Wie war diese Entwicklung möglich? Wichtige Anstöße dazu hat Karl Rahner mit seiner Lehre vom »anonymen Christen« gegeben. Das Zweite Vatikanische Konzil hat diese Anregungen aufgegriffen. Unter den Theologen wurden sie weiter entfaltet und diskutiert – etwa im Zusammenhang mit der Erklärung Dominus Iesus.
In der vorliegenden Abhandlung »Heil ohne Kirche?« zeigt Cornelius Keppeler die Stationen dieses Weges sehr fundiert und differenziert auf. Wer kennenlernen möchte, wie sich auch innerhalb der Kirche theologische Lehre und Bewusstsein verändern und erweitern, findet darin wertvolle Anregungen zu einem Thema, das immer noch von großer aktueller Bedeutung ist.
Frankfurt, 28. Februar 2015
P. Erhard Kunz SJ
¹ Papst Franziskus, Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, Rom 2013, Nr. 250.
² Ebd.
Vorwort
Unter Theologen und Philosophen wird die Frage des christlichen Absolutheitsanspruchs, wie ihn insbesondere die katholische Kirche konsequent vertritt, und seine Berechtigung immer wieder und zum Teil sehr kontrovers diskutiert. Innerhalb von Theologie und Kirche fokussiert sich die Auseinandersetzung vor allem auf die pluralistische Religionstheologie, die diesem Anspruch des Christentums, aber auch jenen anderer Religionen prinzipiell widerspricht. In eine ähnliche Richtung weist Hans Küng mit seiner »Stiftung Weltethos«, der die gemeinsame Wertebasis der Religionen so stark betont, dass er dabei nicht umhinkommt, das spezifisch Religiöse – im Fall des Christentums das Verständnis der Person Jesus als Gottessohn – zu Gunsten des Ethischen zu relativieren. Der Anspruch der Religionen, Wahrheiten absolut zu vertreten, führt im gesellschaftlichen Diskurs zu dem Vorwurf der Intoleranz und des Fundamentalismus.
Die vorliegende Untersuchung baut auf der Diplomarbeit des Autors auf, die an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen (Frankfurt am Main) unter dem Titel »Extra Ecclesiam nulla salus – extra Christum nulla salus? Zur Frage der Heilsmöglichkeit außerhalb der Kirche nach der Theorie vom ›anonymen Christen‹ nach Karl Rahner und in den Texten des Zweiten Vatikanischen Konzils« im Jahr 2000 abgegeben worden ist. Die fachliche Betreuung sowie die Erstellung der sehr positiv ausgefallenen Gutachten übernahmen seinerzeit P. Medard Kehl SJ und P. Erhard Kunz SJ, denen der Autor an dieser Stelle nochmals herzlich dankt. Der Dank an sie richtet sich jedoch nicht nur in die Vergangenheit, sondern auch in das Heute, da sich P. Kehl bereitgefunden hat, das erweiterte und ergänzte Manuskript zu studieren und ihm mit seinen Anregungen den letzten Schliff zu geben, während P. Kunz ein Geleitwort beigesteuert hat, das den gegenwärtigen Kontext und die Aktualität des Themas aufzeigt.
Da mit der Erklärung der Glaubenskongregation Dominus Iesus ein für die Auseinandersetzung mit der Heilsfrage wichtiges Dokument vorliegt, ist es notwendig und weiterführend, dieses in angemessener Breite zu behandeln. Zumal sich dadurch interessante Erkenntnisse zur Rezeption der Konzilstexte und des Rahnerschen Ansatzes ergeben. Darüber hinaus dokumentiert diese Erklärung einen wichtigen Schritt in der Auseinandersetzung der Kirche mit der Welt. Sie stellt einen Beitrag in der Debatte um Werte, deren Begründung und deren Verbindlichkeit dar. Darin geht es vordergründig – mit intellektuellem Schwerpunkt – darum, ob es Wahrheit gibt oder ob sie innerhalb eines Paradigmas des Relativismus aufgehoben oder gar abgeschafft ist; hintergründig stellt sich jedoch – mit existentiellem Schwerpunkt – die Frage nach dem Heil.
An dieser Stelle sei dem Bistum Limburg herzlich gedankt, dass die Veröffentlichung mit einem großzügigen Druckkostenzuschuss ermöglicht hat.
Hofheim am Taunus, 14. April 2015
Cornelius Keppeler
1 Einleitung
»Extra Ecclesiam nulla salus« ist ein bekanntes theologisches Axiom.¹ Es steht in einem schlechten Ruf, weil mit ihm kirchlicher Machtanspruch und elitäres Verhalten, vielleicht sogar Arroganz assoziiert werden. Im Laufe der Beschäftigung mit diesem Satz wird sich zeigen, inwieweit diese Einschätzung richtig ist und wie er von den Kirchenvätern verstanden wurde. Mit dem »Extra Christum nulla salus« soll das ekklesiologische Axiom auf seinen eigentlichen Bedeutungsinhalt zurückgeführt und seine theologische Grundlage präzisiert werden.
Karl Rahner hat mit der Entwicklung seiner Theorie vom anonymen Christen die Frage nach der Heilsmöglichkeit der Nichtchristen positiv beantworten können. Damit hat er dem Verständnis des Axioms aus der Zeit vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil, wonach es nur für Mitglieder der römisch-katholischen Kirche Heil gebe, widersprochen. Das Konzil hat diese Anregung aufgegriffen, so dass sie in seinen Dokumenten Niederschlag gefunden hat.
»Anonymer Christ« besagt nach Rahner, „daß ein Mensch von Gott gerechtfertigt und geheiligt sein und somit das endgültige Heil finden kann, auch wenn er schuldlos nicht zur Kirche gehört, ja sogar sich selbst als Atheist versteht."² Diese Position hat Kritik und Einwände anderer Theologen provoziert, zumal Rahner sogar soweit geht, den nichtchristlichen Religionen als solchen eine positive Bedeutung zuzuschreiben. Inwieweit diese Position das Zweite Vatikanische Konzil aufgegriffen hat und wie die konziliaren Aussagen von der Erklärung Dominus Iesus rezipiert worden sind, wird sich im Laufe der Untersuchung herausstellen. Die daraus erwachsenen Erkenntnisse werden in einem letzten Kapitel auf das ekklesiologische Axiom »Extra Ecclesiam nulla salus« und den christologischen Satz »Extra Christum nulla salus« hin interpretiert, so dass Konsequenzen für deren Verständnis gezogen werden können. Da die Heilsfrage jedoch mehr als nur eine theoretische Denksportaufgabe ist – dies lässt sich bereits daran erkennen, dass das Theologumenon des »anonymen Christen« eine Antwort auf eine Fragestellung aus der Seelsorge darstellt –, werden am Ende praktische Perspektiven skizziert. Hierbei spielt die Frage der Kommunikation zwischen Kirche und Welt, zwischen Theologie und Gesellschaft eine zentrale Rolle.
¹ Vgl. Lochbrunner, M., Extra ecclesiam nulla salus.
² Schwerdtfeger, N., Art. Anonymer Christ, 702.
2 Die Theorie vom anonymen Christen nach Karl Rahner
„Sehen Sie, das ist eine furchtbar einfache und simple Sache, ob man das Gemeinte so nennt oder nicht, darüber kann man sich streiten. Nämlich, daß jemand, der seinem eigenen Gewissen folgt, ob er nun meint, Christ oder Nichtchrist sein zu müssen, ob er meint, Atheist sein zu müssen oder das Gegenteil sein zu müssen, daß ein solcher vor Gott und von Gott akzeptiert ist und das ewige Leben erreichen kann, das wir als das Ziel aller in unserem christlichen Glauben bekennen. Mit anderen Worten: Gnade und Rechtfertigung, Einheit und Verbundenheit mit Gott, Möglichkeit der Erlangung des ewigen Lebens hat nur am bösen Gewissen eines Menschen eine Grenze. Und das ist eigentlich das, was mit ›anonymem Christentum‹ gesagt sein soll."¹
So fasst Karl Rahner in einem Gespräch kurz und knapp zusammen, was mit dem »anonymen Christentum« gemeint ist. Ganz so »furchtbar einfach« und »simpel« sind seine grundlegenden und auf das Theologumenon hinführenden Überlegungen jedoch nicht. Doch bleibt der Zielpunkt tatsächlich eindeutig: Gibt es außerhalb des institutionell verfassten Christentums, der sichtbaren Kirche, Heil? Und wenn ja, warum?
Mit der Frage nach einer Heilsmöglichkeit für Nichtchristen weiß sich Rahner bereits innerhalb einer alten Tradition.² Die Aufgabe bei der Suche nach dieser Möglichkeit ist das Verbinden zweier grundlegender Sätze, „nämlich die Notwendigkeit des christlichen Glaubens einerseits und den allgemeinen Heilswillen der göttlichen Liebe und Allmacht anderseits³. Diese Synthese gelingt ihm mit der Theorie vom anonymen Christen, nach der „es außerhalb des Christentums bis in die Reihen der Atheisten hinein Menschen gibt, die durch die Gnade Gottes gerechtfertigt sind und den Heiligen Geist besitzen
⁴. Wie ihm dies gelingt und wie er seinen Gedankengang begründet, wird im Folgenden dargelegt werden.
¹ Rahner im Gespräch mit Meinold Krauss, 54.
² „Sehen Sie mal, schon im Trienter Konzil, also vor vielen hundert Jahren, gab es zum Beispiel die Lehre von der sogenannten Begierde-Taufe. Das heißt, jemand, der in seiner eigentlichen sittlichen Richtung positiv auf Gott ausgerichtet ist, ist schon nach dieser alten katholischen Lehre, die auf die Zeiten von Ambrosius zurückgeht, ein gerechtfertigter Mensch. Auch wenn er noch nicht getauft ist", ebd.
³ Rahner, K., Art. Mission und »implizite Christlichkeit«, 548.
⁴ Rahner, K., Bemerkungen zum Problem des »anonymen Christen«, 335.
2.1Grundlegende Texte
Die Ausbildung der Theorie vom anonymen Christen geschieht in verschiedenen Gedankengängen Rahners zu eigentlich anderen Themen. So stellt sich die Frage nach der Heilsmöglichkeit derer, die außerhalb der katholischen Kirche leben, schon 1947 in einem Aufsatz¹ zur Enzyklika Mystici corporis Pius’ XII. Dieses Lehrschreiben wirkt durch die Aufnahme biblischer Aussagen in die Ekklesiologie einem lediglich juridischen Kirchenverständnis entgegen. Eine weitere Annäherung an das spätere Theologumenon erfolgt in einer Auseinandersetzung mit der Situation des (heutigen) Christen, der angesichts des weit verbreiteten Unglaubens um das Heil der ihm am nächsten stehenden in Sorge ist.² Entscheidend sind die Konsequenzen, die sich aus Rahners Gedanken »Exkurs: Über das Martyrium« ergeben, weil hier die Grundlage für eine Heilsmöglichkeit ohne explizite Kirchengliedschaft³ lediglich durch den in Freiheit angenommenen Tod gelegt wird. Diese drei Texte werden nun näher betrachtet.
¹ Vgl. Rahner, K., Die Gliedschaft in der Kirche nach der Lehre der Enzyklika Pius’ XII. »Mystici Corporis Christi«.
² Vgl. Rahner, K., Der Christ und seine ungläubigen Verwandten.
³ Vgl. Denzinger/Hünermann 3802.
2.1.1»Die Gliedschaft in der Kirche nach der Lehre der Enzyklika Pius’ XII. ›Mystici Corporis Christi‹«¹ (1947)
Diesen Aufsatz strukturiert Rahner durch drei Fragen, anhand derer er den Inhalt der Enzyklika darstellt und interpretiert, um daraus Konsequenzen zu ziehen:
„I. Was sagt die Enzyklika über die Bedingungen der Zugehörigkeit zur Kirche?
II. Was sagt sie über die Möglichkeit einer gnadenhaften Verbundenheit mit Christus für jene Menschen, die im Sinn der Antwort auf die erste Frage nicht Glieder der Kirche sind?
III. Was ergibt sich aus der Antwort auf die beiden ersten Fragen an weiteren Feststellungen und weiterer Problematik für das Wesen der Kirche selbst?"²
Rahner stellt zunächst fest, dass von der Enzyklika mit dem Begriff »Kirche« „die römisch-katholische Kirche gemeint [ist], die sich als auch äußere, sichtbar organisierte Gesellschaft unter dem römischen Bischof von Christus gestiftet weiß und sich als solche grundsätzlich zum Heil notwendig erklärt³. Danach geht er auf die überkommene Lehre ein, nach der die Sichtbarkeit der Kirche „mehrere Dimensionen
⁴ umfasst: potestas iurisdictionis und potestas ordinis. Doch bezüglich der Kirchengliedschaft ergibt sich hier bereits ein erstes Problem. Denn die „kirchliche Lehre betrachtet grundsätzlich die Taufe, also einen Akt sakramentaler, in sich nicht iurisdiktioneller Gewalt, als die Handlung, durch die (…) ein Mensch Mitglied der Kirche wird, und es handelt sich dabei ganz offenbar um die gliedhafte Zugehörigkeit zur Kirche als einer sichtbaren, ja sogar rechtlichen, also iurisdiktionellen Größe."⁵
Neben die Frage nach der Taufe tritt die des Glaubensbekenntnisses bzw. der kirchlichen Autorität und damit die Frage nach der Kirchengliedschaft der Häretiker und Schismatiker.⁶ Da sich die Sichtbarkeit der Kirche aus verschiedenen Elementen zusammensetzt, kann eine „Zugehörigkeit zur einen Kirche im eigentlichen und vollen Sinn schon nicht mehr gegeben [… sein], wenn bloß eines der Momente fehlt, die zur Konstitution dieser gliedhaften Zugehörigkeit gehören"⁷. Das heißt aber nicht, dass ein noch vorhandenes, womöglich unaufhebbares Element nicht weiterhin rechtliche Folgen haben kann. Ganz unabhängig von dieser sichtbaren Zugehörigkeit ist jedoch der persönliche Glaubensvollzug. So sind für die Frage der Kirchengliedschaft „nur die Punkte bedeutsam und entscheidend, die die Kirche als sichtbare öffentlich-rechtliche Gesellschaft berühren."⁸
In der Enzyklika Mystici corporis werden nun ausdrücklich die drei Bedingungen, die zur vollen Zugehörigkeit zur Kirche erforderlich sind, genannt. „Glied der Kirche (Ecclesiae membrum) ist nur der, der erstens die Taufe empfangen hat, zweitens den wahren Glauben bekennt (veram fidem profiteri), drittens sich nicht entweder selbst vom Verband der kirchlichen Körperschaft (corporis compago) getrennt hat oder von ihm durch die kirchliche Autorität getrennt wurde."⁹ Damit wird keine neue theologische Sachlage geschaffen, jedoch Missverständnissen entgegengetreten, nach denen auch die voneinander durch den Glauben Getrennten trotzdem zusammen die eine Kirche bilden, was jedoch zutiefst dem inkarnatorischen Grundsatz des Christentums widerspricht, nach dem Gott Mensch wurde (vgl. Phil 2,6f).
Die zweite Frage, die auf die Möglichkeit der Verbundenheit mit Christus außerhalb der Kirche zielt, kann sowohl auf die Heilsnotwendigkeit der Kirche als auch auf die Gnadenmöglichkeit der Menschen, die die Kirchengliedschaft entbehren, bezogen werden. Es ist hierbei zu beachten, dass die Heilsnotwendigkeit der Kirchengliedschaft und die Heilsnotwendigkeit der Taufe nicht gleichzusetzen sind. So verweist Rahner auf Pius IX., der in der Ansprache Singulari quadam (1854) feststellt, „daß Menschen gerettet werden können, die außerhalb der Kirche leben."¹⁰ In eine ähnliche Richtung geht der Ausdruck des votum baptismi auf dem Konzil von Trient (1545-1563), der „eine übernatürliche Rechtfertigung des Menschen [bezeichnet], schon bevor die grundlegende Bedingung der Zugehörigkeit zur Kirche, nämlich die tatsächliche Taufe, gegeben ist."¹¹
Von diesem votum baptismi leitet Rahner nun ein votum Ecclesiae ab, „eine Gliedschaft an der Kirche in voto, ein Begehren der vollen Zugehörigkeit zur Kirche.¹² Dieses Begehren differenziert er in ein ausdrückliches, wie es bei einem Katechumenen vorliegt, der vor dem Empfang der Taufe stirbt, und in ein implizites, welches „einschlußweise vorhanden sein [kann] in einer allgemeinen ernsthaften sittlichen Bereitschaft, alles zum Heil Notwendige zu tun
¹³. Rahner zieht aufgrund dieser Überlegung die Konsequenz, dass die Kirchenzugehörigkeit „mittelhaft heilsnotwendig in dem Sinn [ist], daß sie unter Umständen auch vertreten werden kann durch die (ausdrücklich oder eingeschlossen) begehrte Gliedschaft an der Kirche. Und in diesem Sinn ist dann die wirkliche volle Zugehörigkeit nur notwendig in einer hypothetischen Notwendigkeit des Mittels.¹⁴ Damit ist gesagt, dass auch ein Mensch ohne äußere Zugehörigkeit zur Kirche das übernatürliche Ziel erreichen und Heil erlangen kann, wenn er „einen inneren übernatürlichen Glauben und eine auf ihm aufbauende übernatürliche Gottesliebe
¹⁵ hat, was gleichbedeutend ist mit dem Begehren der äußeren Gliedschaft an der sichtbaren Kirche. Mit diesen sich neu ergebenden Möglichkeiten der Kirchengliedschaft, die neben der vollen Gliedschaft auch geringere und lockerere Weisen der Zugehörigkeit zu Christus und seiner Kirche zulassen, scheint eine terminologische Präzisierung der Begriffe angebracht. Rahner schlägt vor, „daß ›Gliedschaft‹ (aktueller Art) in indivisibili ist (man ist Glied oder ist es nicht), daß aber ›Zugehörigkeit‹ verschiedene Grade haben kann und die volle und höchste ›Zugehörigkeit‹ eben – die Gliedschaft ist"¹⁶. Somit kann auch der besseren Unterscheidung der beiden Kirchenbegriffe – Kirche als sichtbare Gesellschaft und Kirche als »mystischer Leib«¹⁷ – Rechnung getragen werden. Mit der Enzyklika Mystici corporis bleibt wohl die Betonung auf der Heilsnotwendigkeit der gliedhaften Zugehörigkeit zur Kirche erhalten, auch wenn die Möglichkeit des Heiles für Menschen, die ohne persönliche Schuld keine vollen Glieder der Kirche sind, eingeräumt wird.
Die dritte Frage versucht, anhand der Antworten der beiden ersten Fragen tiefer in das Wesen der Kirche zu dringen und dieses darzustellen. Um der oben angeklungenen Spannung der beiden Kirchenbegriffe gerecht zu werden und damit das Wesen der Kirche adäquat ausdrücken zu